Autor |
Beitrag |
Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. April 2007 - 09:08 Uhr: | |
Mit den "Rücktritten" meinte ich in der Tat diverse Fälle, wo Päpste "zurückgetreten" wurden. Und dann hat man sie oft sicherheitshalber in ein Kloster gesteckt - aber eine Regel gibt es dazu nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob die dann wie von Philipp vermutet automatisch alle als Gegenpäpste galten. So ein interessanter Fall wie Benedikt IX war ja dreimal Papst, mit anderen Päpsten, die in den Intervallen regierten, aber m. W. nicht alle offiziell als "Gegenpäpste" zählen. Wobei Benedikt IX bei einem "Rücktritt" sein Amt an einen Nachfolger verkauft hat - die Wahlberechtigung im Kardinalskollegium war damals noch kein Thema ... Gregor XII trat auf dem Konzil in Konstanz zurück (wurde zurückgetreten), ohne m.W. als Gegenpapst zu gelten. |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. April 2007 - 16:49 Uhr: | |
Mithin gibt es nur zwei sichere "Rücktritte", nämlich jenen Gregors XII. 1415 und jenen Johannes XXIII. ebenfalls 1415. Diese Fälle sind aber besonders gelagert: Nach der Rückkehr der Päpste nach Rom gab es weiterhin eine Partei in Avignon, wo weiter Kardinäle residierten und sich auch Teile der Kurie befanden. Dort wurde eine zweite Wahl vorgenommen, was ursprünglich zum grossen abendländischen Schisma führte, bei dem es längere Zeit zwei konkurrierende Päpste gab, oder wohl genauer ausgedrückt: Papst-Prätendenten. In der Tat gab es eigentlich von Anfang an einige Zweifelsfragen: Der erste in Rom gewählte Papst, Urban VI., wurde in einem Konklave gewählt, das von Tumulten des römischen Volkes stattfand. Ausserdem waren 6 Kardinäle in Avignon geblieben und hatten an der Wahl nicht teilgenommen. Das veranlasste später Teile des Kardinalkollegiums, die Wahl für ungültig anzusehen. Die Sache erscheint an sich diskutabel; unter ähnlichen Umständen würde das deutsche Bundesverfassungsgericht wohl ernsthaft erwägen, eine Wahl zu annullieren und deren Wiederholung anzuordnen. Indessen hat sich diese Sicht schliesslich nicht durchgesetzt. Es steht auch zu vermuten, dass es letztlich nicht solche Gründe waren, die (wenn auch teilweise wohl mindestens dem Anschein nach berechtigt) zur Behauptung der Ungültigkeit der Wahl führten, sondern Unzufriedenheit mit dem neuen Papst, dessen rigoristischer Kurs den Kardinälen missfiel. Nach offizieller katholischer Lesart war somit Urban legitimer Papst. Da nun fortan zwei Papst-Prätendenten in Rom und Avignon konkurrierten, stellten sich der europäischen Christenheit schwerwiegende Probleme. Zu Lebzeiten der betreffenden Päpste schien es offenbar nicht einwandfrei klar, wer nun wirklich Papst war und wer nicht. In der katholischen Kirche durchgesetzt hat sich letztlich die Position, dass die in Rom residierenden Päpste echte Päpste waren, die Avignoneser Päpste hingegen Gegenpäpste und somit keine echten Päpste. 1409 verkomplizierte sich die Lage dadurch, dass Teile der verschiedenen Kardinalskollegien (in Rom und Avignon) zur Klärung der Lage ein Konzil nach Pisa einberiefen. Die Zeitgenossen hielten dieses Konzil wohl mehrheitlich für ein echtes Konzil, obwohl nach strikter katholischer Lehre nur ein vom Papst berufenes Konzil echt sein kann. Konsequenterweise hat die katholische Kirche das Pisaner Konzil nicht als solches anerkannt. Aber zu seiner Zeit wurde dies offenbar weit und breit anders gesehen. Dieses nun setzte Gregor XII. als Papst ab, ebenso den Avignoneser Gegenpapst. Von Freiwilligkeit kann also keine Rede sein. An Stelle der beiden Abgesetzten wählten die in Pisa versammelten Kardinäle einen Papst Alexander, nach dessen baldigem Tod Johannes XXIII. Beide "Pisaner" Päpste wurden offenbar zunächst weit und breit als legitim angesehen, teilweise werden sie auch in der Geschichtsschreibung bis heute als echte Päpste gezählt und behandelt. Wenn das Konzil an sich illegitim oder sogar illegal war, kann aber auch die Absetzung des rechtmässigen Papstes Gregor XII. nicht rechtens gewesen sein; auch die Absetzung des Gegenpapstes wäre demnach nicht mehr als eine leere Deklaration gewesen, weil das Konzil eben keines war und daher auch keine wirksamen Handlungen vornehmen konnte. Somit wäre auch die Wahl eines neuen Papstes nicht zulässig gewesen. Das ist die katholische Position, die sich schliesslich durchgesetzt hat. Die Folge von Pisa war, dass es nun drei konkurrierende Päpste gab. Die Verwirrung war komplett. 