16. Deutscher Bundestag

[Wahlprüfung]

Beschluss vom 14. Dezember 2006

WP 182/05

BT-Drs 16/3600, 53 (Anlage 4)

„Öffentlichkeitsgebot“


Entscheidungen 2000–heute, Berichterstatterschreiben vom 28.03.2007 zur Wahlprüfungsbeschwerde,
Stellungnahme vom 18.04.2007 zum Berichterstatterschreiben, Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 01.04.2009

Beschluss

[BT-Drs 16/3600 (S. 53)] Zum Wahleinspruch
der Frau S. M.,
– WP 182/05 –
gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. November 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Entscheidungsformel:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand:

Mit Fernschreiben vom 18. November 2005, das am gleichen Tag beim Wahlprüfungsausschuss eingegangen ist, hat die Einspruchsführerin gegen die Bundestagswahl am 18. September 2005 Einspruch eingelegt. 1

I.

Der Einspruch betrifft die Durchführung der Wahl mittels elektronischer Wahlgeräte und Mängel bei der Stimmabgabe von zwei prominenten Wählern im Wahllokal. 2
Die Einspruchsführerin trägt zur Begründung vor, dass bei der Wahl am 18. September 2005 elektronische Wahlgeräte verwendet worden seien, die keine (Papier-)Protokollfunktion gehabt hätten. Damit sei die Auszählung nicht überprüfbar, was dem „Öffentlichkeitsgrundsatz einer Wahl“ widerspreche. Mögliche Manipulationen seien dadurch nicht nachweisbar gewesen. Dieser Wahlfehler sei angesichts der zwei Millionen Wähler, die mit diesen Geräten abgestimmt hätten, auch mandatsrelevant. 3
Zu dem Vortrag der Einspruchsführerin hinsichtlich der Frage einer fehlenden (Papier-)Protokollfunktion der eingesetzten Wahlgeräte hat das Bundesministerium des Innern (BMI) unter Einbeziehung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und des Bundeswahlleiters ebenso wie zu weiteren Einsprüchen, die sich auf das Thema der elektronischen Wahlgeräte beziehen, Stellung genommen. 4
Danach sei der vorliegende Einspruch zurückzuweisen. Die Wahlgeräte seien hinreichend manipulationssicher und ein Papierprotokoll erhöhe die Manipulationssicherheit nicht (s. u. Nummer 3). Eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes habe nicht vorgelegen (Nummer 4). Selbst wenn man Wahlfehler annehmen würde, seien sie nicht mandatsrelevant (Nummer 5). 5
Zum besseren Verständnis der technischen Seite der Einsprüche werden zunächst allgemein der Aufbau der Wahlgeräte, deren Handhabung und die Rahmenbedingungen (Nummer 1) sowie die Prüfung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) beschrieben (Nummer 2). 6
1. Funktionsweise der NEDAP-Wahlgeräte
Die bei der Bundestagswahl 2005 eingesetzten Wahlgeräte der niederländischen Firma NEDAP (Nederlandsche Apparatenfabriek) bestünden aus dem eigentlichen Wahlgerät, an dem der Wähler seine Wahl vollziehe, und einer per Kabel fest mit dem Wahlgerät verbundenen Bedieneinheit, die sich in der Obhut des Wahlvorstandes befinde. Diese Bedieneinheit enthalte u. a. zwei Schlösser mit Schlüsseln, über die die Betriebszustände „Wählen“ und „Wahlauswertung“ eingestellt würden, sowie Tasten, über die das Wahlgerät für jeden einzelnen Wähler freigegeben werde. Das eigentliche Wahlgerät bestehe aus einem großen Tastentableau mit einem oder mehreren Stimmzetteln, einem kleinen Display zur Kontrolle für den Wähler und einem Funktionstastenfeld, das nur vom Wahlvorstand während der Wahlauswertung benutzt werde und sonst durch eine Klappe abgedeckt sei. Des Weiteren befänden sich auf der Rückseite des Wahlgeräts ein Drucker und ein Steckplatz für ein Speichermodul (eine Art Kassette) sowie die Elektronikeinheit. In der Elektronikeinheit befänden sich zwei Speicherchips (auch als Speicherbausteine bzw. Speichermodule bezeichnet), die gemeinsam das Softwareprogramm enthielten. Diese zwei Speicherchips würden Eproms genannt. 7
Das Softwareprogramm auf den Eproms bestimme den generellen Ablauf der Wahl, also die Schritte Freigabe, Auswahl der Erststimme und der Zweitstimme, ggf. Korrektur der Stimmen, endgültige Stimmabgabe, Stimmspeicherung und Sperrung des Geräts sowie die Auswertung der Wahl. Das Speichermodul enthalte hingegen die Daten der Stimmzettel, die Zuordnung der einzelnen Tasten zu Listen, Parteien oder Bewerbern sowie einige konkrete Angaben zur Wahl wie Wahldatum und Wahllokal und diene damit vor allem, weil es die Daten über die abgegebenen Stimmen enthalte, als „Urne“. Das Wahlgerät könne nur mit einem eingesteckten, korrekt gefüllten Speichermodul für eine Wahl verwendet werden. Die Eproms mit dem Softwareprogramm seien integraler Bestandteil des Wahlgeräts, während die Speichermodule ein Zubehör seien. 8
Die Firma NEDAP baue das Gerät und liefere es an den Kunden aus. Durch eine auf der Rückseite des Geräts aufgeklebte Baugleichheitserklärung versichere der Hersteller, dass das [BT-Drs 16/3600 (S. 54)] Gerät baugleich zu dem angegebenen zugelassenen Baumuster sei. Das Wahlgerät enthalte im Auslieferungszustand kein Speichermodul und sei damit nicht für eine Wahl verwendbar. Leere Speichermodule würden dem Kunden als Zubehör mitgeliefert. 9
Einige Wochen vor der Wahl, wenn aufgrund der Entscheidung der Wahlausschüsse die Kreiswahlvorschläge und Landeslisten der Parteien und damit der Inhalt der Stimmzettel feststehen würden, programmiere die Gemeindebehörde für jedes Wahlgerät ein Speichermodul mit den Daten der Stimmzettel und den anderen konkreten Angaben der Wahl. Mit den gleichen Daten werde ein Geräte-Stimmzettel bedruckt. Der Geräte-Stimmzettel werde von der Gemeindebehörde auf dem Tastentableau des Wahlgeräts angebracht. Das programmierte Speichermodul werde auf der Rückseite des Wahlgeräts eingesteckt. Erst mit dem Speichermodul sei das Wahlgerät prinzipiell für eine Wahl einsetzbar. Nach dem Einstecken des programmierten Speichermoduls erfolge ein Funktionstest des Wahlgeräts durch die Gemeindebehörde. Dabei werde unter anderem kontrolliert, ob das Wahlgerät und sein Softwareprogramm sich korrekt identifizierten, ob alle Tasten richtig programmiert seien und ob sich keine Stimmen im Speichermodul befänden. Bei neueren Bauarten werde außerdem die Unversehrtheit der Versiegelung, die vom Hersteller an der Elektronikeinheit angebracht worden sei, kontrolliert. Sei der Funktionstest erfolgreich, werde das Gerät verschlossen und im verschlossenen Zustand amtlich versiegelt. 10
Am Wahltag kontrolliere der Wahlvorstand die Unversehrtheit der amtlichen Siegel, erbreche sie, baue das Wahlgerät auf und schalte es ein. Der Wahlvorstand kontrolliere die Identifikation des Wahlgeräts und seines Softwareprogramms, das Wahldatum und den Wahlbezirk bzw. -kreis und die Anzeige „0“ für die Zahl der abgegebenen Wählerstimmen. Die durchzuführenden Kontrollen seien detailliert im Handbuch sowie überblicksartig in der Kurzanleitung für die Wahlvorstände beschrieben. Der Wahlvorstand stelle das Wahlgerät mit Hilfe eines Schlüssels auf den Betriebszustand „Wählen“ ein und verriegele diesen Betriebszustand durch einen zweiten Schlüssel. Die beiden Schlüssel würden während des Wahltages bei zwei verschiedenen Mitgliedern des Wahlvorstands aufbewahrt. Der Wahlvorstand gebe das Wahlgerät frei und die einzelnen Wähler gäben ihre Stimmen ab. Am Ende des Wahltages entriegele der Wahlvorstand mit Hilfe der beiden Schlüssel den Betriebszustand „Wählen“ und stelle den Betriebszustand „Wahlauswertung“ ein. 11
Zur Feststellung der Zahl der Wähler würden die Zahl der Stimmabgabevermerke und der eingenommenen Wahlscheine mit den vom Wahlgerät angezeigten Zahlen der Stimmabgaben verglichen und in der Wahlniederschrift vermerkt. Der Wahlvorstand wähle nun am Wahlgerät die Funktion „Wahlauswertung per Drucker“ und gewinne so das vom Wahlgerät errechnete Ergebnis. In dem Moment, in dem dieses Ergebnis ausgedruckt werde, könnten keine weiteren Stimmen mehr hinzugefügt werden. 12
Der Ausdruck des Wahlergebnisses werde in die Wahlniederschrift aufgenommen. Der Wahlvorsteher stelle die Zahl der insgesamt abgegebenen Erst- und Zweitstimmen und der für jeden Bewerber und jede Liste abgegebenen Stimmen fest und kontrolliere, ob die Summe der einzelnen Ergebnisse mit der Zahl der insgesamt abgegebenen Stimmen übereinstimme. Sollte der Drucker defekt sein, könne entweder das Wahlergebnis am Display angezeigt und von dort in die Wahlunterlagen übertragen werden oder das Speichermodul mit den Stimmen werde in ein anderes Wahlgerät eingesteckt und mit diesem werde der Ergebnisausdruck angefertigt. Der Wahlvorstand entferne das Speichermodul mit den Stimmen und übergebe es verpackt und versiegelt der Gemeindebehörde. Das Wahlgerät werde ebenfalls verschlossen und zurücktransportiert. 13
Die Speichermodule könnten jederzeit nach Ablauf des Wahltages erneut in ein Wahlgerät eingesteckt werden, um das Ergebnis noch einmal (bzw. beliebig oft) zu gewinnen. Darüber hinaus könnten die Speichermodule im Rahmen einer Wahlprüfung ausgelesen werden. Dabei könne festgestellt werden, ob die Stimmen, die vierfach redundant gespeichert würden, Defekte aufwiesen. Das Speichermodul enthalte, ebenso wie ein Stimmzettel, auch Informationen über Stimmenkoppelungen (Erst- und zugehörige Zweitstimme). Über die Anwendungssoftware könnten alle gespeicherten Stimmen als Stimmzettel mit den entsprechenden Kreuzen ausgedruckt und von Hand nachgezählt werden. Seien alle Einspruchsfristen verstrichen, würden die Speichermodule nach Freigabe durch den Bundeswahlleiter komplett gelöscht und könnten mit den Daten der nächsten Wahl programmiert werden. 14
Für die Wähler stelle sich der Ablauf wie folgt dar: Der Wahlvorstand kontrolliere die Wahlberechtigung wie üblich und gebe dann, statt dem Wähler einen Stimmzettel auszuhändigen, das Wahlgerät über eine Taste auf der Bedieneinheit frei. Der Wähler könne nun an das Wahlgerät herantreten und seine Stimmen durch Tastendruck (anstelle durch Ankreuzen) auf einer Folientastatur auswählen, die dem Erscheinungsbild eines Stimmzettels nachgebildet sei. Das digitale Textdisplay bestätige die getroffene Auswahl und fordere zum nächsten Schritt auf. Der Wähler könne also seine Auswahl auf dem Display kontrollieren, ggf. über die Korrekturtaste berichtigen und dann seine Stimmen endgültig abgeben, indem er die dafür vorgesehene Stimmabgabetaste drücke. Dieser letzte Schritt (Abgabe einer gültigen bzw. ungültigen Stimme) entspreche dem Einwurf des Stimmzettels in die Urne. Der Schriftführer vermerke im Wählerverzeichnis die Stimmabgabe. Die Stimmen würden redundant und mit Sicherheitsmaßnahmen versehen an einer zufällig ausgewählten Stelle des Speichermoduls gespeichert. Nach der Speicherung der Stimmen sei das Wahlgerät für weitere Stimmabgaben gesperrt. Der Wähler verlasse das Wahlgerät. Die Anzeige auf der Bedieneinheit des Wahlvorstandes über die Zahl der Wähler erhöhe sich um eins. Diese Anzeige diene dem Wahlvorstand für die Entscheidung, ob der Wähler seine Wahl ordnungsgemäß abgeschlossen habe. Das Wahlgerät bleibe gesperrt, bis es für den nächsten Wähler wieder freigegeben werde. 15
Schließlich enthalte auch das Wahlgerät selbst umfangreiche Diagnosefunktionen und führe mit Hilfe dieser Funktionen beim Gerätestart, während des laufenden Betriebs sowie vor und nach der Speicherung von Stimmen Selbsttests durch. 16
2. Ablauf der Prüfung bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB)
Bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt werde ein Mustergerät geprüft. 17
[BT-Drs 16/3600 (S. 55)] Die Prüfung orientiere sich an der Bundeswahlgeräteverordnung (BWahlGV) und der Anlage 1 zu § 2 BWahlGV, den Richtlinien für die Bauart von Wahlgeräten. Diese schrieben die zu prüfenden Anforderungen vor. Die Anforderungen gliederten sich in konstruktionstechnische, funktionale und einige ergonomische Anforderungen. Anforderungen bezüglich der Sicherheit seien implizit ebenfalls enthalten. 18
Bei der Prüfung würden verschiedene Prüfmethoden verwendet. Anforderungen wie z. B. die, dass das Wahlgerät in seiner Konstruktion dem Stand der Technik entsprechen müsse, würden durch Inspektionen der technischen Unterlagen und durch Sichtprüfungen am Gerät geprüft. Anforderungen wie z. B. die nach bestimmten Funktionen oder Abläufen würden durch Funktionstests am Wahlgerät geprüft. Dabei würden generell auch Fehlersituationen, Defekte, falsche Handhabung, Stromausfälle usw. berücksichtigt. Anforderungen an die Verträglichkeit gegenüber bestimmten Umwelteinflüssen würden durch Klimakammertests, Vibrations- und Falltests, Messungen der Empfindlichkeit gegenüber elektromagnetischen Feldern, Stromschwankungen u. Ä. geprüft. Auch die elektromagnetische Abstrahlung der Wahlgeräte werde kontrolliert. Parallel zu diesen Prüfungen erfolgten die gründliche Inspektion des Quellcodes des in den Wahlgeräten verwendeten Softwareprogramms, dynamische Funktionstests des Softwareprogramms sowie Reviews der Entwicklungsdokumentation, der Testdokumentation und der Bedienungsanleitung. Die Softwareprüfung nehme in der Regel 90 Prozent des zeitlichen Aufwands der Baumusterprüfung in der PTB in Anspruch. 19
Die Baumusterprüfung werde durch eine Arbeitsgruppe der PTB durchgeführt, die langjährige Erfahrungen mit Wahlgeräteprüfungen habe und als Softwareprüfstelle akkreditiert sei. Die Arbeitsgruppe stütze sich bei der Baumusterprüfung auch auf externe, akkreditierte Prüflaboratorien, z. B. bei den mechanischen Tests. 20
An bestimmten Stellen lege die Bundeswahlgeräteverordnung ein spezielles Sicherheitsniveau fest, wie z. B. beim allgemeinen Zuverlässigkeits- und Sicherheitsniveau, bei der Rückwirkungsfreiheit usw. Wo die BWahlGV keine besonderen Festlegungen treffe, werde bei der Prüfung der Wahlgeräte ein Maßstab angelegt, mit dem mindestens ein vergleichbares Sicherheitsniveau gewährleistet werde wie bei der konventionellen Wahl. 21
Bei der Prüfung und Bewertung werde als Voraussetzung angenommen, dass sich das Wahlgerät am Wahltag permanent unter der Kontrolle des Wahlvorstandes befinde und dass die Speichermodule, die die Stimmen enthielten, mit der gleichen Sorgfalt behandelt würden wie Stimmzettel und Urnen bei der konventionellen Wahl. 22
Die konventionelle Wahl mit den gesetzlich festgelegten Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der Wahlvorstände habe sich über eine lange Zeit bewährt. Genau diese Rolle der Wahlvorstände bleibe beim Einsatz von Wahlgeräten erhalten. 23
3. Fehlen eines verifizierbaren Protokolls
Zur Kritik der Einspruchsführerin, dass die Verwendung von Wahlgeräten ohne (Papier-)Protokollfunktion dazu führe, dass eine Auszählung nicht überprüfbar sei, wird wie folgt Stellung genommen: 24
Ein denkbares, bei Geräten der Firma NEDAP aber nicht erstelltes, Papierprotokoll (auch engl. Voter Verifiable Paper Audit Trail [VVPAT] genannt) werde durch das Wahlgerät vor der endgültigen Stimmabgabe ausgedruckt, dem Wähler hinter Glas präsentiert und nach der Bestätigung durch den Wähler und damit endgültiger Stimmabgabe in eine angeschlossene Urne geworfen. 25
Die Verwendung von VVPATs habe Vor- und Nachteile und sei in der Fachwelt nicht unumstritten. Insbesondere sei durch die Verwendung eines VVPAT keine unabhängige Verifikation möglich. So könne der VVPAT, wie jedes Papierprodukt, manipuliert werden. Es gebe ungezählte Möglichkeiten, professionell aussehende Drucksachen herzustellen. Für das zusätzlich erforderliche Zerstören oder Austauschen von Stimmzetteln seien keinerlei besondere Fähigkeiten nötig. Im Gegensatz dazu erfordere das Manipulieren elektronischer Daten spezielle Kenntnisse. Aus diesen Gründen sei der VVPAT grundsätzlich unzuverlässiger als die elektronischen Daten. Der VVPAT sei auch nicht unabhängig. Er könne nicht das mangelnde Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Wahlgeräts ersetzen, da er vom Wahlgerät erzeugt werde. Nachdem der Wähler die Wahlkabine verlassen habe, könne das Wahlgerät z. B. den gerade erzeugten VVPAT als ungültig markieren und einen neuen drucken. Dies könne zwar mit Tests entdeckt werden. Der VVPAT solle aber gerade deswegen verwendet werden, weil den Tests des Wahlgeräts kein Vertrauen entgegengebracht werde. Werde der VVPAT um verschlüsselte Merkmale ergänzt, um das Einfügen zusätzlicher Papierquittungen oder das Ersetzen von Papierquittungen zu verhindern, dann könne er wiederum nicht mehr durch den Wähler überprüft werden. Der Wähler sei dann nicht mehr in der Lage zu entscheiden, ob der ihm präsentierte VVPAT korrekt markiert worden sei und später mitgezählt werde. Weiter sei für die Realisierung ein Drucker nötig, der nicht nur ausfallen könne, sondern während des Wahltages auch kleinere Probleme wie Papierstau, auslaufende Tinte usw. verursachen könne. Zudem sei es bei Wahlen mit vielen Stimmen möglich, dass der Wähler seine Auswahl teilweise vergesse und fälschlicherweise annehme, dass der VVPAT nicht korrekt sei. Dies erhöhe unberechtigterweise die Zweifel gegenüber dem Wahlgerät und könne zu einer überflüssigen Nachzählung führen. Schließlich sei es sehr schwierig, VVPATs so zu gestalten, dass auch behinderte Wähler mit ihnen zurecht kämen. So könnten z. B. Sehschwache wieder auf Hilfe angewiesen sein, um ihren VVPAT zu kontrollieren. Abschließend verweist das BMI auf eine kleine Studie des Massachusetts Institute of Technology, eines der renommiertesten Technologie-Forschungsinstitute der USA, die ergeben habe, dass der größte Teil der Testwähler den VVPAT ungelesen bestätige oder, wenn er ihn gelesen und als fehlerhaft empfunden habe, trotzdem bestätige (in der Annahme, dass das Papier nicht lügen könne). 26
Das VVPAT könne allerdings u. U. auch Vorteile haben. Bisher fehlten jedoch praktische Erfahrungen mit diesem Hilfsmittel. In den nächsten Jahren stünden mehrere Wahlen im Ausland mit VVPAT bevor, die wissenschaftlich untersucht werden sollten. Die PTB werde die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet beobachten. Derzeit spreche nichts dafür, dass ein VVPAT die ohnehin schon hohe Sicherheit der Wahlgeräte noch erhöhen würde. Ein generelles Misstrauen der Bevölkerung in die Sicherheit der Wahlgeräte sei [BT-Drs 16/3600 (S. 56)] ebenfalls nicht ersichtlich, so dass auch dieser Aspekt nicht die Einführung des VVPAT angeraten erscheinen lasse. 27
4. Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes/Nachweisbarkeit von Manipulationen
Eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes liege nicht vor. 28
Das Öffentlichkeitsprinzip werde nach herrschender Auffassung aus dem Demokratieprinzip im Sinne von Artikel 20 Abs. 1 GG abgeleitet (vgl. z. B. Schreiber, Kommentar zum BWG, 7. Auflage, 2002, § 10 Rn. 1; Karpen, Elektronische Wahlen? Einige verfassungsrechtliche Fragen, 2005, S. 31). Die Öffentlichkeit der Wahl sei eine Grundvoraussetzung für eine demokratische politische Willensbildung. Die Öffentlichkeit übe gegenüber den Wahlorganen eine Kontrollfunktion aus; geheime Auszählungen oder Beratungen seien daher unzulässig. Das Öffentlichkeitsprinzip diene damit dem Schutz vor Wahlfälschungen und dem Vertrauen der Bürger in manipulationsfreie Wahlen (Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, NVwZ 1991, S. 1175, 1179; Oberverwaltungsgericht Koblenz NVwZ 1991, S. 598, 600). 29
Einfachrechtlich sei das Öffentlichkeitsprinzip in den §§ 10, 31 des Bundeswahlgesetzes (BWG) und § 54 der Bundeswahlordnung (BWO) geregelt. Gemäß § 10 BWG finde die Verhandlung, Beratung und Entscheidung der Wahlausschüsse und Wahlvorstände in öffentlicher Sitzung statt. Der gesamte Willensbildungs- und Entscheidungsprozess, der zu der Feststellung des Ergebnisses für den Wahlbezirk führt, müsse im Lichte der Öffentlichkeit geschehen. § 54 BWO konkretisiere dies dahingehend, dass während der Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung jedermann Zutritt zu den Wahlräumen habe, soweit dies ohne Störung des Wahlgeschäfts möglich sei. 30
Allerdings sei das Öffentlichkeitsprinzip nicht grenzenlos gewährleistet. Ebenso wenig wie die in Artikel 38 Abs. 1 GG ausdrücklich geregelten Wahlrechtsgrundsätze könne es in voller Reinheit verwirklicht werden. Das Ziel der Wahl, in kurzer Zeit eine handlungsfähige Volksvertretung zu bilden, stehe mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz in Konflikt. Insofern gelte für die herkömmliche Urnen- und Briefwahl dasselbe wie für die Wahl an elektronischen Wahlgeräten. Auch dort werde das Öffentlichkeitsprinzip nicht in letzter Konsequenz verwirklicht. 31
§ 31 Satz 1 BWG bestimme, dass die Wahlhandlung öffentlich sei. Die Wahlhandlung umfasse den gesamten Wahlvorgang vom Zusammentritt des Wahlvorstandes, dem Betreten des Wahllokals durch die Wähler, die Überprüfung der Wähler durch den Wahlvorstand, dem Einwurf des Stimmzettels in die Urne bis zur Erklärung des Wahlvorstehers, dass die Wahlhandlung beendet sei. Ausnahmen seien gemäß § 31 Satz 2 BWG lediglich für Personen gestattet, die die Ordnung und Ruhe stören. Gemäß § 54 BWO sei der Zutritt der Wahlräume insoweit gestattet, wie dies ohne Störung des Wahlgeschäfts möglich sei. 32
Die Öffentlichkeit der Wahlhandlung diene mehreren Zwecken. Zum einen werde vertreten, dass die öffentliche Wahl ein wichtiger Integrationsfaktor sei (VerfGH NW, NVwZ 1991, S. 1175, 1179). Die Wahl stelle einen symbolisch-rituellen Akt dar, durch den der Bürger sich öffentlich als Souverän erfahre (Karpen a. a. O., S. 31). Zum anderen diene die öffentliche Wahlhandlung der Kontrollierbarkeit der Wahlhandlung. Die Öffentlichkeit solle überwachen können, dass nur Wähler, die vom Wahlvorstand daraufhin kontrolliert worden seien, ob sie tatsächlich im Wählerverzeichnis eingetragen gewesen seien, einen (einzigen) Stimmzettel einwerfen. Der öffentliche Einwurf des Stimmzettels in die Wahlurne – im Gegensatz zum geheimen eigentlichen Wahlakt – diene aber auch der Kontrolle durch die Wahlvorstände, dass der Wähler tatsächlich den – und nur diesen einen – Stimmzettel einwerfe. 33
Unter Berücksichtigung dieser Ziele sei der Öffentlichkeitsgrundsatz bei der Wahl mit Wahlgeräten nicht verletzt. 34
Bei der Wahl mit Wahlgeräten erfolge das Betreten des Wahlraumes durch die Wähler und die Überprüfung der Wähler durch den Wahlvorstand in gleicher Weise wie bei der Urnenwahl. Lediglich der Einwurf der Stimme in die Wahlurne (= Drücken der Taste „Stimmabgabe“) erfolge jedenfalls bei der Wahl mit NEDAP-Wahlgeräten noch in der Wahlkabine, da die Kennzeichnung des Stimmzettels und die Stimmabgabe an einem einzigen Gerät erfolgten. Die Kontrolle, dass jeder Wähler, der seine Wahlbenachrichtigungskarte abgegeben habe, auch tatsächlich – und nur einmal – gewählt habe, kontrolliere der Wahlvorstand durch Ablesen der Bedieneinheit. 35
