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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. Januar 2003 - 20:03 Uhr:   

@Enno:
Zu Deiner Mail von 16.27: Du hast recht. Auch eine herrschende Meinung unter Juriten nicht immer rchtig oder bestätigt worden.
Zu Deiner Mail von 16.19: Danke für Dein Lob. Dies - das die angebliche Gleichberechtigung der Bundesratsmitglieder eine Interpretation der Senatsmehrheit ist (die mn teilen kann) und für Deine Gedankengänge in Deiner Mail von 16.19 spricht auch, dass Art. 77 des GG sagt, dass eine Weisungsgebundenheit für Mitglieder des Vermittlungsauschusses von Bundestag und Bundesrat nicht vorliegt (was logisch ist). Wenn aber Art. 77 die Weisungsungebundenheit dort betont, so könnte man schließen, gilt Weisungsgebundenheit für die anderen Abstimmungen im Bundesrat, wie es ja auch das in diesem Thread zitierte Werk von Pilz/Ortwein: Das politische System der Bundesrepublik annimmt. Insofern (dies hat Karlhiz Nicauss in der Wochenzeitschrift Das Parlament, ug. 51-52 vom 23./30. Dezmber2002, S. 3: "Urtelsshelte übr das Abstimmungsverhalten im Bundesrat" festgestellt) ist das Urteil vermutlich einem Wandel im Verfassungsverständnis der Funktionen des Bundesrates zuzuschreiben.

Wie gesagt: was mich wundert ist, dass die Minderheitenposition nicht die Richtlinienkompetenz oder das Außenvertretungsrecht des Regierungschefs zum Maßstab der eigenen Position nimmt (wobei Art. 51 GG tatsächlich nichts über den Status der Bundesratsmitglieder etwas aussagt, dies ist in der Tat aus Art. 51 GG nicht herauszulesen, sondern eine Interpretation der Senatsmehrheit), sondern die - rechtlich wohl wirklich nach dem Votum Schönbohms nicht haltbare - Postion einnimmt, Schönbohm habe ja nicht explizit "Nein" gesagt. In der von Wilko und Martin unter dem Stichwort: "Bundesratsabstimmung" dankenswerterweise ins Netz gestellten Rechtsauffassungen wird ja ersichtlich, dass diese Position lediglch von einem Staatsrechtler (Martin Morlock)vertreten wurde.

Der Satz in Art.51 (1) GG, die Mitglieder des Bundesrates seien Mitgieder der Landesregierungen, die von diesen bestellt und abberufen werden können implizieren sehr wohl eine weisungsberechtigte Stelle - nämlich die entsendende Landesregierung oder denjenigen, der entsendet oder abberuft (richtlinienkompetenter Ministerpräsident). Dass der Bundesrat ein Bundesorgan ist, spielt daher keine Rolle, denn nach der Brandenburgischen Verfassung (siehe die Artikel unter: "Bundesratsabstimmung" hat der Ministerpräsident a) Richtlinienkompetenz; b) Außenvertretungsrecht und seine Stimme gibt bei einem Patt in der Landesregierung (4 SPD und 4 CDU-Minister) auch den Ausschlag.

Fazit: Von einer Gleichberechtigung der von den Landesregierungen ensanden und abberufbaren (!) Mitglieder - so hätte eine Minderheitenposition meiner Meinung nach argumentieren müssen, um erfolgreich zu sein, ist in Art. 51 GG nicht die Rede.

Da Art. 77 (2) GG ausdrücklich steht: "Die in diesen Ausschuss [Vermittlungsausschus]entsandten Mitglieder des Bundesrates (!!!!!!) sind nicht an Weisungen gebunden (vom Bundestag steht da nichts !!!!), kann man argumentieren:

Nur die in einen Vermittlungsausschuss zu entsendenden Mitglieder des Bundesrates sind nicht an Weisungen gebunden !!! Zusammen mit Art. 51 (1) GG: Der Bundesrat besteht aus Mitgliedern der Regierungen der Länder, die sie bestellen und abberufen (!!!!!) könnte man aus diesem Wortlaut Weisungsbefugnis der Landesregierung zumindest eher interpetieren wie Gleichrangigkeit der Mitglieder der von den Landesregierungen entsandten Mitglieder des Bundesrates (die der Regierung ja angehören). Insofern spielt hier - bei dieser Argumentation gar keine Rolle, ob a) der Ministerpräsident selber Mitglied im Bundesrat ist (er kann sich ja vertreten lassen und dem Vertreter nach Richtlinienkompetenz anweisen, wie er zu stimmen hat) und b)der Bundesrat Bundesorgan ist. Hier hat der brandenburgische Regierungschef Außenvertretungsrecht.

Fazit einer meines Erachtens erfolgreichen Mindermeiung wäre: Art. 51 und Art. 77 GG in Kombination ergeben, dass die von den Regierungen entsandten und abberufbaren Mitglieder des Bundesrates Weisungen unterworfen sind, außer, wenn sie in den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat berufen werden. Ansonsten siehe Ennos Argumentation oben, Mail 8. Januar 16.19 Uhr. Karlheiz Niclauss (Autor der Bücher: "Der Weg zum Grundgesetz, Schöningh,1998 und: "Das Parteensystem der Bundesrepulik Deutschland, Schöning, 1995) schreibt daher auch zu Recht n der Zeitschrift: "Das Parlament,52. Jg.,Nr.51-52, S. 3:

"Der entscheidende Punkt ist, dass ih er Bndesratspräsident an der Funktion des Stimmführers orientierte. Er konnte sich hierbei auf Präzedenzfälle berufen, bei denen der Ministerpräsidentdesbetrefeden andes selbst die Agae der Bundesratsstimmen übernommn und dmi ifferenzen zwischen seien Ministern etchieden hatte. Hierzu gehört niht nur das Bisel des CDU-Ministrpäsidenten von Nordrhein-Westfalen, Karl Arold, er be iner Abstimmunga 19.ezember 1949 da unterschielch Votum seines soziademokratischn Areitsmiisters und seines CDUFinanministers durch seine eigene Stimme entshied. Bemrenswert ist auch ds rhaltn des FDP-Ministerpräsideten ehold Mair aus aden-Wüttembeg bi er Verabschiedung er Verträg zur Eurpäischen Verteidiungsgemeinschaft EVG) im Mai 1953. Sein mehrheitlich mit Sozialdemokraten besetzte Kabinett hatte sch in Stuttgart mit zu 4 Stimmen für einen Einsprch im Bundesrat entschieden. Mair berie sich af seine Rihtlinienkompetenz, fuhr selbst nach Bonn und ließ die Verträge passieren. Die Rolle de Stmürers und die hrugehoben telung er Ministerpräsidenten haben - wie das Bundevrfassngsgeriht mit Rechtfestestellt - keineGrudlage im Text des Grundgesetzes. Sie bilten berbisher eine infoelle Basis fürdas Fuktionieren des Bundesrates."

Wie gesagt: Mit diesen Argumenten hätte - auch wenn ich das Urteil und die Begründung begrüße - eine Minderheitenmeinung gefürt werden müssen, um erfolgreich am Wortlaut des GG ihre Position zu begründen.

Deshalb hatte ich ja auch die Auseinandersetzung mit Volkwirt in dem anderen Thread. Wowereit hat nicht recht bekommen, aber er konnte sich - siehe die Ausführungen von Niclauss - auf Traditionen berufen. Ein Verfassungsbrecher ist er daher meines Erachtens nicht gewesen.

Der entscheidende Fehler der SPD war wohl, im Oktober nicht mehr mit dem Argument: Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten - Weisungsbefugnis der Landesregierung(en) zu argumentieren, sondern damit, dass Schönbohm nicht widersprochen habe. Angesichts seiner ausfhrlichen Stellungnahme, verbunden mit der Bitte, nicht nochmals nachzufragen, war seine Position klar. Damit konnte wohl nicht erfolgreich juristisch argumentiert werden.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. Januar 2003 - 20:19 Uhr:   

Da meine alte Tastatur z. T. blockiert hat, nochmal der Beitrag:

@Enno:
Zu Deiner Mail von 16.27: Du hast recht. Auch eine herrschende Meinung unter Juristen muss nicht immer rchtig sein oder bestätigt werden.
Zu Deiner Mail von 16.19: Danke für Dein Lob. Dies - das die angebliche Gleichberechtigung der Bundesratsmitglieder eine Interpretation der Senatsmehrheit ist (die mn teilen kann) und für Deine Gedankengänge in Deiner Mail von 16.19 spricht auch, dass Art. 77 des GG sagt, dass eine Weisungsgebundenheit für Mitglieder des Vermittlungsauschusses von Bundestag und Bundesrat nicht vorliegt (was logisch ist). Wenn aber Art. 77 die Weisungsungebundenheit dort betont, so könnte man schließen, gilt Weisungsgebundenheit für die anderen Abstimmungen im Bundesrat, wie es ja auch das in diesem Thread zitierte Werk von Pilz/Ortwein: Das politische System der Bundesrepublik annimmt. Insofern (dies hat Karlhiz Niclauss in der Wochenzeitschrift Das Parlament, ug. 51-52 vom 23./30. Dezmber2002, S. 3: "Urteilsschelte über das Abstimmungsverhalten im Bundesrat" festgestellt) ist das Urteil vermutlich einem Wandel im Verfassungsverständnis der Funktionen des Bundesrates zuzuschreiben.

