Nachwahl bei personalisierter Verhältniswahl |
[Wahlrechtslexikon] |
Einige Wahlsysteme mit personalisierter Verhältniswahl sehen beim Ausscheiden eines Wahlkreisabgeordneten eine Nachwahl im Wahlkreis vor, und zwar ohne Neuermittlung der Zahl der jeweiligen Listensitze.
Eine Neuberechnung der Landeslistensitze findet nicht statt, so dass die Nachwahl direkt das Stärkeverhältnis der Parteien im Parlament verändern kann. Die Partei, die den Wahlkreis gewinnt, wird so über ihren proportionalen Anteil gehoben, die Partei, die den Wahlkreis bei der Hauptwahl gewonnen hat, unter ihren proportionalen Anteil gedrückt (und so quasi für den ursprünglichen Wahlkreisgewinn bestraft).
Für eine Partei erweist sich somit der ursprüngliche Gewinn des Wahlkreis in Wirklichkeit als Verlust. Bei der Hauptwahl wird ein gewonnener Wahlkreissitz mit der Zahl der Listensitze verrechnet, so dass die Partei hier keinen echten Vorteil durch den Sieg im Wahlkreis erfährt (Ausnahme Überhangmandate). Ein über den Wahlkreis gewonnener Sitz birgt das Risiko, diesen Sitz bei Ausscheiden des Wahlkreisabgeordneten wieder zu verlieren. Ein urspünglich nicht gewonnener Wahlkreis bietet dagegen die Chance, einen weiteren Sitz durch eine Nachwahl zu gewinnen.
Zusätzlich zu dem kontraproduktiven Anreiz, einen Wahlkreisgewinn während der Hauptwahl zu vermeiden, ist die Regelung auch unfair. Die Zusammensetzung des Parlaments nach einem Wechsel der siegreichen Partei im Wahlkreis entspricht nicht mehr den entsprechend der Parteistimmen ermittelten und unter Berücksichtigung der ursprünglich gewonnenen Wahlkreise ermittelten Listensitzen.
Die neue Zusammensetzung wird damit unproportionaler und zwar zulasten der ursprünglich siegreichen Partei und entspricht nicht mehr den Zweitstimmen.
Schließlich sind alle Sitze einer Partei – die Listensitze, aber auch die Wahlkreissitze – durch die Parteistimme gedeckt, die Wahlkreisabgeordneten sind quasi doppelt gewählt, über Liste und im Wahlkreis.
Bei einer Nachwahl bei Anrechnung und Neuberechnung der Listensitze erscheint die Nachwahl insgesamt noch sinnloser, da dies im Ergebnis nur einen Austausch von Kandidaten innerhalb einer Partei zur Folge hat. Falls der Wahlkreiskandidat über die Liste abgesichert war, könnte sich, ganz egal wie die Nachwahl ausfällt, auch gar nichts an der personellen Zusammensetzung des Parlaments ändern.
Dies gilt entsprechend auch bei der eigentlichen Hauptwahl, fällt hier allerdings nicht so sehr auf, da hier alle Kandidaten gleichzeitig gewählt werden und kein schon im Parlament sitzender Listenabgeordneter dem Wahlkreisabgeordneten weichen muss oder ein bestimmtes Wahlkreisergebnis vollkommen ohne möglichen Einfluss auf die Sitzverteilung ist.
Nachwahlen, bei denen die Listensitze neu berechnet werden, gibt es dementsprechend nur, wenn die ursprüngliche Hauptwahl aus irgendwelchen Gründen wiederholt werden muss.