Der Integrationsfaktor der Wahl sei demnach bei der Wahl mit Wahlgeräten in gleicher Weise gegeben wie bei der Urnenwahl. 36
Das Ziel der Kontrollierbarkeit der Wahlteilnahme werde bei der Wahl mit elektronischen Wahlgeräten ebenfalls erreicht. Dass nur berechtigten Wählern der Zugang zur Wahlkabine gewährt werde, könne die Öffentlichkeit ebenso kontrollieren wie bei der Urnenwahl. 37
Im Übrigen regelten § 31 BWG und § 54 BWO, dass durch die Verwirklichung des Öffentlichkeitsgrundsatzes der ordnungsgemäße Ablauf der Wahl nicht gestört werden dürfe. Das Ziel der Wahl, in kurzer Zeit ein handlungsfähiges Parlament zu bilden, dürfe durch die Gewährung der Öffentlichkeit nicht beeinträchtigt werden. Das Bundeswahlgesetz messe damit dem Ziel, die Wahl zeitgerecht ablaufen zu lassen und das Wahlergebnis in angemessener Zeit zu ermitteln, eine größere Bedeutung bei als der minutiösen Kontrolle durch die Öffentlichkeit. 38
Der Öffentlichkeitsgrundsatz unterliege noch weiteren Einschränkungen: zur Wahrung des informationellen Selbstbestimmungsrechts dürften andere Wahlberechtigte oder Beobachter der Wahl Angaben zur Person anderer Wähler grundsätzlich nicht zur Kenntnis nehmen. Der Einblick in das Wählerverzeichnis zu anderen Personen sei daher nur ausnahmsweise gestattet (§ 17 BWG), und der Wahlvorstand dürfe grundsätzlich Angaben zur Person des Wählers nur so verlautbaren, dass sie von anderen im Wahlraum anwesenden Personen nicht vernommen werden können (§ 54 Abs. 4 Satz 2 BWO). Damit entfalle weitgehend die Möglichkeit einer Kontrolle der Wahlberechtigung eines Wählers durch die Öffentlichkeit. Eine hierauf gerichtete Kontrolle müsse sich auf die Überprüfung beschränken, ob der Wahlvorstand die Wahlberechtigung der Wähler überprüft. 39
Die Öffentlichkeit der Stimmabgabe sei z. B. auch bei der Briefwahl stark eingeschränkt. Bei dieser Form der Wahl fehle es gänzlich an dem integrierenden Faktor der Wahl, da [BT-Drs 16/3600 (S. 57)] die eigentliche Wahlhandlung in der Privatsphäre und nicht im öffentlichen Raum stattfinde. Damit entfalle bei der Briefwahl auch die Kontrollierbarkeit der Wahlhandlung durch die Öffentlichkeit. Denn die Öffentlichkeit habe naturgemäß keinen Einblick, ob z. B. bestimmte Personen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hätten oder nicht. 40
Hinsichtlich der Öffentlichkeit der Stimmenauszählung weist das BMI darauf hin, dass der Ausdruck des vom Wahlgerät errechneten Ergebnisses des Wahlbezirks durch den Wahlvorstand nach Abschluss der Wahlhandlung und die Übernahme des Ergebnisses in die Wahlniederschrift ohne weiteres durch die Öffentlichkeit kontrollierbar sei. 41
Der Wahlvorstand und jeder Wahlbeobachter könnten durch Kontrolle und Gegenüberstellung der Stimmabgabevermerke in dem Wählerverzeichnis mit den vom Gerät registrierten gültigen und ungültigen Erst- und Zweitstimmen feststellen, ob das Gerät alle Stimmabgaben erfasst und korrekt addiert habe. Denn die Zahl der Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis müsse identisch sein mit der jeweiligen Summe von gültigen und ungültigen Erst- bzw. Zweitstimmen. Beim Wahlgerät könne der Wähler seine Erst- und Zweitstimme nur korrekt abgeben oder bewusst die Taste ungültig drücken. Wenn er – was kaum vorkommen dürfe – sich zwar zum Wahlgerät begebe, aber dort nicht beide Stimmen gültig oder ungültig abgebe, sehe der Wahlvorstand an der Bedieneinheit, dass keine Stimme abgegeben worden sei, so dass kein Stimmabgabevermerk im Wählerverzeichnis eingetragen werden dürfe. 42
Darüber hinaus werde jede Stimme einzeln im Speichermodul – mehrfach gesichert – gespeichert und könne jederzeit reproduziert werden. Im Falle eines Speicherfehlers enthalte das Speichermodul auch hierzu Informationen. Das Speichermodul enthalte, ebenso wie ein Stimmzettel, auch Informationen über Stimmenkoppelungen (Erst- und zugehörige Zweitstimme). Über die Anwendungssoftware seien alle gespeicherten Stimmen als Stimmzettel mit den entsprechenden Kreuzen ausdruckbar und von Hand nachzählbar. 43
Es fehle allerdings an der körperlichen Erfassbarkeit der einzelnen Stimmen, so dass es an einer für die Allgemeinheit nachvollziehbaren Summenbildung fehle. Dies sei jedoch auch nicht erforderlich. Der Schutz vor Verfälschungen des Wahlergebnisses werde durch eine Reihe anderer Maßnahmen gewährleistet. 44
Zum einen werde das Wahlgerät vor seiner Zulassung durch die PTB gründlich daraufhin untersucht, ob es einwandfrei funktioniere, auch unter widrigen Umständen (kurzfristige Stromausfälle, falsche Handhabung), ob es dem Stand der Technik entspreche usw. Im Vorfeld der Wahl werde das Gerät durch die Gemeindebehörde, die das Speichermodul programmiert, einer umfassenden Prüfung unterzogen. Auch der Wahlvorstand habe beim und nach dem Aufbau des Geräts umfangreiche Funktionskontrollen durchzuführen, die öffentlich erfolgten. 45
Der Ausdruck des Ergebnisses des jeweiligen Wahlbezirks finde in dem Wahllokal statt. Durch die dezentrale Ergebnisgewinnung entfalle die Möglichkeit einer Manipulation an dem Speichermodul während des Transports des Wahlgeräts oder während der Auslesung in einem zentralen Wahlamt. Die dezentrale Ergebnisgewinnung gewährleiste auch, dass Manipulationen Einzelner allenfalls auf das Wahlergebnis im jeweiligen Wahlbezirk Auswirkungen haben könnten. 46
Durch diese umfangreichen gesetzlichen Vorkehrungen werde bei der Wahl mit Wahlgeräten eine mindestens ebensolche Zuverlässigkeit des Ergebnisses erreicht wie bei der Urnenwahl. 47
Bei der Prüfung einer etwaigen Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes bei der Wahl mit Wahlgeräten sei wiederum ein Vergleich mit der Verwirklichung des Öffentlichkeitsgrundsatzes bei der Urnenwahl anzustellen. 48
Auch bei der Urnenwahl sei der Öffentlichkeitsgrundsatz nicht in letzter Konsequenz verwirklicht. Wahlbeobachtern sei nur eine eingeschränkte Kontrolle der Wahl möglich, die sich auf das beschränkte, was ein einzelner Beobachter erfassen könne, ohne den Ablauf der Auszählung zu stören. Auch für die Öffentlichkeit bei der Auszählung der Stimmen und Beratung durch die Wahlvorstände gelte, dass dieser Grundsatz mit dem Ziel, zügig ein funktionsfähiges Parlament zu bilden, in Einklang gebracht werden müsse. 49
Es sei zudem nicht erforderlich, den Öffentlichkeitsgrundsatz bei der Auszählung der Stimmen stärker zur Geltung zu bringen. Denn dem Ziel, das Vertrauen der Bevölkerung in manipulationsfreie Wahlen zu stärken, dienen noch weitere Vorkehrungen im BWG und in der BWO. Bei der Auszählung gelte durchgängig ein Mehr-Augen-Prinzip, so dass die Ergebnisse der Wahl jeweils von mehreren Mitgliedern des Wahlvorstands kontrolliert würden. Die Stimmzettel seien für eine gewisse Zeit aufzubewahren, so dass eine Nachzählung möglich sei. Die Auszählung der Stimmen finde, wie auch bei der Ergebnisgewinnung bei der Wahl mit Wahlgeräten, dezentral im Wahllokal statt; dadurch entfalle die Möglichkeit von Manipulationen an der Urne während des Transports. 50
Durch die dezentrale Auszählung beschränkten sich die Auswirkungen von Manipulationen auf das Wahlergebnis im jeweiligen Wahlbezirk. 51
Bei der Verhinderung von Unregelmäßigkeiten bei der Wahl sei die öffentliche Kontrolle nur ein – wenn auch wichtiger – Faktor unter vielen. Keine Maßnahme könne für sich genommen Manipulationen oder unbeabsichtigte Verfälschungen des Wahlergebnisses verhindern. Sämtliche Maßnahmen gemeinsam gewährleisten jedoch einen weitestgehenden Schutz der Wahl vor Wahlfälschungen. 52
5. Mandatsrelevanz
Nach Ansicht des BMI liege also kein Wahlfehler vor. Selbst wenn man aber von einem Wahlfehler ausginge, wäre dieser jedenfalls nicht mandatsrelevant. 53
Ein Wahlfehler sei nur dann relevant, wenn nach den gegebenen Umständen des Falles eine konkrete und nicht ganz fern liegende Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie auf das Wahlergebnis und damit auf die Sitzverteilung von Einfluss gewesen sein könne (BVerfGE 89, 291 <304>; Schreiber a. a. O., § 49 Rn. 10). Es gebe keine absoluten Ungültigkeitsgründe. 54
Sei der Öffentlichkeitsgrundsatz verletzt worden, so sei zu prüfen, ob der Sachverhalt einen hinreichenden, konkreten und greifbaren Anhalt dafür böte, dass bei uneingeschränkter Öffentlichkeit Entscheidungen der Wahlorgane anders [BT-Drs 16/3600 (S. 58)] getroffen worden wären und diese im Ergebnis dadurch zu einer Mandatsverschiebung geführt hätten. 55
Ein mandatsrelevanter Wahlfehler bei der Wahl mit Wahlgeräten sei danach nur dann gegeben, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine alternativ durchgeführte Urnenwahl zu anderen Wahlergebnissen geführt hätte. 56
Die Einspruchsführerin habe keine konkreten Anhaltspunkte dafür angeführt, dass in bestimmten Wahlräumen aufgrund des Einsatzes von Wahlgeräten andere Wahlergebnisse erzielt worden seien als dies bei einer Urnenwahl der Fall gewesen sei. Sie habe lediglich theoretisch eine nicht korrekte Arbeitsweise der Geräte oder Manipulationen an diesen für möglich gehalten. 57
Dem Bundeswahlleiter seien bei der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag keine Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Wahl mit Wahlgeräten bekannt geworden. Eine Abfrage bei den Länderinnenministerien habe hierfür ebenfalls keine Anhaltspunkte ergeben. Hinweise auf gezielte Manipulationen oder unbeabsichtigte Veränderungen an den eingesetzten Wahlgeräten hätten nicht vorgelegen. Ein entsprechender konkreter Verdacht sei bisher von keiner Seite geäußert worden. 58
Die Stellungnahme des Bundesministeriums des Innern ist der Einspruchsführerin bekannt gegeben worden. Sie hat sich hierauf wie folgt geäußert: 59
Die Rechtfertigung des BMI hinsichtlich der Verwendung von Wahlgeräten ohne Papierprotokoll sei „doch teilweise arg konstruiert“ gewesen. Hinsichtlich der Bedenken des BMI an VVPAT schlägt die Einspruchsführerin den Ausdruck von einem Protokoll je Wähler vor. Dieses Protokoll erhalte jeder Wähler und werfe es dann in eine Urne. Damit könnten alle vom BMI aufgeführten Manipulationsmöglichkeiten ausgeschlossen werden. 60
Die weiteren Bedenken (Probleme behinderter Wähler, ihre Stimmabgabe zu erkennen; Probleme mit der Technik [aufgeführt sind Papierstau, auslaufende Tinte; gemeint aber wohl auch Probleme der Energieversorgung, nach mechanischem Einwirken – Herunterfallen – usw.]) sprächen im Übrigen stärker gegen eine Verwendung von Technik bzw. Wahlgeräten an sich, als gegen die Verwendung eines Papierprotokolls – das sei aber nicht die Rüge ihres Einspruchs gewesen. 61
Die Verneinung der durchgehenden Öffentlichkeit bei der Urnenwahl werde nur dadurch erzielt, dass bei der Urnenwahl der Wahlvorstand nicht als Öffentlichkeit angesehen werde, während bei der Wahl mit Wahlgeräten dieser zur Öffentlichkeit gezählt werde bzw. „normalen“ Wahlbeobachtern Rechte zugeschrieben würden, die diese bei der Urnenwahl gar nicht hätten. Die von der Einspruchsführerin gerügte fehlende Öffentlichkeit bei der Stimmenauszählung der Wahl mit Wahlgeräten sei bestätigt worden. 62
Auch die Mandatsrelevanz sei nicht erst dann gegeben, wenn Hinweise auf gezielte Manipulationen vorliegen, denn die Manipulationen seien ja gerade aufgrund des verletzten Öffentlichkeitsprinzips gar nicht oder nur sehr schwer nachweisbar und würden so sonst dem Wahlprüfungsverfahren entzogen. 63

