Wahlsystem der Bundestagswahl

[Startseite]

Inhalt dieser Seite

Wahlsystem der Bundestagswahl 2017

Personalisierte Verhältniswahl mit geschlossenen Listen

Besonderheiten

Abgeordnetenzahl

Der Deutsche Bundestag besteht seit der Bundestagswahl 2002 aus mindestens 598 Sitzen (zuvor: 656). Davon werden 299 Mandate (zuvor: 328) in Einerwahlkreisen nach relativer Mehrheitswahl und die restlichen Mandate über die Landeslisten der Parteien vergeben. Durch Überhang- und Ausgleichsmandate kann die Sitzzahl erheblich steigen. Aber auch ohne Überhangmandate wird die Größe des Bundestages aufgrund der Neuregelung von 2013 in aller Regel über der Mindestsitzzahl liegen (siehe unten).

Wahlperiode

Die Legislaturperiode beträgt vier Jahre. (Die Einführung einer fünfjährigen Legislaturperiode wird regelmäßig diskutiert.)

Aktives und passives Wahlrecht

Aktiv wahlberechtigt ist jeder Deutsche, der am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat und irgendwann nach Erreichen des 14. Lebensjahr und innerhalb der letzten 25 Jahre mindestens drei Monate lang ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland (oder der Deutschen Demokratischen Republik) gelebt hat.

Desweiteren wählen dürfen im Ausland lebende Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die aus anderen Gründen persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben und von ihnen betroffen sind – so die etwas schwammige Regelung im Bundeswahlgesetz. (Im Ausland lebende Deutsche erfahren beim Bundeswahlleiter, wie sie an der Bundestagswahl teilnehmen können.)

Passiv wahlberechtigt (wählbar) sind alle volljährigen Deutschen, unabhängig vom Wohnort. Die Regelung, wonach man für die Wählbarkeit mindestens seit einem Jahr die deutsche Staatsbürgerschaft haben muss, wurde zur Wahl des 15. Deutschen Bundestages (2002) abgeschafft.

Ausgeschlossen vom aktiven und passiven Wahlrecht sind Personen, für die zur Besorgung aller ihrer Angelegenheiten ein Betreuer bestellt ist oder die nach einer Straftat wegen Gemeingefährlichkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Wer wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, verliert automatisch sein passives Wahlrecht für fünf Jahre. Darüber hinaus kann ein Gericht das aktive und passive Wahlrecht für zwei bis fünf Jahre unter bestimmten Vorraussetzungen bei politischen Straftaten entziehen.

Stimmenzahl

Jeder Wähler hat zwei Stimmen: die Erststimme für einen Direktkandidaten im Wahlkreis, die Zweitstimme für eine Partei und deren Landesliste.

Einteilung des Wahlgebietes

In den 16 Bundesländern treten die Parteien mit Landeslisten an. Die Bundesländer sind in – je nach Bevölkerungszahl – mehrere Wahlkreise eingeteilt, in denen jeweils ein Direktkandidat einer Partei (oder auch parteiunabhängige Bewerber) antreten kann.

Zur Berechnung der Zahl der auf die Bundesländer entfallenden Wahlkreise ist das Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë) vorgeschrieben. Für die Bundestagswahl 2017 verteilen sich die Wahlkreise auf die Bundesländer wie folgt:

Bundesland Fortlaufende
Wahlkreisnummern
Zahl der
Wahlkreise
Schleswig-Holstein Wahlkreise 1 bis 11 11
Mecklenburg-Vorpommern Wahlkreise 12 bis 17 6
Hamburg Wahlkreise 18 bis 23 6
Niedersachsen Wahlkreise 24 bis 53 30
Bremen Wahlkreise 54 und 55 2
Brandenburg Wahlkreise 56 bis 65 10
Sachsen-Anhalt Wahlkreise 66 bis 74 9
Berlin Wahlkreise 75 bis 86 12
Nordrhein-Westfalen Wahlkreise 87 bis 150 64
Sachsen Wahlkreise 151 bis 166 16
Hessen Wahlkreise 167 bis 188 22
Thüringen Wahlkreise 189 bis 196 8
Rheinland-Pfalz Wahlkreise 197 bis 211 15
Bayern Wahlkreise 212 bis 257 46
Baden-Württemberg Wahlkreise 258 bis 295 38
Saarland Wahlkreise 296 bis 299 4

