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19.09.2009
Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 30. August 2009 fielen in den Gemeindevertretungen viele Überhangmandate an, die viele Ausgleichsmandate nach sich zogen. Das Kommunalwahlgesetz verteilt darüber hinaus noch weitere Sitze. Denn durch die überaus großzügige Ausgleichsmandatsregelung wird die Gesamtzahl der Sitze im Rat nicht nur um so viele Sitze erhöht, wie notwendig sind, um auch unter Berücksichtigung der erzielten Mehrsitze eine Sitzverteilung nach dem Verhältnis der Stimmenzahlen zu erreichen (vgl. KWahlG NW § 33 Abs. 3 Satz 1), sondern durch die gewählte Formel (KWahlG § 33 Abs. 3 Sätze 2 und 3) manchmal auch um mehr.
So geschehen ein weiteres Mal im Rat der Stadt Witten: Hier erhielt die SPD 22 der 25 Direktmandate. Da ihr nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë) für ihre 13.609 Stimmen aber nur 16 Sitze zustehen, erhalten die anderen Parteien Ausgleichsmandate. Ein brauchbarer Divisor ist 632,976 (oder nach der Formel 13.609 / 21,5). Damit stünden der SPD ihre 22 Sitze zu und insgesamt säßen im Rat nun 64 Ratsleute.
Das Kommunalwahlgesetz verwendet zur Bestimmung der neuen Ratsgröße aber eine andere Formel (eigentlich eine Näherungsformel), Parteidirektmandate × Gesamtstimmen / Parteistimme = 22 × 40.972 / 13.609 = 66,23..., gerundet 66 (brauchbarer Divisor 615). Damit gibt es zwei weitere, eigentlich überflüssige Ausgleichssitze, je einen für FDP und GRÜNE. In Witten ist das Phänomen nicht neu, auch vor fünf Jahren wurden mehr Sitze verteilt, als für einen Ausgleich der Überhangmandate notwendig gewesen wären (siehe Meldung vom 28. September 2004).
Partei Stimmen Sitze bei 50 64 66 SPD 13.609 16 22 22 d. h. 6 Überhangmandate CDU 11.290 14 18 18 GRÜNE 5.268 6 8 9 WBG 1.480 2 2 2 FDP 2.190 3 3 4 NPD 668 1 1 1 LINKE 2.471 3 4 4 Auf 582 1 1 1 Soz. Liste 137 0 0 0 WMV 242 0 0 0 bürg.f. 3.035 4 5 5 Summe 40.972
Die CDU im münsterländischen Laer kann sich nach der Kommunalwahl 2009 über ein vergleichbar schlechtes Wahlergebnis freuen, das ihr einen Zusatzsitz verschafft hat. Nur eine Stimme mehr und sie wäre mit einem Sitz weniger im Rat vertreten gewesen. Bei der Wahl erhielt die CDU 1.302 Stimmen und gewann 9 Direktmandate. Da ihr nach dem Stimmenanteil nur 8 von 20 Sitzen zustehen, muss der Rat vergrößert werden. Die anderen Parteien erhalten Ausgleichsmandate.
Nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë) bietet sich nun nach der Formel als Divisor 1.302 / 8,5 = 153,1... für eine erneute Berechnung an. Die CDU erhielte ihren neunten Sitz und die SPD ein Ausgleichsmandat.
Mit der Formel des Kommunalwahlgesetzes ist die neue Gesamtmandatszahl 9 × 3.257 / 1.302 = 22,51, aufgerundet 23, da ungerade, 24. Hätte die CDU eine Stimme mehr bekommen, wäre die Rechnung 9 × 3.257 / 1.303 = 22,49, abgerundet 22 und die CDU und die FDP hätten einen Sitz weniger erhalten.
Partei Stimmen Sitze bei 20 22 24 CDU 1.302 8 9 10 SPD 598 3 4 4 GRÜNE 610 4 4 4 UBG 263 2 2 2 FDP 484 3 3 4 Summe 3.350 20 22 24
Auf diese und weitere Mängel im NRW-Kommunalwahlgesetz wurde der Landtag wiederholt hingewiesen (vgl. Meldungen vom 21. Februar 2007 und 17. September 2007), ein entsprechender sachverständiger Vorschlag wurde explizit abgewiesen (siehe Zitat des Innenministers vom 19. Dezember 2007). Ein Unterausgleich ist bei Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen allerdings nicht mehr möglich. Denn in diesem Fall gilt doch wieder KWahlG § 33 Abs. 3 Satz 1. Im Landeswahlgesetz gibt es dagegen keine Unterausgleichshinderungsklausel.
Eine weitere Gemeinde mit „zu vielen“ Ausgleichsmandaten ist Haltern am See. Kandidaten für zu viele Ausgleichsmandate dürften alle Gemeinden sein, in denen die überhängende Partei selbst Ausgleichsmandate erhält.