Nachrichten |
[Archiv 2004] | [Aktuelle Meldungen] |
01.04.2004
Mit der gestrigen Wahl im Stuttgarter Landtag sind die Wahlen der Länderdelegierten abgeschlossen. Es wurde sogar noch einmal interessant: Da bei einer Wahl mit getrennten Listen nach dem im Bundespräsidentenwahlgesetz vorgeschriebenen Divisorverfahren mit Abrundung (d’Hondt) die Fraktionen der SPD, FDP und Grüne auf die letzten beiden Sitze den gleichen rechnerischen Anspruch gehabt hatten (Sitzverteilung im Landtag), hätte es durch Losentscheid oder allein dem Fehlen eines Abgeordneten noch zu Verschiebungen bei der Zusammensetzung kommen können.
Die Fraktionen im baden-württembergischen Landtag einigten sich jedoch auf eine gemeinsame Liste, nach der CDU 37, SPD 27, FDP 6 und die Grünen 5 Sitze erhielten. Die letzten beiden Plätze wurde dabei gemäß § 17 Absatz 4 der Landtagsgeschäftsordnung verteilt,
„Die Reihenfolge der Fraktionen richtet sich nach der Zahl ihrer Mitglieder und ständigen Gäste. Bei gleicher Stärke entscheidet über die Reihenfolge die höhere Gesamtstimmenzahl der entsprechenden Partei bei der Landtagswahl.“
womit die Sitze an SPD und FDP (in dieser Reihenfolge) gingen. Durch den Verzicht der Grünen auf getrennte Wahlvorschläge entfiel somit ein eventueller Losentscheid. Gewählt als Mitglied der Bundesversammlung wurde in Stuttgart u.a. auch Horst Köhler, der Präsidentschaftskandidat von Union und FDP.Eine Verteilung nach dieser Regelung – gerade in einem Bundesland, dessen Wahlsystem schon bei der Zuteilung der Abgeordnetenmandate einige gravierende Mängel beinhaltet, ist kritisch zu sehen. So hätte z. B. die SPD nur nach dem, die große Parteien begünstigenden d’Hondtschen Verfahren die Möglichkeit bekommen, über einen Losentscheid den 27. Sitz zu gewinnen. Durch die Regelung der Geschäftsordnung, die ihr den Platz sicherte, wurde sie noch einmal bevorzugt. Es ist durchaus denkbar, dass bei den Wahlen zur nächsten Bundesversammlung eine Partei davon profitieren könnte, die schon bei der Verteilung der Abgeordnetensitze im Landtag durch d’Hondt bevorzugt wurde und damit eine dreifache Begünstigung erfährt.
Abweichungen von der von wahlrecht.de prognostizierten Zusammensetzung gab es in Hamburg und in Bayern durch die Zusammenlegung von Listen der SPD und der Grünen, wodurch diese jeweils zusammen einen zusätzlichen Sitz gewannen. Dieses in der Vergangenheit in anderen Landtagen auch schon von der Union praktizierte Verfahren brachte in Bayern beiden Fraktionen die Kritik von CSU-Generalsekretär Markus Söder ein:
„Mit dieser Aktion versucht die SPD den klaren Wähler-Willen auszutricksen“
Woraus Söder für die Christlich-Sozialen, die 62 Delegierte nach Berlin entsenden, einen Anspruch auf 63 Sitze ableitet, blieb allerdings sein Geheimnis. Dabei ist der Idealanspruch der CSU, die 124 der 180 Sitze im Landtag besetzt, bei einem Kontingent von 90 Sitzen für den Freistaat Bayern schon im Kopf auszurechnen.
Der einzige Losentscheid der Wahlen zur Bundesversammlung fand im Hessischen Landtag statt, dort konnte sich Birgit Zeimetz-Lorz (CDU) über ihr Losglück freuen (weitere Einzelheiten der Wahlen in den Ländern).
Insgesamt ergibt sich damit folgende Sitzverteilung in der Bundesversammlung:
Gesamt | CDU/CSU | SPD | Grüne | FDP | PDS | Sonstige | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1.206 | 540 | 460 | 89 | 82 | 31 | 3 |
Unter den „Sonstigen“ befinden sich Anke Spoorendonk vom Südschleswigschen Wählerverband, Liane Hesselbarth (DVU) und das fraktionslose Bundestagsmitglied Martin Hohmann. Abweichungen zu anderen Sitzverteilungen bei den Vertreterzahlen für die Parteien in einzelnen Ländern (z. B. Bayern) können sich aus der unterschiedlichen Zuordnung von Delegierten bei gemeinsamen Wahlvorschlägen ergeben.
Union und die FDP haben damit zusammen 622 Stimmen – das sind 18 Stimmen mehr, als die – für die Wahl des Bundespräsidenten im ersten und zweiten Durchgang erforderliche – absolute Mehrheit von 604 Sitzen (siehe dazu das Verfahren zur Wahl des Bundespräsidenten). Bei einem geschlossenen Stimmverhalten für ihren Kandidaten Horst Köhler ist dessen Wahl im ersten Wahlgang nicht unwahrscheinlich.