Trennung Landeslisten

[Systemfehler]

Keine Beseitigung des negativen Stimmgewichts durch Trennung der Landeslisten

Durch einen Eingriff in das Bundeswahlsystem (von 1956 bis 2008), der auf eine Änderung der Verbindung der Landeslisten beschränkt ist, kann negatives Stimmgewicht nicht beseitigt werden.

  1. Ursache des systematischen Auftretens des negativen Stimmgewichts im Bundestagswahlsystem ist der Entstehungsmechanismus für (interne) Überhangmandate.
  2. Das negative Stimmgewicht im Bundestag ist kein Rundungseffekt, der Effekt träte auch ohne jede Rundung auf.

Andere Auffassung der CDU/CSU-Fraktion

Eine andere Auffassung vertritt der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Günter Krings, der in einer Plenardebatte am 26. Mai 2011 zu dem Ergebnis kommt,

"dass die Überhangmandate überhaupt nicht das Problem sind"
und
"Das Problem ist die Verbindung von Landeslisten. Die Lösung muss in der grundsätzlichen Trennung der Landeslisten bestehen."

Beides ist falsch!

Eine Trennung der Landeslisten ist nur eine Veränderung in der Reihenfolge der Rundungen, die das negative Stimmgewicht nicht beseitigt. Da die Ursache des negativen Stimmgewichts der derzeitige Entstehungsmechanismus interner Überhangmandate ist, muß man zur Beseitigung in diesen Entstehungsmechanismus eingreifen. Rundungsspielereien reichen nicht aus.

Zumindest in die falsche Richtung weist auch eine Andeutung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 121, 266 (315) Rn 142) in einer Liste verschiedener Eingriffe mit möglichen und abzuwägenden Vor- und Nachteilen (was aber nichtmal obiter dicta ist).

Varianten der Listentrennung

Es sind verschiedene Varianten für den Eingriff in die Listenverbindung denkbar, darunter:

Die Varianten unterscheiden sich nur dadurch, daß andere Gruppen von Landeslisten im ersten Verteilschritt für eine erste Rundung zusammengefaßt werden. Würde man auf eine Rundung verzichten und exakt berechnete, nicht ganzzahlige Sitzzahlen zuteilen, ergäben alle Varianten identische Sitzzahlen.

Berechnet man diese ungerundete Sitzzahl einer Partei (inkl. Überhang) und trägt diese über der Zweitstimmenzahl einer überhängenden Landesliste dieser Partei auf, erhält man einen v-förmigen Kurvenverlauf. Auf der linken Seite von Null Stimmen bis zu der Stimmenzahl, die einen Überhang gerade verhindern würde, fällt die Kurve ab. Den abfallenden Ast mit negativer Steigung kann man als negatives Stimmgewicht interpretieren. Auf der rechten Seite, ab der Stimmenzahl, die den Überhang ausgleicht, steigt die Kurve dann linear an, wie man es für eine Verhältniswahl erwartet.

Dieselbe Berechnung kann man mit den ganzen Berechnungsverfahren und Rundungsvarianten durchführen. Die – wie auch immer gearteten - Rundungen führen zu einem treppenstufenartigen Verlauf, die aber am v-förmigen Kurvenverlauf nichts ändern. Für niedrige Stimmenzahlen von Null bis zur Stimmenzahl, die einen Überhang gerade verhindern würde, geht die Treppe in der Tendenz nach unten (und treppab bedeutet negatives Stimmgewicht), für Stimmenzahlen darüber wieder nach oben.

Am abfallenden Ast kann man auch die Größenordnung der Wirkung des negativen Stimmgewichts für eine Landesliste ablesen (also noch nicht kumuliert für mehrere Landeslisten). So ergibt sich z.B. bei den Stimmenzahlen der Bundestagswahl 2005 für die CDU-Zweitstimmen in Baden-Württemberg acht Sitze. Also deutlich mehr als die ein oder zwei Mandate, die Thomas Oppermann (SPD) in der Debatte am 26. Mai 2011 vermutet hat:

Das negative Stimmgewicht hat aber nur eine begrenzte Wirkung. Insgesamt können damit bundesweit ein oder zwei Mandate verschoben werden, nicht mehr. Unsere verbundenen Landeslisten sind quasi kommunizierende Röhren, die das immer ausgleichen.

Der Eingriff für eine Beseitigung für das negative Stimmgewicht muß daher mindestens so groß wie eine Entfernung dieses abfallenden Kurventeils sein.

Eine vollständige Trennung der Bundesländer, wie z.B. bei den ersten beiden Bundestagswahlen, ist dagegen ein deutlich stärkerer Eingriff ins Wahlsystem, der weit über eine bloße Trennung von Landeslisten hinausgeht. So beeinflußt die Ländertrennung die Zahl der Überhangmandate in einem größeren Maße und führt zusätzlich zu einer Reihe weiterer ungewollter Effekte.


(von Martin Fehndrich 30.05.2011)