Minimalinvasive Korrektur

[Verfahren]

Kontinuierliche Sitzminimierung

Beispiel: Bundestagswahlsystem ohne Rundung mit Zahlen der Bundestagswahl 2009

Ohne Rundung (also ohne Sainte-Laguë, d'Hondt, Hare/Niemeyer, etc.) kann die Sitzverteilung geschlossen dargestellt werden. Dies gilt dann auch für die minimalinvasive Korrektur.

Bei Bundestagswahlen gilt dann

Divisor = (Summe zuteilungsberechtigte Stimmen) / Gesamtmandate

Mit "zuteilungsberechtigte Stimmen" werden nur Stimmen, die die Sperrklausel überwunden haben erfaßt. "Gesamtmandate" ist die Zahl der proportional zu verteilenden Sitzen, also i.d.R. 598. Der Divisor gilt für alle Parteien und Landeslisten. Mit der Rundung entfällt auch deren Reihenfolge, also die Ober- und Unterverteilung.

Die Minimierung führt für überhängende Parteien zu einen eigenen Parteidivisor:

Parteidivisor = (Summe verteilungeberechtigte Stimmen - Summe Stimmen der Partei in deren Überhangländern) / (Gesamtmandate - Summe Direktmandate der Partei in deren Überhangländern)

Überhangländer sind dabei Länder, in denen die Partei bei Anwendung dieses Divisors überhängt. Das Berechnung muß also ggfs iterativ mehrmals durchgeführt werden.

Beispielrechnung mit Stimmenzahlen der Bundestagswahl 2009

Divisor = 40.764.288 / 598 = 68.167,7
Damit:

SPD:   9.990.488 / 68.167,7 = 146,56
FDP:   6.316.080 / 68.167,7 =  92,66
Grüne: 4.643.272 / 68.167,7 =  68,12
Linke: 5.155.933 / 68.167,7 =  75,64
CSU:   2.830.238 / 68.167,7 =  41,52 *
CDU:  11.828.277 / 68.167,7 = 173,52 **
(*) Die CSU erhielte aber 45 Direktmandate, es besteht also ein Überhang von 3,48 Sitzen.

(**) Die CDU erhielte nach dieser Rechnung 11.828.277/68.167,7 = 173,52 Sitze, die sich wiefolgt auf die Länder verteilen (noch vor Überhang).
Schleswig-H. 5   18.457 / 68.167,71 =  7,61
Mecklenb.-V.    287.481 / 68.167,71 =  4,22
Hamburg         246.667 / 68.167,71 =  3,62
Niedersachsen 1.471.530 / 68.167,71 = 21,59
Bremen           80.964 / 68.167,71 =  1,19
Brandenburg     327.454 / 68.167,71 =  4,80
Sachsen-Anh.    362.311 / 68.167,71 =  5,31
Berlin          393.180 / 68.167,71 =  5,77
Nordr.-Westf. 3.111.478 / 68.167,71 = 45,64
Sachsen         800.898 / 68.167,71 = 11,75
Hessen        1.022.822 / 68.167,71 = 15,00
Thüringen       383.778 / 68.167,71 =  5,63
Rheinl.-Pfalz   767.487 / 68.167,71 = 11,26
Baden-Württ.  1.874.481 / 68.167,71 = 27,50
Saarland        179.289 / 68.167,71 =  2,63

Allerdings erhielte die CDU in Schleswig-H. 9, Mecklenb.-V. 6, Sachsen 16, Thüringen 7, Rheinl.-Pfalz 13, Baden-Württ. 37 und Saarland 4 Direktmandate. Der Überhang in diesen Bundesländern summiert sich dann auf 21,41 Sitze, die Sitzzahl der CDU auf 194,93.

Minimalinvasive Korrektur

Einen neuen Divisor für die CDU erhält man, indem man die Sitze und Stimmen der CDU-Überhanglisten aus der Berechnung herausnimmt. D.h. 4.811.871 Stimmen und 92 Direktmandate.
Der neue Divisor wäre dann
Divisor = (40.764.288-4.811.871 / (598-92) = 71.052,21. Mit diesem Divisor hängt dann aber auch Hessen über, so daß auch die Stimmen und Sitze von Hessen (1.022.822 Stimmen und 15 Sitze) aus der Berechnung genommen werden müssen.
Damit ist der CDU-Divisor:
Divisor = (40.764.288-5.834.693) / (598-107) = 71.139,70.
Die Sitzzahl der CDU inkl. verbleibenden Überhang ist dann 191,25. Die minimalinvasive Korrektur reduziert den Überhang damit um 3,68 Sitze.

Wie auch bei der Minimierung angewendet auf ein Bundestagswahlsystem ohne Listenverbindung (aber im Gegensatz zum Bundestagswahlsystem von 2008 mit Unterverteilung nach Sainte-Laguë) kann man das Verfahren auch über einen Ansatz beschreiben, bei man Überhangmandate mit den zugehörigen Zweitstimmen aus der Proporzrechnung nimmt.


von Martin Fehndrich (25.06.2011)