Wie gesagt: was mich wundert ist, dass die Minderheitenposition nicht die Richtlinienkompetenz oder das Aussenvertretungsrecht des Regierungschefs zum Maßstab der eigenen Position macht (wobei Art. 51 GG tatsächlich nichts über den Status der Bundesratsmitglieder aussagt; dies ist in der Tat aus Art. 51 GG nicht herauszulesen, sondern eine Interpretation der Senatsmehrheit), sondern die - rechtlich wohl wirklich nach dem Votum Schönbohms nicht haltbare - Postion einnimmt, Schönbohm habe ja nicht explizit "Nein" gesagt. In der von Wilko und Martin unter dem Stichwort: "Bundesratsabstimmung" dankenswerterweise ins Netz gestellten Rechtsauffassungen wird ja ersichtlich, dass diese Position lediglch von einem Staatsrechtler (Martin Morlock)vertreten wurde.

Der Satz in Art.51 (1) GG, die Mitglieder des Bundesrates seien Mitgieder der Landesregierungen, die von diesen bestellt und abberufen werden können implizieren sehr wohl eine weisungsberechtigte Stelle - nämlich die entsendende Landesregierung oder denjenigen, der entsendet oder abberuft (Richtlinienkompetentenz als Ministerpräsident). Dass der Bundesrat ein Bundesorgan ist, spielt daher keine Rolle, denn nach der Brandenburgischen Verfassung (siehe die Artikel unter: "Bundesratsabstimmung" hat der Ministerpräsident a) Richtlinienkompetenz; b) Außenvertretungsrecht und seine Stimme gibt bei einem Patt in der Landesregierung (4 SPD und 4 CDU-Minister) auch den Ausschlag.

Fazit: Von einer Gleichberechtigung der von den Landesregierungen ensanden und abberufbaren (!) Mitglieder - so hätte eine Minderheitenposition meiner Meinung nach argumentieren müssen, um erfolgreich zu sein, ist in Art. 51 GG nicht die Rede.

Da Art. 77 (2) GG ausdrücklich steht: "Die in diesen Ausschuss [Vermittlungsausschuss]entsandten Mitglieder des Bundesrates (!!!!!!) sind nicht an Weisungen gebunden (vom Bundestag steht da nichts !!!!), kann man argumentieren:

Nur die in einen Vermittlungsausschuss zu entsendenden Mitglieder des Bundesrates sind nicht an Weisungen gebunden !!! Zusammen mit Art. 51 (1) GG: Der Bundesrat besteht aus Mitgliedern der Regierungen der Länder, die sie bestellen und abberufen (!!!!!) könnte man aus diesem Wortlaut Weisungsbefugnis der Landesregierung zumindest eher interpetieren wie Gleichrangigkeit der Mitglieder der von den Landesregierungen entsandten Mitglieder des Bundesrates (die der Regierung ja angehören). Insofern spielt hier - bei dieser Argumentation gar keine Rolle, ob a) der Ministerpräsident selber Mitglied im Bundesrat ist (er kann sich ja vertreten lassen und dem Vertreter nach Richtlinienkompetenz anweisen, wie er zu stimmen hat) und b)der Bundesrat Bundesorgan ist. Hier hat der brandenburgische Regierungschef Außenvertretungsrecht.

Fazit einer meines Erachtens erfolgreichen Mindermeiung wäre: Art. 51 und Art. 77 GG in Kombination ergeben, dass die von den Regierungen entsandten und abberufbaren Mitglieder des Bundesrates Weisungen unterworfen sind, außer, wenn sie in den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat berufen werden. Ansonsten siehe Ennos Argumentation oben, Mail 8. Januar 16.19 Uhr. Karlheiz Niclauss (Autor der Bücher: "Der Weg zum Grundgesetz, Schöningh,1998 und: "Das Parteensystem der Bundesrepulik Deutschland, Schöning, 1995) schreibt daher auch zu Recht n der Zeitschrift: "Das Parlament,52. Jg.,Nr.51-52, S. 3:

"Der entscheidende Punkt ist, dass sich er Bndesratspräsident an der Funktion des Stimmführers orientierte. Er konnte sich hierbei auf Präzedenzfälle berufen, bei denen der Ministerpräsident des betreffeden Landes selbst die Abgabe der Bundesratsstimmen übernommen und damit Differenzen zwischen seien Ministern etchieden hatte. Hierzu gehört nicht nur das Beispiel des CDU-Ministrpäsidenten von Nordrhein-Westfalen, Karl Arold, der bei einer Abstimmung am 19. Dezember 1949 das unterschiedliche Votum seines soziademokratischen Arbeitsmiisters und seines CDU-Finanministers durch seine eigene Stimme entschied. Bemerkenswert ist auch das Verhaltn des FDP-Ministerpräsideten Reinhold Maier aus aden-Wüttemberg bei der Verabschiedung der Verträge zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft EVG) im Mai 1953. Sein mehrheitlich mit Sozialdemokraten besetztes Kabinett hatte sich in Stuttgart mit zu 4 Stimmen für einen Einsprch im Bundesrat entschieden. Maier berief sich auf seine Richtlinienkompetenz, fuhr selbst nach Bonn und ließ die Verträge passieren. Die Rolle de Stimmführers und die hervorgehobene Stellung er Ministerpräsidenten haben - wie das Bundevrfassngsgeriht mit Rechtfestestellt - keine Grudlage im Text des Grundgesetzes. Sie bideten aber bisher eine informelle Basis für das Fuktionieren des Bundesrates."

Wie gesagt: Mit diesen Argumenten hätte - auch wenn ich das Urteil und die Begründung begrüße - eine Minderheitenmeinung geführt werden müssen, um erfolgreich am Wortlaut des GG ihre Position zu begründen.

Deshalb hatte ich ja auch die Auseinandersetzung mit Volkwirt in dem anderen Thread. Wowereit hat nicht recht bekommen, aber er konnte sich - siehe die Ausführungen von Niclauss - auf Traditionen berufen. Ein Verfassungsbrecher ist er daher meines Erachtens nicht gewesen.

Der entscheidende Fehler der SPD war wohl, im Oktober nicht mehr mit dem Argument: Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten - Weisungsbefugnis der Landesregierung(en) zu argumentieren, sondern damit, dass Schönbohm nicht widersprochen habe. Angesichts seiner ausführlichen Stellungnahme, verbunden mit der Bitte, nicht nochmals nachzufragen, war seine Position klar. Damit konnte wohl nicht erfolgreich juristisch argumentiert werden.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. Januar 2003 - 21:19 Uhr:   

@Bernhard Nowak
Es ist wirklich interessant, wie Du versuchst eine schlüssiger Richtlinienkompetenzargumentation
darzulegen um die Position schließlich abzulehnen :)
Natürlich hast Du recht. Die Minderheitenposition hat einen langen und löchrigen Argumentationsweg beschritten, der an vielen Stellen angreifbar ist.

Aber warum sollten gerade die Richter der (jetzigen) Minderheitenposition eine entgegengesetzte Argumentationslinie durchziehen? Nur weil diese einfacher ist?

In der Zwischenzeit sind schon noch andere Artikel erschienen, die die Position beziehen, Schönbohm hätte letztendlich auch mit Ja gestimmt.
Beispielswiese Dörr in ZRP 2002/6 S.265 (Allerdings wieder mit einem halben Rückgriff auf die Richtlinienkompetenz) und halb bei Ipsen in DVBL 15.Mai 2002 S.653, der die Frage, wie denn nun Schönbohm abgestimmt hat, offen läßt.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. Januar 2003 - 21:38 Uhr:   

@Enno:
Ich muß vorausschicken: Ich bin kein Jurist, und daher kann ich wegen fehlendem Hintergrund ziemlich daneben liegen.
Wenn ich das Minderheitsvotum so heftig kritisiere, dann wegen dessen logischen Fehlern (und von Logik glaube ich schon etwas zu verstehen).

Meine Grundannahme, daß der Bundesrat (nur) nach Bundesrecht (also GG) arbeiten darf, und die Landesverfassungen für den Bundesratspräsidenten quasi "Black Box" und nicht von ihm interpretierbar sind, mag also grundfalsch sein (obwohl ich genügend Juristen-Meinungen kenne, die so argumentieren).