Wahlkreiseinteilung

Die Bundesrepublik ist seit 2002 in 299 Wahlkreise eingeteilt (zuvor: 328). Die Zahl der deutschen Bevölkerung eines Wahlkreises soll vom Durchschnitt nicht um mehr als 15 Prozent (zuvor: 25) abweichen; beträgt die Abweichung mehr als 25 Prozent (zuvor: 33 1/3), ist zwingend eine Neuabgrenzung vorzunehmen.

Sperrklausel

Beim Verhältnisausgleich werden nur jene Parteien berücksichtigt, die insgesamt mindestens fünf Prozent der gültigen Zweitstimmen erhalten haben (Fünf-Prozent-Hürde) oder in mindestens drei Wahlkreisen ein Direktmandat gewonnen haben (Grundmandatsklausel). Dies gilt nicht für Parteien von nationalen Minderheiten (Dänen, Friesen, Sorben, Sinti und Roma).

Sitzzuteilungsverfahren

Die Sitze werden nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë) an die Parteien verteilt. Dasselbe Verfahren gilt für die Rechenschritte zur Bestimmung der Gesamtsitzzahl sowie – in einer direktmandatsbedingten Variante – für die Unterverteilung an die verbundenen Landeslisten der Parteien.

Sitzverteilung

Direktmandate

In den Wahlkreisen sind diejenigen Kandidaten gewählt, die die relative Mehrheit der abgegebenen gültigen Erststimmen erzielt haben.

Ermittlung der Gesamtsitzzahl

Die Zahl der letztendlich an die Parteien zu verteilenden Sitze wird in einem sehr aufwendigen Verfahren bestimmt.

Zunächst wird den Bundesländern ein nach den letzten amtlichen Bevölkerungszahlen (ohne Ausländer) ermittelter Anteil der 598 Sitze zugeordnet. Die Bundeswahlordnung sieht vor, dass diese Zuordnung erst bei der Feststellung des endgültigen Ergebnisses durch den Bundeswahlausschuss (ca. drei Wochen nach dem Wahltag) amtlich festgestellt wird. Diese Regelung ist hinsichtlich der Unmittelbarkeit der Wahl höchst problematisch, weil nicht klar definiert ist, welche Bevölkerungszahlen die „letzten amtlichen“ sind, und weil nach dem Wahltag feststeht, welche Parteien und welche Kandidaten von einer Entscheidung zugunsten bestimmter Bevölkerungszahlen profitieren würden. Der Bundeswahlleiter veröffentlicht daher bereits vor dem Wahltag eine (allerdings unverbindliche) Zuordnung gemäß der letzten ihm vorliegenden Bevölkerungszahlen. Zwischen der Veröffentlichung vom 19. September 2017 (auf Grundlage der Bevölkerungszahlen mit Stand 31. Mai 2016) und der Veröffentlichung drei Tage später am 22. September 2017 (Bevölkerungszahlen Stand 30. Juni 2016), ergab sich dann auch eine Verschiebung eines Sitzes von Sachsen-Anhalt nach Brandenburg. Auf Grundlage dieser vorläufigen Zahlen zum Stichtag 30. Juni 2016 ergibt sich die folgende Zuordnung:

Bundesland Dt. Bevölkerung
am 30.06.2016
Sitzkon-
tingent
Quelle: Bundeswahlleiter
Schleswig-Holstein 2.673.803 22
Mecklenburg-Vorpommern 1.548.400 13
Hamburg 1.525.090 12
Niedersachsen 7.278.789 59
Bremen 568.510 5
Brandenburg 2.391.746 20
Sachsen-Anhalt 2.145.671 17
Berlin 2.975.745 24
Nordrhein-Westfalen 15.707.569 128
Sachsen 3.914.671 32
Hessen 5.281.198 43
Thüringen 2.077.901 17
Rheinland-Pfalz 3.661.245 30
Bayern 11.362.245 93
Baden-Württemberg 9.365.001 76
Saarland 899.748 7
  73.377.332 598

