Personalisierte Verhältniswahl

[Wahlrechtslexikon]

Bundestagswahl 2013: ► Endgültiges Wahlergebnis und Sitzverteilung • Wahlsystem • Übersicht zur Bundestagswahl

Begriff: Personalisierte Verhältniswahl

Die personalisierte Verhältniswahl ist eine Listenwahl, bei der gleichzeitig ein Teil der Abgeordneten vom Wähler direkt gewählt wird.

In Deutschland wird der Begriff der personalisierten Verhältniswahl meist auf eine Listenwahl reduziert, bei der gleichzeitig ein Teil der Abgeordneten direkt in einem Wahlkreis gewählt wird (Wahlsystem der Bundestagswahl und fast aller Landtagswahlen). Dabei würde Wahlsystemen mit offenen oder freien Listen (ggfs. mit kumulieren, panaschieren oder STV) viel eher das Prädikat „personalisierte Verhältniswahl“ zustehen.

Das Bundesverfassungsgericht führt (BVerfGE 95, 335 <394>) zu der Zielsetzung, im Rahmen einer Verhältniswahl auch Persönlichkeiten wählen zu können, aus:

Demgegenüber ist es eine von der Verfassung legitimierte Zielsetzung der personalisierten Verhältniswahl, dem Wähler die Möglichkeit zu geben, Persönlichkeiten im Rahmen einer Verhältniswahl zu wählen. Mit diesem Anliegen verfolgt der Gesetzgeber das staatspolitische Ziel der Parlamentswahl, die Verbindung zwischen Wählern und Abgeordneten, die das Volk repräsentieren, zu stärken; aus diesem Grund erhält jeder Wähler die Möglichkeit, einem der in „seinem“ Wahlkreis kandidierenden Bewerber ein Bundestagsmandat zu verschaffen (vgl. BVerfGE 7, 63 <74>; 16, 130 <140>; 41, 399 <423>).

Dabei ist das besondere Anliegen der personalisierten Verhältniswahl in einer engeren Bindung eines Teils der Abgeordneten an die Wähler im Wahlkreis zu sehen.

Durch die Wahl von Direktkandidaten im Wahlkreis werden diese auf ihrer Liste nach vorne gewählt. Die Direktkandidaten werden damit doppelt gewählt. Die Möglichkeit des Entstehens von Überhangmandaten ist daher unvermeidlich. Durch die Wahl des Direktkandidaten tauscht man diesen gegen einen Listenkandidaten derselben Partei (und nicht wie es auf den ersten Blick scheint gegen einen Kandidaten einer anderen Partei).

Ein Vorteil ist die lokale Kandidatenauswahl und die Existenz zumindest eines „Ansprechpartners“ für einen Wahlkreis im Parlament.

In der Praxis: Die Direktkandidaten stehen in aller Regel auf den vorderen Listenplätzen.

Ausführung als Einstimmensystem …

Es gibt nur eine Stimme. Die Stimme zählt sowohl für die Partei als auch für den Direktkandidaten (Beispiel: Wahlsystem in Nordrhein-Westfalen bis zur Landtagswahl 2005).

… oder als Zweistimmensystem

Es gibt zwei Stimmen, die unabhängig voneinander vergeben werden. Die Erststimme (auch Personenstimme, Wahlkreisstimme) zählt für den Kandidaten im Wahlkreis, die Zweitstimme (auch Parteistimme, Landesstimme) zählt für eine Partei.

Beim Zweistimmensystem ist die Erststimme hinsichtlich der Änderung des Kräfteverhältnisses der Parteien im Parlament weitgehend wirkungslos, da für jeden erfolgreichen Direktkandidaten ein Listenmandat seiner Partei gestrichen wird. Darüberhinaus ist es fraglich, warum man auf die Listenzusammensetzung der Partei, die man nicht wählt, Einfluss nehmen können soll.


von Martin Fehndrich (02.02.2001, letzte Aktualisierung: 12.10.2013)