Aufgabe der biproportionalen Sitzzuteilung
Die biproportionale Zuteilung soll Proportionaliät in doppelter Hinsicht gewährleisten, zum einen in Bezug auf eine regionale Untergliederung des Wahlgebiets in Distrikte und zum anderen in Bezug auf die Parteien. Jeder Wahldistrikt erhält so viele Sitze, wie sein Anteil an der Bevölkerung ist, und jede Partei so viele Sitze, wie ihr Anteil an Stimmen ist.
Da die Zahl der Sitze sowohl kleiner als die Bevölkerung als auch die Anzahl der Stimmen ist, erfolgt die Zuteilung wie bei der Verhältniswahl beschrieben, zu Gunsten der einen/des einen und zu Lasten der anderen/des anderen Partei/Distrikts.
Beschreibung
Wie der Name „Biproportionale Divisormethode“ schon andeutet, sind für diese Variante der Verhältniswahl nur Divisormethoden zugelassen.
- In der Mitte der Legislaturperiode werden die Sitze mit Hilfe der gewählten Divisormethode auf Basis der Bevölkerung auf die einzelnen Wahldistrikte aufgeteilt.
- Am Wahltag werden zuerst die Stimmen jeder Partei über das ganze Wahlgebiet zusammengezählt. Dies ist die Basis für die Oberzuteilung der Sitze an die Parteien.
- Anschließend wird in der Unterzuteilung für jede Zeile und für jede Spalte ein Divisor gesucht. Die Sitzzahl einer Liste in einem Wahlkreis ergibt sich durch Rundung von . Die Zeilen- und Spaltendivisoren sind so zu bestimmen, dass sich zeilen- und spaltenweise die richtige Randsumme ergibt.
Man hat also eine Matrix mit festen Rändern und sucht die proportionale Zuteilung innerhalb der Matrix so, dass die Ränder „passen“:
|
Parteien |
Sitze pro Distrikt |
Partei 1 |
Partei 2 |
... |
Partei l |
Distrikt 1 |
Sitze P1 in D1 |
Sitze P2 in D1 |
... |
Sitze Pl in D1 |
Sitze D1 |
Distrikt 2 |
Sitze P1 in D2 |
Sitze P2 in D2 |
... |
Sitze Pl in D2 |
Sitze D2 |
. . . |
. . . |
. . . |
. . . |
. . . |
. . . |
Distrikt k |
Sitze P1 in Dk |
Sitze P2 in Dk |
... |
Sitze Pl in Dk |
Sitze Dk |
|
Sitze Partei 1 |
Sitze Partei 2 |
... |
Sitze Partei l |
Gesamtsitze |
Die Divisoren weden mit Hilfe eines iterativen Verfahrens vom Computer berechnet, wenn man sie hat, lässt sich das Ergebnis mit Papier und Bleistift bzw. Taschenrechner nachprüfen.
Ob eine solche Zuteilung überhaupt existiert, lässt sich am Anfang des Verfahrens überprüfen (mit Hilfe eines Min-Flow- Max-Cut Algorithmus). Es sind alle Divisormethoden möglich, wenn gewisse Nebenbedingungen gelten, z. B. darf keine Partei in der Oberzuteilung mehr Sitze bekommen als die Wahlkreise, in denen sie antritt, Sitze haben. Es gibt immer eine Lösung, wenn alle Matrixelemente positiv sind. Gibt es eine Lösung, wird sie in endlich vielen Schritten erreicht und sie ist bis auf Bindungen eindeutig.
Eigenschaften
Stärken
- Da die Grundlage für die Oberzuteilung die Stimmen der Parteien in allen Distrikten ist, übertragen sich die jeweiligen Optimalitätseigenschaften. Zum beispiel erhält man bei der Verwendung der Divisormethode mit Standardrundung eine erfolgswertoptimale Zuteilung.
- Stimmen von kleinen Parteien in kleinen Wahlkreisen gehen im Vergleich zur separaten Distriktauswertung weniger leicht „verloren“. Sind in einem Wahldistrikt nur wenige Mandate zu vergeben, teilen sich diese tendenziell die großen Parteien unter sich auf, die Stimmen der kleineren Parteien fallen unter den Tisch. Bei der biproportionalen Methode zählen sie dagegen in der Oberzuteilung mit.
