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10.11.2007

Regeländerung während der Bürgermeisterwahl

Das neue Kommunalwahlgesetz platzt mitten in die laufenden Vorbereitungen und die Wahl eines neuen Bürgermeisters der westfälischen Stadt Wetter an der Ruhr. Wahltag ist der 11. November 2007, ihre Stimmen können die Bürger aber schon seit dem 12. Oktober 2007 per Brief oder direkt im Wahlbüro abgeben, also schon vor Inkrafttreten der Änderungen im Kommunalwahlgesetz (NRW), die entscheidende Neuerungen für diese Wahl mit sich bringen.

Die Stichwahlen bei den Wahlen der Bürgermeister und Landräte wurden mit sofortiger Wirkung ersatzlos abgeschafft. Der für Wetter ursprünglich vorgesehene Termin einer möglichen Stichwahl am 25. November findet nun definitiv nicht statt. Der Kandidat mit den meisten Stimmen im ersten (und auch letzten) Wahlgang gewinnt, selbst wenn er nur 26% der Stimmen erhalten haben sollte.

Regeländerung für die Wähler

Die Stimme für die Hauptwahl erhält nun eine neue Bedeutung mit einem anderen strategischen Gewicht. Während angesichts einer Stichwahl vor allem die Frage des zweiten Platzes und die Teilnahme an der Stichwahl relevant war, ist dies bei der relativen Mehrheitswahl ohne Belang. Es interessiert dann einzig, welcher Kandidat mehr Stimmen als die anderen erhalten hat.

Bei einer erfolgswertoptimalen taktischen Stimmabgabe für Wähler einer Hauptwahl mit möglicher Stichwahl, kann man entweder

Bei der relativen Mehrheitswahl ist die erfolgswertoptimale taktische Stimmabgabe dagegen die Wahl zwischen den beiden chancenreichsten Kandidaten.

Den Bedeutungswandel der Stimmabgabe während des Wahlganges durch die Übergangsregeln des Kommunalwahlgesetzes ist bedenklich, da die Stimmen der Wähler der ersten Stunden und Tagen und die der uninformierten Wähler nun eine andere als gewollte und vorher erkennbare Wirkung entfalten können.

Regeländerung für Kandidaten und Parteien: Kungeln als Systemprinzip

Auch für die Gruppierungen, die Kandidaten für die Bürgermeisterwahl aufstellen, ändern sich die Regeln. Während es vorher auch für Kandidaten kleinerer Gruppierungen sinnvoll sein konnte anzutreten, um als Alternative in die Stichwahl kommen zu können, schadet man bei einer relativen Mehrheitswahl mit seinem Antreten durch Zersplitterung dem eigenen Interessenslager.

Dann kann es sinnvoll sein, vor der Wahl die eigene Kandidatur oder Nichtkandidatur mit den anderen Parteien auszuhandeln, und eventuell gegen Zugeständnisse auf eine eigene Kandidatur verzichten und der eigenen Anhängerschaft die Wahl eines anderen Kandidaten zu empfehlen. Auch die Aufstellung eines gemeinsamen Kompromißkandidaten ist denkbar.

Das Kungelprinzip soll dabei keine politisch anstößige Verlagerung der Entscheidungen von der Wahlurne in die Hinterzimmer sein. Durch eine im Wahlgesetz nun mögliche explizite gemeinsame Kandidatenaufstellung können nun Gruppierungen mit ähnlichen Interessen die gemeinsame Unterstützung eines Kandidaten auch auf dem Wahlzettel dokumentieren.

Lage in der Stadt Wetter (Ruhr)

Die Kandidaten und Parteien in der Stadt Wetter hatten allerdings keine Möglichkeit einer solchen gemeinsamen Kandidatur. Die neuen Regeln im Kommunalwahlgesetz wurden erst nach Aufstellung der Kandidaten (Fristende war der 24. September 2007) beschlossen und es war nicht zweifelsfrei abzusehen, daß sie noch für diese Wahl in Kraft treten würden.

Die Wahlbenachrichtigungen wurden ab dem 12. Oktober 2007 bis zum 21. Oktober versandt und enthalten noch entsprechend der bisherigen Kommunalwahlordnung den Verweis auf eine etwaige Stichwahl. Nach Inkrafttreten der gesetzlichen Bestimmung am 17. Oktober 2007 erfolgte eine umgehende Presseinformation und durch Aushänge im Briefwahlbüro wurde auf die neue Bestimmung, dass keine Stichwahl stattfindet, hingewiesen.

Überall hat sich die Gesetzesänderung allerdings noch nicht herumgesprochen. So kündigt der ehemalige Bürgermeister der Stadt Wetter und ehemalige nordrhein-westfälische Landtagspräsident Ulrich Schmidt auf seiner Internetseite unter Termine immer noch 25. November 2007 Bürgermeisterstichwahl (Bildschirmkopie 12. Nov. 2007) an.

Anfechtbarkeit der Wahl

Durch die vorgeschriebene, aber inzwischen falsche Information zur Stichwahl auf den Wahlbenachrichtigungen und die Bedeutungsänderung einer Stimmabgabe während des Wahlgangs, aber auch durch die Änderungen der Folgen einer Kandidatur ist die Bürgermeisterwahl anfechtbar geworden. Schuld ist die Übergangsregelung des Kommunalwahlgesetzes

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Für zuvor auf einen Zeitpunkt ab dem In-Kraft-Treten festgelegte Wahlen für das Amt des Bürgermeisters oder Landrates gilt das Gesetz in der bisherigen Fassung; abweichend davon gilt § 46 c in der durch Artikel 1 Nr. 25 geänderten Fassung.

Update - Wahlergebnis vom 11.11.2007

Wahlberechtigte              23.235 
Anzahl Stimmen               10.178  43,8%
Hasenberg, Frank       SPD    4.633  45,9%
Gerlach, Elisabeth     CDU    2.258  22,4%
Haltaufderheide, Karen Grüne    786   7,8%
Dr. Thier, Dietrich    Unabh. 2.421  24,0%
 
Damit ist Frank Hasenberg als erster Bürgermeister ohne absolute Mehrheit in NRW gewählt worden, allerdings mit deutlichem Vorsprung vor den anderen Kandidaten.

Eine Stichwahl gibt es dagegen im brandenburgischen Fredersdorf-Vogelsdorf am 2.12.2007. Der Kandidat mit den meisten Stimmen erreichte hier in der Hauptwahl am 11.11.2007 nur 26,2 % der Stimmen.

Die nächste reine stichwahllose Bürgermeisterwahl findet am 25. November 2007 im Eifelort Kall (NRW) statt. Hier treten nur zwei Kandidaten an, Herbert Radermacher (CDU) und Franz Albert Groß (FDP), so daß der Sieger automatisch auch eine absolute Mehrheit erhält. Ein rechtliches Problem der Wahl (Anfechtbarkeit) besteht hier nicht, SPD und Grüne unterstützen Franz Albert Groß (FDP).


von Martin Fehndrich (10.11.2007, letzte Aktualisierung am 18.11.2007)