Bayern

[Landtagswahlrecht]

Wahlsystem

Personalisierte Verhältniswahl mit offenen Listen

Besonderheiten

Abgeordnetenzahl

Der Landtag besteht seit 2003 aus mindestens 180 Sitzen (vorher 204). Davon werden ungefähr die Hälfte – derzeit 91 –  in Einpersonenwahlkreisen nach relativer Mehrheitswahl und die restlichen über offene Listen vergeben.

Wahlperiode

Die Legislaturperiode beträgt seit der Landtagswahl 1998 fünf Jahre. Bis dahin wurde der Landtag für jeweils vier Jahre gewählt.

Aktives und passives Wahlrecht

Aktiv wahlberechtigt ist jeder Deutsche, der das 18. Lebensjahr vollendet hat und seit mindestens drei Monaten seinen (Haupt-)Wohnsitz in Bayern hat. Auch das Wählbarkeitsalter liegt seit 2004 bei 18 Jahren.

Wahlgebietseinteilung

Das Wahlgebiet ist in sieben Wahlkreise, die mit den Regierungsbezirken identisch sind, eingeteilt. Die Wahlkreise bilden eine wahltechnische Einheit, eine Verrechnung über den Wahlkreis hinaus findet – mit Ausnahme der Mehrheitsklausel (s. u.) – nicht statt. Im gleichen Verhältnis, wie sich die Wahlberechtigtenzahlen der Wahlkreise zueinander verhalten, erfolgt die Verteilung der 180 Sitze an die Wahlkreise, und zwar nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë). Von den Sitzen eines Wahlkreises wird jeweils die Hälfte (bei ungerader Sitzzahl einer mehr) per Mehrheitswahl in Stimmkreisen vergeben, die anderen über Wahlkreislisten:

Wahlkreis Abgeordnete
gesamt davon
im Stimmkreis auf Wahlkreisliste
Oberbayern 61 31 30
Niederbayern 18 9 9
Oberpfalz 16 8 8
Oberfranken 16 8 8
Mittelfranken 24 12 12
Unterfranken 19 10 9
Schwaben 26 13 13
Bayern insgesamt 180 91 89

Die Wahlberechtigtenzahl eines Stimmkreises soll von der durchschnittlichen Wahlberechtigtenzahl der Stimmkreise im jeweiligen Wahlkreis nicht um mehr als 15 Prozent nach oben oder unten abweichen; beträgt die Abweichung mehr als 25 Prozent, ist eine Neuabgrenzung vorzunehmen.

Stimmenzahl

Jeder Stimmkreisbewerber einer Partei muss auch auf der Wahlkreisliste dieser Partei aufgeführt sein. Allerdings kann der Stimmkreisbewerber im eigenen Stimmkreis auf der Wahlkreisliste nicht gewählt werden. Darüber hinaus kann die Wahlkreisliste einer Partei Kandidaten enthalten, die unmittelbar von der Wahlkreisdelegiertenkonferenz der Partei aufgestellt sind. Die Listenbewerber sind auf dem Stimmzettel in der von der Wahlkreisdelegiertenkonferenz festgelegten Reihenfolge aufgeführt.

Analog zu diesen Bewerbungsformen hat der Wähler zwei Stimmen: Mit der Erststimme wählt er einen Stimmkreiskandidaten, mit der Zweitstimme einen Kandidaten der Wahlkreisliste einer Partei.

Er kann seine Zweitstimme aber auch einer Wahlkreisliste ohne besondere Kennzeichnung eines Bewerbers geben. Ein gesondertes Feld auf dem Stimmzettel ist hierfür jedoch nicht vorgesehen. Wer diese Form der Stimmabgabe dennoch nutzen will, sollte sein Kreuz in der Kopfleiste der gewünschten Wahlkreisliste machen oder mehrere Bewerber einer Wahlkreisliste ankreuzen.

Sperrklausel

In Bayern musste eine Partei bis einschließlich 1970 in einem Wahlkreis mindestens zehn Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten, um in den Landtag einziehen zu können. Erst seit 1974 gilt eine landesweite Fünf-Prozent-Hürde, d. h., Wahlvorschläge bleiben unberücksichtigt, wenn auf sie nicht wenigstens fünf Prozent der im gesamten Wahlgebiet abgegebenen gültigen Stimmen entfallen sind. Auch siegreiche Stimmkandidaten einer an der Sperrklausel gescheiterten Partei erhalten kein Mandat. Das Stimmkreismandat geht stattdessen an den Kandidaten mit den zweitmeisten Erststimmen. Eine Grundmandatsklausel gibt es nicht.

