Wahlprüfungsbeschwerde

[Wahlrechtslexikon]

Wahlprüfungsbeschwerde

Die Erhebung einer Wahlprüfungsbeschwerde (gelegentlich auch Wahlbeschwerde genannt) ist in der Bundesrepublik Deutschland das Rechtsmittel gegen eine zurückweisende, erstinstanzliche Entscheidung im Verfahren zur (oft nur formalen) Prüfung der Gültigkeit einer Wahl eines Legislativorgans (Deutscher Bundestag oder die Landtage der Bundesländer). Formal daher, da Zweck einer Wahlprüfung häufig nur – mangels zulässiger Alternativen – der Hinweis an den Gesetzgeber auf Mängel im Wahlsystem oder dem Wahlablauf ist, damit dieser die Mängel zur nächsten Wahl abstellen kann.

So bleibt selbst dem Bundeswahlleiter keine andere Möglichkeit, Gesetzeslücken aufzudecken als – auf ausdrückliche Empfehlung des Bundeswahlausschusses – Einspruch gegen die Gültigkeit einer Wahl einzulegen (siehe Einspruch des Bundeswahlleiters gegen die Europawahl), was zu dem merkwürdigen Ergebnis führt, dass der Bundeswahlleiter in der Sache voll und ganz Recht bekommt und seine Beschwerde dann als offensichtlich unbegründet abgelehnt wird.

Verfahren zur Überprüfung von Wahlgesetzen

Es gibt drei Verfahren, die zu einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung eines Wahlgesetz führen können.

1. Wahlprüfungsbeschwerde (bspw. bei Prüfung einer Bundestagswahl gemäß Art. 41 Abs. 2 GG)

Hier kann ein Wähler oder eine Gruppe von Wählern gegen die Gültigkeit der Wahl Einspruch einlegen. Erste Instanz ist dabei in der Regel das gewählte Parlament selbst, die darauf folgende Instanz das Verfassungsgericht. Die Anrufung einer Instanz wird zum Teil von formalen Nebenbedingungen abhängig gemacht (z. B. 50 weitere Wahlberechtigte bei der erstinstanzlichen Prüfung der Landtagswahlen durch den Landtag in Nordrhein-Westfalen oder bis zum Jahr 2012 100 Beitrittserklärungen für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht). Die verfassungsgerichtliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung erfolgt inzident in den Wahlprüfungsverfahren.

2. Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG)

Eine Verfassungsbeschwerde ermöglicht jedem die Möglichkeit, sich gegen einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff der öffentlichen Gewalt in seine Grundrechte (z. B. durch das Wahlgesetz) zur Wehr zu setzen. Zulässigkeitsvoraussetzungen sind die Beschwerdebefugnis (eine Grundrechtsverletzung durch das Wahlgesetz), die Einhaltung einer Frist von einem Jahr und die Erschöpfung des Rechtsweges, die allerdings in besonders eiligen oder allgemein bedeutsamen Fällen entbehrlich ist (z. B. bei der Bürgerklage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Änderung des Bundeswahlgesetzes im Jahr 2011).

3. Abstrakte Normenkontrollklage (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG)

Dieser Weg ist Verfassungsorganen oder Teilen davon vorbehalten. Die abstrakte Normenkontrolle kann von der Bundesregierung, einer Landesregierung oder einem Drittel der Mitglieder des Bundestages beantragt werden, um eine Rechtsnorm auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, also insbesondere der Verfassung, hin vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. So könnte der Bundestag beispielsweise selbst eine Regelung auf ihre Verfassungsmäßigkeit vom Bundeverfassungsgericht überprüfen lassen. (Stattdessen behandelt er Wahleinsprüche, die eine Verfassungswidrigkeit behaupten, traditionell nicht, sondern lässt den Fall liegen und den Einspruchsführer nach mehr als einem Jahr wissen, dass er (der Bundestag) sich zur Bearbeitung nicht berufen fühlt.)

Zielsetzungen einer Wahlprüfungsbeschwerde

Einschätzung der Erfolgsaussichten

Missbrauchsgebühr

Das Bundesverfassungsgericht kann gemäss § 34 Abs. 2 BVerfGG eine Missbrauchsgebühr in Höhe von maximal 2.600,– EUR verhängen. Dafür, wann eine Wahlprüfungsbeschwerde missbräuchlich ist, gibt es keine allgemeine Regelung. Diese lässt sich auch nicht aus den beiden uns bekannten Fällen ableiten. So wurde im Wahlprüfungsverfahren BVerfGE 79, 47 wegen evidenter Unzulässigkeit und dem entsprechenden Hinweis des Gerichts eine Missbrauchsgebühr verhängt. Bei einem ähnlichen Fall (BVerfGE 79, 49), bei dem es sicherlich auch das Berichterstatterschreiben und den Hinweis des Gerichts zur Unzulässigkeit gab, gab es hingegen keine Missbrauchsgebühr. Dagegen scheint die Verhängung der Gebühr (wegen teilweiser evidenter Unzulässigkeit und fehlender Mandatsrelevanz) und deren Höhe bei der Wahlprüfungsbeschwerde BVerfGE 79, 173 überzogen, denn immerhin könnte hier ein Wahlfehler vorgelegen haben, der den Beschwerdeführer in seinen subjektiven Rechten verletzt hat. In solchen Fällen gibt es aber in Deutschland keine Möglichkeit der rechtlichen Überprüfung – ein Unding in einem demokratischen Rechtsstaat. Diese Lücke wäre mit einem effizienten Wahlprüfungsverfahren nach Vorschlag von Wahlrecht.de geschlossen.

Weitere Verfahrenskosten beim Gericht gibt es nicht.

Rechtsgrundlagen


von Martin Fehndrich und Matthias Cantow (2001, letzte Aktualisierung: 05.01.2014)