Auf jeden Fall ist Deine Aussage kein Widerspruch zu dieser Annahme (und hier sind wir wieder bei der Logik).
> dass sich sowohl die Frage, wer Mitglied einer Landesregierung (und
> damit des Bundesrates) sein kann, als auch die Frage, wie die BR
>-Mitglieder bestellt und abberufen werden, ausschließlich nach
> Landesverfassungsrecht richten.
Selbstverständlich, die Benennung ist reine Landessache.
Aber das heißt doch nicht, daß der Bundesratspräsident da über "richtig" und "falsch" entscheiden kann oder muß.

Natürlich kann er die einschlägigen 16 Gesetzbücher vor sich liegen haben. Aber das heißt weder, daß er damit schon alle notwendigen Informationen hat, um zu entscheiden, noch daß es ihm überhaupt zusteht, über landesinterne Fragen den Schiedsrichter zu spielen.

Um ganz banal anzufangen: Im Gesetzbuch steht weder, wen das jeweilige Parlament in die Regierung gewählt hat noch welche Kabinettsmitglieder (in geheimer Sitzung des Kabinetts!) zu Bundesratsvertretern ernannt wurden.

Wenn der Hausmeister eines Landtags auftritt und die Stimmen abgeben möchte, da wird der Bundesratspräsident wegen des offensichtlichen Fehlers wohl einschreiten können.
Aber wenn da zwei Minister auftreten und sich gegenseitig den Sitz streitig machen, kann er das natürlich nie entscheiden.

In der Praxis wird es wohl so laufen (und kann es wohl auch nur so laufen), daß die Bundesländer die Ernennungen (und Abberufungen!) dem Bundesrat per offizieller Post mitteilen und damit die Verantwortung dafür übernehmen, daß diese korrekt nach der Landesverfassung bestimmt wurden.
Und genau diese akkreditierten Nasen werden dann zur Sitzung eingeladen und das Stimmrecht wahrnehmen.

Ich denke sogar, daß das Szenario "Stolpe entläßt Schönbohm in laufender Sitzung, um dessen Stimme zu neutralisieren" nicht verfassungsgemäß ist.
Sondern in so einer Situation müßte der Präsident eigentlich trocken antworten "Sie können hier viel erzählen, welche Rechte sie hätten. Solange mir hier kein Schreiben der Staatskanzlei über die Abberufung vorliegt, bleibt Schönbohn normales Mitglied".
Landesverfassungen können ja fast beliebig ungewöhnliche Paragraphen enthalten, und es sind genügend Situationen konstruierbar, in denen ein Bundesratspräsident trotz perfekter Landesgesetzkenntnis objektiv nicht in der Lage wäre, so eine Situation korrekt zu entscheiden.

Wie Du merkst, ist meine Argumentation etwas von der Art "was nicht sein darf, das nicht sein kann".
Vielleicht ist es tatsächlich herrschende Juristenmeinung, der Bundesratspräsident solle die Landesverfassungen berücksichtigen.

Aber dann sage ich von der Logik her: Damit kommt man in Teufels Küche. Denn dann baue ich jederzeit eine juristisch völlig einwandfreie Landesverfassung, mit der man den Bundesrat entscheidungsunfähig machen kann.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. Januar 2003 - 22:01 Uhr:   

@Martin:
Ich bin kein Jurist, sondern juristischer Laie. Ich versuchte lediglich, eine Postion zu formuieren, die aus meiner Sicht - gemessen am Wortlaut des GG Art. 51 und 77 - plausibler gewesen wäre als die Minderheitenposition. Zumindest gibt es jetzt eindeutige Rechtsklarheit. Weiß eigentlich jemand inzwischen, ob die Urteilsbegründung mit 6:2 oder 5:3 (die "TAZ" vermutet als 3. "Abweichler" ja Gerichtspräsident Hassemer, der aus Integrationsgründen und um seinen Kollegen Sommer, den "mutmaßlichen Abweichler" der SPD zu schützen, sein abweichendes Votum nicht bekannt gegeben habe) gefallen ist.
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Cram
Veröffentlicht am Mittwoch, 08. Januar 2003 - 23:44 Uhr:   

Bernhard,

eine solche Argumentation ist schwer nachvollziehbar.
Art. 77 GG: "Die in diesen Ausschuss [Vermittlungsausschuss]entsandten Mitglieder des Bundesrates (!!!!!!) sind nicht an Weisungen gebunden" - daraus nun zu schließen das die Mitglieder des Bundesrates weisungsabhängig ist ist nicht einsichtig. Im GG findet sich keine Regelung die vorsieht das Bundesratsmitglieder weisungsgebunden sind.
Eine solches läßt sich jedenfalls aus dem GG nicht ableiten. Allenfalls die Landesverfassungen kämen dazu in Frage. Allerdings würde das voraussetzen das die Länder unmittelbar als juristische Personen Mitglieder des Bundesrats sind. Es sind jedoch nicht die Länder Mitglieder des Bundesrates sondern die von den Ländern bestimmten Vertreter.
Du verweist auf den Fall Maier: "Bemerkenswert ist auch das Verhaltn des FDP-Ministerpräsideten Reinhold Maier aus aden-Wüttemberg bei der Verabschiedung der Verträge zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft EVG) im Mai 1953. Sein mehrheitlich mit Sozialdemokraten besetztes Kabinett hatte sich in Stuttgart mit zu 4 Stimmen für einen Einsprch im Bundesrat entschieden. Maier berief sich auf seine Richtlinienkompetenz, fuhr selbst nach Bonn und ließ die Verträge passieren."
Ebendieser Fall belegt das landesverfassungsrechtliche Regelungen unbedeutend sind. Im vorliegenden Fall lag eine mehrheitliche Entscheidung des Kabinetts vor, die vorsah das das Land für eine Enthaltung stimmt. Herr Maier hat sich darüber hinweggesetzt. Die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs bedeutet nicht das er sich einfach über Kabinettsbeschlüsse hinwegsetzen darf. Auch er ist an sie gebunden, wenngleich er durch seine Position (2 Stimmen, Recht auf Vorschlag der Ernennung und Entlassung der Minister) natürlich größeren Einfluß hat. Seine Verhaltensweise stand nicht im Einklang mit der Verfassung des Landes Baden-Würtenberg. Dies ist jedoch nach gängiger Praxis im Bundesrat unbeachtlich. Auch wenn die Vertreter/der Vertreter eines Landes gegen ein durch Beschluß der Landesregierung vorgesehenes Stimmverhalten verstößt ist die Stimme gültig. Es gibt dafür auch andere Beispiele. So stimmte 1995 Baden-Würtenberg (damals CDU/SPD) einem Gesetz zu obwohl vorher per Kabinettsbeschluß eine Enthaltung festgelegt war. Ebenso war es bei der Abstimmung von Mecklenburg-Vorpommern zur Rentenreform. In dem Fall hatte Ringsdorf (SPD) entgegen der vorgesehenen Enthaltung mit Ja gestimmt.
In allen benannte Fällen ist das Abstimmungsverhalten während der Abstimmung nicht beanstandet worden. Es gab keinen Fall des unterschiedlichen Abstimmungsverhaltens (Bis auf 1949, wobei dieser anders war als der 2002). Gerade diese Fälle zeigen ja das landesverfassungrechtliche Regelungen nach gängiger Praxis (Gewohnheitsrecht) und auch nach herrschender Meinung (h.M.) nicht relevant sind.
Aber selbst wenn man eine Weisungsbefugnis unterstellen würde so stellt sich die Frage warum diese nur beim Ministerpräsidenten liegt. Im vorliegenden Fall stimmte der Bundesrat über ein Gesetz ab. Es war ein Gesetz im materiellen Sinne wie im formellen Sinne. Gesetzesvorlagen werden (wenn nicht von einer Parlamentsfraktion) von einer Regierung (Kabinett) eingebracht. Die Vorlage eines Gesetzentwurfs durch die Regierung bedarf der Zustimmung der Mehrheit des Kabinetts. Erst dann kann er an das Parlament weitergeleitet werden (Einbringen in den Bundestag). Die Zustimmung des Regierungschefs genügt nicht, es muß die Mehrheit des Kabinets sein.
Unterstellt man nun (anders als bei Parlamentariern = Abgeordneten) den Mitgliedern des Bundesrates weisungsgebundenheit so wäre es plausible zur Voraussetzung zu machen das die Weisung vom Kabinett (Mehrheit des Kabinetts) gemacht werden muß (analog zum Einbringen eines Gesetzentwurfs durch die Regierung). Läge keine Weisung des Kabinetts vor so wären die Mitglieder des Landes ohne Weisung und könnten frei entscheiden (so im vorliegenden Fall: kein Kabinettsbeschluß in Brandenburg). Würde der Bundesrat jedoch über eine Verordnung abstimmen könnte man eine Weisungsbefugnis des MInisterpräsidenten bejahen. Allerdings natürlich nur in den Ländern in denen die jeweilige Landesverfassung das vorsieht.