Wichtig: Bei diesen „Länderkontingenten“ handelt es sich um eine bloße Rechengröße im Rahmen der Ermittlung der Gesamtsitzzahl. Es ist nicht gewährleistet, dass die Länder am Ende der Sitzverteilung tatsächlich die jeweils zugeordnete Sitzzahl erreichen. Beispiel: Obwohl Bremen hiernach 5 Sitze zugeordnet wird, ist es durchaus denkbar, dass dem nächsten Bundestag nur drei Abgeordnete oder sogar sieben Abgeordnete aus Bremen angehören. Bei der Bundestagswahl 2013 wurde für Bayern ein Kontingent von 92 Sitzen festgestellt, tatsächlich zogen aber – trotz Erhöhung durch Überhang- und Ausgleichsmandate – nur 91 Abgeordnete aus Bayern in den Bundestag ein.

Von der Ausgangszahl der Sitze im Bundesland werden ggf. diejenigen Wahlkreissitze abgezogen, die von Kandidaten errungen wurden,

Im Folgenden bleiben dabei die Zweitstimmen derjenigen Wähler unberücksichtigt, die ihre Erststimme für einen solchen erfolgreichen Kandidaten abgegeben haben.

In jedem Bundesland werden die Sitze den Landeslisten der Parteien, die nicht von der Sperrklausel betroffen sind, nach dem Verfahren Sainte-Laguë entsprechend dem Verhältnis der im Bundesland erreichten Zweitstimmenzahlen zugeordnet.

Gewinnt eine Partei in den Wahlkreisen eines Bundeslandes mehr Mandate als ihr dort nach dem Verhältnisausgleich zugeordnet wurden, werden der Partei entsprechend mehr Sitze zugeordnet, nämlich insgesamt die Zahl ihrer dort gewonnenen Direktmandate.

Mindestsitzzahl: Jede Partei erhält mindestens die Zahl der ihr in dieser Pseudoverteilung insgesamt zugeordneten Sitze. Alle anderen Ergebnisse der Zuordnung in den Ländern werden verworfen; die bisherige Berechnung dient nur als Überschlagsrechnung zur Bestimmung der Mindestsitzzahlen. Die festgestellten Mindestsitzzahlen werden nur den jeweiligen Parteien auf Bundesebene garantiert, nicht aber den einzelnen Landesverbänden. Bei der Bundestagswahl 2013 wurden beispielsweise der bayerische SPD bei der Bestimmung der Mindestsitzzahlen 23 Sitze zugeordnet, am Ende erhielt sie jedoch – trotz Ausgleichsmandaten – nur 22 Sitze.

Oberverteilung/Gesamtmandatszahl

Die Gesamtzahl der dem Verhältnis nach zu vergebenden Sitze im Deutschen Bundestag wird so gewählt, dass jede Partei bei Verteilung dieser Sitze auf die Parteien (Oberverteilung) mindestens ihre Mindestsitzzahl erhält (die kleinste dieser Zahlen wird gewählt).

Dies kann dadurch geschehen, dass die Gesamtsitzzahl von 598 (abzüglich der erfolgreichen Direktkandidaten ohne erfolgreiche Landesliste) schrittweise erhöht wird, bis die Verteilung der Sitze an die Parteien mindestens die Mindestsitzzahl ergibt. Man kann aber auch den, bzw. einen brauchbaren Bundesdivisor direkt aus den Mindestsitzzahlen ermitteln:

Bundesdivisor = Minalle Parteien(zu berücksichtigenden Zweitstimmen / (Mindessitzzahl − ½))

Unterverteilung

Die Gesamtsitzzahl einer jeden Partei wird in einem weiteren Schritt auf der Grundlage der von ihren Landeslisten errungenen Zweitstimmenzahl im jeweiligen Bundesland und der dort in den Wahlkreisen gewonnen Direktmandate auf die Landeslisten der Parteien nach Sainte-Laguë verteilt (Unterverteilung).

