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20.01.2008, Nachtrag: 23.01.2008

Beschluss des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen vom 23. Januar 2008

Klage trotz Einsatzes verbesserter Wahlcomputer in Hessen

Acht hessische Gemeinden wollen bei der Landtagswahl in Hessen am kommenden Sonntag Wahlcomputer einsetzen. Um deren Einsatz zu verhindern, beantragte eine Wahlberechtigte mit Unterstützung des Chaos Computer Clubs (CCC) und der Piratenpartei den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Hessischen Staatsgerichtshof. Das Gericht will vor der Landtagswahl am 27. Januar 2008 entscheiden.

Nur verbesserte Wahlgeräte nach Probewahlen erlaubt – Prüfberichte online

Das Hessische Innenministerium hat mit Wahlerlass Nr. L 24 vom 6. Dezember 2007 nur die neuen, verbesserten Bauarten (vgl. Meldung vom 30. November 2007 – Innenministerium erteilte Bauartzulassung für verbesserte Wahlcomputertypen) zugelassen und darüber hinaus eine Probewahl mit je einem Wahlgerät in jeder Gemeinde, welche den Einsatz beabsichtigt, vorgeschrieben.

Die neuen Wahlgerätetypen sind mit einer besseren Dokumentation ausgestattet. Auch die neuen Sicherheitssiegel sind nun ausführlich dokumentiert, die Prüfung und deren Dokumentation auf einem Wahlgeräte-Begleitschein explizit vorgeschrieben. In den neuen Teilen der Bedienungsanleitung erkennt man, dass es sich dabei nicht um ein einfaches Papiersiegel handelt. „Die Siegel sind so beschaffen, dass sich das Material des Siegels teilt, wenn man es abzieht. Ein Teil des Siegels mit dem Schriftzug ‚VOID‘ verbleibt auf der Klebefläche.“

Auch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) betont in ihren Prüfberichten vom 11. Oktober 2007 (S. 34) die Bedeutung der Versiegelung: „Die Sicherheit des Wahlgerätes basiert wesentlich auf der Anbringung der amtlichen Versiegelung und der vorgeschriebenen Kontrolle dieser Versiegelung als auch auf der Kontrolle der Herstellerversiegelung, die deswegen für einen ordnungsgemäßen Einsatz der Wahlgeräte unabdingbar sind.“

Des Weiteren schreibt die Bedienungsanleitung vor, dass die Wahlgeräte und Speichermodule zwischen den Wahlen grundsätzlich gesichert und unter Verschluss zu lagern sind: „Sie dürfen unbefugten Personen nicht unbemerkt zugänglich sein.“ Die Einschränkung auf unbefugte Personen lässt jedoch wieder auf einen geringeren Stellenwert des Gefahrenszenarios Innentäter schließen. Es sollte aber niemand unbemerkt und unbeobachtet Zugang zu den Geräten erhalten können.

Die von einigen Wahlleitern beschriebene Lagerung in Einzelteilen zwischen den Wahlen (bspw. Viernheim) findet allerdings nur für die Stimmspeichermodule statt. Eine Demontage der versiegelten Wahlcomputer ist nicht vorgesehen und ohne Siegelbruch oder weitere Manipulationsrisiken auch nur schwer vorstellbar.

Durchführung der Probewahlen

Die Gemeinden Alsbach-Hähnlein, Bad Soden, Lampertheim, Langen, Niedernhausen, Niestetal, Obertshausen und Viernheim wollen Wahlgeräte einsetzen und haben daher entsprechende Probewahlen durchgeführt. Zum Teil wurden diese von Wahlbeobachtern (A, B, C, A. H. und TP), Reportern einer Zeitung (FR vom 9. Januar 2008) sowie dem Fernsehen beobachtet. In Langen und Alsbach-Hähnlein gab es dabei Abweichungen zwischen den Ergebnissen der Wahlcomputer und denen der Handauszählungen. In Langen führte man diese auf eine Fehleingabe zurück. Zudem war die erste Auszählung noch fehlerhafter – diese Fehler konnten bei einer Nachzählung entdeckt werden und wären nach Einschätzung von Langens Wahlleiter bei einer normalen Wahl wahrscheinlich nicht aufgefallen (Sicht der Stadt Langen). Der CCC sieht in den Probewahlen allerdings nur ein „Sicherheitsplacebo“.

Klage vor dem Hessischen Staatsgerichtshof

Nach der Genehmigung des Hessischen Innenministeriums zur Verwendung von Wahlgeräten beantragte eine Wählerin am 4. Januar dieses Jahres beim Hessischen Staatsgerichtshof den Erlass einer einstweiligen Anordnung, den Einsatz der Wahlcomputer zu untersagen (Pressemitteilung der Piratenpartei vom 7. Januar 2008). Die Argumentation deckt sich weitgehend mit der der Wahlprüfungsbeschwerde wegen des Einsatzes von Wahlcomputern bei Bundestagswahlen (2 BvC 3/07). Die Klägerin sieht Wahlgrundsätze verletzt, wenn sie oder andere Wähler ihre Stimmen mittels Wahlcomputer abgeben müssten. Auch das Öffentlichkeitsprinzip sei verletzt, da niemand nachprüfen könne, ob es sich um ein manipulationssicheres System handelt, da keine Überprüfbarkeit bei den eingesetzten Geräten gegeben sei. Der Staatsgerichtshof kündigte eine Entscheidung vor der Landtagswahl an.

Bauartunterschiede deutscher und niederländischer Geräte

Offen ist die Frage, wie groß die Bauartunterschiede der deutschen ESD1- und ESD2-Geräte zu der gehackten niederländischen Variante ES3B sind. Professor Richter von der PTB hat die am niederländischen Gerät festgestellten und dokumentierten Abstrahlungen bei den deutschen Geräten nicht feststellen können. Aus den Messergebnissen konnte die PTB keine Gefahr für das Wahlgeheimnis ableiten. Denkbaren stärkeren Abstrahlungen durch versehentliche oder absichtliche Beschädigungen will der Hersteller durch die Signalverrauschung der neuesten Geräte begegnen. Über weitere konkrete Bauartunterschiede oder Gemeinsamkeiten kann die PTB nichts sagen, da dort bisher keine ES3B-Geräte untersucht wurden. Von einer vergleichenden Untersuchung zwischen ES3B und ESD1/ESD2 ist der PTB auch nichts bekannt. Ein Hacken deutscher Geräte erscheint zwar prinzipiell möglich, wäre aber wegen zusätzlicher Sicherheitskontrollen in der Software selbst noch aufwendiger.

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von Martin Fehndrich (20.01.2008, letzte Aktualisierung am 21.01.2008)