Das vorliegende Urteil des BVG, auch die Minderheitenmeinung verneinen zurecht das Landesverfassungen zur Auslegung verwendet werden sollen. Als Organ des Bundes gilt für den Bundesrat die Bundesverfassung, das GG.
Das GG sieht vor das die Vertreter der Länder Mitglieder der Landesregierung sein müssen. Wie nun eine Landesregierung aufgebaut ist entscheiden die Länder selbst. Es ist die Aufgabe der Landesregierungen die Vertreter zu berufen. Bei Streitfällen ob ein entsandtes Mitglied als Mitglied einer Landesregierung zu werten ist würde die Entscheidung im Streitfall dem BVG obliegen. Mir ist kein solcher Streitfall bekannt.
Unbestreitbar ist allerdings das bei der Auslegung die Landesverfassung entscheidend sein dürfte. Doch das GG stellt darauf ab das der Bennenungsprozeß durch die Länder oder genauer gesagt durch die Landesregierung vorgenommen wird. Das Abstimmungsverfahren regelt hingegen das GG selbst. Eine Auslegung mittels Landesverfassungen fällt damit aus da der Bund durch das GG bereits Relegungen zum Abstimmungsverfahren getroffen hat. Daher gilt der nach Art. 30 GG vorgesehene Grundsatz: Bundesrecht bricht Landesrecht. Da aus dem GG geht nicht hervorgeht das eine Weisungsgebundenheit vorliegt ist keine ersichtlich.
Hätte der Verfassungsgeber es gewollt das nur ein einheitliches Abstimmungsverhalten möglich ist so hätte er vorgesehen das jedes Land nur einen Vertreter entsedet, dessen Stimme unterschiedlich gewichtet würde (nach Einwohnerzahl des Landes) oder er hätte vorgesehen das mehrer Vertreter nur eine Stimme abgeben können, die unterschiedlich gewichtet würde (nach Einwohnerzahl) und das die Vorraussetzung der Abgabe die Übereinstimmung aller Vertreter eines Landes voraussetzt. Das GG spricht jedoch ausdrücklich von Stimmen eines Landes und von Vertretern eines Landes. Die Stimmen können nur einheitlich und nur von anwesenden Vertretern eines Landes abgegeben werden, besagt der berühmt gewordene Art. 51 Abs. 3 GG.
Die Stimmen werden also von den Vertretern, oder genauer gesagt von den anwesenden Vertretern abgegeben, nicht vom Land selbst. Die Stimmabgabe obliegt also den Vertretern, sie haben das Stimmrecht. Die maximale Verterzahl ist durch die Anzahl der Stimmen beschränkt. Daraus ist zu schließen das jedes Bundesratsmitlied zumindest eine Stimme haben soll. Die Stimmen die einem Land (und damit der Vertretern eines Landes) zugesprochen werden sollen können allerdings nur einheitlich abgegeben werden. In der Praxis ist es so das z.B. durch Aufruf der Länder sich ein Mitglied für das ganze Land äußert. Seine Aussage wird dann als einheitliches Stimmverhalten des jeweiligen Landes gewertet. Daneben gibt es noch Abstimmung per Handzeichen. Im vorliegenden Fall war es bekanntermaßen eine Abstimmung durch Aufruf vorgenommen wurde.
Wertungen
Variante 1: entspricht nicht dem Urteils des BVG, auch nicht dem Minderheitenvotum
Als beim Aufruf Brandenburgs Minister Ziel (SPD) Ja rief gab er die 4 Stimmen Brandenburgs ab. Eine Stimmabgabe ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Stimmen werden zwar von den Vertretern wahrgenommen. Es ist allerdings Staatspraxis (Gewohnheitsrecht) das die Stimmen eines Lands nur durch einen Vertreter (Stimmführer)abgebeben werden. Dies hat Minister Ziel durch seine Erklärung: "Ja" getan. Außerdem müßte die Willenserklärung zugegangen sein. Das setzt im voraus das sie vom Empfänger, im vorliegenden Fall dem Sitzungsleiter (Bundesratspräsidenten Wowereit), vernommen wurde. Da Wowereit kurz darauf erklärt das keine einheitliche Stimmabgabe vorliegt ist davon auszugehen das er das Ja von Minister Ziel verstanden hat.
Dem ließe sich entgegenhalten das Herr Schönbohm durch sein Erklärung Nein die Stimmabgabe wiederrufen hat (vergl. § 130 Abs 1 S. 2 BGB). Das setzt voraus das dem Erklärungsempfänger (Wowereit) gleichzeitig oder vorher ein Widerruf zugeht. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Willenserklärung unter Anwesenden. Der Wiederruf hätte daher nur gleichzeitig zugehen können (hätte Schönbohm zuerst Nein gerufen hätte ja er die Stimmen abgegeben). Aus der Viedoaufzeichnung der Bundesratssitzung geht hervor das Herr Schönbohm sein Nein erst erklärt hat nachdem Herr Ziel Ja gerufen hat. Der Zugang erfolgte somit auch später und nicht gleichzeitig. Der Widerruf war daher verspätet und ist somit unwirksam.
Daher liegt eine wirksame Stimmabgabe Brandenburgs durch Minister Ziel (Ja) vor.
Allerdings könnte die Willenserklärung durch Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 nichtig geworden sein. Das setzt eine Anfechtungserklärung gemäß § 143 Abs 1 voraus. Indem Herr Schönbohm Nein rief hat er zum Ausdruck als Vertreter Brandenburgs und somit stimmberechtigter zum Ausdruck gebracht das er die Stimmabgabe Ja nicht wolle. Somit liegt eine Anfechtungserklärung vor.
Demgegenüber könnte eingewandt werden das eine Anfechtung ausgeschlossen sei und es somit nur auf die erste Erklärung eines der Vertreter eines Landes ankomme (vergl. Otto Schily: die Schnellrufertheorie: nach dieser war alles was nach dem Ja Ziel verlief irrelevant da Ziel bereits wirksam die Brandenburger Stimmen mit Ja abgegeben habe). Es ist nicht einsichtig weshalb eine Anfechtung ausgeschlossen sein soll. Es ist gängige Praxis im Bundesrat das Länder Abstimmungsfehler im Laufe der Abstimmung korriegieren. Dieses Recht zur Korrektur wird sehr großzügig gehandhabt (vergl. Minderheitenvotum BVG: Aussagen zum Recht auf Korrektur). Daher kann kein Ausschlußgrund einer Anfechtung erkannt werden.
Voraussetzung für die Anfechtungserklärung ist ein Anfechtungsgrund. Hier könnte § 119 Abs. 1 2 Variante (Erklärungsirrtum) vorliegen. Das setzt voraus das der Erklärende bei der Erklärungshandlung geirrt hat, z.B. dadurch das er sich versprochen hat oder eine Erklärung dieses Inhalts gar nicht abgeben wollte. Im vorliegenden Fall gibt zwar Herr Ziel die Erklärung ab, er gibt sie aber im Namen aller Vertreter des Landes Brandenburgs ab und damit auch im Namen Schönbohms. Dieser wollte jedoch nicht eine Erklärung dieses Inhalts (Ja) abgeben. Somit liegt ein Erklärungsirrtum vor.
Außerdem müßte die Anfechtungserklärung innerhalb der Anfechtungsfrist aus § 121 Abs 1 S 1 erfolg sein. Das setzt voraus das der Anfechtende ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes die Anfechtung erklärt hat. Indem Herr Schönbohm wenige Sekunden nachdem Herr Ziel die Stimmen abgegeben hat die Anfechtung erklärte hat er fristgemäß die Anfechtung erklärt. Augrund der Bundesratspraxis ist davon auszugehen das eine Anfechtung die erklärt wird bevor der Bundesratspräsident die Abstimmung schließt auf jeden Fall als fristgemäß anzusehen (aufgrund des Gewohnheitsrechts).
Somit liegt eine wirksame Anfechtung vor. Die Abstimmung mit Ja ist somit gemäß § 142 Abs. 1 nichtig. Eine spätere Zustimmung Brandenburgs liegt nicht vor da der Bundesratspräsident nicht mehr das Land Brandenburg befragt hat sondern lediglich Herrn Stolpe.

