Briefwahl |
[Wahlrechtslexikon] |
Die Briefwahl ist eine Wahl unabhängig von Ort und Zeit der Urnenwahl.
Dabei wird der Stimmzettel vom Wähler in einem verschlossenen Umschlag (Brief) zusammen mit einem Wahlschein in einem größeren verschlossenen Umschlag vor oder am Wahltag in der Regel per Post an die Wahlämter (oder ggfs. auch an andere Behörden) versandt oder dort direkt abgegeben. Durch die Postlaufzeiten ist die Briefwahl hinsichtlich des Zeitpunkts der Stimmabgabe auf dem Stimmzetttel regelmäßig eine Voraus-Wahl.
Die Briefwahl ist bei der Bundestagswahl sowie Landtags- und Kommunalwahlen in Deutschland sowie als briefliche Stimmabgabe in der Schweiz zulässig. In Österreich soll die Briefwahl zur nächsten Nationalratswahl ermöglicht werden.
Die Briefwahl (und der Wahlschein) muss mündlich oder schriftlich bei der zuständigen Wahlbehörde beantragt werden (etwa unter Benutzung der Wahlbenachrichtigung oder per Brief/Telefax/E-Mail). Einen Wahlschein für Bundestags- und Europawahlen erhielt man bis zur Änderung des Bundeswahlgesetzes im Frühjahr 2008 nur, wenn man sich:
Den Wahlschein erhielt man aber auch, wenn man das Vorliegen eines dieser Gründe nur behauptete, da es faktisch nicht möglich war, diesen zu überprüfen und auch ein weiter Interpretationsspielraum bestand. Seit der Europawahl und der Bundestagswahl 2009 muss kein Hinderungsgrund mehr vorliegen, um einen Wahlschein für die Briefwahl beantragen zu können.
Die Briefwahl gibt es bei Bundestagswahlen seit 1957.
Dem Prinzip der allgemeinen Wahl wird einerseits durch die Reduzierung des persönlichen Aufwands der Stimmabgabe bei der Briefwahl besser Rechnung getragen. Andererseits ist – wegen der Einschränkung beim Grundsatz der geheimen und freien Wahl – die Briefwahl oft nur bei Vorliegen besonderer Gründe erlaubt. Faktisch steigt der Anteil aber von Wahl zu Wahl an.
Das Bundesverfassungsgericht sah bisher aber in zwei Entscheidungen zur Verfassungsmäßigkeit der Briefwahl in den Einschränkungen der Grundsätze der geheimen und freien Wahl keine grundsätzlichen verfassungsrechtliche Bedenken, hält die Gesetz- und Verordnungsgeber aber an, die Regelungen ständig zu überprüfen.
Die Briefwahl ermöglicht es einem Wähler, seine Stimmabgabe auf dem Stimmzettel offenzulegen und kontrolliert im Sinne eines Dritten zu wählen, bzw. die Stimmabgabe einem Dritten zu überlassen. Auch kann Druck auf einen Wahlberechtigten ausgeübt werden, seine Stimmabgabe offenzulegen. Der Kauf oder Verkauf einer Wählerstimme ist in Deutschland strafbar.
Wahljahr | Briefwähler | |
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Anzahl | Wähleranteil in % | |
Quelle: Bundeswahlleiter.de Zahlen ab 1990 für den Gebietsstand ab dem 3. Oktober 1990 | ||
1957 | 1.537.094 | 4,9 |
1961 | 1.891.604 | 5,8 |
1965 | 2.443.935 | 7,3 |
1969 | 2.381.880 | 7,1 |
1972 | 2.722.424 | 7,2 |
1976 | 4.099.212 | 10,7 |
1980 | 4.991.942 | 13,0 |
1983 | 4.135.816 | 10,5 |
1987 | 4.247.949 | 11,1 |
1990 | 4.435.770 | 9,4 |
1994 | 6.389.047 | 13,4 |
1998 | 8.016.122 | 16,0 |
2002 | 8.765.762 | 18,0 |
2005 | 8.969.355 | 18,7 |
2009 | 9.421.406 | 21,4 |
2013 | 10.758.677 | 24,3 |
2017 | 13.430.468 | 28,6 |
2021 | 22.145.205 | 47,3 |
Wahljahr | Briefwähler | |
---|---|---|
Anzahl | Wähleranteil in % | |
Quelle: Bundeswahlleiter.de Zahlen ab 1994 für den Gebietsstand ab dem 3. Oktober 1990 | ||
1979 | 3.064.640 | 10,9 |
1984 | 2.763.673 | 13,0 |
1989 | 3.757.364 | 13,2 |
1994 | 3.954.873 | 10,9 |
1999 | 3.847.138 | 14,0 |
2004 | 4.103.759 | 15,5 |
2009 | 4.953.139 | 18,4 |
2014 | 7.541.419 | 25,3 |
2019 | 10.724.517 | 28,4 |
2024 | 15.134.522 | 37,7 |
Wenn der Briefkasten zur Wahlurne wird, verlässt die abgegebene Stimme den vom Wähler kontrollierbaren Raum, ohne schon im öffentlich kontrollierbaren Bereich angekommen zu sein. Briefe können auf dem Postweg verloren gehen oder sich trotz rechtzeitiger Einlieferung verzögern, so dass sie nicht mehr rechtzeitig ankommen. Auch haben einige wenige die Möglichkeit, Stimmen verschwinden zu lassen. In Frankreich wurde aus diesem Grund die bis in die 70er Jahre erlaubte Briefwahl abgeschafft, da ein Teil der Postbediensteten kommunistisch organisiert war und damit als Sicherheitsrisiko eingestuft wurde.1, 2
Zur Briefwahl gäbe es Alternativen, bei denen (teilweise) die Geheimheit und Freiheit der Wahl nicht gefährdet sind und Stimmen nicht auf dem Postweg verloren gehen können. Diese anderen Formen der Abwesenheitswahl sind (in eckigen Klammern jeweils der Unterschied zur Urnenwahl):