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19.10.2006
Um trotz des Einsatzes von Wahlcomputern eine geheime Wahl und einen ordnungsgemäßen Wahlablauf gewährleisten zu können, hat die Cottbusser Kreiswahlleiterin, Sabine Hiekel, die Sicherheitsmaßnahmen bei der Oberbürgermeisterwahl am 22. Oktober 2006 verschärft.
Die Wahl eines neuen Oberbürgermeisters in Cottbus wird wie geplant stattfinden, da es in Deutschland keine entdeckten Sicherheitsmängel bei den verwendeten elektronischen Wahlgeräten gibt!
Wegen der Funk-Abstrahlungen der bauähnlichen ES3B-Wahlgeräte in den Niederlanden wird es Einschränkungen beim Betrieb elektronischer Geräte geben (vgl. Meldung vom 10. Oktober 2006 – Kann man mit Wahlcomputern in Deutschland geheim wählen?).
Wer am Wahltag in irgendeiner Art und Weise versucht, die Ordnung im Wahllokal oder den Wahlfrieden zu stören bzw. wer einer dem Schutz des Wahlgeheimnisses dienenden Vorschrift in der Absicht zuwiderhandelt, sich oder einem anderen Kenntnis davon zu verschaffen, wie jemand gewählt hat, wird mit ordnungsrechtlichen oder strafrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.
Die bewusste Handhabung oder Betreibung von elektronischen Geräten (das kann ja vieles sein wie z. B. auch Handys, Hörgeräte ...) durch WählerInnen und/oder WahlbeobachterInnen in den Wahlräumen bzw. deren Umgebung zum Zwecke der o.g. Punkte wird konsequent unterbunden werden...
In einer Presseinformation (Cottbuser Wahlgeräte sind sicher) als Reaktion auf die in den Niederlanden demonstrierten Manipulationsmöglichkeiten von Wahlgeräten, wird die nochmalige Überprüfung aller Sicherungsmaßnahmen zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen und manipulationssicheren Durchführung einer elektronische Wahl beschrieben.
So wurden alle in Cottbus eingesetzten Wahl- und Peripheriegeräte aktuell zur bevorstehenden OB–Wahl durch die PTB geprüft und auch amtlich gesiegelt. Beanstandungen wurden nicht festgestellt. Die Wähler in Cottbus können sich damit so sicher wie bisher noch keine anderen Wähler in Deutschland bei elektronischen Wahlen sein. Die Stadt an der Spree hat als erster Anwender von Wahlcomputern in Deutschland die Authentizität der eingesetzten Software überprüfen und die Wahlgeräte amtlich versiegeln lassen. Im einzelnen wurden von der PTB die Eproms aller Geräte in Cottbus mit dem Eprom des hier geprüften Mustergerätes bitweise verglichen. Das Ergebnis ist, dass alle 74 Geräte bitgleich sind, also keine Veränderungen vorgenommen worden sind.
Auf einem Video demonstriert das Aktionsbündnis inzwischen einen CDA-Stimmendetektor, der anzeigt, ob eine Stimme für die CDA, die Partei des Regierungschefs Balkenende, abgegeben wurde oder nicht. Damit will sie demonstrieren, wie praktisch jeder mit billigen Bauteilen die Stimmabgaben an den ES3B-Wahlcomputern abhören kann (siehe Video: „voting computer tempest attack“).
Nach einen Report der niederländischen Prüfbehörde TNO, sind die Geräte ES3B und ESD1 bis auf marginal andere Bauteile gleich (siehe TNO-Bericht mit vollständiger Aufzählung der Bauteile). Dem steht allerdings die Aussage von Prof. Dieter Richter (PTB) entgegen, nach der es nach den (bisherigen) Erkenntnissen keine Hinweise auf eine Gefährdung des Wahlgeheimnisses durch Messung der Abstrahlung bei den in Cottbus zur Anwendung kommenden Geräten gebe. Dies werde gegenwärtig aber noch einmal überprüft. Zudem gebe es Zweifel, dass es sich bei den Geräten, die die holländische Initiative gemeinsam mit dem CCC untersucht hat, nur um marginale Abweichungen von den deutschen Geräten handelt.
