Vergleich zweier Mechanismen zum negativen Stimmgewicht

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Vergleich zweier Mechanismen die zu negativem Stimmgewicht im Bundestagswahlsystem führen

Im Bundestagswahlsystem führen zwei verwandte Mechanismen zu negativen Stimmgewichten, die internen Überhangmandate und die erschöpfte Teilliste.

Die Entstehungsmechanismen sind bei beiden Effekten sehr ähnlich, das Verhalten zum Teil spiegelbildlich. In beiden Fällen profitiert eine Landesliste einer Partei weder von mehr noch von weniger Stimmen, weil Überhangmandate eine Verrechnung verhindern oder weil die erschöpfte Liste einer weiteren Zuteilung von Sitzen entgegen steht. Der Schaden der Zusatzstimmen macht sich dann bei einer anderen Landesliste dieser Partei bemerkbar. Eine Partei erhält dann insgesamt umso mehr Sitze, je weniger Zweitstimmen sie in dem betroffenen Land erhalten hat.

Der wesentliche Unterschied ist das Auftreten. Während interne Überhangmandate regelmäßig auftreten ist eine erschöpfte Teilliste immer auch eine größere Kandidaturpanne, so daß es Bundestagswahlen bisher nicht zu diesem Effekt kam.

  interne Überhangmandate erschöpfte Teilliste
Deckelung Deckelung nach unten: Anzahl der Sitze für Landesliste nach unten gedeckelt durch Zahl der Direktmandate Deckelung nach oben: Anzahl Sitze einer Landesliste nach oben gedeckelt (durch Zahl der Kandidaten)
Vor/Nachteil gegenüber dem reinem Proporz Vorteil: Doppelverteilung von Sitzen
Solange die Stimmenzahl unter einer kritischen Stimmenzahl liegt, entstehen Überhangmandate ("zu viel")
Nachteil: Nichtzuteilung von Sitzen
Solange die Stimmenzahl über einer kritischen Stimmenzahl liegt, verfallen nichtzuteilbare Sitzansprüche der Landesliste ("zu wenig")
Entwickung mit Stimmen Doppelverteilungsvorteil reduziert sich bei mehr Stimmen, wird größer bei weniger Stimmen Nichtzuteilungsnachteil wird größer bei mehr Stimmen, wird kleiner bei weniger Stimmen
Grafische Darstellung
Stimmen-Sitze-Diagramm
Linker Ast negative Steigung
Minimum wenn Überhang entsteht
Rechter Ast negative Steigung
Maximum wenn Teilliste voll wird/erschöpft
Lösung: Verrechnung oder Teilverrechnung Zulasten anderer Landeslisten
oder Direktmandate streichen
Zugunsten anderer Landeslisten
[Direktmandate dazu tun, geht nur begrenzt]
Interpretationsansatz für Teilverrechnung Partei erhält neg. Stimmen dazu Partei darf auf neg. Stimmen verzichten
Grafische Interpretation Teilverrechnung Sitzzahl auf Minimum im Stimmen-Sitz-Diagramm Sitzzahl auf Maximum im Stimmen-Sitz-Diagramm
Auftreten Regelmäßig, wahlsystembedingt,
immer wenn Überhangmandate auftreten
Kandidaturpanne
Tritt praktisch nicht auf, da i.d.R. mehr Kandidaten aufgestellt werden, als wahrscheinlich gewählt werden (inkl. Reserve für Nachrücker).
Größenordnung des Effektes
Wähler/Stimmen
Wähler in potentiellen Überhangländern einer Partei (konkret betroffene Stimmen über 6 Mio. in 2005). Betroffen sind Stimmen aller Wähler der betroffenen Landesverbände plus die notwendige Stimmenzahl zum Ausgleich des Überhangs (also konkrete und nicht theoretische Stimmen). Theoretisch unbegrenzte Anzahl Wähler.
Praktisch tritt Effekt nicht auf.
theoretische Stimmen gehen über die Anhängerschaft oder auch Zahl der Wahlberechtigten in dem Land hinaus und es gilt nur Stimmenzahl über der Stimmenzahl am Teilausgleichsmaximum.
Größenordnung
Sitze (*)
* in beiden Fällen kommen gleichermaßen positive Effekte bei der Oberverteilung dazu
betroffene Sitze = Bruchteil der Wahlkreise der überhängenden Partei in den Überhangländern (2005 mehr als 25 Sitze) Theoretisch könnte man fast alle Sitz einer Partei als betroffen ansehen
praktisch tritt Effekt nicht auf

Gemeinsamkeiten

Wesentliche Aussagen gelten für beide Mechanismen (zusätzlich zu den spiegelbildlichen Punkten)


von Martin Fehndrich (15.04.2009, letzte Aktualisierung: 22.04.2009)