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Länderfusion Berlin-Brandenburg und B...

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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 04. Dezember 2006 - 10:52 Uhr:   

> Dass nun aber zufällig alle 8 von 8 Richtern
> des 2. Senats des BVerfG Bundesländern
> zuzuordnen sind, die beim Länderfinanzausgleich
> zu den Geberländern gehören
Interessanter Zufall - aber ich halte es für unwahrscheinlich, daß die Richter nennenswert die Interessen "ihres" Landes (wie immer man das definiert) berücksichtigen.
Entscheidend ist da wohl eher das allgemeine Politikverständnis.
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Ralf Lang
Veröffentlicht am Montag, 04. Dezember 2006 - 15:45 Uhr:   

Das Kriterium "Nehmerland/Geberland" für eine Richterwahl ist fachfremd und zeigt auf, wie weit die Debatte hier von einem sachlich begründeten Ansatz entfernt ist. Von mir aus mögen sie alle aus Sachsen kommen, wenn es die Besten sind - und politisch durchsetzbar.
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Marc K.
Veröffentlicht am Montag, 04. Dezember 2006 - 18:01 Uhr:   

@Ralf Lang,

seien wir doch mal realistisch.
Die Richter werden zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt.
Dies geht primär nach Parteienproporz (CDU/CSU - SPD - ein Liberaler) und nicht allein nach fachlicher Qualifikation.
Eine solche Annahme ist einfach lebensfremd.

Wobei zugegenermaßen die Parteien schon gute Leute ihrer Richtung auswählen.

Das dabei auch eine gewisse regionale Verteilung entsteht ist doch offensichtlich.

Und das jeder Richter auch ein sogenanntes "Vorverständnis" hat, ist heute auch unter Juristen selbst unumstritten.

Wenn zwei verschiedene Auslegungen möglich sind, spielt dieses "Vorverständnis" eine entscheidende Rolle.

Man beachte z.B. das Stimmverhalten der Richter des 1. Senats bei der "Eingetragenen Lebenspartnserschaft" (oft als Homo-Ehe bezeichnet).
Hier votierten die vier linken Richter und der liberale für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, die drei konservativen Richter (inklusive des Präsidenten des BVerfG Papier) sahen hingegen das Lebenspartnerschaftsgesetz als verfassungswidrig an.
Das Urteil des BVerfG erfolgte hier also mit 5 gegen 3 Stimmen.

In dem vorliegenden Fall (Berlin) war meiner Einschätzung nach gar kein anderes Urteil möglich, weil Berlin halt erstens gar nicht so extrem verschuldet ist wie behauptet und zweitens Berlin immer noch viel zu viel Geld ausgibt und mögliche Einnnahmemöglichkeiten nicht vollständig (Gewerbesteuer im Vergleich zu anderen Großstädten relativ niedrig, andere Steuern, Anhebung von Kita-Gebühren) und andere gar nicht erschlossen hat (z.B. Studiengebühren) und ebenso noch viele Einsparmöglichkeiten hat (Schließung eines der drei Opernhäuser, Zusammenlegung städtischer Einrichtungen, Verkauf der Wohnungsgesellschaften, etc.).
Von daher konnte hier das Urteil gar nicht anders ausgehen.
Es erging daher auch nicht überraschenderweise einstimmig.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Dezember 2006 - 11:54 Uhr:   

@Marc K.:
Völlige Zustimmung.

Die politische Vorprägung der Richter hat einen Einfluß, die regionale kaum.

Tendenziell werden "linke" Richter wohl eher für mehr Gleichheit, d.h. mehr Finanzausgleich zwischen den Ländern votieren, "liberale/rechte" Richter eher für mehr Eigenverantwortlichkeit der Länder.

Aber in erster Linie orientieren sie sich schon an fachlichen Argumenten, deswegen gibt es in klaren Fällen wie Berlin oft Einstimmigkeit.

