Reichstagswahlsystem | [Wahlrechtslexikon] |
Wahlsystem
Verhältniswahl mit verbundenen regionalen Listen
Besonderheiten
- Sperrklausel: 30.000 Stimmen in einem Wahlkreis (Art Grundmandatsklausel/lokale Sperrhürde) und 60.000 Stimmen in einem Wahlkreisverband.
Das entspricht ganz grob einer ungefähren lokalen Sperrhürde von 2% - 10%.- Wahlgebiete des Reiches: 36 Wahlkreise in 16 Wahlkreisverbänden
- Antreten in Wahlkreislisten und einer Reichsliste, wobei sich auch Wahlkreislisten eines Wahlkreises zusammenschließen konnten.
- Automatische Methode : Auf 60.000 Stimmen entfällt ein Sitz
- Sainte-Laguë - auf mehr als 30.000 Reststimmen entfällt ein Restmandat (auf Reichsebene).
- Fazit: Die Unterschiede zum Wahlsystem der Bundesrepublik sind gar nicht so groß, wie immer dargestellt wird.
- Gemeinsamkeinten / Unterschiede zum Bundestagswahlsystem:
AbgeordnetenzahlDie Abgeordnetenzahl ist weitgehend proportional zur Wahlbeteiligung nach der Regel 60.000 Stimmen, ein Sitz. Die Größe des Reichstags schwankte daher zwischen 423 und 647 Abgeordneten.
WahlperiodeDie Legislaturperiode beträgt 4 Jahre.
Allerdings konnte der Reichstag jederzeit vom Reichspräsidenten und Reichskanzler aufgelöst werden konnte, was dazu führte, daß in einem Jahr mehrere Wahlen durchgeführt werden mußten.
Aktives und passives WahlrechtAktiv wahlberechtigt ist, wer am Wahltag Reichsangehöriger und zwanzig Jahre alt ist. Wählbar ist jeder Wahlberechtigte, der am Wahltag fünfundzwanzig Jahre alt und seit mindestens einem Jahre Reichsangehöriger ist.
StimmenzahlJeder Wähler hat eine Stimme für eine Wahlkreisliste
Einteilung des WahlgebietesEs gibt 36 Wahlkreise, die in der Größenordnung zwischen Regierungsbezirken und Bundesländern anzusiedeln wären. Diese sind wiederum in 16 Wahlkreisverbände zusammen gefasst.
(Übersicht über die Wahlkreise und Wahlkreisverbände)
SperrklauselSperrklausel: 30.000 Stimmen in einem Wahlkreis (Art Grundmandatsklausel oder lokale Sperrhürde) und 60.000 Stimmen in einem Wahlkreisverband.
Das entspricht ganz grob einer lokalen Sperrhürde von 2% - 10%.Die über Reichswahlvorschläge zuzuteilenden Sitze sind auf die Zahl der gewonnenen Wahlkreissitze beschränkt (d.h. eine Art teildurchlässige Sperrhürde).
RechenverfahrenDie Mandate werden nach Methode (Sainte Laguë) mit einem festen Wahlquotienten von 60.000 verteilt (daher auch Automatische Methode).
SitzverteilungWahlkreisebene
Im ersten Schritt erhält jede Wahlkreisliste für jeweils 60.000 Stimmen einen Abgeordnetensitz.Wahlkreisverbandsebene
Im zweiten Schritt werden alle Reststimmen der verbundenen Listen im Wahlkreisverband zusammengefaßt. Für jeweils 60.000 Reststimmen erhalten die verbundenen Listen einen Sitz. Die Sitze gehen an die Listen mit den größten Reststimmen.Restsitze des Wahlkreisverbandes wurden aber nur verteilt, wenn zumindest eine der Wahlkreislisten mindestens 30.000 Stimmen erzielen konnte.
Es bestand aber keine Notwendigkeit Wahlkreislisten im Wahlkreisverband zusammenzufassen. In diesem Fall gehen entsprechend mehr Reststimme an den Reichswahlvorschlag. Allerdings mußte ein Reichswahlvorschlag existieren, damit Wahlkreislisten sich im Wahlkreisverband zusammenschließen durften.
Reichsgebietebene
Soweit die Wahlkreislisten einen Reichswahlvorschlag aufgestellt hatten, wurden Reststimmen der Wahlkreisverbände (und Wahlkreise) zusammengefaßt und für jeweils 60.000 Stimmen gab es einen Sitz für den Reichswahlvorschlag. Für einen verbleibenden Rest von mehr als 30.000 Stimmen gab es einen Sitz. Die Zahl der Sitze über den Reichswahlvorschlag war auf die Zahl der schon zugeteilten Wahlkreissitze beschränkt.Dadurch erhielten kleinere Parteien weniger (oder keine) Sitze, als es der Regel für 60.000 Stimmen einen Sitz entspräche.
Parteien mit regionalem Schwerpunkt waren von dieser Sperrhürde tendenziell weniger betroffen, als Partein mit gleichmäßiger verteilter Wählerschaft im Reichsgebiet. So hätte eine Partei mit ungünstig verteilten 1.000.000 Stimmen (immerhin knapp 3%) keinen einzigen Sitz erhalten können.
Links
- Reichswahlgesetz vom 27. April 1920
- Gesetz über die Wahl des Reichspräsidenten vom 4. Mai 1920
- Hausarbeit: Das Wahlrecht in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik und seine Auswirkungen im Vergleich von Kati Hennig
- Die Wahlkreise und die Wahlkreisverbände des Deutschen Reiches
- Deutscher Bundestag – Streifzug durch die Geschichte
- Weimarer-Wahlen.de
- Wahlergebnisse der Reichstagswahlen von Andreas Gonschior
- Historische (deutsche) Gesetze, Verordnungen, Erlasse bezüglich Wahlen, Volksabstimmungen und Abstimmungen von documentarchiv.de