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21.07.2004
Auch bei der Europawahl am 13. Juni 2004 kam es wieder zu einigen unerfreulichen Pannen, die den Bundeswahlausschuß bei seiner Sitzung am 6. Juli beschäftigten. Besonders kraß ist der Fall aus der sächsischen Gemeinde Gablenz, wo 51 Personen an der Wahl gehindert wurden, weil im Wahllokal die Stimmzettel ausgegangen waren.
Um wesentlich mehr Stimmen ging es bei der Frage, wie in Baden-Württemberg mit den Europawahl-Stimmzetteln umzugehen sei, die in den Wahlumschlägen für die gleichzeitig stattfindende Kommunalwahl in die Urne geworfen wurden. Während die Landeswahlleiterin von Baden-Württemberg diese Stimmen nicht mitzählen wollte, hielt der Bundeswahlleiter diese Stimmabgabe für gültig. Die Ansicht des Bundeswahlleiters setzte sich durch. Von den 3.531 betroffenen Stimmzetteln erwiesen sich jedoch 986 aus anderen Gründen als ungültig.
Im folgenden ist die Darstellung der aufgetretenen Pannen aus dem Protokoll der Sitzung des Bundeswahlausschusses dokumentiert. An der Sitzung nahmen neben Bundeswahlleiter Johann Hahlen die Beisitzer Peter Brörmann (CDU), Renate Harcke (PDS), Johann Müller-Gazurek (B’90/Grüne), Gabriele Renatus (FDP), Johannes Risse, Hedi Wegener (beide SPD) und Markus Zorzi (CSU) teil.
Bei der Auszählung der Kommunalwahl wurde festgestellt, dass Europawahlstimmzettel in Wahlumschlägen der Kommunalwahl steckten. Für diese Fallgestaltung stellte sich die Frage, ob solche Europawahlstimmzettel als gültig oder als ungültig bei der Europawahl zu zählen waren.
In Nr. 18.5 Satz 7 der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums und der Landeswahlleiterin von Baden-Württemberg zur Vorbereitung und Durchführung der Kommunalwahlen und der Europawahl am 13. Juni 2004 (KomEuWVwv) vom 7. April 2004 (GABl. vom 28. April 2004, S. 338) war hierzu folgende Festlegung getroffen worden: „Bei Stimmzetteln für die Europawahl, die gemeinsam mit dem Stimmzettel für die Kommunalwahlen in den Umschlag für die Kommunalwahlen gelegt wurden, liegt eine ungültige Stimmabgabe vor.“
Die Landeswahlleiterin von Baden-Württemberg hat diese Rechtsauffassung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Bundeswahlleiter vertritt demgegenüber aus folgenden Gründen die Auffassung, dass die betroffenen Stimmzettel als gültig zu bewerten seien:
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsauffassung hat der Bundeswahlleiter die Landeswahlleiterin Baden-Württemberg gebeten, die in Kommunalwahlumschlägen aufgefundenen Europawahlstimmzettel auszusondern und in das endgültige Europawahlergebnis einzubeziehen. Die Landeswahlleiterin von Baden-Württemberg ist dieser Empfehlung gefolgt. Nach den Feststellungen der Kreis- und Stadtwahlausschüsse sowie des Landeswahlausschusses in Baden-Württemberg waren 3.531 Europawahlstimmzettel betroffen.
Die Landeswahlleiterin von Baden-Württemberg hat ihre Rechtsauffassung dem Landeswahlausschuss eingehend erläutert. Der Landeswahlausschuss hat die betroffenen Stimmzettel gleichwohl in das Gesamtergebnis einbezogen, wobei er sich insbesondere davon lenken ließ, dass das Europawahlrecht die vorliegende Fallkonstellation nicht gesondert und eindeutig regelt. Der Landeswahlausschuss wies die so in das Gesamtergebnis für Baden-Württemberg einbezogenen Stimmzettel in seiner Niederschrift nochmals gesondert aus, während er weitere 33 bei der Auszählung der Kommunalwahl aufgefundene Europawahlstimmzettel aus den Landkreisen Schwäbisch Hall und Karlsruhe sowie aus dem Stadtkreis Ulm nicht berücksichtigte, da diese 33 Stimmzettel nicht in die Beschlussfassung der betroffenen Kreiswahlausschüsse einbezogen worden waren.
Nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage sprach sich der Bundeswahlausschuss für eine Einbeziehung der vom
Landeswahlausschuss berücksichtigten 3.531 Europawahlstimmzettel in das amtliche Endergebnis für das Wahlgebiet aus. Da
sich aus dem geltenden Europawahlrecht kein eindeutiger Ungültigkeitsgrund für derartige Fallgestaltungen ergibt, sind
diese Stimmzettel in das Wahlergebnis einzubeziehen, um dem Wählerwillen so weit wie möglich zum Erfolg zu verhelfen.