Wobei Berlin bzw. Wowereit sich schon erstaunlich doof verhalten haben. Wowereit hat ihm Vorfeld des Prozesses so oft und explizit rausposaunt, daß Berlin doch toll sei und in diversen Bereichen mehr Geld ausgibt als andere Länder, das waren klare Eigentore und mußten eigentlich zu diesem Urteil führen.
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mma
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Dezember 2006 - 15:10 Uhr:   

"Ansonsten bietet sich natürlich die Unterstützung von Länderfusionen durch den Bund an (von mir aus auch finanziell) um Bankrott-Länder wegzufusionieren (z.B. Berlin zu Brandenburg"

Und wenn das neue Land dann auch bankrott geht?

Vorschlag: Bis 1373 gehörten Brandenburg und Berlin zu Bayern; sollen doch die Bayern endlich das Schuldenbabel zurücknehmen.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Dezember 2006 - 17:40 Uhr:   

"Bis 1373 gehörten Brandenburg und Berlin zu Bayern"

Der historischen Korrektheit halber:
Das stimmt so natürlich nicht.
Richtig ist, dass Brandenburg (wie auch Bayern) den Wittelsbachern gehörte.
Aber deshalb gehörte Brandenburg natürlich nicht Bayern. Es waren zwei separate Herrschaften, ohne Unter- oder Überordnung.
(Wenn überhaupt, dann war Brandenburg der "vornehmere" Besitz der Wittelsbacher, weil es sich dabei - anders als zu jener Zeit Bayern - um ein Kurfürstentum handelte).
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mma
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Dezember 2006 - 18:22 Uhr:   

Die Wittelsbacher waren doch aber seit 1329 in die pfälzische und die bayerische Linie geteilt, insofern dürfte eine umgangssprachliche Zuordnung Brandenburgs zu Bayern schon mal zur Verdeutlichung vorgenommen worden sein.
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Marc K.
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Dezember 2006 - 18:49 Uhr:   

@mma, eben nicht, gerade weil die Linien ja auch geteilt waren.
In der Goldenen Bulle (1356) war übrigens nur der brandenburgischen Linie das Kurfürstenamt zugesprochen worden (7 Kurfürsten, 4 weltliche: Böhmen, Brandenburg, Pfalz, Sachsen; 3 Geistliche: Mainz, Köln, Trier). Erst später erhielten Bayern und das Königreich Hannover die Kurfürstenwürde.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Dezember 2006 - 19:12 Uhr:   

Interessanter Zufall - aber ich halte es für unwahrscheinlich, daß die Richter nennenswert die Interessen "ihres" Landes (wie immer man das definiert) berücksichtigen. (Ralf Arnemann) - So sehe ich das selbstverständlich auch. Wir wollen doch alle stark hoffen, dass es die Besten sind (Ralf Lang) und dass sie ausschließlich ihren Aufgaben und verfassungsgemäßen Verpflichtungen nachkommen und keine Lokalpolitik betreiben.

Allerdings gilt auch für Bundesligaschiedsrichter, dass sie die Besten sind und ich gehe davon aus, dass auch diese in der Lage sind, (mit den einschlägig bekannten Ausnahmen) bei ihrer Tätigkeit ihre persönliche Sympathie für eine Partei völlig außenvor zu lassen. Trotzdem wird niemand in der Partie Bayern München / Werder Bremen einen Münchner Schiedsrichter pfeifen lassen. Man stelle sich nur vor, dieser würde völlig berechtigt im entscheidenden Moment ein unklares Tor der Bremer nicht anerkennen. Niemand in Deutschland nördlich der Donau würde ihm glauben und es gäbe womöglich jahrzehntelange Diskussionen.

Optisch sieht das jedenfalls beim 2. Senat so nicht gut aus und ich finde es schon etwas erstaunlich, dass Wowereit nicht versucht, das zu verwerten. Sonst sind doch auch immer die Schiedsrichter Schuld.

So nebenbei - von den 8 Richtern sind laut der interessanten Aufstellung von Marc K. wenigstens sechs verheiratet - nochmals schlechte Karten für Wowereit ....
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mma
Veröffentlicht am Dienstag, 05. Dezember 2006 - 19:35 Uhr:   

Die Frage, ob die Richter eine tendenziell Berlin-feindliche Position einnehmen, dürfte i. Ü. nicht nur mit ihrem Heimat- oder Entsendeland zusammenhängen, sondern auch mit den sozial bedingten Wahrnehmungen am Dienst- und Wohnort.