Interne Überhangmandate werden dabei intern kompensiert, die Partei erhält also nur ihre Anzahl an Sitzen: Ein Parteidivisor wird so gewählt, dass einer Landesliste der größere Wert von Direktmandatszahl und dem standardgerundetem Quotienten Stimmen/Parteidivisor zugeteilt wird und der Partei insgesamt die Sitzzahl aus der Oberverteilung.

Von der so ermittelten Sitzzahl, die einer Partei in einem Bundesland zusteht, werden die dort in den Wahlkreisen errungenen Mandate abgezogen. Stehen einer Partei dann noch weitere Sitze zu, so werden diese aus der Landesliste der Partei in der dort festgelegten Reihenfolge besetzt, wobei erfolgreiche Wahlkreiskandidaten unberücksichtigt bleiben.

Überhang- und Ausgleichsmandate

Überhangmandate werden im Rahmen der Oberverteilung automatisch durch Ausgleichsmandate für die anderen Parteien vollständig ausgeglichen.

Was in diesem Wahlsystem ein Überhangmandat ist, ist nicht mehr eindeutig definiert, da die „Überhangmandate“ der Pseudoverteilung in der weiteren Verteilung nicht mehr überhängen müssen und dann Überhangmandate an anderer Stelle auftreten können. Das ist die Konsequenz zweier unterschiedlicher Verteilprinzipien. Überhangmandate und in der Folge Ausgleichsmandate können sogar ganz ohne den Einfluss von Direktmandaten entstehen: Wenn eine Partei durch Rundungsglück, unterschiedliche Wahlbeteiligungen bzw. Anteile verlorener Stimmen sonstiger Parteien in den Ländern oder bei veralteten Bevölkerungszahlen als Basis der Sitzkontingente mehr Sitze erhält, als sie bei einer Verteilung von 598 Sitzen in der Oberverteilung erhielte, muss auch dieser Sitz ausgeglichen werden (Verzerrungsüberhang). Dieser Fall ist bei der Bundestagswahl 2013 aufgetreten.

Listenerschöpfung

Wenn eine Landesliste so wenige Kandidaten aufweist, dass sie nicht alle ihr zustehenden Sitze besetzen kann, bleiben diese Sitze unbesetzt.

Mehrheitsklausel

Erhält bei der Sitzverteilung eine Partei, mit mehr als der Hälfte der Gesamtzahl der Zweitstimmen aller Parteien, die nicht unter die Sperrklausel fallen, nicht mehr als die Hälfte der zu vergebenden Sitze, werden ihr weitere Sitze zugeteilt, und zwar so viele, dass sie danach einen Sitz mehr als die ursprüngliche Hälfte erhält.

Dass man sich auch bei einer Vergrößerung nur auf die ursprünglichen Wert von Hälfte bezieht, ergibt sich nicht aus dem Gesetztestext, sondern aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das mit dieser Auslegung der Gesetzesformulierung negatives Stimmgewicht heilt (2 BvR 2670/11, Abs. 153–157). Dafür führt diese Auslegung nicht immer zu einer Mehrheit der Mehrheitspartei.

Beispiel: Die Mehrheitspartei erhalte 299 von 601 Sitzen. Die Hälfte der Sitze ist 300. Ein Sitz mehr als die Hälfte ist 301. Die Mehrheitspartei erhält also 301 Sitze, neue Gesamtzahl ist 602 Sitze.

Unklar wird die Formulierung „ein Sitz mehr als die Hälfte“, wenn dies keine ganze Zahl ist. Da das Bundesverfassungsgericht mit viel Mühe eine Interpretation von ein Sitz mehr als die Hälfte im Sinne von ein halber Sitz mehr als die Hälfte vermeidet, erscheint hier eine Interpretation von Aufrunden (und nicht Abrunden) plausibler.

