Kommunalwahlrecht in Thüringen

[Kommunalwahlrecht]

Wahlsystem

Verhältniswahl mit offenen Listen

Besonderheiten

Abgeordnetenzahl

Die Zahl der zu wählenden Gemeinderatsmitglieder beträgt in Gemeinden
mit bis zu         500 Einwohnern                   6
mit mehr als       500 bis zu    1.000 Einwohnern   8
mit mehr als     1.000 bis zu    2.000 Einwohnern  12
mit mehr als     2.000 bis zu    3.000 Einwohnern  14
mit mehr als     3.000 bis zu    5.000 Einwohnern  16
mit mehr als     5.000 bis zu   10.000 Einwohnern  20
mit mehr als    10.000 bis zu   20.000 Einwohnern  24
mit mehr als    20.000 bis zu   30.000 Einwohnern  30
mit mehr als    30.000 bis zu   50.000 Einwohnern  36
mit mehr als    50.000 bis zu  100.000 Einwohnern  42
mit mehr als   100.000 bis zu  200.000 Einwohnern  46
mit mehr als   200.000 Einwohnern                  50.

Dazu kommt der direkt gewählte Bürgermeister.

Wahlperiode

Die Wahlperiode beträgt 5 Jahre.

Die Amtszeit eines hauptamtlichen Bürgermeisters (bzw. Landrats) beträgt 6 Jahre.

Aktives und passives Wahlrecht

Aktiv wahlberechtigt ist jeder EU-Bürger, der das (durch Beschluss des Landtags vom 25. November 2015 um zwei Jahre gesenkt) 16. Lebensjahr vollendet hat und seit mindestens drei Monaten seinen (Haupt-)Wohnsitz im Wahlgebiet hat.

Wählbar ist jeder Wahlberechtigte, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, seit mindestens 6 Monaten seinen Wohnsitz im Wahlgebiet hat und der seit mindestens einem Jahr Bürger eines EU-Staates ist.

Stimmabgabe

Jeder Wähler hat drei Stimmen, die er auf Bewerber der Wahlvorschläge verteilen kann. Dabei kann er Bewerber unterschiedlicher Wahlvorschläge wählen (panaschieren) oder bis zu drei Stimmen demselben Bewerber geben (häufeln oder kumulieren).

Man kann aber auch einen Wahlvorschlag als Ganzen kennzeichnen. Dann zählt je eine der nicht anderweitig vergebenen Stimmen für die ersten Kandidaten dieser Liste.

Sperrklausel

Für die Sitzverteilung werden nur jene Wahlvorschläge berücksichtigt, die mindestens fünf Prozent der insgesamt abgegebenen gültigen Stimmen erhalten haben. Auch wenn Wahlvorschläge eine Listenverbindung eingehen, gilt für jeden die Fünfprozenthürde.

Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat am 11. April 2008 in einem Normenkontrollverfahren die kommunale 5 %-Hürde für verfassungswidrig erklärt. Diese Hürde ist mit Inkrafttreten einer Gesetzesänderung (GVBl Thüringen vom 17. Oktober 2008, S. 353–363) am 18. Oktober 2008 aufgehoben.

Sitzzuteilungsverfahren

Die Mandate werden nach dem Quotenverfahren mit Restausgleich nach größten Bruchteilen (Hare/Niemeyer) verteilt. Bei Listenverbindungen gilt dieses Verfahren auch bei der Unterverteilung.

Stimmenverrechnung

Alle Stimmen der Bewerber eines Wahlvorschlags werden zusammengezählt. Dabei gelten im ersten Schritt verbundene Wahlvorschläge (Listenverbindung) als eine Liste. Die Sitzverteilung erfolgt nach dem Quotenverfahren mit Restausgleich nach größten Bruchteilen (Hare/Niemeyer). Im zweiten Schritt erfolgt ggfs. eine Unterverteilung an die verschiedenen Wahlvorschläge eine Listenverbindung (auch nach dem Quotenverfahren mit Restausgleich nach größten Bruchteilen). Die Sitze eines Wahlvorschlags gehen an deren Bewerber in der Reihenfolge ihrer Stimmen.

Mehrheitsklausel

Erhält eine Partei mehr als 50 Prozent der Stimmen, aber nicht mehr als 50 Prozent der Sitze, so wird ihr bei der Restsitzverteilung des Quotenverfahrens mit Restausgleich nach größten Bruchteilen abweichend der erste Restsitz zugeteilt.

Möglichkeit der Listenverbindung

Wahlvorschläge haben in Thüringen die Möglichkeit Listenverbindungen einzugehen. Interessanterweise lässt dies hier aber keinen Vorteil für die Parteien erwarten, da weder die Sperrklausel damit umgangen werden konnte, noch ein „Reststimmenbonus“ zu erwarten ist.


von Martin Fehndrich (2000, letzte Aktualisierung: 21.03.2018)