Eine erste Entwarnung erhielten wir von der Kreiswahlleiterin aus Cottbus. Demnach strahlen die verwendeten Wahlcomputer nur in einem Umkreis von ca. 1-max. 2m aus. Geräte, die so um die 25m Abstrahlung haben, sind Geräte älteren Bautyps (Baujahr vor 1996).
Genaueres zu den Messungen erläuterte Prof. Richter (PTB):
Das Abstrahlverhalten haben wir in der PTB in einem Speziallabor an solchen Gerätetypen gemessen, die in Cottbus eingesetzt werden. Im Ergebnis sind sogar unter Idealbedingungen (geschirmte Messkammern) keine Nachweise für Abstrahlungen möglich, aus denen ein Wahlverhalten abgeleitet werden könnte.
Herbert Schulze Geiping von der HSG Wahlsysteme GmbH, die in Deutschland die Nedap-Wahlgeräte vertreibt, teilte mit:
die PTB hat wiederholt EMV Messungen gemacht. Es gibt bei ESD1 keine unzulässigen und das Wahlgeheimnis gefährdende Messergebnisse! Der Tastendruck „Müller“ sei nur in geschirmter Umgebung und direkt am Gerät erkennbar. Allerding verursache jeder Tastendruck „Müller“ ein anderes Spektrum, so dass er doch nicht identifizierbar sei.
Vergleichbare Ergebnisse liegen bei Nedap vor. In den Niederlanden sollen nun von dem dortigen Sicherheitsdienst AIVD Messungen an verschiedenen Gerätevarianten vorgenommen werden. Die Messungen dieser „unabhängigen Stelle“ werden sicher bekannt gegeben.
Auch in den Niederlanden werden nun die Sicherheitsmaßnahmen vor der Wahl am 22. November 2006 verstärkt. Der Inlandsgeheimdienst Algemene Inlichtingen- en Veiligheidsdienst (AIVD) soll die Wahlgeräte auf Radioabstrahlungen untersuchen. Die Software muß bis zur Wahl am 22. November 2006 aktualisiert werden und jedes der rund 8.000 Terminals wird doppelt überprüft.
Auch die niederländischen Geräte werden versiegelt, um unbefugten Zugriff nicht unentdeckt zu lassen. Dabei wird Nedap von einem unabhängigen Institut kontrolliert und am Wahltag werden zufällig ausgesuchte Geräte überprüft.
Wahlcomputerkritiker wenden ein, daß trotz des Nachbesserns bei erkannten Sicherheitslücken das prinzipielle Problem der fehlenden Öffentlichkeit der Wahl nicht gelöst wird. Die Wähler sind immer noch auf die Aussagen der PTB und Wahlleitung angewiesen – eine eigene Kontrolle, ob das festgestellte Wahlergebnis den abgegebenen Stimmen entspricht, sei nicht möglich.
Der Chaos Computer Club verweist zudem auf die auch von den Herstellern eingeräumte prinzipielle Unmöglichkeit eines manipulationsfesten Wahlcomputers und sieht als eigentliche Bedrohung den Innentäter mit Zugang zu den Wahlcomputern, und Interesse an einer Wiederwahl.
Aus diesem Grund gibt es gegen die Verwendung von Wahlcomputern in Deutschland mehrere Wahleinsprüche, über die der Deutsche Bundestag in den nächsten Monaten entscheiden wird. Einige Einspruchsführer haben gegen den erwarteten Zurückweisungsbeschluss die Erhebung von Wahlprüfungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht angekündigt, wobei sie die Unterstützung durch Unterschriften weiterer Wahlberechtigter bedürfen. Wahlrecht.de wird über den Fortgang der Verfahren berichten.
Zur Zeit läuft auch eine Online-Petition beim Deutschen Bundestag, zur ersatzlosen Streichung des § 35 Bundeswahlgesetz (Stimmabgabe mit Wählgeräten). Die Petition wird vom Bundestag geprüft und das Ergebnis der parlamentarischen Prüfung auf der Homepage des Petitionsauschusses veröffentlicht.