Im folgenden Beispiel wird die Divisormethode mit Standardrundung verwendet, das Rundungsverfahren ist durchgehend die Standardrundung:
Gegeben sei folgendes Wahlergebnis für vier Parteien in vier Distrikten:
|
Partei 1 |
Partei 2 |
Partei 3 |
Partei 4 |
Sitze |
Distrikt 1 |
1.199 |
1.015 |
25 |
0 |
5 |
Distrikt 2 |
503 |
498 |
22 |
0 |
5 |
Distrikt 3 |
0 |
0 |
598 |
1.012 |
5 |
Distrikt 4 |
100 |
0 |
59 |
592 |
6 |
Gesamt |
1.802 |
1.513 |
704 |
1.604 |
|
Eine separate Distriktauswertung ergibt folgende Sitzzuteilung:
|
Partei 1 |
Partei 2 |
Partei 3 |
Partei 4 |
Sitze |
Divisor |
Distrikt 1 |
3 |
2 |
0 |
0 |
5 |
440 |
Distrikt 2 |
3 |
2 |
0 |
0 |
5 |
200 |
Distrikt 3 |
0 |
0 |
2 |
3 |
5 |
500 |
Distrikt 4 |
1 |
0 |
0 |
5 |
6 |
120 |
Sitze |
7 |
4 |
2 |
8 |
21 |
|
Partei 4 hat zwar weniger Stimmen als Partei 1, bekommt aber einen Sitz mehr, Partei 3 tritt zwar als einzige in allen Wahlkreisen an, bekommt aber nur in einem „viel“ Stimmen und geht somit in den anderen Wahlkreisen leer aus.
Die biproportionale Zuteilung sieht dagegen wie folgt aus:
|
Partei 1 |
Partei 2 |
Partei 3 |
Partei 4 |
Sitze |
Divisor |
Distrikt 1 |
3 |
2 |
0 |
0 |
5 |
450 |
Distrikt 2 |
2 |
3 |
0 |
0 |
5 |
202 |
Distrikt 3 |
0 |
0 |
2 |
3 |
5 |
150 |
Distrikt 4 |
2 |
0 |
1 |
3 |
6 |
66,64 |
Sitze |
7 |
5 |
3 |
6 |
21 |
|
Divisor |
1 |
0,98 |
1,6 |
2,5394 |
|
|
Die Zuteilungen für die Parteien 1 und 4 sind jetzt so, wie man sich das für eine proportionale Zuteilung wünscht, Partei 3 profitiert jetzt davon, überall anzutreten und wird mit einem zusätzlichen Sitz belohnt.
Schwächen
- Es kann passieren, dass eine Partei oder Gruppen von Parteien in der Oberzuteilung mehr Sitze erhalten als die
Wahlkreise haben, in denen sie antreten. Dies ließe sich zumindest teilweise durch Nebenbedingungen in der Oberzuteilung
korrigieren. Zum Beispiel darf keine Partei mehr Sitze erhalten als die Wahlkreise haben, in denen sie antritt.
Beispiel: Für die folgende Stimmenverteilung mit den gegebenen Randsummen kann es keine Lösung geben, da die Partei 1 in der Oberzuteilung 11 Sitze bekommt, die Distrikte 1 und 2, in denen sie antritt, aber nur 10 Sitze haben. In diesem Fall ließe sich mit einer Beschränkung der Sitze in der Oberzuteilung eine Lösung finden:
|
Partei 1 |
Partei 2 |
Partei 3 |
Sitze |
Distrikt 1 |
2.216 |
– |
– |
5 |
Distrikt 2 |
999 |
– |
– |
5 |
Distrikt 3 |
– |
601 |
1.001 |
5 |
Distrikt 4 |
– |
1.009 |
498 |
6 |
Sitze |
11 |
5 |
5 |
21 |
- Zwischen der Stimmenzahl einer Liste und ihrer Sitzzahl besteht nur ein tendenzieller, nicht aber ein direkter Bezug, d. h., es kann in einem Wahlkreis vorkommen, dass eine Parei zwar mehr Stimmen hat als eine andere, jedoch weniger Sitze als diese bekommt. Der Grund hierfür liegt im Ziel der doppelten Proportionalität. Zum Beispiel sieht man im ersten Beispiel, dass in Distrikt 2 Partei 2 zwar weniger Stimmen hat als Partei 1, aber trotzdem einen Sitz mehr bekommt. Insgesamt ist dies jedoch nicht so schlimm, da für die Zuteilung der Sitze auf die Parteien ja die Oberzuteilung ausschlaggebend ist, die jeweils Proportionalität für das ganze Wahlgebiet gewährleistet. Dieser Effekt kann allerdings bei bei allen Wahlsystemen mit zweistufigen Verteilungen auftreten, die einen Proporz im gesamten Wahlgebiet gewährleisten (z. B. Bundestagswahl).
Literatur/Links