1415 kam es schliesslich zum Konzil von Konstanz. Auch dessen Einberufung ist anfechtbar: Der an sich legitime Papst Gregor XII. war ja für abgesetzt erklärt worden, Johannes XXIII. war nach strikter Lesart ebensowenig Papst wie der dritte im Bunde, der Avignoneser Gegenpapst. Wie man es auch immer dreht: Die Lage war verworren, man darf daher niemand vorwerfen, in guten Treuen geglaubt zu haben, das Konzil sei rechtens berufen und befugt, über die Papstfrage zu entscheiden. Das erkennen faktisch auch die Entwicklungen innerhalb der katholischen Kirche an, denn das Konzil wird als ökumenisch gezählt, der auf ihm gewählte Papst stellt den Beginn einer neuen legitimen Reihe dar, die bis heute fortdauert. Somit ist in den Nachwirkungen also das Konzil und das in der Papstfrage Entschiedene als legitim anerkannt worden. Das Konzil von Konstanz nun setzte Johannes XXIII. nicht nur ab, sondern machte ihm auch den Prozess. Es ordnete auch die Wahl Martins V. an. Auch dessen Wahl wäre anfechtbar: Das Konzil war auf zweifelhafte Weise einberufen worden, seine Legitimation somit fraglich. Die Befugnis, einen Papst abzusetzen, kann einem Konzil eigentlich nicht zukommen. Bei Johannes liesse sich nur anführen, dass er eben nicht Papst war, sondern sich dessen Stellung nur angemasst hatte. Dann wäre aber wohl Gregor XII. noch legitimer Papst gewesen. Schliesslich wirkten am Konklave auch Vertreter der Konzilsnationen mit, die keine Kardinäle waren. Auch dies wäre ein Verstoss gegen die Konklaveordnung. Wie dem auch sei - letztlich handelte es sich um eine Art übergesetzlichen Notstand, in dem nicht nach den geltenden Regeln verfahren wurde. Faktisch wurden die Konzilsentscheidungen durchgesetzt und somit anerkannt. Gregor XII. und Johannes XXIII. konnten aber somit auch nicht mehr zurücktreten, weil sie ja abgesetzt und entmachtet waren. Es handelte sich somit höchstens um eine leere Förmlichkeit. Angesichts der besonderen Umstände scheint es mir auch gewagt, aus ihrem Fall Regeln ableiten zu wollen. Auch die Geschichte Benedikts IX. ist besonders: Seine erste Amtszeit erscheint unbestritten. Er trat danach aber weder zurück, noch wurde er abgesetzt, sondern schlicht aus Rom vertrieben. Ob der nach ihm eignesetzte Silvester III. legitimer Papst war, dürfte diskutabel sein. Es gelang Benedikt jedoch, wieder zurückzukehren. Er wurde aber wiederum vertrieben, nahm dann seinen Rücktritt zu Gunsten eines Verwandten, was aber wohl kaum als zulässig angesehen werden kann. Man kann sich durchaus auf den Standpunkt stellen, dass ein solcher Rücktritt ungültig sei. Dann wäre er aber dem Anspruch nach immer Papst geblieben. Durch Zeitumstände bedingt und nach der Absetzung seiner Konkurrenten durch den Kaiser und dessen Anhänger kehrte er faktisch ein drittes Mal an die Macht zurück. Allerdings ist auch dazu anzumerken, dass in dem Wechselspiel von kaiserlicher Partei, Eingriffen mächtiger Lokalpotentaten und Aufständen der römischen Bevölkerung die Frage, wer RECHTENS Papst war, wohl hinter der zurücktreten muss, wer FAKTISCH als Papst amtete. Die katholischen Bücher geben Benedikt denn auch eine ununterbrochene Amtszeit von 1033 bis 1045. Auch eine Art, die Geschichte zu bewältigen. Es ist wohl doch nicht möglich, geschichtliche Vorgänge unter ganz anderen Voraussetzungen mit solchen von heute oder aus der jüngeren Vergangenheit zu vergleichen. Faktische Absetzungen, erzwungene Rücktritte, schliesslich auch Problemlösung mittels Ermordung des Amtsinhabers u. dgl. finden sich auch in der Geschichte des Papsttums. Für eine strikt rechtliche Betrachtungsweise des heutigen Papsttums werden diese Vorgänge als Rechtsstreit, Rechtsbeugung und Rechtsbruch eher wenig hergeben. Übrigens ist es ja auch so, dass ebenfalls im Staatsleben zweifelhaft sein kann, wer denn nun Staatsoberhaupt ist oder legitimierte Regierung. Ich erinnere nur an die Exilregierungen zur Zeit des zweiten Weltkrieges: So gab es eine polnische Exilsregierung, die aber dadurch benachteiligt war, dass sie erst im Exil gebildet wurde. In anderen Ländern konnten sich die Monarchen mit Teilen ihrer Regierungen absetzen, etwa in Holland und Norwegen. Faktisch übten somit von Deuschland eingesetzte Amtsträger oder einheimische "Regierungen" von deutschen Gnaden die Gewalt in den betreffenden Ländern aus, aber die ehemaligen legitimen Regierungen bestanden weiter und agierten vom Ausland aus und wurden auch von den Staaten, die gegen die Besatzungsmacht Krieg führten oder gegen diese verbündet waren, als legitime Regierungen ihrer Länder angesehen. Man kann also rechtlich durchaus legitim ein Amt innehaben, ohne es faktisch ausüben zu können. Ein ähnlicher Fall war bspw. auch in Haiti das Exil des gewählten Präsidenten Aristide. Dadurch, dass er fliehen musste, hörte sein legitimer Anspruch, Präsident zu sein, nicht auf, auch wenn unterdessen ein anderer als Präsident amtierte. Nach seiner Rückkehr hatte dies u. a. für die Berechnung seiner verbleibenden Amtszeit Konsequenzen. |
Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. April 2007 - 17:17 Uhr: | |
> nahm dann seinen Rücktritt zu Gunsten eines > Verwandten, was aber wohl kaum als zulässig > angesehen werden kann. Moment. Den Rücktritt wird man schon als zulässig betrachten müssen. Nur die Weiterreichung des Amts ist mehr als fragwürdig. Aber egal - ist ja alles wie von Dir dargestellt nicht wirklich rechtsformal beurteilbar. > Man kann also rechtlich durchaus legitim ein > Amt innehaben, ohne es faktisch ausüben zu > können. Richtig. Und für das "legitim" kann es beliebig sonderbare Meinungen geben. So halten sich ja diverse Spinner für die legitime deutsche Reichsregierung und erkennen die Bundesrepublik nicht an. Die Exilregierungen des zweiten Weltkriegs waren auch erst nur halb legitim, d.h. wurden nur von den Alliierten anerkannt. Die eigentliche Anerkennung erhielten sie ja erst, weil sie sich nach Kriegsende im Heimatland auch wieder faktisch etablieren konnten. |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. April 2007 - 17:42 Uhr: | |
Es war meines Wissens ein deutscher Rechtsgelehrter, der das Wort von der "normativen Kraft des Faktischen" geprägt hat. Im Ernst kann ja wohl niemand behaupten, dass bspw. die Weimarer Verfassung streng nach dem vorher geltenden Recht aus diesem hervorgegangen sei. Ebensowenig lässt sich die französische "Nationalversammlung", die aus den Generalständen hervorging, als ganz und gar rechtlich und rechtens aus dem Älteren hervorgegangen ansehen. Dass z. B. der französische König diese Nationalversammlung im Nachhinein anerkannte, um schlimmeres zu verhindern, und sich so dem Druck des Faktischen beugte, macht diese ja nicht zu einer logischen Folge aus dem Rechtszustand des Ancien Régime. Ich meine aber, dass es schon deutliche Unterschied gibt zwischen einer stark rechtlich verfassten Kirche heute, die auch nicht irgendwelchen Pressionen weltlicher Herrscher ausgesetzt ist, und einer Kirche, deren Zentrum von Parteikämpfen, Strassentumulten und Interventionen weltlicher Herrscher geprägt war. Da geht das Recht eindeutig hinter der Macht her, nicht umgekehrt, so sehr wünschbar diese Umkehr auch wäre. In einem Fall wie Gregor XII. liesse sich ausserdem auch mit einer Rechtsfigur wie desuetudo aushelfen: Indem er faktisch über mehrere Jahre nicht mehr im Amt war, erlosch dieses auch rechtlich. Dass er überdies noch selbst sagte, er verzichte auf das Amt, mag man im Sinne von "doppelt hält besser" oder als explizite Einholung seiner Zustimmung, um auch vor etwaigen Aktionen seinerseits sicher zu sein, billigen, konstitutiv muss ein solcher Akt nicht gewesen sein. Aber angesichts der Quellen- und Faktenlage sind solche "streng-rechtlichen" Erwägungen wohl in der Tat eher überflüssig. Ich meine aber festhalten zu dürfen, dass ziemlich regelmässig eine Lage, in der Päpste oder auch nur Papst-Prätendenten (wobei es gleichgültig ist, wer letztlich Recht hatte oder bekam) abgesetzt wurden, zurücktraten oder anderswie ums Amt kamen, ausser durch natürlichen Tod, auch allgemein Krisenzeiten der katholischen Kirche darstellten. Solche Absetzungen/Rücktritte erscheinen meist als Ausdruck eben einer solchen allgemeineren Krise, die auch den Bestand der Isntitutionen anzugreifen vermag. Daher glaube ich nicht, dass ein heutiger Papst eine solche Situation von sich aus provozieren würde; einen Rücktritt eines Papstes halte ich daher, wie gesagt, nur im Angesicht des unmittelbar bevorstehenden Todes für wahrscheinlich, insbesondere in einer Lage, in der äussere Eingriffe zu befürchten stünden. So wurden ja auch Koadjutor-Ernennungen gerne in sozialistischen Staaten vorgenommen, die die katholische Kirche durch allerlei Schikanen zu behindern suchten. Starb ein Bischof, stand dann der Nachfolger bereits da und konnte nahtlos weitermachen. Das könnte eventuell auch beim Papsttum einmal eintreten. Die Autorität des sterbenden Papstes mag dann vielleicht auch das eine oder andere verhindern, während das Konklave bereits zur Wahl schreitet; der Nachfolger könnte dann ebenfalls nahtlos weitermachen. Aber leichtfertig die Lage herbeiführen, dass es zwei dekbare Papst-Prätendenten gebe - DAS kann ich mir beim besten Willen bei keinem Papst vorstellen. |