II.

Daneben trägt die Einspruchsführerin vor, dass in dem Wahllokal in der Wolfratshausener Grund- und Hauptschule, in dem Dr. Edmund Stoiber im Wählerverzeichnis geführt worden sei, das Wahlergebnis nicht korrekt ermittelt worden sei. Der dortige Wahlvorstand hätte den Spitzenkandidaten der CSU-Landesliste, Dr. Edmund Stoiber, von der Stimmabgabe zurückweisen müssen. Zur Unterstützung ihres Vortrages hat die Einspruchsführerin per Email vom 9. Februar 2006 eine Kopie eines nach ihrer Darstellung im Internet veröffentlichten Fotos vorgelegt, das Dr. Edmund Stoiber mit einem nur teilweise gefalteten Stimmzettel in der Hand zeigt. Auf einem vergrößerten Teilausschnitt des Fotos sei zudem erkennbar, dass Dr. Edmund Stoiber seine Stimmen für die CSU-Landesliste und für die Wahlkreiskandidatin im Wahlkreis 225 Starnberg, Ilse Aigner, abgegeben habe. Tatsächlich sind in einem Ausschnitt der Vergrößerung die Kreuze für die Erst- und Zweitstimme an der genannten Stelle zu erkennen. Das unvergrößerte Ausgangsfoto zeigt auch, dass es sich bei dem Wähler um Dr. Edmund Stoiber handelt. Jedoch ist auf diesem Foto auch deutlich zu erkennen, dass der Wähler sich noch in der Wahlkabine befindet. Offensichtlich wurde der Wähler im Moment des Zusammenfaltens seines Wahlscheines fotografiert. Diese Stimmen sind nach Ansicht der Einspruchsführerin daher rechtswidrig als gültig gezählt worden. Der Einspruchsführerin sei klar, dass der vorstehende Wahlfehler nicht mandatsrelevant sei, auch komme es ihr nicht darauf an, das Ergebnis einer bestimmten Partei zu reduzieren oder die „Ungeschicklichkeit von Spitzenpolitikern bei der Stimmabgabe“ demonstrieren zu wollen. Hierfür sei der betreffende Wahlvorstand verantwortlich zu machen, der die allen Wählern gleichermaßen zu gewährenden Voraussetzungen einer den rechtlichen Bestimmungen entsprechenden, ordnungsgemäßen Stimmabgabe nicht habe schaffen können. Hinsichtlich des Vortrages im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. 64
Zu dem Vortrag der Einspruchsführerin hinsichtlich der Vorkommnisse im Wahllokal in Wolfratshausen hat die Landeswahlleiterin des Freistaates Bayern unter Einbeziehung des Kreiswahlleiters des Wahlkreises Starnberg und des Wahlvorstehers aus dem in Rede stehenden Wahllokal wie folgt Stellung genommen: 65
Dem Wahlvorsteher, der zum Zeitpunkt der Stimmabgabe von Dr. Edmund Stoiber im Wahllokal anwesend gewesen sei, seien keine Vorkommnisse bekannt gewesen, die gegen einen ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl gesprochen hätten. Während seiner Tätigkeit als Wahlvorsteher hätten über die gesamte Zeit, insbesondere während der so genannten Prominentenwahl, geordnete Zustände geherrscht. Es sei bedauerlich, dass dennoch durch eine vermutlich nachträgliche Auswertung von Fotos die Kennzeichnung des Stimmzettels von Dr. Edmund Stoiber sichtbar habe werden können. 66
Dr. Edmund Stoiber habe seinen Stimmzettel, wie vorgeschrieben, noch innerhalb der Wahlkabine gefaltet, und zwar während er sich umgedreht habe, um die Wahlkabine zu verlassen. Während der Wahlhandlung hätten sich außer dem in einer Ecke stehenden Kameramann und zwei Pressefotografen sowie den Wahlhelfern keine anderen Wähler oder weitere Personen im Wahllokal befunden. Es seien weder Pressefotografen noch Kameraleute unmittelbar vor den [BT-Drs 16/3600 (S. 59)] Wahlkabinen positioniert gewesen. Die übrigen Fernseh-Teams und Vertreter der Presse hätten sich vereinbarungsgemäß sehr diszipliniert außerhalb des Zugangs zum Wahllokal aufgehalten. Der Standort des Wahlvorstehers an der Wahlurne sei bewusst so eingerichtet gewesen, dass er jederzeit den Überblick über das Geschehen gehabt habe. Zur Unterstützung seines Vortrags hat der Wahlvorsteher seiner Stellungnahme eine fotografische Abbildung aus der lokalen Zeitung „Isar-Loisachbote“ vom 20. September 2005 beigefügt. Diese Aufnahme zeige deutlich die geordneten Verhältnisse im Wahllokal sowie den ausreichenden Sicherheitsabstand zwischen den Presseleuten und der von Dr. Edmund Stoiber benutzten Wahlkabine. 67
Für die Anwesenden ist es nach Ansicht des Wahlvorstehers nicht möglich gewesen, die Stimmabgabe von Dr. Edmund Stoiber beim Umdrehen und Verlassen der Wahlkabine wahrzunehmen, zumal es sich bei diesem Vorgang nur um Bruchteile von Sekunden gehandelt habe. Dem Wahlvorsteher seien aus seiner Position an der Wahlurne jedenfalls keine Verstöße oder Auffälligkeiten bekannt gewesen. Wäre der Stimmzettel für jedermann deutlich erkennbar und außerhalb der Wahlkabine gefaltet worden, so wäre der Wahlvorsteher auch unverzüglich eingeschritten. Im Übrigen sei auch bei allen anderen Wählern darauf geachtet worden, dass die Stimmzettel innerhalb der Schutzvorrichtungen gekennzeichnet und gefaltet worden seien. Das entstandene Foto müsse daher eher ein Zufallsprodukt gewesen sein, das erst durch nachträgliche Auswertung die Kennzeichnung auf dem Stimmzettel habe erkennbar werden lassen. Zur Vermeidung derartiger Zufälle „müsste wohl künftig die Presse ausgeschlossen werden“. 68
Der Kreiswahlleiter schließt sich der aus seiner Sicht nachvollziehbaren Stellungnahme an und ergänzt hierzu, dass der Wahlvorstand bei der Abgabe des Stimmzettels offensichtlich davon habe ausgehen können, dass der Stimmzettel in der Wahlkabine gefaltet worden sei und die Stimmabgabe nicht erkennbar gewesen sei. 69
In ihren Gegenäußerungen trägt die Einspruchsführerin vor, dass im FOCUS Nr. 23 vom 3. Juni 2006, S. 26 ein Foto aus einem Wolfratshausener Wahllokal zu sehen sei, das beweise, dass auch vor der Stimmabgabe von Dr. Edmund Stoiber Fotografen Fotos im Wahllokal hätten fotografieren können und dies auch getan hätten. 70
Der vom Wahlvorsteher in seiner Stellungnahme angeführte Vorschlag des vollständigen Ausschlusses der Presse sei aus Sicht der Einspruchsführerin nicht notwendig. Es gebe die Möglichkeit, nur jeweils einen bzw. zwei Foto- oder Filmreporter im Wahllokal zuzulassen, auf deren Arbeit die anderen Medien per Medienpool zugreifen könnten. Dies würde den Wahlablauf weniger stören und könne auch besser vom Wahlvorsteher beobachtet werden. Von Seiten der Wahlbehörden müsse gesichert sein, dass die Wahlvorsteher in Wahllokalen mit lokalen oder überregionalen Prominenten noch einmal vor der Wahl explizit darauf hinzuweisen seien, dass sie – sobald die geheime Stimmabgabe der Wähler gefährdet sei – die Medienleute unbedingt entsprechend anzuweisen hätten. Diese Information müsse auch im Vorfeld der Wahl an die Journalisten gehen. 71
Zu der Darstellung des Wahlvorstehers, dass Dr. Edmund Stoiber den Stimmzettel innerhalb der Wahlkabine gefaltet habe, sei zu bemerken, dass es nicht darauf ankomme, wo der Stimmzettel gefaltet worden sei, sondern wie dies geschehen sei. Das der Stellungnahme beigefügte Foto – so die Einspruchsführerin – bestätige ihre Vermutungen. Zwar hätten nur wenige Journalisten im durch Paravents abgegrenzten Wahllokal vor den Wahlkabinen gestanden. Aber auch die Entfernung der vor den Trennwänden stehenden Reporter sei nicht ausreichend gewesen, um eine Gefährdung der geheimen Wahl bei den Wählern auszuschließen, die nicht gemäß dem BWG ihre Stimme abgegeben hätten. So seien auch die in der Einspruchsschrift angeführten Fotos durch einen der Fotografen entstanden, die außerhalb des umgrenzten Bereichs gestanden hätten. Die Position sei auch dann nicht unbeachtlich, wenn der Wähler zurückgewiesen werde und einen neuen Stimmzettel erhalte und damit dem BWG und der BWO Genüge getan werde. Zudem zeige das Foto, dass auch der Standort des Fotografen auf einer erhöhten Position nicht geeignet gewesen sei, eine geheime Wahl zu ermöglichen. Schon das Öffnen des Vorhangs bei noch nicht gefaltetem Stimmzettel habe bei einigen Wahlkabinen das Einsehen ermöglicht. Dabei sei unbeachtlich, ob der Wähler prominent gewesen sei oder nicht. 72