Wer, sagen wir mal, in weniger wohlhabenden deutschen Regionen, etwa gar in Berlin selbst oder im Osten, wohnt und beim Besuch in Südwestdeutschland das Gefühl bekommt, in einer Insel der Seligen voller Wohlstand, Sauberkeit und Lebensfreude zu wandeln, sieht die Dinge wohl anders als jemand, der in Karlsruhe oder zumindest in Südwestdeutschland wohnt und sein Berlin-Bild mehr aus den Medien und von Besuchen erhält ("So viel wird dort gebaut, so viel ist dort los; es verschlingt so viel Geld; und w i r zahlen dafür, doch bei uns gibt es auch viel Schatten und Armut!").
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Sü-Badner (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 08. Dezember 2006 - 10:37 Uhr:   

"Wer, sagen wir mal, in weniger wohlhabenden deutschen Regionen, etwa gar in Berlin selbst oder im Osten, wohnt und beim Besuch in Südwestdeutschland das Gefühl bekommt, in einer Insel der Seligen voller Wohlstand, Sauberkeit und Lebensfreude zu wandeln, sieht die Dinge wohl anders als jemand, der in Karlsruhe oder zumindest in Südwestdeutschland wohnt und sein Berlin-Bild mehr aus den Medien und von Besuchen erhält"

Ich bin öfter mal in Berlin und es stimmt sicherlich dass es dort viel zu tun gäbe.
Aber Insel der Seeligen und des Wohlstandes im Südwesten stimmt auch nur teilweise. Sicherlich, die Gegend um Stuttgart und auch der Raum Karlsruhe sind Recht Wohlhabend, weil die Landesregierung dort die Steuern investiert, aber
es gibt auch viel Schatten. In Freiburg (-es gäbe auch andere Beispiele) stürzen die Schuldecken ein
und die Straßen sehen teils aus wie im ehm. Osten.
Die Stadt wird praktisch vom Regierungspräsidium FR regiert, weil kein genemigungsfähiger Haushalt zu Stande kommen kann. Insel des Wohlstands??
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 08. Dezember 2006 - 12:27 Uhr:   

Tja, die Freiburger Bürger setzen ihre Prioritäten halt anders.
Denen ist es halt besonders wichtig, dass die Stadt ihre begrenzten Mittel in den Besitz von 8.000 Wohnungen investiert (eine unglaublich hohe Zahl angesichts von 200.000 Einwohnern).
Und da die Mittel in einer endlichen Welt nunmal begrenzt sind, ist klar, dass an irgend einer anderen Stelle gespart werden muss.

Insofern:
Insel des Wohlstands ist Freiburg schon.
Nur wird der Wohlstand halt auf reichlich seltsame Weise in Objekte investiert, die wahrlich nicht zu den Kernaufgaben des Staates gehören.
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Sü-Badner (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 08. Dezember 2006 - 13:33 Uhr:   

Würde z.B Berlin seine Wohnungen verkaufen, kämen auch zig Milliarden zusammen.
Was die Zahl der Wohnungen anbetrifft, ist diese nicht außergewöhlich für eine Stadt mit 210000 Einwohnern.
Die Wohnungen gehören ja in dem Sinn auch nicht der Stadt selbst, sonderen ihren Wohnungsbauunternehmen, d.h.
diese haben das Vermögen selbst aufgebaut (nicht durch Steuern). Auch die Komunen in ärmeren Ländern könnten ihre Wohnungen, wie Dresden, verkaufen, tun dies aber nicht. Die Finanzprobleme der Stadt
FR haben viel mit der Landespolitik zu tun.
Und wie ich bereits erwähnte gibt es weitere Städte
im Land, wie Mannheim, die ähnliche Probleme haben.
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Tim Spier
Veröffentlicht am Freitag, 08. Dezember 2006 - 16:34 Uhr:   

Und selbst wenn das eine große Anzahl für die Einwohnerzahl wäre, ist dies noch längst kein Argument für eine Privatisierung. Wenn viele wahlberechtigte Einwohner in solchen Wohnungen leben, ist es doch klar, dass diese sich gegen den Verkauf richten. Schließlich haben Privatfirmen nur dann ein Interesse an der Übernahme, wenn sie damit einen Gewinn erwirtschaften. Und den werden wohl die Mieter zu tragen haben.