Martin Fehndrich
| Veröffentlicht am Mittwoch, 18. April 2007 - 23:01 Uhr: | |
Angesicht des unmittelbar bevorstehenden Todes macht der Rücktritt doch keinen Sinn, der Tod hat doch denselben Effekt. Dann eher bei einer absehbaren langen Amts- und Rücktrittsunfähigkeit. Bei einem wirklich freiwilligen Rücktritt sollte sich auch kein Schisma-Problem ergeben. Zum Wahlrecht des Ex-Papstes im Konklave eine pragmatische Antwort. Wenn der Papst nicht mehr sein Amt führen kann, dann steht er sicher kein Konklave durch. |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Donnerstag, 19. April 2007 - 14:42 Uhr: | |
Warum sollte der Rücktritt angesichts des bevorstehenden Todes einen grauenvollen Anglizismus ausmlösen? Im Gegenteil: Gerade dann ergibt er einen Sinn, um eine mögliche Vakanz so kurz als möglich zu halten. Eine "absehbare lange Amts- und Rücktrittsunfähigkeit" dürfte wohl alles in allem ein theoretisches Konstrukt sein. Solche Fälle treten in der Praxis regelmässig unvorhergesehen ein. Einen wirklich freiwilligen und als solcher einigermassen beglaubigten Rücktritt gab es bisher nur gerade im Falle von Cölestin V. Wenn man diesen Fall als (einzigen zur Verfügung stehenden) Präzedenzfall nimmt, dann ist aber klar, dass sogleich eine ganze Gruppe die Legitimität seines Rücktritts und damit die Legitimität seines Nachfolgers in Frage stellte. Wie man es immer dreht und wendet: Ein Papst und ein Ex-Papst (oder vielleicht doch noch nicht ganz ex-?) ist eine Anomalie in der ganzen katholischen Gedankenwelt. Wir wissen schlicht nicht, wie darauf reagiert würde. In vergleichbaren Fällen hat bisher immer der jeweils andere mögliche Papst einen Anhang gefunden, es gab somit JEDES MAL ein Schisma. Woher dann die Garantie kommen sollte, dass es beim nächsten Versuch anders gehen sollte, ist mir schleierhaft. Das katholische Menschenbild ist seiner Grundstruktur nach deutlich optimistischer als unser reformiertes. Aber solchen Optimismus traue ich keinem Papst zu. Im Präzedenzfall Cölestin war es sein baldiger Tod, der schlimmeres verhinderte. |
tg
| Veröffentlicht am Donnerstag, 19. April 2007 - 17:30 Uhr: | |
"Warum sollte der Rücktritt angesichts des bevorstehenden Todes einen grauenvollen Anglizismus ausmlösen?" Hat zumindest den größten Lachanfall ausgelöst, den ich hier im Forum je hatte :-) |
Martin Fehndrich
| Veröffentlicht am Freitag, 20. April 2007 - 00:14 Uhr: | |
Woher soll die Zeitersparnis kommen? Mit dem Rücktritt beginnt die Sedisvakanz. |
sebu
| Veröffentlicht am Freitag, 20. April 2007 - 07:52 Uhr: | |
Eine Zeitersparnis wäre nur möglich, wenn man einem gebrechlichen/kranken Papst eine Art "Papst-Koadjutor" zur Seite stellen/wählen würde, der dann automatisch Papst wird, wenn der alte weg ist. Das würde aber etliche theologische Probleme aufwerfen: wer darf die Wahl eines solchen Papst-Koadjutors anordnen? Der alte Papst, was aber wenn er nicht mehr kann? Die Kardinäle, damit würde die unumschränkte Gewalt des Papstes eingeschränkt. Wie ist seine Stellung gegenüber der Kurie, den Kardinälen? Irgendwo darüber, aber noch unter dem (noch) amtierenden Papst, gleich? Und wie deutet man einen Stellvertreter/designierten Nachfolger des Stellvertreters Christi? Was passiert, wenn sich der Papst wieder erholt? Dann hat man vielleicht über Jahre einen Nachfolger im Wartestand. Und: kann man den dann auch wieder los werden? |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Freitag, 20. April 2007 - 10:21 Uhr: | |
Seufz, natürlich würde der abtretende Papst in einem solchen Fall erst mal die Kardinäle zusammenrufen, was er ohne Grundangabe tun kann. Wenn alle da sind, tritt er zurück und wartet auf sein Ableben. Stirbt er vorher, macht's auch nix. Dramatisch viel Zeit gewinn man dadurch nicht, aber immerhin etwas. Und solange der alte Papst noch lebt, auch wenn er schon in Agonie liegt, wirkt ja ein Teil seiner Autorität weiter, zudem gibt es noch die allgemeinen Grenzen der Pietät. Das sollte, um einen hypothetischen Fall zu bemühen, einen etwaigen Invasor des Vatikans doch wohl vor übereilten Schritten abhalten. Denn an einem Todkranken vergreift man sich nicht, das gibt eine ganz, ganz schlechte Presse. |
Martin Fehndrich
| Veröffentlicht am Freitag, 20. April 2007 - 22:42 Uhr: | |
