Ausgliederungsverfahren

[Verfahren]

Ausgliederungsverfahren

Beschreibungen

Das Verfahren beschreibt einen Algorithmus zur Vermeidung von negativen Stimmgewichten in Wahlsystemen. Es stellt damit eine Modifikation des Wahlsystems der Bundestagswahl 2009 dar, das dann ohne negative Stimmgewichten (NStG) ist. Für das Bundestagswahlsystem von 2013 böte es einen Ersatz für die bisherige Pseudoverteilung nach festen Ländersitzkontingenten mit den entsprechenden Problemen.

Das Verfahrensprinzip: Landeslisten werden mindestens mit einem Stimmenwert von Bundesdivisor x Direktmandate bewertet. Äquivalent kann man das Verfahren so beschreiben, daß überhängende Landeslisten (im Sinne Zweitstimmen < Bundesdivisor x Direktmandate) mit Sitzen (Direktmandaten) und Stimmen aus der proportionalen Verteilung genommen werden.

Durch diese Konstruktion wird die Verteilungsfunktion monoton steigend.

Mathematische Beschreibung

Die zu verteilenden Sitze werden an die zu berücksichtigenden Parteien nach Summe Min(Zweitstimmen, Divisor * Direktmandate) verteilt, wobei der Divisor wie bei Divisorverfahren üblich passend gewählt werden muß.

Die Verteilung kann man alternativ so vornehmen, daß man in einem ersten Schritt, eine Verteilung der Sitze an die Parteien ohne Berücksichtigung von Direktmandaten ermittelt. Daraufhin prüft man für welche Landeslisten die Bedingung Zweitstimmen < Divisor x Direktmandate gilt. [ALTERNATIV Zweitstimmen/Direktmandate < Divisor ] Diese Landeslisten werden mit Sitzen und Stimmen aus der weiteren Verteilung genommen. Die herausgenommenen Sitze (d.h. die Direktmandate dieser Landeslisten) werden ihrer Partei zugerechnet. Die Verteilung wird mit den verbleibenden Sitzen und Stimmen fortgesetzt, bis keine Landesliste mehr herausgenommen werden muß.

Variante: Parteiweises Ausgliederungsverfahren

Das Herausnehemen überhängender Landeslisten bedeutet im Prinzip ein Abziehen des Überhangs von der Zahl zu verteilender Sitze, insb. von der Zahl der Sitze anderer Parteien, stellt damit eine Verschärfung einer Proporzverzerrung durch Überhangmandate dar.

Um dies zu verhindern (und näher an der Minimalinvasiven Minimierung zu liegen), kann man die Anwendung des Verfahrens parteiweise durchführen, d.h. man führt die Berechnung für jede Partei getrennt durch und berücksichtigt dabei nur die Direktmandate der jeweils betrachteten Partei. Direktmandate einer Partei mindern dadurch nicht die Zahl der Sitze einer anderen Partei.

In größerem Stil durchgerechnet findet sich diese Variante bei ulrichwiesner.de/stimmgewicht (Rechenbeispiel hier).

Im kontinuierlichen Fall (also ohne Rundung auf ganze Sitzzahlen) führt die parteiweise Ausgliederung zur selben Verteilung wie die kontinuierliche Minimierung.

Eigenschaften

Beispielrechnung mit Zahlen BTW2013

Der passend gewählte Bundesdivisor ist 62.100 Stimmen/Sitz. D.h. in diesem Sinne sind die Landeslisten der CDU in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen und der SPD in Bremen und Hamburg überhängend.

Die 37 Direktmandate der CDU und ihre 2.027.081 Zweitstimmen in diesen Ländern werden aus dem Proporz genommen. Der CDU in diesem Schritt 12.894.796 Zweitstimmen verbleiben. Bei der SPD werden 7 Direktmandate und die 406.106 Zweitstimmen aus dem Proporz genommen, so daß der SPD 10.846.109 Zweitstimmen in diesem Schritt verbleiben. Es bleiben noch 554 Sitze zu verteilen.

Landesliste
CDU
Zweitstimmen Direkt-
mandate
Überhangtest:
DM*Bundesdivisor
SH 638.756 9 558.900
HH 285.927 1 62.100
NI 1.825.592 17 1.055.700
HB 96.459 0 0
BE 508.643 5 310.500
NW 3.776.563 37 2.297.700
SN 994.601 16 993.600
HE 1.232.994 17 1.055.700
RP 958.655 14 869.400
BY 0
BW 2.576.606 38 2.359.800
Summe
Restlisten
12.894.796 154
MV 369.048 6 372.600*
BB 482.601 9 558.900*
ST 485.781 9 558.900*
TH 477.283 9 558.900*
SL 212.368 4 248.400*
Summe
ausgegliedert
2.027.081 37
Partei Gesamt 14.921.877 191

* Überhangtest am Beispiel Thüringens. Zahl der Direktmandate 9 mal Bundesdivisor 62.100 ergibt 558.900. Dies übersteigt die Zahl der Zweitstimmen der CDU in Thüringen 477.283, d.h. die Landesliste wird ausgegliedert.

Mit diesem Ansatz sit die Oberverteilung

						Restl.	ausggl.	Sitze
CDU	12.894.796		207,6456683	208	37	245
SPD	10.846.109		174,6555395	175	7	182
LIN	3.755.699	:62100	60,47824477	 60		 60
GRÜ	3.694.057		59,48561997	 59		 59
CSU	3.243.569		52,23138486	 52		 52
						554	44	598

Die verbleibenden Zweitstimmen der Parteien werden durch den Bundesdivisor geteilt. Nach Rundung ergeben sich Sitzzahlen der Parteien zu denen die schon vorher zugeteilten Direktmandate kommen. So erhält die CDU 208 Sitze für die Zweitstimmen der Restlisten zusammen mit den 37 Direktmandaten der ausgegliederten Landeslisten 245 Sitze.

Rechnung für parteiweise Ausgliederung

Die Rechnung wird für jede Partei, wenigstens jede, die irgendwie überhängt, gesondert durchgeführt. Dies ergibt für jede Partei einen eigenen Bundesdivisor, das wäre für die CDU 62080 (die dann 245 Sitze bekäme +3). für die SPD 61.785, 183 Sitze (+1), für alle anderen nichtüberhängenden Parteien den Bundesdivisor des BWG2008: 61700.

Nachfolgende Ausgleichsmandate

Überhängendste Partei wäre die CDU, die den neuen Bundesdivisor nach Ausgleich bestimmt. 14.921.877 / (245-1/2) = 61.030,17

					Sitze
CDU	14.921.877		244,5	245
SPD	11.252.215		184,37	184
LIN	3.755.699	61030,1	 61,53	 62
GRÜ	3.694.057		 60,52	 61
CSU	3.243.569		 53,14	 53
					605



von Martin Fehndrich (12.10.2013, letzte Aktualisierung: 26.12.2013)