2. Variante: verträgt sich mit dem Urteil des BVG:
Im Rahmen der Bundesratspraxis ist es üblich das ein Vertreter des Landes alle Stimmen abgibt (Stimmführer). Das schweigen der übrigen Vertreter des Landes gilt als Zustimmung zu dessen Erklärung durch konkludentes Verhalten (in diesem Fall Schweigen).
Im vorliegenden Fall hat Herr Ziel zunächst die vier Brandenburger Stimmen abgeben (als Stimmführer). Indem Herr Schönbohm "Nein" rief hat er Herrn Ziel die Stimmführerschaft streitig gemacht. Die Voraussetzung für die Stimmführerschaft entfiel somit. Es lag keine einheitliche Stimmabgabe der Vertreter Brandenburgs vor.
Fraglich ist ob zu einem späteren Zeitpunkt Brandenburg eine wirksame Stimmabgabe erklärt hat. Dazu müßte das Land Brandenburg zu erneuten Stimmabgabe aufgefordert worden sein oder selbst darum ersucht haben. In der Aufforderung von Herrn Wowereit an Herrn Stolpe die Stimmen für das Land Brandenburg abzugeben könnte eine Aufforderung zur Stimmabgabe zu sehen sein. Somit wäre ein erneuter Abstimmungsgang eröffnet worden und die vorherigen Erklärungen Ziels und Schönbohms wären nichtig geworden.
Dem ist, wie das BVG richtigerweise feststellt, entgegenzuhalten das Herr Wowereit nicht das Land Brandenburg befragte sondern lediglich den Ministerpräsidenten. Es hätte zumindest nochmals Herrn Schönbohm fragen müssen, zumal dieser durch seinen Zwischenruf nochmals auf seine abweichende Auffassung hingewiesen hatte. Schönbohms Recht auf rechtliches Gehör wurde durch Herrn Wowereits Verhandlungsführung verletzt. Er setzte sich durch sein Verhalten nicht nur über die h.M. der Rechtswissenschaft hinweg, sondern auch gegen die Empfehlung die ihm die Bundesratsverwaltung für so einen Fall gegeben hat.
Die Motivation für seine Verhaltensweise ist offenkundig. Er wollte durch seine Sitzungsleitung dem Gesetz zu einer Mehrheit verhelfen, er wollte die Sitzung im Sinne der SPD und von Rot-Grün lenken, das Abstimmungsverhalten Brandenburgs beeinflußen um nicht zu sagen manipulieren. Die Aufgabe des Bundesratspräsidenten ist es die Bundesratssitzungen unparteiisch zu leiten und sich nicht in länderinterne Differenzen und unterschiedliche Voten einzumischen. Es war eine Amtsanmaßung Wowereits das dieser die nicht einheitliche Stimmabgabe Brandenburgs als Ja wertete.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. Januar 2003 - 20:16 Uhr:   

Cram,
das Entscheidende ist doch, dass auch die von der Senatsmehrheit vertretene Position,die von der Gleichberechtigung aller Bundesratsmitglieder ausgeht und diese - wie Niclauss zu recht schreibt - als individuelle Mitglieder betrachtet, die an Weisungen nicht gebunden seien (eine Auffassung, die ich übrigens ja teile !) eie Interpretation des Grundgesetzes ist und aus Art. 51(1) nicht herauslesbar ist,v.a wenn man Art. 77 (2) GG dazu nimmt. (vgl. meine früheren Mails und Ennos Mails zu dem Thema). Ansonsten bin ich ja durchaus einverstanden mit der Mehrheitsmeinung. Allerdings finde ich, dass Wilko durchaus recht damit hat, dass das Fragerecht des Bundesratspräsidenten zu stark eingeschränkt wird (vgl. seien Kommentar zur Entscheidung).
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Cram
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. Januar 2003 - 20:38 Uhr:   

Bernhard,

auch ich würde dem Bundesratspräsidenten ein grundsätzliches Fragerecht einräumen. Es hat schon oft Fälle gegeben wo das Abstimmungsverhalten sich von noch kurz vorher gemachten Äußerungen unterschieden hat. So waren im Jahr 2000 die Länder Berlin, MV, und Rheinland-Pfalz zunächst zu einer Enthaltung entschlossen. Erst wenige Stunden vor der Bundesratsabstimmung, in den frühen Morgenstunden des Abstimmungstages haben sich diese Länder dann für ein Ja entschieden (aus welchen Gründen muß hier nicht im einzelnen erörtert werden, das Gesetz selbst wurde jedenfalls nicht verändert).
Dies zeigt das durchaus kurzfristige Meinungsänderungen möglich sind. Man kann nicht unterstellen das der Bundesratspräsident sich über den aktuellen Meinungsstand informiert (auch wenn dieser im vorliegenden Fall ziemlich offenkundig war). Eine Abgrenzung zwischen offensichtlichen und nicht offensichtlichen Fällen erscheint mir schwer möglich. Daher würde ich grundsätzlich ein einmaliges Nachfragerecht bejahen. Allerdings müßte die Nachfrage neutral formuliert sein und das Land als Adressat benannt sein und nicht nur ein Vertreter des Landes. Dieses war ein formwidriges Verhalten von Wowereit, das dieser in der Absicht tätigte die Abstimmung so zu beeinflußen (Manipulieren)um das das von Rot-Grün gewünschte Ergebnis rauskommt. Die Formulierung im Urteil des BVG sind hierzu erstaunlich deutlich. Formwidriges Verhalten (hier die formwidrige Nachfrage) kann jedenfalls kein formgemäßes Verhalten (hier die formgemäsen Erklärungen Ziels und Wowereits) nicht unwirksam machen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Donnerstag, 09. Januar 2003 - 21:11 Uhr:   

Sehe ich auch so.
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Enno
Veröffentlicht am Mittwoch, 15. Januar 2003 - 14:52 Uhr:   

Noch eine kurze Anmerkung meinerseits:

Es ist m. W. schon allgemeine Auffassung, dass die BR-Mitglieder weisungsgebunden sind. Dies wird auch in der Tat mit einem Umkehrschluss aus Art. 53a und 77 GG begründet. Nur soll die Weisungsgebundenheit lediglich im Innenverhältnis ggü. der Landesregierung gelten, sodass eine weisungswidrige Stimmabgabe im Außenverhältnis gleichwohl als gültig anzusehen ist.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 15. Januar 2003 - 22:08 Uhr:   

Warum? Der Kernsatz aus dem Urteil (der Senatsmehrheit) sagt doch:

"Rangverhältnisse des Landesverfassungsrechts spielen auf der Bundesebene keine Rolle. Der Inhaber einer landesrechtlichen Richtlinienkompetenz hat keine bundesverfassungsrechtlich herausgehobene Stellung, die es ihm erlaubte, einen Abstimmungsdissens zweier anderer anwesender Mitglieder allein durch seine Willensbekundung zu überwinden. Die landesrechtliche Weisung an Bundesratsmitglieder, die das Grundgesetz im Bundesrat - anders als im Gemeinsamen Ausschuss (Art. 53a Abs. 1 Satz 3 GG) oder im Vermittlungsausschuss (Art. 77 Abs. 2 Satz 3 GG) - erlaubt, ist die der Landesregierung, nicht die des Inhabers der Richtlinienkompetenz. Besteht keine Weisung der Landesregierung und stimmen die ein Land und dessen Landesregierung repräsentierenden Mitglieder uneinheitlich ab, ist dies nicht verfassungswidrig. Art. 51 Abs. 3 Satz 2 GG verbietet es lediglich, einen gespaltenen Landeswillen im Abstimmungsergebnis des Bundesrates durch Aufteilung der Stimmen des Landes zu berücksichtigen." [Zitatende]

Dies heißt doch: "Besteht keine Weisung der Landesregierung", da ja die Grundgesetz-Artikel, die ausdrücklich eine Weisungsbefugnis durch die Landesregierung ausschließen (Art.53a Abs 1 Satz 3 GG sowie Art. 77 Abs. 2 Satz 3 GG benannt werden, dann (und nur dann !) ist uneinheitliche Stimmabgabe nicht verfassungswidrig.

Das heißt dann aber doch dann wohl umgkehrt: In allen anderen Fällen besteht ein Weisungsrecht der Landesregierung. Besteht also eine Weisung der Landesregierung und simmen die ein Land und dessen Landesregierung reräsentiernden Mitglieder dann (bei Weisung) uneinheitlichab, so wäre dies doch wohl verfassungswidrig. Abgelehnt wird also nicht ein mögliches Weisungsrecht der Landesregieung, sondern ein sich darüber hinwegsetzendes Votum des Ministerpräsidenten, der sich auf seine Richtlinienkompetenz beruft (Fall Reinhold Maier 1953, der sich gegen die Mehrheit seines Kabinetts wendet). Das bedeutet: Liebe Landesregierungen. Wenn Eure Stimme gültig sein soll, dann gebt gefälligst eine Weisung vorher ab. Insofern bezweifle ich bei dem oben zitirten Wortlat, dass eine "weisungswirige" Stimbabe im Bundesrt als gültig anzusehen ist.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 15. Januar 2003 - 22:33 Uhr:   

Nochmals zur Präzisierung: Die folgenden Sätze aus dem Urteil gelten meines Wissens nur für den Fall, dass eine Weisung durch die jeweilie Landesregierung nicht vorliegt. Nur dann ist - siehe meine Mail von 22.08 Uhr - eine uneinheitliche Stimmabgabe verfassungsgemäß und als gültig anzusehen. Oder sehe ich dies falsch ?