Beispiel: Die Mehrheitspartei erhalte 300 von 601 Sitzen. Die Hälfte der Sitze ist 300,5. Ein Sitz mehr als die Hälfte ist 301,5. Die Mehrheitspartei erhielte also 301,5 Sitze, auf ganze Sitze aufgerundet 302 Sitze.

Beachtet werden muss auch, welche Stimmen und welche Sitze für die Mehrheitsklausel in § 6 Abs. 7 BWahlG relevant sind. Es sind:

Das heißt, sie bezieht sich auch auf die bisher unberücksichtigten Zweitstimmen derjenigen Wähler, die mit der Erststimme erfolgreich einen Kandidaten gewählt haben, dem keine erfolgreiche Landesliste zugeordnet werden kann und auch auf die Sitze, die sich nicht auf Zweit-, sondern nur auf Erststimmen stützen. Wähler der Mehrheitspartei, die mit der Erststimme solche unabhängige Direktkandidaten wählen, können so einen dreifachen Stimmerfolg bekommen:

  1. mit der Erststimme, der Sitz des Unabhängigen,
  2. mit der Zweitstimme, deren Nichberücksichtigung hier wieder aufgehoben wird und
  3. mit dem Ausgleich für die Sitze der (vom eigenen Lager gewählten) unabhängigen Kandidaten

Beispiel: Die Mehrheitspartei erhalte 50,01 % und 300 der 599 Sitze. Es gäbe keine erfolgreichen unabhängigen Wahlkreiskandidaten.
Nun wählten Wähler der Mehrheitspartei mit der Erststimme erfolgreich einen unabhängigen Wahlkreiskandidaten. Die Zweitstimmen derer Wähler werden bei Sitzverteilung nicht berücksichtigt (blieben 299 von 599 Sitzen). Mit Mehrheitsklausel wird dies korrigiert zu: 301 von 601 Sitzen.

Nachrücken in Überhang

Die Zahl der nach der Wahl ermittelten Sitze einer Landesliste bleiben dieser auch im Nachrückfall erhalten. Dies gilt auch, wenn eine andere Landesliste der Partei einen höheren Anspruch auf diesen Sitz hätte (Nachrücken in internen Überhang), was zumindest verfassungsrechtlich fragwürdig ist.

Negatives Stimmgewicht

Ziel des Ansatzes mit der Pseudoverteilung über Sitzkontingente war es, das negative Stimmgewicht zu beseitigen. Die Sitzkontingente der Pseudoverteilung führen auch nicht zu negativem Stimmgewicht durch Überhangmandate. In der strengen Form kann negatives Stimmgewicht durch Überhangmandate nicht mehr auftreten.

Allerdings ist negatives Stimmgewicht (in der strengen Form) im seltenen Fall der Listenerschöpfung immer noch möglich.

Auch dem negativen Stimmgewicht ähnliche Effekte können durch den Ausgleich der Überhangmandate auftreten. Dies wird zum Teil auch als ein negatives Stimmgewicht im Sinne der Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum negativen Stimmgewicht angesehen. In einem Wahlsystem mit Ausgleichsmandaten sind solche Effekte allerdings unvermeidlich und beträfen in ähnlicher Form auch 14 der Landtagswahlsysteme. So kann eine Stimme für eine Partei (entweder Erst- oder Zweitstimmen) dieser einen Sitz kosten, allerdings nur verbunden mit Sitzverlusten auch bei einer anderen Partei (absolutes negatives Stimmgewicht nach Definition U. Wiesner). Auch kann sich durch die durch Ausgleichmandate geänderte Gesamtmandatszahl der Sitzanteil (allerdings nur im Rahmen der Rundungen) reduzieren (relatives negatives Stimmgewicht).

Negatives Stimmgewicht, das durch den Wortlaut der Mehrheitsklausel möglich erscheint, wird bei Auslegung gemäß einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 2670/11, Abs. 157) vermieden, auch wenn die Regelung dann nicht mehr der Mehrheitspartei die Mehrheit garantiert.


von Martin Fehndrich, Wilko Zicht und Matthias Cantow (07.01.2000, letzte Aktualisierung: 22.09.2017, letzte Aktualisierung der Links: 23.09.2017)