Sitzminimierung durch Zusatzstimmen |
[Verfahren] |
Das Verfahren beschreibt einen Algorithmus zur Vermeidung des negativen Stimmgewichts in Wahlsystemen. Es stellt damit eine kleine Modifikation des Wahlsystems dar, das dann ohne negatives Stimmgewicht ist.
Das Verfahrensprinzip: Nach dem ursprünglichen Wahlsystem kann eine Partei wegen weniger Stimmen mehr Sitze erhalten. Um dies zu vermeiden, nimmt man für die Berechnung der Sitze dieser Partei an, sie hätte diese negativ wirkenden Stimmen doch erhalten. Durch diese Konstruktion wird die Verteilungsfunktion monoton steigend.
Wenn f(x) die ursprüngliche Verteilungsfunktion der Sitze einer Partei in Abhängigkeit der Stimmenzahl x beschreibt, dann ergibt sich als neue korrigierte Verteilungsfunktion: g(x) = Minimum (f(y)| y ≥ x).
Dabei muss x nicht unbedingt eine ganze Zahl sein, sondern kann auch eine strukturierte Stimme (Erststimme, Zweitstimme, Drittstimme, Stimme Wahlkreis 1, Stimme Wahlkreis 2, Stimme Bundesland 3, etc.) beschreiben. Größer-gleich (oder „besser“, y≥x) bedeutet in diesem Fall, dass jedes Element von y größer oder gleich dem korrespondierenden Element von x ist (y ist ein besseres Wahlergebnis als x).
Angewendet auf das Bundestagswahlsystem mit internen Überhangmandaten führt die Sitzminimierung zu einer Teilkompensation der Überhangmandate. Für eine Partei mit Überhangmandaten bedeutet dies, dass man zur Bestimmung ihrer Sitzzahl so rechnet, als ob die Überhange durch Zweitstimmen gedeckt wären.
Beispiel 2009 – die CDU erhielte auch ohne rund 1,6 Mio Zweitstimmen mehr nur 189 statt 194 Sitze.
Hätte die CDU in Baden-Württemberg 220.000 und in Sachsen 250.00 Zweitstimmen mehr erhalten, hätte sie drei Sitze weniger gehabt. Hätte die SPD in Hamburg 65.000, im Saarland 65.000, in Brandenburg 175.000 und in Sachsen-Anhalt 265.000 Zweitstimmen mehr erhalten, hätte sie vier Sitze weniger gehabt (Rechnung: Betroffene Sitze 2005).
Zur Berechnung der Sitze der CDU nimmt man an, die CDU hätte diese 220.000 + 250.000 Zweitstimmen zusätzlich erhalten, die Sitze der SPD ergeben sich unter der Annahme von 65.000 + 65.000 + 175.000 + 265.000 zusätzlichen Stimmen in den SPD Überhang-Ländern.
Die SPD hätte bei dieser Rechnung vier Sitze weniger, die CDU hätte drei Sitze weniger als nach der ursprünglichen Berechnung und damit jeweils genau so viele Sitze, wie wenn sie diese Zahl an Stimmen mehr erhalten hätten. Die negative Wirkung von Stimmen wird so herausgerechnet – nach dieser Korrektur profitiert keine Partei mehr von schlechteren Zweitstimmenergebnissen und der Anreiz, eine Partei zur Unterstützung nicht zu wählen, entfällt. Ein Teil der Überhangmandate bleibt dabei erhalten (9 von 16).
Die nachfolgende Grafik stellt die Gesamtzahl der Sitze für die CDU bei der Bundestagswahl 2005 dar (blau), unter der Annahme, in Sachsen wären keine Überhangmandate aufgetreten. Überhangmandate können somit nur in Baden-Württemberg auftreten, so dass das ganze Problem zweidimensional darstellbar ist.
Das Minimum von 175 Sitzen (bei ca. 2,5 Mio Stimmen) ist direkt ablesbar. Die minimalinvasive Korrektur setzt nun beim Minimum an und ersetzt den linken absteigenden Ast der v-förmigen Kurve, durch den Minimalwert (rot).
Auch ohne Rundungen – und damit ohne Listenverbindungen und Trennung in Ober- und Unterverteilung – gibt es Überhangmandate und negatives Stimmgewicht. Die Sitzverteilung der minimalinvasiven Korrektur lassen sich hier geschlossen durch einen neuberechneten Parteidivisor darstellen.
Bei Referenden mit Beteiligungsquoren tritt negatives Stimmgewicht auf, weil Nein-Stimmen eine Abstimmung über das Beteiligungsquorum heben können, so dass die Abstimmung dadurch erfolgreich wird.
Wenn man solche negativ wirkende Nein-Stimmen (also zustimmend wirkende Nein-Stimmen) konsequent einrechnet, wird aus dem Referendum mit Beteiligungsquorum ein Referendum mit einem halb so großen Zustimmungsquorum.
Analog funktioniert das Verfahrensprinzip Maximierung. Hier werden Stimmen mit negativem Gewicht konsequent herausgerechnet.
Bei Personenwahlsystemen, die alternativ zu Personenstimmen auch eine Stimme für die Liste als ganzes zulassen (wie in Niedersachsen, Hamburg oder Bremen) kann ein Kandidat nicht gewählt werden, wenn sich die Zustimmung für ihn ungünstig auf Gesamtliste und Person verteilt ist. Sowohl Maximierung als auch Minimierung können hier angewendet werden.