"Die Stimmen eines Landes werden durch seine Bundesratsmitglieder abgegeben. Wer aus dem Kreis dieser Vertreter die Stimmen eines Landes abgibt, bestimmen in der Regel die Vertreter selbst oder im Vorfeld einer Bundesratssitzung die jeweilige Landesregierung. Das Grundgesetz erwartet die einheitliche Stimmenabgabe und respektiert die Praxis der landesautonom bestimmten Stimmführer, ohne seinerseits mit Geboten und Festlegungen in den Verfassungsraum des Landes überzugreifen.
137
Aus dieser Konzeption des Grundgesetzes für den Bundesrat folgt, dass der Abgabe der Stimmen durch einen Stimmführer jederzeit durch ein anderes Bundesratsmitglied desselben Landes widersprochen werden kann und damit die Voraussetzungen der Stimmführerschaft insgesamt entfallen. Der Bundesratspräsident nimmt somit die Stimme eines einzelnen Bundesratsmitglieds als Stimmenabgabe für das ganze Land entgegen, sofern nicht ein anderes Mitglied des jeweiligen Landes abweichend stimmt.
138
b) Die Stimmen eines Landes sind nach Art. 51 Abs. 3 Satz 2 GG einheitlich abzugeben. Die Stimmabgabe ist die Verlautbarung der Stimmen des Landes durch einen willentlichen Begebungsakt. Mehrere Stimmenabgaben der Bundesratsmitglieder eines Landes müssen übereinstimmen."[Zitatende]
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 15. Januar 2003 - 23:25 Uhr:   

Ich muss mich doch noch einmal melden, weil mich der Einwand von Enno dazu gebracht hat, die Konsequenzen des Urteils nochmals genauer zu durchdenken. Der Satz: "Besteht keine Weisung der Landesregierung und stimmen die ein Land und dessen Landesregierung repräsentierenden Mitglieder uneinheitlich ab, ist dies nicht verfassungswidrig." bedeutet für mich, wie in den Mails oben erläutert, dass verfassungswidriges Verhalten dann vorliegt, wenn ein Bundesratsmitglied als Mitglied der Landesregierung anders abstimmt, wie die Landesregierung entschieden und angewiesen hat. Das BVerfG rügt Wowereits Verhalten ja auch deshalb, weil - so Urteilstext - er wußte, dass kein Beschluss der brandenburgischen Landesregierung zum Abstimmungsverhalten des Landes im Bundesrat vorlag. Auch die Verhaltensweisen der Ministerpräsidenten Arnold und Maier aus den Jahren 1949 und 1953 waren meines Erachtens daher verfassungswidrig. Arnold entschied als Ministerpräsident des Landes NRW, nicht aufgrund eines Beschlusses der Landesregierung, Maier setzte sich gar über ein Mehrheitsvotum seines Kabinetts mit Hinweis auf seine Richtlinienkompetenz als Ministerpräsident BW hinweg.

Wie wäre denn folgender Fall zu beurteilen:

Es hätte einen 5:4 Mehrheitsbeschluss der brandenburgischen Landesregierung (Ministerpräsident, 4 SPD-Minister gegen 4 CDU-Minister) gegeben, dem Einwanderungsgesetz im Bundesrat zuzustimmen. Die Union hätte die Koalition nicht aufgekündigt, Schönbohm hätte im Bundesrat mit "Nein" votiert. Wowereit hätte nun Stolpe gefragt, wie das Land Brandenburg abstimme und nach dem Beschluss der Landesregierung gefragt. Stolpe hätte gesagt: Die Landesregierung hat mit Mehrheit entschieden, dem Gesetz zuzustimmen. Schönbohm wäre bei seinem "Nein" geblieben. Wowereit hätte die Zustimmung des Landes Brandenburg zum Gesetz festgestellt.

Zugegeben: ein von mir "konstruierter" Fall. Wäre die Feststellung Wowereits, das Land habe aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses der Landesregierung (Weisungsrecht) zugestimmt, verfassungskonform oder würde auch hier uneinheitliche Stimmabgabe vorliegen ? Ich würde aufgrund des von mir zitierten Satzes aus dem Urteil der Senatsmehrheit glauben, dass hier in einem solchen Fall die Zustimmung des Landes rechtmäßig festgestellt worden wäre und keine uneinheitliche Stimmabgabe vorläge. Was meint ihr dazu?
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. Januar 2003 - 11:34 Uhr:   

@Bernhard Nowak:
> Das BVerfG rügt Wowereits Verhalten ja auch deshalb, weil - so
> Urteilstext - er wußte, dass kein Beschluss der brandenburgischen
> Landesregierung zum Abstimmungsverhalten des Landes im Bundesrat
> vorlag.
Das würde ich nicht überinterpretieren.
Wenn ich den Zusammenhang dieser Stelle richtig verstehe, wird dieses Wissen nur als weiteres Indiz dafür gesehen, daß an der Festlegung Schönbohms keine vernünftigen Zweifel mehr möglich waren und daher der erneute Stimmgang illegitim war.

Dagegen ist Dein anderes Zitat schon interessant:
"Besteht keine Weisung der Landesregierung und stimmen die ein Land und dessen Landesregierung repräsentierenden Mitglieder uneinheitlich ab, ist dies nicht verfassungswidrig."
Deine Logik, daß das BVG damit solche Weisungen für zulässig hält, scheint mir korrekt.

Und das wiederum steht im Widerspruch zum sonstigen Tenor, wo immer darauf abgehoben wird, daß Landesinterna keinen Belang für den Bundesrat haben dürfen.

Ich kann mir diesen Widerspruch nicht erklären.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. Januar 2003 - 17:33 Uhr:   

> "Besteht keine Weisung der Landesregierung und stimmen die
> ein Land und dessen Landesregierung repräsentierenden
> Mitglieder uneinheitlich ab, ist dies nicht
> verfassungswidrig."

Der Widerspruch zum Tenor entsteht erst, wenn man versucht den Satz zu negieren, also "besteht eine Weisung der Landesregierung, ...".

Allerdings bleibt offen, welche Auswirkung solch eine Weisung hat, wenn trotzdem anders abgestimmt wird.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. Januar 2003 - 19:40 Uhr:   

@Ralf: Ich sehe darin nach reiflicher Überlegung keinen Widerspruch. Schau das Zitat, für mich das Entscheidende, nochmals an:

"Die landesrechtliche Weisung an Bundesratsmitglieder, die das Grundgesetz im Bundesrat - anders als im Gemeinsamen Ausschuss (Art. 53a Abs. 1 Satz 3 GG) oder im Vermittlungsausschuss (Art. 77 Abs. 2 Satz 3 GG) - erlaubt, ist die der Landesregierung, nicht die des Inhabers der Richtlinienkompetenz. Besteht keine Weisung der Landesregierung und stimmen die ein Land und dessen Landesregierung repräsentierenden Mitglieder uneinheitlich ab, ist dies nicht verfassungswidrig. Art. 51 Abs. 3 Satz 2 GG verbietet es lediglich, einen gespaltenen Landeswillen im Abstimmungsergebnis des Bundesrates durch Aufteilung der Stimmen des Landes zu berücksichtigen." [Zitatende]


Das bedeutet für mich, dass ich - am Anfang zugegebenermaßen - das Urteil des BVerfG falsch verstanden habe. Ich ging - wie Du und andere, auch davon aus, wie Niclauß dies sagte, dass die Bundesratmitglieder als Indivduen betrachtet würden, die keinen Weisungen unterworfen seien und formulierte daraufhin eine Position, die ich als Minderheitenposition plausibel gefunden hätte (Weisungsbefugnis des Ministerpräsidenten ergibt sich im Umkehrschluss aus Art. 53a Abs. 1 Satz 3 GG bzw. Art. 77 Abs. 2 Satz 3 GG).

Jetzt sehe ich dies aber anders: das Verfassungsgericht stimmt Stern insoweit zu, dass die Bundesratsmitglieder als Mitglieder der Landesregierungen keine Individuen sind. Die Stimme gehört dem Land. Weisungefut ist - siehe Zitat - die Landesregierung. Nicht die Weisungsbefugnis an sich steht zur Debatte (die für Art. 53a Abs.1 Satz 3 GG und 77 Abs. 2 Satz 3 GG ausdrücklich aufgehoben ist), sondern lediglich die Weisungsbefugnis des Ministerpäsidenten. Kabinettsprinzip (Die Landesregierung entscheidet mit Mehrheit ihrer Mitglieder. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Ministerpräsidenten en Ausschlag) "schlägt" Richtlinienkompetenz des Regierungschefs. Sowohl im GG Art. 65 als auch in vielen Landesverfassungen haben sich diese beiden Prinzipien ja "gebissen". Insofern hat Niclauss recht: hier hat es einen Wandel im Verfassungsverständnis - weg von der Richtlinienkompetenz des Regierungschefs (Adenauer, Maier etc.) zur Richtlinienkompetenz gegeben.