III.

Schließlich trägt die Einspruchsführerin vor, dass bei der Stimmabgabe der Kanzlerkandidatin der Union, Dr. Angela Merkel, im Wahlbezirk 104 in Berlin-Mitte „chaotische Szenen“ zu beobachten gewesen seien. Schon vor dem Betreten des Wahllokals durch die Kanzlerkandidatin sei ein ordentlicher Wahlablauf nicht mehr gewährleistet gewesen. Mehr als einhundert Journalisten hätten sich vor und in dem Wahllokal versammelt und dadurch sich selbst und anderen im Weg gestanden. Bei der Stimmabgabe der prominenten Wählerin hätten Fotografen und Kameraleute minutenlang den Platz vor der Urne blockiert. Im Wahllokal anwesende Wahlberechtigte seien hierdurch an der Wahlausübung gehindert worden. Mindestens eine ältere Frau sei mit einem möglicherweise ausgefüllten Stimmzettel abgedrängt worden. Somit sei eine geheime Wahl fraglich gewesen. Die geschilderten Geschehnisse hätten die Mitglieder des Wahlvorstandes verhindern müssen, zumal sie durch die Stimmabgabe eines anderen prominenten Politikers im selben Wahllokal kurze Zeit vorher auf solche Zustände hätten vorbereitet sein müssen. Eine Abwägung zwischen den Bedürfnissen der Medien und denen der Wahlberechtigten dürfe nie zu „solch einem Szenario“ führen. Als Alternative nennt die Einspruchsführerin die Bildung so genannter Medienpools. 73
Zu dem Vortrag der Einspruchsführerin hinsichtlich der Stimmabgabe von Dr. Angela Merkel im Wahllokal in Berlin-Mitte hat der Landeswahlleiter des Landes Berlin unter Einbeziehung des Kreiswahlleiters des Wahlkreises Berlin-Mitte wie folgt Stellung genommen: 74
Es treffe zu, dass sich von 12 Uhr bis 12.10 Uhr eine nicht unerhebliche Menge von Journalisten vor und auch in dem Wahllokal befunden habe. Anlass für dieses Medieninteresse sei die angekündigte Stimmabgabe der Bewerberin Dr. Angela Merkel in diesem Wahllokal gewesen. Der Kreiswahlleiter habe sich durch persönliche Anwesenheit zu diesem Zeitpunkt im Wahllokal davon überzeugen können, dass andere Wählerinnen und Wähler zu dem genannten Zeitpunkt von ihrem Wahlrecht hätten Gebrauch machen können. Die Fülle im Wahllokal durch die Anwesenden sei zwar erheblich, aber in keiner Weise wahlbehindernd gewesen. [BT-Drs 16/3600 (S. 60)] Nach seiner eigenen Feststellung könne der Kreiswahlleiter anmerken, dass die Situation keinesfalls zufriedenstellend gewesen sei. Insoweit sei der Einspruchsführerin beizupflichten. Aber auch die polizeilichen Ordnungskräfte hätten auf Anforderung durch den Wahlvorsteher keine bessere Situation herstellen können. Unmittelbar nach Stimmabgabe von Dr. Angela Merkel habe sich die Lage wieder beruhigt. 75
Die Stellungnahme ist der Einspruchsführerin zugänglich gemacht worden. Sie hat sich hierzu nicht mehr geäußert. 76
Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Wahlprüfungsausschuss beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen. 77

