Besserstellung einer Partei, weil sie keine 5 % der
Stimmen bekommen hat
Landtags-Wahlsystem Sachsen-Anhalt:
- In 49 Wahlkreisen ist gewählt wer die meisten Personenstimmen bekommen hat. (Direktmandate)
- Für die Berechnung der Zahl der Abgeordnete ist die anfängliche Gesamtzahl 99 (Proporzmandate).
- Für die (Proporz)-Berechnungen gilt das System Hare-Niemeyer.
- Nichtberücksichtigt werden Parteistimmen von Parteien die weniger als 5% der Parteistimmen
erhalten haben.
- Die Zahl der direktgewählten Kandidaten, die keiner Liste angehören, die über 5% der
Parteistimmen erhalten hat, wird von der Gesamtzahl der Proporzmandate abgezogen.
- Von den Mandaten, die einer Partei proporzmäßig zustehen, wird die Zahl ihrer gewonnenen
Direktmandate abgezogen.
- Erhält eine Liste mehr Direktmandate als der Partei nach dem Proporz zustehen, wird die
Gesamtzahl der Proporzmandate um das doppelte des Überhangs erhöht und neuberechnet (D.h. Zuteilung
von Ausgleichsmandaten). Danach immer noch bestehender Überhang bleibt bestehen.
Diese Regelungen behandeln Überhangmandate einer Partei über 5% anders (die anderen Parteien
erhalten Ausgleichsmandate), als Überhangmandate einer Partei unter 5% (die Mandatszahl der anderen
Parteien wird um die Zahl der Überhangmandate reduziert), die Regelungen sind in ihrer Wirkung
sogar direkt entgegengesetzt und belohnen eine Verfehlung der Sperrklausel doppelt.
- Es werden keine Ausgleichsmandate an verteilt.
- Für die Überhangmandate wird den anderen Parteien Mandate abgezogen.
Eine Partei unter 5% wird damit besser gestellt, als eine Partei über 5% der Parteistimmen.
Dies führt dazu, daß eine Partei mit Überhangmandaten für Ihre Parteistimmen bestraft wird.
Wahlergebnis der Wahl vom 26.04.1998: (amtliches Endergebnis)
Partei | Stimmen | Sitze |
CDU | 329282 | 28 |
SPD | 536501 | 47 (Direktmandate, Überhangmandate) |
PDS | 293475 | 25 |
DVU | 192352 | 16 |
Grüne | 48542 |
FDP | 63195 |
gültige: | 1495531 |
gesamt: | | 116 |
Wahlergebnis unter der Annahme, die SPD hätte keine Parteistimme
erhalten:
Die SPD erhält 47 Direktmandate, die anderen Parteien erhalten 52 Proporzmandate.
Partei | Stimmen | Sitze |
CDU | 329282 | 18 |
SPD | - | 47 (Direktmandate ausserhalb des Proporz) |
PDS | 293475 | 16 |
DVU | 192352 | 11 |
Grüne | 48542 | 3 |
FDP | 63250 | 4 |
gültige: | 959483 |
gesamt: | | 99 (davon 52 Proporzmandate) |
Die SPD erhält, gerade weil sie keine Zweitstimmen bekommen hat, eine fast
absolute Mehrheit. Mit dem Sprung der Grünen und der FDP über die durch Wahlenthaltungen
herabgesetzte 5%-Hürde vergrössert sich der Kreis möglicher Koalitionspartner.
Lösungsmöglichkeiten:
- Ausgleichsmandate werden verteilt, als ob die überhängende
Partei mindestens 5% der Parteistimmen bekommen hätte.
Dadurch werden Ausgleichsmandate auch für Überhangmandate kleinerer
(bzw. vermeidlich kleinerer) Parteien verteilt und eine exorbitante Verteilung von
Ausgleichsmandaten wird vermieden.
- Die Parteistimmen der überhängenden Partei werden nicht aus dem Proporz genommen.
Der Doppelvorteil des Verfehlens der Sperrklausel
(kein Ausgleich; Abzug des Überhangs von den anderen Parteien) fällt weg.
Soweit die Direktmandate durch Parteistimmen gedeckt sind, fällt auch kein Überhang an.
(D.h. wenn eine 4% Partei ein Direktmandat bekommt, bleibt alles beim Alten).
Darüberhinaus:
- Vorteilhaft wäre ein Einstimmenwahlsystem.
(D.h. eine Stimme gilt sowohl für ein Partei, als auch einen Direktkandidaten)
- Ausgleichsmandate entsprechend den Höchstzahlen nach
Sainte Laguë oder d'Hondt.
- Generell ist wegen anderer Paradoxien
und Systemfehler
des Verfahrens Hare-Niemeyer das Verfahren
Sainte-Laguë als Berechnungsmethode vorzuziehen.
Links
http://www.stala.sachsen-anhalt.de/lw98/ Landeswahlleiter in Sachsen Anhalt
Wahlsystem Sachsen-Anhalt DetailierteBeschreibung des Verfahrens
Wahlgesetz des Landes Sachsen-Anhalt
von Martin Fehndrich