Die Landeswahlleiterin des Landes Nordrhein-Westfalen ist über diesen Sachverhalt durch zwei Schreiben des stellvertretenden Kreiswahlleiters des Rhein-Kreises Neuss vom 22. Juni 2004, bei der Landeswahlleiterin eingegangen am 28. Juni 2004, und vom 1. Juli 2004 in Kenntnis gesetzt worden und hat den Bundeswahlleiter durch Telefax vom 1. Juli, 19.06 Uhr, informiert. Der Landeswahlausschuss des Landes Nordrhein-Westfalen hatte aber das endgültige Ergebnis der Europawahl 2004 in Nordrhein-Westfalen bereits am 23. Juni 2004 festgestellt.
Der Bundeswahlausschuss sah keine Möglichkeit, diese Wahlbriefe noch in die Feststellung des amtlichen Ergebnisses einzubeziehen.
Hierfür waren folgende Überlegungen maßgebend:
Nach der geltenden Rechtslage sind die bei der Deutschen Post AG rechtzeitig eingelieferten, aber nicht vor Ende der Wahlzeit am 13.06.04 der auf den Wahlbriefen angegebenen Stelle zugeleiteten Wahlbriefe nicht rechtzeitig eingegangen (§ 4 EuWG in Verbindung mit § 39 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BWG), so dass diese Wahlbriefe zurückzuweisen sind und die Stimmen der Einsender als nicht abgegeben gelten (§ 39 Abs. 4 Satz 2 BWG). Ein Fall des § 68 Abs. 10 EuWO (Naturkatastrophe oder ähnliches Ereignis höherer Gewalt) liegt ersichtlich nicht vor. Der Kreiswahlausschuss des Rhein-Kreises Neuss brauchte deshalb nicht mehr zusammenzutreten, weil sich durch die Einbeziehung dieser Wahlbriefe am Wahlergebnis nichts geändert hätte.
In diesem Zusammenhang greift der Bundeswahlausschuss die aufgrund der Wahlanfechtungssache EuWP 27/99 am 15. März 2000
erfolgte Prüfbitte des Deutschen Bundestages auf (BT-Drucks. 14/2761). Seiner Zeit hatte der Deutsche Bundestag die
Bundesregierung um Prüfung gebeten, ob die Wahlrechtsvorschriften dahin gehend zu ändern sind, dass rechtzeitig bei der
für die Zustellung zuständigen Filiale der Deutschen Post AG vorliegende Wahlbriefe, die aber durch Verschulden eines
Bediensteten der Deutschen Post AG, eines Beauftragten des Kreiswahlleiters oder der Gemeindebehörde oder auf Grund
sonstiger, vom Wähler nicht mehr zu vertretender Umstände erst nach Ablauf der Frist des § 36 Abs. 1 BWG beim
Kreiswahlleiter eingehen, bei der Feststellung des Wahlergebnisses zu berücksichtigen sind. Der Bundeswahlausschuss
bittet den Bundeswahlleiter, beim Präsidenten des Deutschen Bundestages eine Weiterverfolgung dieser Prüfbitte anzuregen.
Nach den Feststellungen des Kreiswahlausschusses war das Wahlgeheimnis nicht gefährdet, da die die Stadt Dillenburg die Stimmzettel „wahllos“, das heißt ohne Bezug zu Alter und Geschlecht des Empfängers der Briefwahlunterlagen, ausgegeben hatte. Ein Rückschluss auf das Wahlverhalten einzelner Personen war daher nicht möglich.
Nach § 5 Abs. 3 EuWO bestehen die Wahlvorstände aus 5 bis 9 Mitgliedern. Bei der Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses im Wahlbezirk ist der Wahlvorstand beschlussfähig, wenn mindestens 5 Mitglieder, darunter jeweils der Wahlvorsteher und der Schriftführer oder ihre Stellvertreter, anwesend sind (§ 6 Abs. 9 EuWO).
Die Kreiswahlausschüsse des Landkreises Limburg-Weilburg und des Vogelsbergkreises haben die Wahl in den betroffenen Wahlbezirken als gültig angesehen, da keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Auszählung bestanden.
Ein derartiges Versehen erfolgte auch in der Gemeinde Niederdorf des Landkreises Stollberg (Freistaat Sachsen). Dort wurden 52 Briefwahlstimmen mit den Stimmzetteln der Urnenwahl vermischt und gemeinsam ausgezählt.