Das wären 15-20 Tage bis zum Konklave, und diese Zeit ist in der Universi Dominici Gregis für die Anreise der Kardinäle vorgesehen, also auch derjenigen, die nicht ohne den Grund zu wissen nach Rom gefahren sind. Und mögliche Trauerfeierlichkeiten könnten den Zeitplan durcheinanderbringen. |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Freitag, 20. April 2007 - 23:02 Uhr: | |
Wenn ich die Bulle richtig interpretiere, kann das Konklave binnen drei Tagen nach dem Ableben bzw. einem Rücktritt beginnen, sofern eben die Kardinäle schon da sind. Und Trauerfeierlichkeiten dürften in der von mir in Betracht gezogenen ausserordentlichen Situation wohl eher eine untergeordnete Rolle spielen (abgesehen davon, dass diese notfalls auch binnen dreier Tag durchgeführt werden könnten). Bei der augenblicklichen Weltlage, in der niemand ernsthaft daran denken mag, den Vatikan zu besetzen, den Papst zu entthronen oder dergleichen mehr, dürfte dies alles ohnehin hypothetischer Natur sein. Allerdings spreche ich ja auch die ganze Zeit über von einer wirklich ausserordentlichen Lage. Unter normalen Umständen kann ich mir einen Rücktritt nicht vorstellen. Aber gewiss wird man, wenn man nur genug danach sucht, auch da wieder ein Haar in der Suppe finden. |
gelegentlicher Besucher (Unregistrierter Gast)
| Veröffentlicht am Mittwoch, 27. Juni 2007 - 01:47 Uhr: | |
Wie man auch schon auf der Hauptseite lesen kann, hat der Papst die Möglichkeit in späteren Wahlgängen auf die 2/3-Mehrheit zu verzichten wieder abgeschafft. Allerdings ist eine Beschränkung auf die stärksten zwei Kandidaten vorgesehen. Auch die sonstigen Änderungen (Abschaffung der beiden anderen Wahlmodi, kein Einmauern mehr...) bleiben. Es handelt sich also nicht um eine Wiederherstellung der alten Papstwahlordnung, sondern sozusagen um eine Reform der Reform. Konkret: An Stelle der Nr. 75 der Papswahlkonstitution tritt folgende Vorschrift:
quote: Si scrutinia de quibus in numeris septuagesimo secundo, tertio et quarto memoratae Constitutionis incassum reciderint, habeatur unus dies orationi, reflexioni et dialogo dicatus ; in subsequentibus vero suffragationibus, servato ordine in numero septuagesimo quarto eiusdem Constitutionis statuto, vocem passivam habebunt tantummodo duo Cardinales qui in superiore scrutinio maiorem numerum suffragiorum obtinuerunt, nec recedatur a ratione ut etiam in his suffragationibus maioritas qualificata suffragiorum Cardinalium praesentium ad validitatem electionis requiratur. In his autem suffragationibus, duo Cardinales qui vocem passivam habent, voce activa carent.
Nicht dass ich meinen Lateinübersetzungen trauen würde, aber für die die vielleicht noch weniger Latein können (ohne dass ich irgendjemand Bestimmten in diese Gruppe einordnen will) ganz grob:
quote:Wenn die in den Nummern 72 bis 74 jener Konstitution behandelten Wahlgänge ergebnislos enden, widme man einen Tag dem Gebet, der Reflektion und dem Dialog; danach aber handle man nach Nr. 74 jener Konstitution, das passive Wahlrecht haben nur die zwei Kardinäle, die im vorherigen Wahlgang die meisten Stimmen erhielten, und man weiche nicht davon ab, dass auch in diesen Wahlgängen die qualifizierte Mehrheit der Stimmen der anwesenden Kardinäle erforderlich ist. In diesen Wahlgängen haben aber die zwei Kardinäle, die das passive Wahlrecht haben, nicht das aktive Wahlrecht.
Im Vorwort zu seinem letzten Buch hatte der Papst erwähnt, dass er den ersten Teil separat veröffentlicht, weil er nicht beurteilen kann, ob ihm zum zweiten Teil die Zeit bleibt. Angesichts der Größe des Projekts des Alters des Menschen habe ich da nicht viel reingelesen, aber wenn jetzt auch noch die Papstwahlbestimmungen geändert werden mache ich mir langsam Gedanken. Kann aber genauso gut reiner Zufall sein. |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Mittwoch, 27. Juni 2007 - 11:42 Uhr: | |
Wenn man schon mal übersetzen will, dann bitte genau: "Wenn die Wahlgänge, über die in der 72., 73. und 74. Nummer der erwähnten Konstitution [gehandelt wird], unentschieden ausgefallen sind, soll ein Tag dem Gebet, der Besinnung und dem Gespräch gewidmet werden, in den folgenden Wahlvorgängen jedoch sollen - unter Wahrung der in der 74. Nummer eben jener Konstitution aufgestellten Ordnung - das passive Wahlrecht nur gerade die zwei Kardinäle haben, die im vorangehenden Wahlgang die grössere Zahl der Stimmen erhielten, und es darf nicht von dem Grundsatz abgewichen werden, dass auch in diesen Wahlvorgängen die qualifizierte Mehrheit der anwesenden Kardinäle zur Gültigkeit der Wahl erforderlich ist. In diesen Wahldurchgängen aber haben die zwei Kardinäle, die das passive Wahlrecht haben, die aktive Stimme nicht." Im übrigen wurde die