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegründet. 78
1. Der Einsatz von Wahlgeräten
Ein Wahlfehler ist in dem Einsatz elektronischer Wahlgeräte bei der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag nicht zu erkennen. 79
Bereits bei Wahleinsprüchen gegen die Wahl zum 15. Deutschen Bundestag haben der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit des Einsatzes von Wahlgeräten festgestellt, dass keine Zweifel daran bestehen, dass der Gesetzgeber unter Wahrung der Wahlrechtsgrundsätze auch die Stimmabgabe mit Wahlgeräten vorsehen kann. Es gibt danach auch keinen Anlass, die Verfassungskonformität des § 35 BWG zu hinterfragen. Beim Einsatz von Wahlgeräten wird die Einhaltung der Wahlrechtsgrundsätze, insbesondere der Grundsätze der freien, gleichen und geheimen Wahl, durch ein vielschichtiges System von Kontroll- und Informationspflichten in gleichem Maße gewährleistet wie bei der Urnenwahl (Bundestagsdrucksache 15/1150 vom 6. Juni 2003 [Anlage 19, S. 60 und Anlage 36, S. 116]). Auch in der Kommentarliteratur wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass § 35 Abs. 2 Satz 1 BWG gewährleistet, dass die Wahlgerätewahl hinsichtlich der Wahrung des Wahlgeheimnisses und des Ausschlusses von Manipulationsmöglichkeiten die gleichen Sicherungen erfährt wie die Wahl mit Stimmzetteln (Schreiber, a. a. O., § 35 Rn. 4). Der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag haben weiter festgestellt, dass bei der Durchführung der Stimmabgabe mit elektronischen Wahlgeräten nicht in schematischer Art und Weise darauf geachtet werden muss, dass jede typischerweise mit Stimmzetteln verbundene Besonderheit auf die Stimmabgabe mit Wahlgeräten übertragen wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Stimmabgabe mit Wahlgeräten die Stimmabgabe unter einem bestimmten Gesichtspunkt vereinfacht (Bundestagsdrucksache 15/1150, Anlage 19, S. 60). 80
Auch die konkrete Ausgestaltung der Wahl mit Wahlgeräten begegnet keinen Bedenken. 81
So entsprechen die bei der Bundestagswahl 2005 eingesetzten Wahlgeräte der Firma NEDAP den gesetzlichen Vorgaben. § 35 BWG regelt i. V. m. der Bundeswahlgeräteverordnung (BWahlGV), die das Bundesministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie auf der Grundlage von § 35 Abs. 3 BWG erlassen hat (VO vom 3. September 1975, BGBl. I S. 2459 mit späteren Änderungen, vgl. dazu Schreiber, a. a. O., S. 824), die Voraussetzungen und das Verfahren der Stimmabgabe mit Wahlgeräten. Somit können anstelle von Stimmzetteln und Urnen bei einer Wahl auch mechanisch oder elektrisch betriebene einschließlich rechnergesteuerter Geräte eingesetzt werden (§ 1 BWahlGV). 82
Das in § 35 BWG vorgeschriebene Verfahren und die Zuständigkeiten beim Einsatz elektronischer Wahlgeräte sind bei der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag eingehalten worden. Die gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 BWG erforderliche Bauartzulassung für die eingesetzten Wahlgeräte wurde erteilt und im Bundesanzeiger bekannt gegeben. Die erforderliche Verwendungsgenehmigung gemäß Absatz 2 Satz 4 und 5 liegt ebenfalls vor und wurde bekannt gegeben. 83
Anlage 1 der BWahlGV (Richtlinien für die Bauart von Wahlgeräten, BGBl. I 1999, S. 749, 753) setzt für die Bauartzulassung voraus, dass die Geräte den dort gestellten Anforderungen insbesondere an die Identifizierbarkeit, den technischen Aufbau und die Funktionsweise genügen, was durch Inspektionen der technischen Unterlagen, Sichtprüfungen am Gerät sowie unterschiedliche Funktionstests nachgewiesen wird. Diesen Anforderungen ist ausweislich der überzeugenden Stellungnahme des BMI und der PTB voll entsprochen worden. 84
Die NEDAP-Wahlgeräte arbeiten zudem nach überzeugender Darstellung des BMI im Offline-Betrieb und sind somit von externen Beeinflussungen während der Wahl weitgehend geschützt. Die (Stimm-)Daten werden auf einem speziellen Datenträger (Stimmenmodul) gespeichert und auf einem anderen Gerät ausgezählt. Es handelt sich um ein weitgehend Hardware-gestütztes System, so dass die Bauartzulassung als geeignetes Kontrollmoment erscheint. Weiter wird die Software der Geräte vor der Verwendung zweimal kontrolliert und die festgestellte Identifikation wird mittels eines Aufklebers auf dem Gerät versichert. Anschließend werden die amtlich gesiegelten Geräte sicher aufbewahrt und vor der Verwendung am Wahltag erneut überprüft. Bei all diesen Schritten werden Ausdrucke angefertigt, die für nachträgliche Überprüfungen zur Verfügung stehen. Schließlich ist die Softwareidentifikation auch in der Bedienungsanleitung der Wahlgeräte vorgeschrieben, die als Bestandteil der Bauart ebenfalls durch die PTB geprüft worden ist und eine verbindliche Vorschrift für die Handhabung der Wahlgeräte darstellt. 85
Das BMI hat weiter dargestellt, dass Manipulationen der Software zwar theoretisch möglich, in der Praxis aber kaum vorstellbar sind. Solange sie sich allein auf die Speichermodule (Eproms) beschränken, ist eine gezielte Beeinflussung des Wahlaktes nicht möglich, da bis einige Wochen vor der Wahl aufgrund der sich von Wahl zu Wahl ändernden Tastenbelegung nicht bekannt ist, welcher Kandidat mit welcher Taste gewählt wird. In diesem Fall wäre also nur eine Sabotage des Wahlaktes möglich, nicht dagegen eine gezielte Manipulation zugunsten eines bestimmten Kandidaten. Eine Manipulation der Software setzt voraus, dass der Täter auf den Quellcode des Softwareprogramms oder auf die gefüllten Speichermodule Zugriff hätte. Da der Quellcode ebenso wie die Speichermodule nach ihrer Komplettierung und Versiegelung gesichert aufbewahrt werden, ist die [BT-Drs 16/3600 (S. 61)] Manipulation in dem gleichen Maße möglich oder unmöglich wie bei den von der Gemeindebehörde aufbewahrten Stimmzetteln bei der Urnenwahl. Jedenfalls aber würde ein unbefugter Zugriff aufgrund der erbrochenen Siegel und der nach der Inbetriebnahme des Gerätes erscheinenden Fehlermeldung nicht unbemerkt bleiben. In diesem Falle würde das betreffende Gerät nicht eingesetzt. 86
Schließlich ist auch eine Kontrolle und Identifizierung des Softwareprogramms ausweislich der überzeugenden Stellungnahme des BMI jederzeit, also auch am Wahltag und damit im Beisein von Wählern, möglich, indem die Versionsnummer und die beiden Prüfsummen der Software am Gerät angezeigt und ausgedruckt werden und mit der Baugleichheitserklärung verglichen werden. 87
Indes sind dem Bundeswahlleiter bei der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag aber keine Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Wahl mit Wahlgeräten bekannt geworden. Eine Abfrage bei den Länderinnenministerien hat ausweislich der Stellungnahme des BMI hierfür ebenfalls keine Anhaltspunkte ergeben. Hinweise auf gezielte Manipulationen oder unbeabsichtigte Veränderungen an den eingesetzten Wahlgeräten liegen nicht vor. Ein entsprechender konkreter Verdacht wurde bisher auch von anderer Seite nicht geäußert. Auch soweit holländischen Hackern im Oktober 2006 der Manipulationsversuch an einem in den Niederlanden eingesetzten Typ der NEDAP-Wahlgeräte gelungen sein soll (vgl. die Pressemitteilung der PTB vom 9. Oktober 2006), ist darauf hinzuweisen, dass dies nicht unter den Bedingungen einer Bundestagswahl stattgefunden hat. Für die hier vorzunehmende Wahlprüfung ist die Manipulation zudem schon deshalb unerheblich, weil sie im Oktober 2006 stattgefunden haben soll und daher keinen Einfluss auf die Bundestagswahl 2005 gehabt haben kann. 88
Auch die Einspruchsführerin führt keine konkreten Anhaltspunkte dafür an, dass in bestimmten Wahlräumen Manipulationen an Wahlgeräten vorgenommen worden seien. Sie hält Manipulationen der Geräte lediglich theoretisch für möglich. Die generelle Befürchtung, es könne an den Geräten zu Manipulationen kommen, genügt aber nicht für die Feststellung eines Wahlfehlers. Denn die Wahlprüfung findet weder von Amts wegen statt noch erfolgt sie stets in Gestalt einer Durchprüfung der gesamten Wahl. Vielmehr erfolgt nach § 2 Abs. 1 und 3 WPrüfG die Wahlprüfung nur auf Einspruch, der zu begründen ist. Die Begründung muss mindestens den Tatbestand, auf den die Anfechtung gestützt wird, erkennen lassen und genügend substantiierte Tatsachen enthalten (BVerfGE 40, 11 (30)). Damit der Wahlprüfungsausschuss also einem behaupteten Wahlfehler nachgehen – geschweige denn sein Vorliegen feststellen – kann, reicht es nicht aus, dass dargelegt wird, dass die Gefahr eines Wahlfehlers bestand. Es müssen der Überprüfung zugängliche Tatsachen angegeben werden, aus denen sich ergibt, dass der Wahlfehler nicht nur passieren konnte sondern tatsächlich passiert ist. Aus dem Vortrag der Einspruchsführerin wird deutlich, dass auch sie gerade nur eine theoretische, und eben keine nach der allgemeinen Lebenserfahrung konkrete und in greifbare Nähe gerückte Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit sieht, dass ein Wahlfehler aufgetreten ist. Da also konkrete Anhaltspunkte für einen Wahlfehler nicht mitgeteilt werden, ist eine Substantiierung des Vorbringens nicht festzustellen. 89
Somit entsprechen die NEDAP-Geräte in Hinblick auf die Konstruktion dem Stand der Technik und sind in dem geforderten Umfang identifizierbar, belastbar sowie funktions- und manipulationssicher. Es wird zwar in keinem Fall möglich sein, alle potenziell auftretenden Risiken, Störungen, Fehler oder Manipulationsversuche mit Sicherheit auszuschließen. Dies gilt aber nicht nur für die Wahl mit Wahlgeräten, sondern auch für die herkömmliche Wahl mit Stimmzetteln und die Briefwahl. Es ist somit festzustellen, dass sämtliche Sicherungen im Zusammenspiel einen so weit gehenden Schutz vor Wahlmanipulationen gewährleisten, dass von einer insgesamt sehr hohen Sicherheit beim Einsatz dieser Wahlgeräte auszugehen ist. 90
Entgegen der Auffassung der Einspruchsführerin ist auch in dem Fehlen einer Papierspur (gemeint ist ein Protokoll in Papierform [VVPAT]) kein Wahlfehler zu erkennen. 91
Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 BWahlGV kann die Bauartzulassung erteilt werden, „wenn das Wahlgerät nach einer (…) Prüfung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt den Richtlinien für die Bauart von Wahlgeräten nach Anlage 1 entspricht“. Die Zählung der Stimmen ist in § 14 der BWahlGV geregelt. Es ist festzustellen, dass ein Papierprotokoll gesetzlich nicht vorgesehen ist und damit keine Voraussetzung für die Bauartzulassung darstellt. 92