Dies bedeutet für mich schon: Liegt keine Weisung der Landesregierung vor und kommt es zu uneinheitlicher Stimmabgabe des Landes im Bundesrat, ist die Stimme des Landes ungültig. Liegt aber - so meine Interpretation des Urteils - eine Weisung der Landesregierung vor und kommt es zu uneinheitlicher Stimmabgabe, so gilt die Weisung der Landesregierung. Die (abweichende) Stimme des Bundesratsmitgliedes, das sich nicht weisungsgmäß verhält, wäre somit verfassungswidrig und damit ungültig. Nur der Ministerpräsident hat im Bundesrat keine Möglichkeit, ein eigenes Weisungsrecht unter Hinweis auf seine Richtlinienkompetenz unter Umgehung der gesamten Landesregierung zu treffen.

Aber: Konsequenz des Urteils ist meines Erachtens auch, dass alle Kommentatoren falsch liegen (und ich hatte dies ursprünglich auch so gesehen), die die Mitglieder des Bundesrates als Individuen betrachteten, die Weisungen nicht unterworfen seien. Nur ist es eben nicht der Ministerpräsident, der die Weisung erteilt, sondern die Landesregierung als Kollegialorgan. Somit spielen Landesinterna im Bundesrat doch eine Rolle - so meine Interpretation des Urteils. Uneinheitliche Stimmabgabe im Bundesrat würde - so meine Schlussfolgerung - nur dann zur Ungültigkeit der Stimmabgabe des Landes führen, wenn "keine Weisung der Landesregierung vorliegt - nicht im umgekehrten Fall: hier wäre die Stimmabgabe meines Erachtens gültig - im Sinne, wie die Landesregierung angewiesen hat.
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. Januar 2003 - 23:12 Uhr:   

@Bernhard: Die Weisungsgebundenheit der Bundesratsmitglieder wurde m.W. von keinem Staatsrechtler bestritten. Praktisch einhellige Auffassung in der Literatur ist aber auch, daß eine weisungswidrige Stimmabgabe im Bundesrat trotzdem gültig ist. Das Risiko für unzuverlässige Bundesratsmitglieder trägt die Landesregierung, die diese Mitglieder ja schließlich auch selbst benennt.

Das Zitat aus dem Urteil ist also nichts besonderes, sondern seit jeher herrschende Auffassung in der bundesdeutschen Staatsrechtslehre.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. Januar 2003 - 23:33 Uhr:   

@Wilko: Deine Interpretation mag juristische Mehrheitsmeinung sein, aber festzuhalten gilt, dass sich das BVerfG nicht explizit dazu äußert. Wenn diese Sache so eindeutig wäre, wie von Dir angenommen, hätte das Verfassungsgericht ja dazu Stellung nehmen müssen. Außerdem wurde die Weisungsgebundenheit nie in den Mittelpunkt der Argumentationslinie der juristischen Mehrheitsmeinung gestellt; hier hieß es immer(siehe Argumentation Niclauss), die Bundesratsmitglieder seien Individuen, Hierarchien auf Landesebene spielten im Bundesrat keine Rolle. Das stimmt so nicht, denn wer weisungsbebunden ist, unterliegt einer Hierarchie. Es war auch sinnvoll der Befürworter der Mehrheitsmeinung, die Weisungsgebundenheit aus Art. 53(1) GG nicht in den Mittelpunkt ihrer Argumentation zu stellen, da dann sich ja wirklich die Frage ergeben hätte: Warum hat der Ministerpräsident als Inhaber der Richtlinienkompetenz kein Weisungsgsrecht, die Landesregierung als Kollegialorgan schon. Nur, weil die Bundesratsmitglieder "von der Landesregierung bestellt und abberufen werden können?" Ich bleibe bei meiner Auffassung aus meinen obigen Mails, dass aufgrund des Wortlauts des Urteils eine weisungswidrig abgegebene Bundesratsstimme verfassungswidrig (siehe Wortlaut des Zitats) und damit ungültig wäre - juristische Mehrheitsmeinung hin oder her - hier gebe ich Enno recht, der sagte, dass juristische Mehrheitsmeinung auch falsch sein kann. Für mich gilt in Umkehrung des Zitats: Besteht eine Weisung der Landesregierung und stimmen die ein Land und dessen Landesregierung repräsentierenden Mitglieder uneinheitlich ab, ist dies verfassungswidrig. Damit wäre die abweichende Stimme ungültig - so meine laienhafte Sicht der Dinge. Sonst machte auch der Hinweis des BVerfG, Wowereits Verhalten sei auch deshalb verfassungswidrig, da es "keine Anzeichen" für eine Bechlussfassung der brandenburgischen Landesregierung in dieser Frage gegeben habe, sinnlos. Denn das kann ja nur bedeuten, dass eine umgewandelte Fragestellung Wowereits - siehe meinen konstruierten Fall oben - und eine entsprechende Erklärung, das Land habe - trotz Nein-Stimme Schönbohms - zugestimmt - verfassungsgemäß gewesen wäre, hätte es diese "Anzeichen", nämlich eine entsprechende Beschlusslage der Landesregierung - gegeben. Kurzum: Dein Argument mit der juristschen Mehrheitsmeinung kann mich leider nicht überzeugen. Aber natürlich kann ich falsch liegen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 17. Januar 2003 - 00:10 Uhr:   

So, ich habe jetzt nochmals die weiter wichtige Sätze, aus dem Urteil des BVerfG (Mehrheitsmeinung) zitiert.

"Es war zudem allgemein bekannt, dass die brandenburgische Landesregierung über die Abgabe der Stimmen des Landes keinen Beschluss gefasst hatte." [Zitatende]

"Aus den gesamten Umständen musste jeder folgern, dass nicht klar war, zu welcher Haltung sich das Land Nordrhein-Westfalen im Kabinett (!!!! von mir; B. N.) entschieden hatte. [Zitatende]


Dies heisst doch: Die Nachfrage Arnolds 1949 war berechtigt, weil nicht klar war, ob ein Kabinetts(!!!) beschluss des Landes NRW vorlag. Folge: Wenn dieser vorgelegen hätte, wäre dessen Votum bindend, die abweichende Stimme verfassungswidrig (aus meiner Sicht) gewesen. Das Land hätte zugestimmt oder abgelehnt - je nach Kabinettsbeschluss.

Wowereits Vorgehen war verfassungswidrig, da "allgemein bekannt (!!! von mir; B. N.) war, dass es keinen Kabinettsbeschluss (!!!) gab.

Das bedeutet dann aber wohl, dass auch hier gilt: bei bekannter Weisung des Kabinetts ist die Nachfrage des Bundesratspräsidenten berechtigt. Das Land - die Stimmen gehören dem Land - hat sich entschieden. Es gilt die Weisug des Kabinetts. Davon abweichende Stimmen sind verfassungswidrig und damit ungültig.

Das bedeutet aus meine Sicht: die Weisung des Kabinetts ist verbindlich. Die Stimmen gehören dem Land. Abweichende Stimmabgabe der Landesregierungsmitgieder im Bundesrat ist dann verfassungswidrig, wenn sie die Weisung des Kabinetts missachten.

So, damit will ich es dann auch bewenden lassen. Eindeutige Klarheit gibt es meines Erachtens - wenn man alle Zitate zusammen nimmt - aus meiner Sicht (leider!) nicht.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 17. Januar 2003 - 00:41 Uhr:   

Jetzt habe ich (es ist doch schon spät !!!!) gemerkt, dass ich die entscheidende Begründung für die Schlussfolgerung aus meiner letzten Mail vergessen habe. Nämlich: Wenn Eure, Wilkos und Ennos, Annahme stimmen würde, dass weisungswidrig uneinheitlich abgegebene Stimmen zur automatischen Ungültigkeit führen würden (durch eigenes Verschulden der Landesregierungen, die die "falschen" Vertreter in den Bundesrat entsandte), hätten die obigen beiden Zitate aus meiner letzten Mail von 0.10 Uhr keinen Sinn. Denn was soll ein Nachfragerecht des Bundesratspräsidenten bewirken (Zitat 2 obige Mail, Fall NRW), wenn er sowieso die Stimmabgabe des Landes für ungültig erklären muss, da uneinheitlich abgestimmt wurde? Wenn also die Nachfrage im Falle NRW "berechtigt" war, da "nicht klar" war, wie das "Kabinett"!!!entschieden hatte, hat ein solches Nachfragerecht ja nur einen Sinn, zu einem einheitlichen Stimmverhalten gemäß Kabinettsbeschluss zu gelangen. Dies ist nur möglich, wenn die weisungswidrig abgegebene Stimme für ungültig, da weisungs- und verfassungswidrig abgegeben, erklärt werden kann. Wie gesagt: eine weitere Nachfrage des Bundesratspräsidenten - im Fall NRW oben verfassungsgemäß !!!, siehe Zitat - hat ja keinen Sinn, wenn er automatisch bei uneinheitlicher Stimmabgabe die Ungültigkeit der Stimmabgabe des Landes feststellen muß. Daher auch die verklausulierte Andeutung, Wowereit hätte (möglicherweise) verfassngskoform gehandelt, wenn ein allgmein bekannter Kabinettsbeschluss und damit eine Weisung zur Stimmabgabe vorgelegen hätte. Hätte in diesem Falle eine solche vorgelegen, hätte Wowereit - analog zum Fall NRW - nachfragen dürfen. Dies hätte aber nur Sinn, wenn er dann die Vollmacht hätte, aufgrund dieses Kabinettsbeschlusses einheitliches Stimmverhalten festzustellen und die weisungswidrig abgegebene Stimme für verfassungswidrig und damit für ungültig zu erklären.

