Wahlchaos in Deutschland

[Wahlrechtslexikon]

Nach der mit Unregelmäßigkeiten gespickten Präsidentenwahl in den USA, bei der der 43. Präsident erst durch eine Entscheidung des Obersten Gerichts bestimmt werden konnte, stellt sich die Frage, wie bei uns in Deutschland der Wahl-GAU (größter anzunehmender Unfall) aussehen könnte, und welche Unregelmäßigkeiten bei uns auftreten können oder schon aufgetreten sind.

  • Briefwahlstimmen sind im Wahlkreis Göppingen erst Tage später aufgetaucht und ausgezählt worden (siehe Teckbote vom 6. Oktober 1998 [nicht mehr online]).
  • Mehrere Wahlbezirke ließen ohne die vorgeschriebenen Wahlbriefumschläge abstimmen. Dies führte dazu, daß je nach Beschluß des zuständigen Kreiswahlausschusses die hiervon betroffenen Stimmen mal für gültig und mal für ungültig erklärt wurden. Die Entscheidungen der Kreiswahlausschüsse über die Gültigkeit von Stimmen können nach geltendem Recht nicht von den Landeswahlausschüssen oder dem Bundeswahlausschuß korrigiert bzw. vereinheitlicht werden. Erst im Rahmen eines Wahlprüfungsverfahrens – dessen Ineffektivität oben bereits festgestellt wurde – kann eine Vereinheitlichung erreicht werden.
  • Computerprobleme führten dazu, daß 6.600 Stimmen zunächst „vergessen“ wurden.
  • Im Saarland wurden an Briefwählern Stimmzettel verschickt, die schon angekreuzt waren.
  • In Bremerhaven wurden Stimmzettel aus einem Nachbarwahlkreis ausgegeben und mußten für ungültig erklärt werden.
  • In München bekamen etwa 50 Briefwähler Stimmzettel für den falschen Wahlkreis.
  • In Brandenburg konnten die letzten Auszählungsergebnisse erst einige Tage nach der Wahl bekanntgegeben werden: Einige übermüdete Wahlhelfer hatten in der Wahlnacht alles stehen und liegen lassen und sind ins Bett gegangen, obwohl die Stimmen noch nicht ausgezählt waren. Andere Wahlvorsteher vergaßen, daß ein Faxgerät nicht beidseitig überträgt, so daß die auf der Rückseite stehenden Ergebnisse nicht beim Wahlamt ankamen.
  • Dies führte dazu, daß der Bundeswahlleiter in der Wahlnacht kein richtiges Endergebnis bekanntgeben konnte. Er entschied sich daher, für das „vorläufige amtliche Endergebnis“ die noch fehlenden etwa 10.000 Stimmen hochzurechnen! Bei der Anpassung dieser Hochrechnung an das endgültige amtliche Endergebnis zwei Wochen nach der Wahl mußte die Sitzverteilung aufgrund der Stimmenverschiebungen in Brandenburg wieder korrigiert werden (die PDS erhielt ein zusätzliches Mandat von der FDP).

von Martin Fehndrich und Wilko Zicht (letzte Änderung: 14. April 2002)