Die Auszählung geschieht beim Einsatz von Wahlgeräten vielmehr in der Weise, dass „der Schriftführer die an dem verwendeten Wahlgerät angezeigten oder ausgedruckten Zahlen der Reihenfolge nach in die Zählkontrollvermerke der Wahlniederschrift (einträgt), soweit nicht ein Ausdruck selbst als Zählkontrollvermerk zu verwenden ist“. Anschließend stellt „der Wahlvorsteher (…) durch lautes Ablesen der einzelnen Anzeigen“ die Zahl der an den Wahlgeräten abgegebenen Stimmen fest. Bei der Feststellung werden die insgesamt abgegebenen Erst- bzw. Zweitstimmen, die für jeden Bewerber bzw. für jede Landesliste abgegebenen Erst- und Zweitstimmen und die abgegebenen ungültigen Erst- und Zweitstimmen gesondert festgestellt. 93
Weiter hat die Verwendung von VVPATs nach überzeugender Darstellung des BMI Vor- und Nachteile und ist in der Fachwelt nicht unumstritten. Insbesondere ist durch die Verwendung eines VVPAT keine unabhängige Verifikation möglich, da ein VVPAT, wie jedes andere Papierprodukt auch, manipuliert werden kann. Er kann auch mangelndes Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Wahlgeräts nicht ersetzen, da er vom Wahlgerät selbst erzeugt wird. Daneben kann der erforderliche Drucker zusätzliche technische Probleme bereiten. 94
Sofern eine Manipulation der Software stattfinden soll, ist davon auszugehen, dass der potenzielle Täter auch die Prüfausdrucke manipuliert, um die Manipulation nicht sofort offenkundig werden zu lassen. Es muss also davon ausgegangen werden, dass gegen jede zusätzliche Sicherung ein neues Mittel gefunden wird, diese Sicherung zu überwinden. Da aber das Manipulieren elektronischer Daten spezielle Kenntnisse erfordert, ist der Papierausdruck grundsätzlich unzuverlässiger als die elektronischen Daten. Der Papierausdruck (VVPAT) bietet somit keine Garantie für eine zuvor ordnungsgemäß erfolgte Stimmabgabe. 95
Schließlich ist die Kontrolle der abgegebenen Stimmen nach Auskunft des BMI jederzeit und beliebig oft möglich, indem [BT-Drs 16/3600 (S. 62)] die Speichermodule nach Ablauf des Wahltages erneut in ein Wahlgerät eingesteckt werden. Außerdem können die Speichermodule im Rahmen einer Wahlprüfung ausgelesen werden. Dabei kann festgestellt werden, ob Stimmen Defekte aufweisen. Schließlich können alle gespeicherten Stimmen als Stimmzettel mit den entsprechenden Kreuzen ausgedruckt und von Hand nachgezählt werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es hinnehmbar, dass der Vorgang der Stimmabgabe aufgrund des Einsatzes der Elektronik nicht für jeden Bürger vollständig nachvollziehbar sein mag. Es ist ausreichend, dass das Wahlverfahren insgesamt für den Wähler verständlich ist. Dies ist durch das normierte Verfahren der Wahl mit Wahlgeräten der Fall. 96
Den bloßen Möglichkeiten, dass bei der Wahl mit Wahlgeräten Manipulationen vorgenommen werden können, steht der tatsächlich feststellbare Nachteil der Urnenwahl gegenüber. So sind die bei der herkömmlichen Wahl festzustellenden Fehler eines (unbeabsichtigten) Falsch-Wählens bei der Stimmabgabe oder eines Falsch-Zählens bei der Stimmauswertung apparativ nahezu vollständig ausgeschlossen (vgl. dazu Schreiber, a. a. O., § 35 Rn. 2). 97
Der Vorschlag der Einspruchsführerin schließlich, dass für jeden Wähler ein Protokoll ausgedruckt werden solle, das der jeweilige Wähler erhalte und dann in eine Urne werfe, ist kaum praktikabel, da in einem solchen Verfahren eine herkömmliche Wahl zu sehen wäre, bei der das Wahlgerät eigentlich nur als Schreibmaschine, aber – entgegen § 35 BWG – gerade nicht als elektronisches Wahlgerät eingesetzt würde. 98
Da die Stimmauszählung also den Vorgaben des § 35 BWG und der §§ 2 und 14 BWahlGV entspricht, stellt das Fehlen eines VVPAT bei der Bundestagswahl 2005 keinen Wahlfehler dar. 99
Ebensowenig kann in dem Einsatz der Wahlgeräte ein Verstoß gegen das Öffentlichkeitsprinzip gesehen werden. 100
Einfachrechtlich ist das Öffentlichkeitsprinzip in den §§ 10, 31 BWG und in § 54 BWO. Gemäß § 10 BWG verhandeln, beraten und entscheiden die Wahlausschüsse und Wahlvorstände in öffentlicher Sitzung. § 31 Satz 1 BWG bestimmt: „Die Wahlhandlung ist öffentlich“. § 54 BWO konkretisiert dies dahingehend, dass während der Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung jedermann Zutritt zu den Wahlräumen hat, soweit dies ohne Störung des Wahlgeschäfts möglich ist. 101
§ 5 BWahlGV verweist auf die Anwendbarkeit der BWO. Somit gilt auch bei der Wahl mit Wahlgeräten, dass die Verhandlungen, Beratungen, Abstimmungen und Entscheidungen der Wahlausschüsse und -vorstände für Jedermann zugänglich sind. Damit findet der gesamte Willensbildungs- und Entscheidungsprozess, der zu der Feststellung des Ergebnisses für den Wahlbezirk führt, im Lichte der Öffentlichkeit statt. Auch der öffentliche Zugang zum Wahlraum ist bei der Wahl mit Wahlgeräten gewährleistet. Schließlich finden, unter Beachtung des Grundsatzes der Geheimheit der Wahl, auch die Wahlhandlung (§ 54 BWO) sowie die Stimmauszählung (§ 67 ff. BWO) beim Einsatz von Wahlgeräten öffentlich statt. Es existiert daher keine rechtliche Beschränkung der Öffentlichkeit bei der Wahl mit Wahlgeräten. 102
Soweit der Einspruchsführer ein über die Erfordernisse der genannten Normen hinausgehendes Öffentlichkeitsprinzip behauptet, ist dies nicht zu erkennen. Insbesondere ist nicht zu sehen, aus welchen Bestimmungen sich dieses ergeben soll und welchen Inhalt es haben soll. Darüber hinaus wird auch nicht klar, inwieweit Vorschriften über das Öffentlichkeitsprinzip bei der Wahl mit Wahlgeräten verletzt worden sein sollen. Nach Auffassung des Wahlprüfungsausschusses ist die Einhaltung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen unter Einschluss des Öffentlichkeitsgrundsatzes beim Einsatz von Wahlgeräten beachtet worden. Soweit das Öffentlichkeitsprinzip, wie vom BMI dargestellt, ebenso wenig wie die in Artikel 38 Abs. 1 GG ausdrücklich geregelten Wahlrechtsgrundsätze in voller Reinheit verwirklicht werden kann, gilt dies für die herkömmliche Urnenwahl und die Wahlgerätewahl in gleichem Maße. Zum Öffentlichkeitsgrundsatz gehört jedenfalls nicht, dass jede einzelne Handlung der Einzelkontrolle unterliegt, da sonst bei der herkömmlichen Wahl per Stimmzettel der misstrauische Bürger vor jedem Einwurf eines Wahlzettels bezweifeln könnte, dass sich in der Urne nicht schon manipulierte Wahlzettel befinden. 103
Auch bei der Briefwahl ist die Öffentlichkeit der Stimmabgabe stark eingeschränkt. Da die Wahlhandlung in der Privatsphäre und nicht im öffentlichen Raum stattfindet, fehlt es bei dieser Wahlart an dem integrierenden Faktor der Wahl. Auch die Kontrollierbarkeit der Wahlhandlung durch die Öffentlichkeit entfällt, da die Öffentlichkeit keinen Einblick hat, ob z. B. bestimmte Personen von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben oder nicht. 104
Bei den NEDAP-Wahlgeräten erfolgt der Wahlablauf grundsätzlich in gleicher Weise wie bei der Urnenwahl. Der Wähler betritt den Wahlraum und wird durch den Wahlvorstand überprüft, so dass nur berechtigte Wähler den Zugang zur Wahlkabine erhalten. Lediglich der Einwurf der Stimme in die Wahlurne geschieht durch Drücken der Taste „Stimmabgabe“. Da die Kennzeichnung des Stimmzettels und die Stimmabgabe an einem einzigen Gerät vorgenommen werden, findet der Akt der Stimmabgabe an diesem Gerät in der Wahlkabine statt. Für den Wahlvorstand und die Öffentlichkeit ist dieser Akt dennoch transparent, da nur der Wähler, der seine Wahlbenachrichtigungskarte abgegeben hat, an dem Wahlgerät wählen darf. Durch die Technik ist sichergestellt, dass z. B. eine „doppelte Stimmabgabe“ nicht möglich ist. 105
Die Öffentlichkeit kann auch den Ausdruck des vom Wahlgerät errechneten Ergebnisses des Wahlbezirks nach Beendigung der Wahlhandlung sowie die Übernahme des Ergebnisses in die Wahlniederschrift und damit die Auszählung insgesamt kontrollieren. Durch den von § 14 BWahlGV vorgeschriebenen Abgleich der Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis mit den vom Gerät registrierten gültigen und ungültigen Erst- und Zweitstimmen kann auch kontrolliert werden, ob das Wahlgerät alle Stimmabgaben erfasst und korrekt addiert hat. Zudem können alle gespeicherten Stimmen als Stimmzettel mit den entsprechenden Kreuzen ausgedruckt und von Hand nachgezählt werden. 106
In der Rechtswirklichkeit steht die konkrete Wahlhandlung der Stimmabgabe beim Einsatz von Wahlgeräten somit im Spannungsfeld des Prinzips der geheimen Wahl und des Öffentlichkeitsgrundsatzes. Vor diesem Hintergrund ist es hinnehmbar, dass beim Einsatz rechnergesteuerter Wahlgeräte nicht jeder Teilakt des Stimmenregistrierungsverfahrens [BT-Drs 16/3600 (S. 63)] für Jedermann transparent ist. Es gehört zu den Besonderheiten der fortschreitenden Technisierung, dass von der Funktionsfähigkeit der eingesetzten Systeme ausgegangen wird, wenn sie vor ihrem Einsatz in einem speziellen Verfahren geprüft worden ist. Dies gilt umso mehr, als in allen anderen Verfahrensschritten die erforderliche Kontrolle stattfindet und dadurch die erlangten Ergebnisse auf ihre Plausibilität überprüft werden können. 107
Es kann also nur darauf ankommen, dass die Öffentlichkeit die grundsätzliche Möglichkeit hat, sich von der Funktionsfähigkeit des Wahlverfahrens zu überzeugen. Dem trägt das Wählen mit Wahlgeräten Rechnung, da der Wähler sich in einem amtlichen Verfahren befindet. So wird er in einem öffentlichen Wahllokal vom bestellten Wahlvorstand über seinen amtlich ausgestellten Wahlschein persönlich identifiziert, das Abgeben seiner Stimme wird am Wahlcomputer individuell registriert – und kann von ihm korrigiert werden – und das Wahlergebnis wird unter Berücksichtigung seiner Wahlentscheidung veröffentlicht. Bei Zweifeln an der Richtigkeit des Verfahrens kann er die Wahl anfechten. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen kann eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes bei der Wahl mit Wahlgeräten nicht festgestellt werden. 108
Dies gilt umso mehr, als vorliegend im Wahlablauf die Beachtung der insoweit spezielleren Vorschriften des § 35 BWG i. V. m. der BWahlGV festzustellen ist. Soweit ein Vergleich mit den Vorschriften über die herkömmliche Urnenwahl ergibt, dass typischerweise mit Stimmzetteln verbundene Besonderheiten nicht deckungsgleich auf die Stimmabgabe mit Wahlgeräten übertragen worden sind, ist darauf hinzuweisen, dass dies auch nicht gefordert wird (Bundestagsdrucksache 15/1150, Anlage 19, S. 60). 109
Zudem ist weder festgestellt noch von dem Einspruchsführer vorgetragen worden, dass ein amtliches Organ durch Missachtung der Vorgaben des § 31 BWG oder des § 54 BWO einen Wahlfehler begangen hätte. Vielmehr ergibt sich aus dem Fehlen eines solchen Vorbringens, dass davon ausgegangen werden muss, dass die Beachtung des Öffentlichkeitsgrundsatzes durch den betreffenden Wahlvorstand sichergestellt war. 110
