Interne Ausgleichsmandate

[Wahlrechtslexikon]

Definition

Interne (oder Bezirksweise) Ausgleichsmandate sind nur auf Bezirksebene ermittelte Ausgleichsmandate für interne Überhangmandate.

In einigen Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern) wird versucht interne Überhangmandate, die auf Bezirksebene entstehen, durch Ausgleichsmandate in genau diesen Bezirken auszugleichen. Der bezirksweise Ausgleich führt zu einer Reihe von Systemfehlern und Paradoxien und verstärkt die Verletzung des Regionalproporzes. Ein wahlrechtlicher Vorzug durch einen internen Ausgleich statt eines wahlgebietweiten ist nicht ersichtlich.

Ursache: Interne Überhangmandate

In einem Wahlsystem, bei dem Überhangmandate auftreten können, und bei dem es zwischen den Wahlkreisen und dem gesamten Wahlgebiet eine weitere Ebene gibt (Regierungsbezirke der Länder oder Bundesländer im Bund) kann der Überhang den dazwischenliegenden Ebenen zugeordnet werden (vgl interne Überhangmandate).

Verletzung des Regionalproporzes

Interne Überhangmandate verletzen den Regionalproporz, d.h. ein Bezirk mit internen Überhangmandaten erhält Sitze über die proportionale Verteilung hinaus. Interne Überhangmandate verstärken diesen Effekt, da genau diesen schon überproportional vertretenen Bezirken weitere Sitze zugeteilt werden. D.h. wenn im Regierungsbezirk Stuttgart (früher Nordwürttemberg) Überhangmandate entstehen, wird diese übermäßige Begünstigung durch Ausgleichsmandate in diesem Bezirk zusätzlich verstärkt.

Mängel, Paradoxien und Systemfehler

Neben der Verletzung des Regionalproporzes, können noch weitere Mängel, Paradoxien und Systemfehler durch die Zuteilung interner Ausgleichsmandate entstehen. Ein Teil der Paradoxien trifft allgemein auf alle internen Ausgleichsmandatssysteme zu, ein Teil ist systemspezifisch für das konkrete Berechnungssystem der Überhang- und Ausgleichsmandate.

Allgemein

Ausschlaggebend für die Zuteilung der Ausgleichsmandate sollte die proportionale Verteilung im gesamten Wahlgebiet sein. Maßstab für die internen Ausgleichsmandate ist aber allein der Proporz innerhalb des Bezirkes. Daß es hier bisher nicht zu größeren Abweichungen gekommen ist, liegt insb. daran, daß die Wahlergebnisse in den Bezirken (Ländern, ...) bisher im Großen und Ganzen gleich waren. Man kann sich aber vorstellen, daß in einem Bezirk die Partei A mittelgroß, B groß und C eher klein ist, während wahlgebietweit nur die Partei C groß ist und A und B Regionalparteien sind. Ausgleichsmandate für den Überhang von Partei B erhält in diesem Fall vor allem die Partei A (d.h. landesweit überproportional), während die Landesparteien nur unterproportional berücksichtigt werden.

Systemspezifisch (Baden-Württemberg)

Eine Reihe von Mängeln und Systemfehlern entstehen durch das speziell baden-württembergische Wahlsystem.

Fragwürdige Rechtfertigung in Urteilen des Staatsgerichtshofs für das Land Baden-Württemberg

Der Staatsgerichtshof stellte in einem Normenkontrollverfahren am 12. Dezember 1990 fest:

Wenn in den Verhältnisausgleich gemäß S 2 Abs. 2 LWG die Regierungsbezirke einbezogen werden, ist es im Rahmen des Wahlsystems strukturell konsequent, die innerhalb der Regierungsbezirke auftretenden Überhangmandate auch dort auszugleichen. Dies hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 4 LWG getan.

3. Zu Ls 3: Werden in den Verhältnisausgleich gemäß WahlG BW § 2 Abs 2 die Regierungsbezirke einbezogen, ist es im Rahmen des Wahlsystems strukturell konsequent, die innerhalb der Regierungsbezirke auftretenden Überhangmandate auch dort auszugleichen (WahlG BW § 2 Abs 4).

Hier stellt der Staatsgerichtshof die Tatsachen auf den Kopf, in dem es die Regelungen mit dem Ziel eine übermäßige Begünstigung bestimmter Regierungsbezirke zu verhindern rechtfertigt. Das Gericht prüft nicht, ob dieses Ziel überhaupt erreicht wird, sonst wäre es aufgefallen, daß die Regelung diesem Ziel völlig zuwider läuft. Während das System der Oberteilung auf die Parteien und Unterverteilung an deren Bezirksverbände, zu einem gewissen (dem Parteienproporz untergeordneten) Bezirksproporz führt, führt die bezirksinterne Ausgleichsmandateberechnung zu einer Verzerrung dieses Proporzes.

Auch die vom Gericht festgestellte Folgerichtigkeit existiert in der beschriebenen Form nicht, da das Wahlsystem einen strukturell inkonsequenten Systemsprung von der Unterverteilung (eine Partei, alle Regierungsbezirke) zum bezirksinternen Ausgleich (ein Bezirk, alle Parteien) vollzieht. Aber auch wenn die Mandatsverteilung in den Regierungsbezirken weitgehend unabhängig voneinander erfolgt (wie in Bayern, hier erfolgt die Verteilung der Sitze zwischen den Parteien wirklich auf Regierungsbezirksebene), ist dies keine Rechtfertigung für eine bezirksinterne Ermittlung von Ausgleichsmandaten.

Der zur Begründung angeführte Verweis auf ESVGH 40, 170 ff. (2/88) ist wegen der fehlenden Folgerichtigkeit verfehlt.

Lösung: Landesweite Berechnung der Ausgleichsmandate

Da alle Landesverbände der anderen Parteien in gleichem Maße von einem Überhangmandat betroffen sind, sollten diese auch in gleicher Weise von Ausgleichsmandaten profitieren. Dies wird durch eine landesweite Ermittlung der Ausgleichsmandate und Unterverteilung (unter Berücksichtigung der schon zugeteilten Mandate) an die Landesverbände erreicht. Wenn man den Regionalproporz stärker berücksichtigen würde, würden in den überhängenden Bezirken weniger oder keine Ausgleichsmandate zugeteilt.


von Martin Fehndrich Erstellt: 17.07.2007, Letzte Aktualisierung: 30.07.2007