So, jetzt will ich aber endgütig dieses Thema schließen.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 17. Januar 2003 - 11:39 Uhr:   

@Bernhard Nowak:
Ich glaube, Du überinterpretierst die Zitate.
Vom ganzen Kontext her verstehe ich die Verweise auf Beschlüsse der Landesregierung nur so, daß solche Beschlüsse (bzw. die Kenntnis des Bundesratspräsidenten davon) ein starkes Indiz sind, wie eine Stimmabgabe wohl gemeint ist (d.h. stabile Willenserklärung vs. Irrtum, der noch korrigiert werden kann).

Ganze Passagen des Urteils kreisen ja um die Frage, wie eine faire und vernünftige Verhandlungsführung aussehen muß, die zwar die Korrektur von Fehlern erlaubt, ohne deswegen aber Abstimmungsberechtigte unter Druck zu setzen.

Wenn also der Präsident von einem Beschluß der Landesregierung weiß, ist er schon berechtigt, den Abstimmenden auf eine Diskrepanz hinzuweisen (so etwa: "Sind Sie sich bewußt, daß Sie nicht so abstimmen, wie Ihr Kabinett das will?")
Wenn aber umgekehrt bekannt ist, daß der Dissens bewußt angestrebt wird, wäre eine Nachfrage manipulativ und damit verboten.

So wie Wilko die herrschende Rechtsmeinung darstellt, lösen sich auch alle Widersprüche auf:
Es mag in manchen Ländern eine Weisungsbefugnis geben, die ist dann für das Innenverhältnis relevant (z. B. könnte ein Land gegen einen "falsch abstimmenden" Minister Strafen verhängen).
Das GG und der Bundesrat können sich aber für solche Interna nicht interessieren und damit wäre eine "falsche" Stimmabgabe dennoch im Bundesrat wirksam.

Für Weisungen würde auch das gelten, was ich oben über die Frage Ernennung/Abberufung von Ministern/Bundesratsmitgliedern gesagt habe: Ein Bundesratspräsident kann ja ohnehin nicht das heranziehen, was er vielleicht in der Zeitung über irgendwelche Kabinettsbeschlüsse gelesen hat.
Sondern nur das, was ein Land ihm schriftlich und offiziell mitgeteilt hat.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Freitag, 17. Januar 2003 - 12:19 Uhr:   

@Bernhard
Man kann den Satz nicht einfach umkehren und folgern, was wäre wenn ein Kabinettsbeschluß vorgelegen hätte, und gar entgegen diesem abgestimmt würde. Dazu sagt das Urteil nichts.

Die Aussage macht in Hinblick auf das Minderheitenvotum Sinn, das sich zum größten Teil damit auseinandersetzt, ob nachgefragt werden durfte.

Im Kontext des Urteils geht es hier nur darum, daß schon ein Nachfragen verfassungswidrig wäre, und es auch "keine Anzeichen" einer Weisung des Kabinetts gab, die eine Nachfrage hätten rechtfertigen können.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 17. Januar 2003 - 23:06 Uhr:   

Also ich bin von Euren Darlegungen ehrlich gesagt nicht überzeugt, obwohl ich natürlich total daneben liegen kann. Denn: Warum soll ein Bundesratspräsdent bei einem uneinheitlich abgegebenen Votum überhaupt nachfragen können? Doch, um eine möglicherweise versehenliches, durch Irrtum abgegebenes, abweichendes Stimmverhalten korrigieren zu können. So weit,so gut. Aber auch im Fall NRW war das Stimmverhalten nicht durch Versehen oder Irrtum zustande gekommen. Der Bundesratspräsident (pikanterweise war es der Ministerpräsident von NRW) durfte nachfragen, da für die anderen Beteiligten außerhalb der Landesregierung NRW nicht klar war, ob ein Kabinettsbeschluss, also eine Weiungsbefugnis des Kabinettes vorlag. Für mich kann das aber - wie schon ausgeführt - nur bedeuten, dass der Beschluss der Landesregierung über das geplante Stimmverhalten die von ihr entsandten BR-Mitglieder bindet, sie haben keinen individuellen Entscheidungsspielraum.

Sonst macht doch eine Nachfrage eines BR-Präsidenten keinen Sinn. Dass uneinheitlich abgestimmt wurde, war auch im Fall NRW klar und dass es sích eben hier nicht um ein zu korrigierendes Missverständnis handelte, auch. Also, ich wage doch, bei meiner oben geäußerten Ansicht zu bleiben, auch wenn ich total falsch liegen kann.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Samstag, 18. Januar 2003 - 00:24 Uhr:   

@Bernhard
> Also ich bin von Euren Darlegungen ehrlich gesagt nicht
> überzeugt, obwohl ich natürlich total daneben liegen kann.
> Denn: Warum soll ein Bundesratspräsdent bei einem
> uneinheitlich abgegebenen Votum überhaupt nachfragen können?

Nur bei Unklarheit darf nachgefragt werden.
Sonst lassen die tragenden Richter lassen diese Frage offen.
Aus den dargelegten Gründen durfte wenigstens nicht nachgefragt werden.

Das Gründerzeitbeispiel wird nur aufgegriffen, da damals die Uneinheitlichkeit weder beabsichtigt noch im Vorhinein angekündigt war und zumindest auf einem Irrtum beruht haben konnte (so sehen die tragenden Richter das wenigstens).
Die Verfassungsmaßigkeit der damigen Abstimmung bleibt offen.

Deine Folgerung, daß "ein Beschluss der Landesregierung über das geplante Stimmverhalten die von ihr entsandten BR-Mitglieder bindet", muß entgegen der h.M. auch nicht falsch sein. Es folgt nur nicht aus dem Urteil vom 18.12.2002.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 18. Januar 2003 - 11:30 Uhr:   

@Martin:
Deine Darlegungen halte ich für plausibel un vernünftig. Ich denke aber, dass das Urteil dann in der Tat leider nicht für abschließende Rechtsklarheit gesorgt hat, weil die Frage, was geschieht, wenn definitiv und offensichtlich eine Weisung der Landesregierung vorliegt und es trotzdem zu unterschiedlichenem Stimmverhalten im BR kommt (vgl. meinen obigen "konstruierten" Fall). Herrschende Rechsauffssung mag hier, wie Enno und Wilko betonten, von der Gültigkeit des Stimmverhaltens ausgehen, ich denke aber, hier muß endgültige Rechtsklarheit noch geschaffen werden. Es bleibt mirverständlich, dass dies das BVerfG in seinem obigen Urteil nicht getan hat. Es hätte ja nur einer weiteren Klarstellung bedurft, was geschieht, wenn ein Beschluß und damit eine Weisung der Landesregierung als Kollegialorgan vorliegt. Klarheit existiert jetzt nur darin, dass - entgegen früherem Verfassungsverständnis (siehe Niclauss) Kabinettsprinzip eindeutig den Vorrang vor der Richtlinienkompetenz des Regierungschefs hat - zumindest im Bereich Bundesrat "beißen" sich diese Prinzipien nicht mehr.
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Fragender (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 03. April 2007 - 19:47 Uhr:   

@Bernhard Nowak
Da es keine Weisung der brandenburgischen Landesregierung gab, konnte das BVerfG auch nicht über diese Frage entscheiden. Ebenso auch nicht über den Fall, daß die Landesregierung mit Mehrheit die Weisung erteilt, mit Ja zu stimmen, aber alle anwesenden BR-Mitglieder des Landes dort mit Nein (also einheitlich) abstimmen.
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Rebell
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Samstag, 08. April 2017 - 22:08 Uhr:   

[Gelöscht]

Das Thema ist hier die Bundesratsabstimmung zum Zuwanderungsgesetz – der Admin.

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