Ein Wahlfehler ist somit nicht festzustellen. Hinsichtlich der von der Einspruchsführerin behaupteten Mandatsrelevanz ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag stets angeschlossen haben, nur solche Wahlfehler einen Wahleinspruch erfolgreich begründen können, die auf die Mandatsverteilung von Einfluss sind oder hätten sein können. Infolgedessen scheiden alle Verstöße von vornherein als unerheblich aus, die die Ermittlung des Wahlergebnisses nicht berühren (seit BVerfGE 4, 370 <372>) ständige Rechtsprechung; vgl. auch Schreiber a. a. O., § 49 Rn. 10). Insofern muss der Vortrag der Einspruchsführerin also einen hinreichenden, konkreten und greifbaren Anhalt dafür bieten, dass aufgrund des Wahlfehlers Entscheidungen der Wahlorgane anders getroffen worden wären und diese im Ergebnis dadurch zu einer Mandatsverschiebung geführt hätten. Die Einspruchsführerin gibt aber lediglich an, dass der Wahlfehler „angesichts der zwei Millionen Wähler, die mit diesen Geräten abgestimmt haben, auch mandatsrelevant“ sei. Weitere Angaben werden nicht mitgeteilt. Konkrete Hinweise, dass auch nur ein Abgeordneter bzw. wie viele Abgeordnete rechtswidrig gewählt worden seien, liefert sie nicht. Der Hinweis, dass Manipulationen aufgrund der eingesetzten Geräte gerade nicht nachweisbar seien, ist im Rahmen der Argumentationslinie der Einspruchsführerin zwar nachvollziehbar. Er zeigt aber auch, dass durchaus davon ausgegangen werden kann, dass bei Einsatz der Wahlgeräte kein einziger Abgeordneter unzulässig gewählt worden ist. Zudem belegt die fehlende Angabe der Zahl von unrechtmäßig gewählten Abgeordneten, dass die Einspruchsführerin von der rein theoretischen Möglichkeit einer Manipulation ausgeht. Denn dass auch nur ein Mandat bei der Bundestagswahl aufgrund von Manipulationen falsch vergeben worden sein soll, wird durch Tatsachen gerade nicht belegt. Soweit aber die Einspruchsführerin die Zahl der durch den angeblichen Wahlfehler auf unzulässige Weise gewählten Abgeordneten nicht genauer benennt, ist eine Überprüfung dieses Vorbringens nicht möglich. Denn die Wahlprüfung muss genügend substantiierte Tatsachen enthalten, aus denen sich ergibt, dass der Wahlfehler tatsächlich passiert ist (zu den Voraussetzungen vgl. die obigen Ausführungen). Aus dem Vorbringen der Einspruchsführerin wird aber gerade deutlich, dass auch sie nur eine theoretische, und eben keine konkrete Wahrscheinlichkeit sieht, dass die behauptete Unregelmäßigkeit die Sitzverteilung beeinflusst haben könnte (vgl. dazu Schreiber, a. a. O., § 49 Rn. 11). 111
Bei der Wahl mit Wahlgeräten wird nach alledem ein Maßstab angelegt, der ein vergleichbar hohes Sicherheitsniveau gewährleistet wie bei der konventionellen Wahl. Nach Ansicht des Wahlprüfungsauschusses ist die Legitimität und Autorität der Bundestagswahl 2005, die unter dem Einsatz von NEDAP-Wahlcomputern durchgeführt wurde, aufgrund der Beachtung der einschlägigen Vorschriften nicht verletzt worden. 112
Ein Wahlfehler bei der Durchführung der Bundestagswahl 2005 mithilfe elektronischer Wahlgeräte ist nicht erkennbar. 113
2. Faltung des Stimmzettels
Ein Wahlfehler bei der Bundestagswahl 2005 ist aber darin zu sehen, dass ein Foto einen Wähler (hier: Dr. Edmund Stoiber) zeigt, der einen nicht vollständig zusammen gefalteten Stimmzettel in Händen hält, nachdem er diesen ausgefüllt hat. § 34 Abs. 2 BWG bestimmt, dass der Wähler den Stimmzettel nach der Wahl in der Weise faltet, „dass seine Stimmabgabe nicht erkennbar ist“ und ihn dann in die Wahlurne wirft. Der Stimmzettel ist daher so zu falten, dass nicht zu erkennen ist, welchen Bewerber oder welche Landesliste der Wähler angekreuzt hat. Es ist nicht erlaubt, dass Wähler mit offenem Stimmzettel aus der Wahlkabine heraustreten und erkennen lassen, wie sie gewählt haben (s. hierzu Bundestagsdrucksache 14/3764 vom 4. Juli 2000, S. 9). Nach Maßgabe des § 56 Abs. 4 BWO ist der Stimmzettel in der Wahlzelle zu falten (so auch Schreiber, a. a. O., § 34 Rn. 8: „In der ‚Geborgenheit‘ der Wahlkabine“). Ein Verstoß gegen diese Vorschriften durch einen Wähler hätte gemäß § 56 Abs. 6 Nr. 4 und 5 BWO eine Zurückweisung durch den Wahlvorstand zur Folge. 114
Die Einspruchsführerin, die im Wahllokal zum betreffenden Zeitpunkt nicht anwesend war, stützt ihren Einspruch auf ein Foto, das die Hände eines Wählers zeigt, in denen er den ausgefüllten Stimmzettel hält. Die nur auf einem Standbild und [BT-Drs 16/3600 (S. 64)] nur bei entsprechender Vergrößerung des betreffenden Bildausschnitts zu erkennende Wahlentscheidung des Wählers war für den Außenstehenden in der Bewegung des Wählers und aus größerer Entfernung zwar nicht erkennbar. Der Wahlvorsteher des betreffenden Wahllokals hat aber eingeräumt, dass, nachdem der Wähler Dr. Edmund Stoiber seinen Stimmzettel, wie vorgeschrieben, noch innerhalb der Wahlkabine gefaltet hatte, das Foto in dem Moment, als dieser sich umgedreht hat, um die Wahlkabine zu verlassen, in einem Blitzlichtgewitter als Zufallsprodukt entstanden ist. Es ist anzunehmen, dass nur bei Einsatz eines Fotoapparates und bei nachträglicher Vergrößerung und Auswertung dieser Momentaufnahme die getroffenen Feststellungen über die genaue Stimmabgabe des Wählers möglich sind. Ein visuelles Erfassen der Wahlentscheidung dieses Wählers war demnach ohne technische Hilfsmittel nicht möglich. Das Foto aus dem Isar-Loisachboten bestätigt zudem, dass die Presse zum Zeitpunkt der Stimmabgabe in einiger Entfernung zur Wahlkabine stand und dass bei der Stimmabgabe durchaus geordnete Verhältnisse geherrscht haben. Da die Wahlzellen aber so aufgestellt werden müssen, dass sie nicht einsehbar sind (§ 50 Abs. 1 Satz 1 BWO), dürfen anwesende Fotografen entweder nur so positioniert werden, dass sie nicht in Richtung der offenen Seite der Kabine stehen oder die Wahlzellen sind – wie hier – mit einem Vorhang zu versehen. Dann muss von Seiten des Wahlvorstandes aber darauf geachtet werden, dass der Vorhang erst aufgezogen wird, wenn der Wahlzettel gefaltet ist. Zudem muss der Wahlvorsteher organisatorisch dafür sorgen, dass Vertreter der Medien den Vorgang der Stimmabgabe nur aus einer Entfernung oder einem Winkel dokumentieren konnten, der die betreffende Aufnahme nicht ermöglicht. 115
Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass Wahllokale für Jedermann zugänglich sein müssen (§ 31 BWG i. V. m. § 54 BWO). So weist Schreiber (a. a. O., § 31 Rn. 3) zwar darauf hin, dass sich auch Vertreter von Presse, Hörfunk und Fernsehen im Wahlraum aufhalten dürfen. Dieses Recht auf Zutritt umfasst aber nicht die Befugnis, Bild- oder Tonaufnahmen zu machen, für die es einer besonderen Genehmigung bedarf. Das Entstehen von fotografischen Aufnahmen des Wählers, die eine Momentaufnahme der Wahlhandlung festhalten, ist somit entweder durch ein vollständiges Falten des Stimmzettels noch in der Kabine oder durch ein Fotografierverbot im Wahlraum zu verhindern. 116
Jedoch ist der festgestellte Wahlfehler nicht mandatsrelevant (zu den Voraussetzungen vgl. die obigen Ausführungen). Hier ist offensichtlich, dass die Zurückweisung des einen Stimmzettels nicht zu einer Mandatsverschiebung geführt hätte, zumal der betreffende Wähler vermutlich nicht anders gewählt hätte, wenn er – nach einer erfolgten Zurückweisung – noch einmal gewählt hätte (§ 56 Abs. 8 BWO). Auf diesen Umstand weist auch die Einspruchsführerin selbst hin. 117
3. Behinderung durch Pressevertreter im Wahlraum
Schließlich stellen die von der Einspruchsführerin geschilderten Abläufe der Stimmabgabe durch die Wählerin Dr. Angela Merkel keinen Wahlfehler dar. § 31 BWG schreibt die Öffentlichkeit der Wahlhandlung vor mit der Einschränkung, dass der Wahlvorstand „Personen, die die Ordnung und Ruhe stören, aus dem Wahlraum verweisen (kann)“. Vorliegend war zum Zeitpunkt der Stimmabgabe der seinerzeitigen Kanzlerkandidatin ein erhebliches Medieninteresse feststellbar. Der Kreiswahlleiter hat glaubhaft eingeräumt, dass die Situation aufgrund der erheblichen Zahl anwesender Journalisten für einen Zeitraum von etwa 10 Minuten im Wahllokal zwar „nicht befriedigend“ war. Ein von einem amtlichen Wahlorgan begangener Wahlfehler ist hierin aber nicht zu erkennen, da der Wahlvorsteher die polizeilichen Ordnungskräfte aufgefordert hat, die Situation zu verbessern, was aber auch den Beamten nicht gelungen ist. Somit hat der Wahlvorsteher es nicht etwa schuldhaft unterlassen, von seinen Ordnungsbefugnissen Gebrauch zu machen, sondern er hat gerade das wirkungsvollste Mittel der polizeilichen Hilfe eingesetzt. Dass auch dieses für einen kurzen Zeitraum keinen Erfolg brachte, ist angesichts der zu beachtenden Verhältnismäßigkeit des Mitteleinsatzes nicht vermeidbar gewesen. Nach weiterer Darstellung des Kreiswahlleiters, der persönlich im betreffenden Wahlraum anwesend war, wurden andere Wählerinnen und Wähler auch in dieser Situation nicht an der Stimmabgabe gehindert. Soweit die Einspruchsführerin berichtet, dass mindestens eine ältere Dame an der Wahlausübung gehindert worden sei, wird nicht erkennbar, ob dieses Hindern, die Richtigkeit des Vortrages unterstellt, endgültig wahlbehindernd gewirkt hat. Soweit die betroffene Person nämlich nur wenige Minuten warten musste, um nach Beruhigung der Situation die Stimme abgeben zu können, liegt ein Wahlfehler gar nicht vor. Das von der Einspruchsführerin selbst als „minutenlang“ beschriebene Behindern der Stimmabgabe war schon zeitlich nicht geeignet, einen zur Wahl entschlossenen Bürger endgültig von der Wahl abzuhalten. Zudem war absehbar, dass die Situation sich unmittelbar nach Verlassen des Wahlraumes durch die prominente Wählerin wieder normalisieren würde, was auch geschah. Die Angabe der Einspruchsführerin, dass weitere Personen an der Stimmabgabe gehindert worden seien, kann der Wahlprüfungsausschuss mangels substantiierter Angaben nicht überprüfen (hinsichtlich der Voraussetzungen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen). An solchen Angaben fehlt es aber, wenn die Einspruchsführerin lediglich angibt, dass „mindestens eine“ Person an der Wahlausübung gehindert worden sein soll. 118
Angesichts des offenkundigen Interesses der Öffentlichkeit an Bildern vor allem von der Stimmabgabe der Kanzlerkandidaten und anderer Spitzenpolitiker ist die Schaffung eines von der Einspruchsführerin vorgeschlagenen Medienpools kaum praktikabel. Eine solche Steuerung der Bildberichterstattung durch den Wahlvorstand würde, auch unter Berücksichtigung der kurzen Dauer der durch die anwesenden Medienvertreter entstehenden Belastungen, wiederum an (verfassungs-)rechtliche Grenzen stoßen. 119

 


Matthias Cantow