Sitzzuteilungsverfahren

DDie Mandate werden nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung (Sainte-Laguë) verteilt.

Bis einschließlich der Landtagswahl 1990 waren die Mandate nach dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren verteilt worden. Am 19. Mai 1992 wurde dies jedoch vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass das Verfahren d’Hondt die großen Parteien begünstigt. Da die Mandate an die Parteien in den sieben Wahlkreisen getrennt verteilt werden, hatte sich diese Begünstigung der großen Parteien versiebenfacht, so dass eine landesweit proporzmäßige Sitzverteilung nicht mehr gewährleistet war. Tatsächlich hatte beispielsweise 1990 die FDP bei einem Stimmenanteil von 5,2 % nur 3,4 % der Mandate erhalten. Seit 1994 erfolgte die Sitzverteilung daher nach dem Verfahren Hare/Niemeyer, das sich hinsichtlich der Größe der Parteien in etwa neutral verhält. Gleiches gilt für das Verfahren Sainte-Laguë, auf das der Gesetzgeber im Jahr 2022 umstellte.

Sitzverteilung

In jedem Wahlkreis werden die für die Stimmkreisbewerber der Parteien und die Listen der Parteien abgegebenen Stimmen – sowohl die Stimmen für einen Bewerber der Liste wie für die Liste insgesamt – zusammengezählt. Diese Summen dienen dann der verhältnismäßigen Vergabe der Sitze nach Hare/Niemeyer an die Parteien. Damit steht fest, wie viele Sitze jede Partei aus dem Reservoir des Wahlkreises zu beanspruchen hat.

In den Stimmkreisen sind die Bewerber mit den meisten Stimmen gewählt. Sollte die Partei eines erfolgreichen Bewerbers an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sein, so fällt das Mandat an den Stimmkreisbewerber mit der zweithöchsten Stimmenzahl.

Die Zahl der aus der Wahlkreisliste einer Partei zu vergebenden Sitze wird um die Zahl der direkt errungenen Sitze ihrer Bewerber vermindert. Der sich nunmehr ergebende Rest wird an die Bewerber der Liste – bei Nichtberücksichtigung bereits in den Stimmkreisen erfolgreicher Bewerber – nach Maßgabe der von ihnen erreichten Stimmen verteilt. Dabei werden die Stimmen die ein Bewerber im Stimmkreis und auf der Liste erhalten hat, herangezogen. Im Allgemeinen genießen also Personen, die als Stimmkreis- und damit notwendig auch als Wahlkreisbewerber bei der Wahl antreten, einen Vorteil gegenüber Bewerbern, die nur auf der Liste kandidieren; dies nicht aus wahltechnischen Gründen – jeder Bewerber kann ja nur maximal eine der beiden Stimmen eines Wählers erhalten –, sondern auch dadurch, dass der Wähler zumeist beide Stimmen nach seiner Parteipräferenz vergibt. Für die Erststimme ist der Kandidat aber dem Wähler fest vorgegeben; mit seiner Zweitstimme kann der Wähler jedoch unter mehreren Bewerbern einer Liste auswählen, was zu einem Vorteil für die Stimmkreisbewerber führt.

Erhält hiernach eine Partei, auf die mehr als die Hälfte aller zu berücksichtigenden Stimmen im Lande entfallen sind, nicht auch landesweit mehr als die Hälfte der zu vergebenden Mandate, so werden dieser Partei so viele weitere Sitze zugeteilt, dass sie die Mehrheit der Sitze hat. Diese Sitze gehen an die noch nicht gewählten Wahlkreisbewerber mit den landesweit meisten Stimmen.

Überhang- und Ausgleichsmandate

Gewinnt eine Partei in den Stimmkreisen mehr Mandate als ihr nach dem Verhältnisausgleich auf Wahlkreisebene zustehen, so verbleiben diese Sitze der Partei. Die übrigen Parteien erhalten Ausgleichsmandate. Dazu wird die Zahl der im Wahlkreis zu vergebenden Mandate solange um eins erhöht, bis die Verteilung nach Hare/Niemeyer im Wahlkreis keinen Überhang mehr ergibt.


von Wilko Zicht (1999, letzte Aktualisierung: 08.10.2023)