geänderte Regelung ja von Anfang an stets kritisiert, auch in diesem Forum. Aus der Änderung sollte man besser wohl keine voreiligen Schlüsse ziehen wollen. Immerhin ist beachtlich, dass das MP eine Begründung abgibt - dazu ist ein Papst nicht verpflichtet, es ist auch nicht weithin üblich, derartige Regelungen explizite zu begründen. Der entscheidende Passus lautet: "Post promulgatam vero laudatam Constitutionem, haud paucae petitiones, auctoritate insignes, ad Ioannem Paulum II pervenerunt, sollicitantes ut norma traditione sancita restitueretur, secundum quam Romanus Pontifex valide electus non haberetur nisi duas ex tribus partes suffragiorum Cardinalium electorum praesentium obtinuisset." Oder auf deutsch: "Nach der Veröffentlichung aber dieser Konstitution, die gelobt wurde, trafen nicht wenige [= sehr viele] Bittschriften von beachtlicher Autorität bei Johannes Paul II. ein, die anmahnten, dass die durch die Tradition geheiligte Norm wiederhergestellt werde, nach der der Römische Pontifex nicht für gültig gewählt angesehen werde, sofern er nicht zwei von drei Teilen [= zwei Drittel] der Stimmen der als Wähler anwesenden Kardinäle erhalten habe." Der Papst führt also als Begründung für seine Änderung an, dass "nicht wenige", was wohl heissen soll: sehr viele Eingaben vorliegen, die eine Wiederherstellung der alten Norm, die stets eine Zweidrittelmehrheit zur Wahl des Papstes vorsah, verlangten; es handelt sich somit also nicht um eine Änderung im strengen Sinne, da ja auch die Konstitution in ihrer ursprünglichen Fassung grundsätzlich die Zweidrittelmehrheit vorsah, sondern nur um eine Rückkehr zu dem, was als nahezu "immer schon" gültig angesehen wird. Diese Norm wird ausdrücklich als "traditione sancita" bezeichnet - mithin wohl DAS katholische Argument schlechthin. Wenn etwas traditione sancita ist, dann kann es nach katholischer Auffassung nur richtig sein, jegliche Abweichung davon müsste schon sehr gut begründet sein. (Obwohl es faktisch schon genug Beispiele dafür gibt, dass selbst Päpste alte Traditionen beseitigen können.) Die Eingaben, die die Wiederherstellung eben diese geheiligten Tradition verlangten, werden zudem noch als "auctoritate insignes" näher charakterisiert. "insignis" bedeutet etwa soviel wie "ausgezeichnet durch", und das "wodurch" ist in diesem Falle die Autorität. Es dürfte sich somit nicht auf Petitionen beziehen, die irgendwelche katholischen Jugend- oder Laienverbände eingereicht haben, sondern um Eingaben von Personen innerhalb der katholischen Kirche, denen nach katholischem Verständnis Autorität zukommt - also wohl vor allem aus dem Episkopat und Archepiskopat, möglicherweise auch von nicht residierenden Kardinälen, von Klerikerverbänden, Ordensoberen, katholischen Fakultäten und Universitäten u. dgl. mehr. Solche Meinungsäusserungen schiebt auch ein Papst nicht beiseite, wenn sie in grösserer Zahl auftreten und zudem die Tradition hinter sich wissen. Kommt ferner noch hinzu, dass ja die Auslegung der inkriminierten und nun geänderten Nr. 75 besagter Konstitution nicht vollends klar war, wohingegen nunmehr eine glasklare Regelung gilt: Nach Ablauf der vorgesehenen Dauer des Konklaves kommen nur noch die beiden bestplatzierten Kardinäle als Kandidaten zur Wahl, verlieren aber ihr aktives Wahlrecht. Die folgenden Wahlgänge sind eigentlich Stichwahlen zwischen beiden, nur dass dabei eben wieder die Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Überinterpretieren sollte man den Vorgang daher nicht. Es kann sein, dass Joh. Paul II. durch seine Erfahrungen unter einem kommunistischen Regime dahingehend geprägt wurde, dass er eben auch bei Wahlvorschriften extreme Fälle (die auf absehbare Zeit hin in Italien kaum eintreffen dürften) berücksichtigen zu müssen meinte und daher eben auch Vorschriften erliess, nach denen so rasch als möglich eine Wahl zustande kam, notfalls auch ohne Zweidrittelmehrheit, dass hingegen Benedikt XVI. als Deutscher von solchen Erfahrungen nicht geprägt ist und die Sache gelassener angeht, vielleicht auch nach seiner ganzen Persönlichkeit eher der "Systematiker" ist und eine solche Bestimmung, die Unklarheiten bezüglich ihrer Auslegung bot und die Systematik der Wahl in gewisser Weise durchbrach, "systematisieren" wollte. Dass da Absichten im Blick auf eine bald bevorstehende Neuwahl auszumachen seien, etwa dahingehend, dass nicht die "falsche" Richtung ihren Kandidaten durchbringen könne, scheint mir höchst unwahrscheinlich. Im übrigen ist ja das Kardinalskollegium augenscheinlich ziemlich