Nordrhein-Westfalen – Kritik

[Nordrhein-Westfalen]

Diese Liste bezieht sich auf das neue nordrhein-westfälische Landtagswahlsystem (ab 2007) – siehe auch Kritik am Wahlsystem vor 2007.

Kritik am Entwurf zur Änderung des Landeswahlgesetzes

Mängel

  1. Unsaubere Formulierung des Divisorverfahrens mit Standardrundung (Sainte-Laguë)
    1. Es fehlt eine (nachvollziehbare) konkrete Vorschrift zur Ermittlung des richtigen Divisors
    2. Nicht durchführbare Handlungsanweisung: Durch die Rundungsvorschrift ab 0,5 ... aufzurunden ist der nächstfolgende Divisor nicht definiert. Hier müsste nämlich abgerundet werden. (Beispiel mit Schritt für Schrittrechnung beim analogen Kommunalwahlgesetz)
    3. Die Regelung versagt, bei gleichen Ansprüchen auf den letzten Sitz.
    4. Die Berechnung von vier Stellen nach dem Komma macht für die Entscheidung größer oder kleiner 0,5 keinen Sinn.
  2. Die Berechnung der Ausgleichsmandate enthält einen Regelungswiderspruch. Entgegen der Norm in § 33 Abs. 5 Satz 1 LWahlG kann das Verfahren (Formelfehler in § 33 Abs. 5 Satz 2–4) zu viele Mandate zuteilen (Überausgleich). Denkbar ist auch ein Unterausgleich.
    Negatives Stimmgewicht, da durch den Überausgleich Ausgleichsmandate an die überhängende Partei selbst gehen können.
  3. Vorteil für eine Partei mit Überhangmandaten, die 5 %-Hürde zu verfehlen.
    Ausgleichsmandate werden derzeit nur verteilt, wenn die Partei mit Überhangmandaten auch die Sperrklausel von fünf Prozent überwunden hat. Für eine Partei mit Überhangmandaten wäre es demnach für die Sitzverteilung immer besser, überhaupt keine Zweitstimmen erhalten zu haben (oder wenigstens weniger als fünf Prozent). Die anderen Parteien erhielten dann nicht nur keine Ausgleichsmandate, die Sitzzahl der anderen Parteien reduzierte sich auch noch um die Zahl der Überhangmandate. Dies stellt einen doppelten Negativanreiz dar, den es in Wahlsystemen nicht geben sollte.
  4. Zweistimmenwahlsystem
  5. halbe Ersatzbewerberregelung, nur für den Todesfall vor der Wahl. [ Punkt wurde durch interfraktionellen Änderungsantrag wieder gestrichen]

Verbesserungsmöglichkeiten

  1. Saubere Formulierung des Divisorverfahrens mit Standardrundung, wie z. B. beim Sachverständigen Pukelsheim oder wie im Gesetzentwurf für das Bundeswahlgesetz BT-Drs. 16/7461.
    1. Trennung von Regelung und Verfahrensbeschreibung (Regelung ins Gesetz und Handlungsanweisung in die Wahlordnung), wie z. B. Gutachter vorschlugen
    2. Paragraph 33 Abs. 4 LWahlG NRW endet mit Satz 1 (das ist die Regelung, welche für eine eindeutige Verteilung völlig ausreicht)
    3. Bei einem gleichen Anspruch auf den letzten Sitz, ist der Divisor so zu wählen, dass mehrere Parteien einen Nachkommaanspruch von glatt 0,5 haben. Auf oder Abrundung wird hier per Los entschieden.
  2. Es sollten nur soviele Ausgleichsmandate wie nötig verteilt werden, mehr nicht – also eine Aufstockung auf die kleinste gerade Mandatszahl ohne Überhang.
  3. Beschränkung der Zahl der Ausgleichsmandate. Dies könnte durch eine beschränkte Ausgleichsmandateverteilung erreicht werden, bei der man (nur) für die Ausgleichsmandate-Berechnung annimmt, die Miniüberhangpartei hätte fünf Prozent der Stimmen bekommen. Über den dadurch ermittelten Divisor berechnet man die neue Sitzzahl der anderen Parteien (vgl. Punkt 5, die beschränkte Ausgleichsmandateverteilung).
  4. Einstimmensystem oder System bei dem eine Partei was von ihren Erststimme hat (also z. B. wie in Bayern).
  5. ganzer Ersatzbewerber. Der Ersatzbewerber ist nicht nur Ersatzmann für den Tod vor dem Wahltag, sondern auch Nachrücker für den Wahlkreis-Abgeordneten in der gesamten Wahlperiode. Dadurch wird es auch unwahrscheinlicher, dass ein Wahlkreis in der Legislaturperiode verwaist.
    [Die Ersatzbewerberregelung wurde wieder gestrichen]

Die ersten drei Vorschläge stellen nur rein technische Verbesserungen ohne Eingriff in die Struktur des Wahlsystems selber dar. Punkte wie die Einführung des Kumulierens und Panaschierens – wie vom Verein Mehr Demokratie gefordert – sind daher hier nicht aufgeführt.

Siehe auch Anhörung und Verbessungsmöglichkeiten.


von Martin Fehndrich (16.12.2007, letzte Aktualisierung: 21.12.2007)