einheitlich geprägt: Die Wahl Ratzingers zum Papst ging ja ziemlich schnell und offenbar glatt durch. Zuvor schon war er ja zum Dekan des Kollegiums gewählt worden, also mindestens unter den Kardinalbischöfen muss seine Richtung die vorherrschende sein. Fast alle heutigen Kardinäle sind von Joh. Paul II. ernannt, weitere Ernennungen Ratzingers dürften das Gewicht nur mehr in Richtung Johannes Paul II./Benedikt XVI. verschieben, wenn es denn da grosse Verschiebungen überhaupt geben kann, denn beide verfolgen ja im wesentlichen denselben kirchlichen Kurs, Unterschiede zwischen beiden Pontifikaten sind höchstens in Nuancen und eher in Nebensächlichkeiten auszumachen. Ratzingers Wahl wurde ja auch zumeist als "weiter so" interpretiert. Summa summarum sollte man also den gesamten Vorgang mit Augenmass einschätzen. |
AeD (Unregistrierter Gast)
| Veröffentlicht am Mittwoch, 27. Juni 2007 - 11:56 Uhr: | |
Post promulgatam vero laudatam Constitutionem, haud paucae petitiones, auctoritate insignes, ad Ioannem Paulum II pervenerunt, sollicitantes ut norma traditione sancita restitueretur, secundum quam Romanus Pontifex valide electus non haberetur nisi duas ex tribus partes suffragiorum Cardinalium electorum praesentium obtinuisset. Sehr schön, jetzt nimmt sogar schon der Vatikan solche "Wahlprüfungsbeschwerden" ernst und prüft das "Wahlgesetz". Da sollte sich das Bundesverfassungsgericht mal ein Beispiel dran nehmen. Gibt es eigentlich schon Neuigkeiten bei den Beschwerden zur Bundestagswahl 2002? |
Martin Fehndrich
| Veröffentlicht am Mittwoch, 27. Juni 2007 - 17:40 Uhr: | |
Danke für die Übersetzungen. Es ist übrigens interessant, daß die Regelung voraussetzt, daß nur Kardinäle gewählt werden. Beim Wahlablauf kann ich mir aber auch vorstellen, daß die 2/3-Stichwahl einen Kompromißkandidaten erschwert. |
Philipp Wälchli
| Veröffentlicht am Mittwoch, 27. Juni 2007 - 19:31 Uhr: | |
Der Vergleich mit einer Wahlprüfungsbeschwerde hinkt nicht bloss, sondern ist gänzlich invalid: Im allgemeinen werden Wahlprüfungsbeschwerden ja deswegen eingereicht, weil bei einer konkreten Wahl Irregularitäten vorgefallen sind. Das Wahlgesetz unterliegt dabei nicht der Prüfung, sofern nicht der Fall gerügt wird, dass eine Irregularität durch eben dieses Gesetz selbst verursacht sei. Im übrigen gibt es zur Überprüfung von Gesetzen vor Gericht andere Verfahren, insbesondere die Normenkontrollverfahren. Im Falle der Papstwahl verhält sich die Sache völlig anders: Niemand hat Beschwerde erhoben, sondern es wurden "petitiones ... sollicitantes" eingereicht - also Bittschriften. Noch im frühneuzeitlichen Deutsch war "sollizitieren" der stehende Begriff für das Vortragen von Bitten, auf deren Erfüllung es gar keinen Anspruch gab, und meist wurden zum Überbringen von Sollizitationen junge Frauen geschickt, weil ... Na ja, den Rest kann Mann sich denken, und Frau ohnehin. Item, die erwähnten Bittschriften wurden auch bereits eingereicht, als die Papstwahlbestimmungen noch gar nicht angewendet worden waren. Dass JP2 selbst nicht mehr darauf zurückgekommen ist, hängt vielleicht schlicht damit zusammen, dass er als Urheber der nun geänderten Regelung keinen Grund dazu sah, sich die Sache nochmals zu überlegen, vielleicht haben eben auch seine persönlichen Erfahrungen unter einem realexistierenden Sozialismus dazu beigetragen, diese Art der Wahlerleichterung nicht nur zu statuieren, sondern einmal statuiert nicht mehr abzuschaffen. Vielleicht ist auch aus Anlass des Konklaves unter den Kardinälen dies oder jenes besprochen worden; es liegt ja nahe, dass sie sich vor Beginn des Konklaves alle gründlich in die Vorschriften vertieften, die ja eben so noch nie zuvor angewandt wurden (auch wenn nichts dramatisch verändert worden ist, wie das in der katholischen Kirche ja eben nicht üblich ist). Es wäre sogar nicht undenkbar (bleibt aber spekulativ), dass die Kardinäle unter sich die Auslegungsfragen zur Anwendung der Nr. 75 diskutierten und sich einig waren, dass diese eher verwirrten als halfen, dass somit (gleichgültig, wer am Ende gewählt würde) eine Art stillschweigender Konsensus darüber, dass der nächste Papst diese Nr. ändern sollte, bestand. Im übrigen hat eben auch nicht ein Gericht eine Vorschrift geändert oder ungültig erklärt, sondern der authentische Gesetzgeber hat eine Vorschrift novelliert. Der Vergleich mit einer deutschen Wahlprüfungsbeschwerde ist daher sachlich völlig unangebracht und scheint einzig der Polemik gegen die deutschen Bundesorgane zu dienen. Wie sich die Neuregelung auswirken wird, wird sich eben zeigen - falls sie je zur Anwendung gelangen sollte. Zwar gibt es historische Beispiele für lange Konklaven, in den letzten ca. 200 Jahren hat sich die Länge allerdings insgesamt in Grenzen gehalten. Dass ein Kollegium wie das Konklave der wahlberechtigten Kardinäle schon mal ein paar Tage braucht, sich auf einen Kandidaten zu einigen, ist ja durchaus nicht erstaunlich. Das Konklave setzt sich ja aus Leuten zusammen, die zwar schon alle mehr oder weniger ähnliche Haltungen haben, anders als etwa innerhalb eines staatlichen Parlamentes, in dem man von sehr weit links bis sehr weit rechts so ziemlich jede politische Farbe finden kann, je nach Land und Wahlrecht. Demgegenüber wird ja niemand Kardinal, der nicht ein vorbildlicher Katholik ist und überdies ein hoher Kleriker. Dennoch darf man die Dynamik eines solchen Zirkels nicht unterschätzen: Zwar dürften sich die meisten mehr oder weniger gut kennen, doch eben: mehr oder weniger. Immerhin gibt es ja Kardinäle, die in Rom einen Posten innehaben und dort auch leben, also residieren, daneben gibt es aber noch eine Menge nicht-residierender Kardinäle, die nur zu den eher seltenen Konsistorien und zu sonstigen Anlässen nach Rom fahren. Man kennt sich also gewiss, aber je nach dem eben nur aus einer Bischofskonferenz, vom letzten Konsistorium her oder von der Bischofssynode usw. Zudem vertreten sie ja auch die verschiedenen Regionen der Welt und verschiedene Richtungen innerhalb der Kirche (auch wenn deren Unterschiede in Aussensicht minim erscheinen mögen). Ein übriges tut noch der Umstand, dass die meisten ja selten mehr als ein oder zwei Konklaven mitmachen und also mit der Situation und den anwendbaren Regeln nicht aus dem FF vertraut sein können. Bei den ersten zwei, drei Wahlgängen wird sich also wohl erst einmal zeigen, welche Kandidaten überhaupt Stimmen bekommen. Mit jedem Wahlgang werden wohl einige ihren Lieblingskandidaten aufgeben, weil er zuvor zu wenig Stimmen erhalten hat, und auf einen aussichtsreicheren Kandidaten umschwenken, so dass sich je nach Ausgangslage bald einmal einer als der vermutlich aussichtsreichste oder doch einige wenige als aussichtsreich herausschälen. Wenn die Wahl einmal soweit ist, geht es an sich nur noch darum, aus diesem kleinen Kreis der Aussichtsreichen einen auszuwählen und diesem die nötige Mehrheit zu verschaffen. In einem solchen Kreis grundsätzlich gleich Gesinnter stellen sich Probleme der Obstruktion oder des Beharrens einer Sperrminorität auf ihrem Kandidaten eher weniger. Rein theoretisch bestünde für eine Minderheit, die grösser ist als ein Drittel, die Möglichkeit, bis zuletzt eine Wahl mit Zweidrittelsmehrheit zu verhindern, wodurch die Mehrheit erpresst werden könnte, der unnachgiebigen Minderheit den Gefallen tun zu müssen, ihren Kandidaten zu wählen, nur damit eine Wahl überhaupt zustande kommt. Das wäre aber ein Szenario, das in diesem Kreis eher deplatziert erscheint, zumal ja eben die Päpste schon genau hinschauen, wen sie denn da zum Kardinal kreieren. |
Martin Fehndrich
| Veröffentlicht am Mittwoch, 27. Juni 2007 - 22:05 Uhr: | |
@AeD Wahlrechtpetitionen wurden im Bundestag/Petitionsausschuß behandelt. Öffentlich! @Philipp Wälchli So undenbar sind die Szenarien nicht, da die Wahlregeln ja auch auf die vorherigen Wahlgänge Einfluß nehmen. Johannes XXIII wurde zur Wahl als Kompromisskandidat angesehen. Wäre er auch mit der neuen Regel oder UDG-75 gewählt worden? Bei Benedikt XVI könnte das Erreichen der 50%-Mehrheit zu einem schnellen Umschwenken auf den dann defacto-Papst geführt haben. Die neue Regelung könnte einen ähnlichen Effekt haben, wenn sich ersteinmal ein Kandidat herausgeschält hat. Der Einigungsdruck in den ersten Wahlgängen wird wenigstens erhöht. |
Frank Volkert (Unregistrierter Gast)
| Veröffentlicht am Donnerstag, 05. Juli 2007 - 11:26 Uhr: | |
Soweit man den Berichten zum Konklave 1958 glauben kann (Allerdings wurden sie teilweise von Johannes XXIII. bestätigt, war Roncalli kein Kompromisskandidat, soweit man darunter einen Kandidaten versteht, der erst in den letzten Wahlgängen stark heraustritt, weil andere kandidaten gescheitert sind. Roncalli scheint vom ersten Wahlgang an einer der Favoriten gewesen zu sein, wozu natürlich auch beitrug, dass er als Mann der Mitte galt. Es dauerte halt 11 Wahlgänge, bis er sich durchsetzte. Es ist anzunehmen, dass er sich bei den heutigen Regelungen ebenso duchgesetzt hätte. |
Manuel Boß Unregistrierter Gast
| Veröffentlicht am Sonntag, 03. Mai 2009 - 12:29 Uhr: | |
ja |
|