Überdies halte ich sozialen Wohnungsbau durchaus für eine Kernaufgabe des Sozialstaats - nicht zuletzt um dessen Kosten gering zu halten. Bei Sozialhilfe- und ALG-II-Empfängern muss die Gemeinde ohnehin die Miete zahlen, da kommt es billiger, wenn sie nicht die Gewinnmargen privater Unternehmen noch zusätzlich tragen muss.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 08. Dezember 2006 - 18:11 Uhr:   

@Tim Spier:
Zur Frage ob 8.000 kommunale Wohnungen viel sind: Bei einer durchschnittlichen Belegung mit 2,5 Personen sind 10% der Freiburger Bevölkerung in städtischen Wohnungen untergebracht. Die Quote der Soziahlhilfe-Empfänger liegt sicherlich niedriger. Da sind also auf jeden Fall sinnvolle Grenzen überschritten (selbst wenn man das Prinzip "Sozialhilfe-Empfänger sollten in öffentliche Wohnungen" gutheißt, was ich nicht tue).

Richtig ist aber natürlich: das ist für sich genommen noch kein Argument für Privatisierung (für diesbezügliche Argumente: siehe unten).
Ich wollte nur darauf hinweisen, dass eine Stadt sich halt nicht alles leisten kann, was sie gerne hätte. Das ist eine Frage der politischen Prioritäten. Und wenn - wie in Freiburg - eine Mehrheit eine höhere Priorität für städtische Sozialwohnungen als für neue Schulen hat, dann ist diese demokratische Entscheidung natürlich zu akzeptieren.
Aber dass diese Entscheidung angesichts der städtischen Haushaltslage eine faktische Prioritätensetzung zu Lasten von z.B. Schulsanierungen bedeutet, darüber sollte man sich halt schon klar sein.

Im übrigen:
Der Gewinn eines Käufers kommt dadurch zustande, dass seine (abdiskontierten) Netto-Einnahmen die Investition übersteigen.
Dazu ist eine Mietpreissteigerung erst einmal nicht unbedingt nötig (die häufig in solchen Fällen auch vertraglich ausgeschlossen wird). Das geht auch durch eine effizientere Bewirtschaftung. Oder durch einen entsprechend angepassten Kaufpreis.

Im übrigen widerspreche ich folgender Aussage:
"Sozialhilfe- und ALG-II-Empfängern muss die Gemeinde ohnehin die Miete zahlen, da kommt es billiger, wenn sie nicht die Gewinnmargen privater Unternehmen noch zusätzlich tragen muss."

Erstens einmal sind diese "Gewinnmargen" im wesentlichen die Kapitalkosten (die dem Staat faktisch auch entstehen, auch wenn er dies aufgrund seiner kameralistischen Buchhaltung oft nicht erkennt). Auch die Stadt Freiburg sollte für ihre Investition in Immobilien eine Verzinsung von sagen wir mal 5-6% anstreben (weil sie für ihre Schulden ja auch Zinsen zahlen muss).
Und ein privater Immobilien-Investor rechnet i.d.R. auch nicht mit wesentlich höheren Renditen.

Außerdem gibt es - wie praktisch immer wenn privatwirtschaftlich agiert wird - natürlich auch Einsparpotenzial. Erstens einmal weil der Druck, wirtschaftlich zu arbeiten größer ist.
Dazu die gewaltigen Effizienzverluste durch Fehlbelegungen bzw. die ganze Vergabebürokratie.

Dazu noch folgendes mikroökonomische Argument:
Wenn man einem Sozialhilfempfänger (sagen wir mal) 800 € gibt, dann kann er sich selbst aussuchen, für was er sein Geld ausgibt.
Wenn man ihm hingegen eine Wohnung gibt, einen Gutschein für Kleider und einen für Essen, dann trifft eine Behörde diese Entscheidung für ihn.
Nachdem die Behörde seine Präferenzen aber weniger gut kennt als er selber (vielleicht hätte er sich lieber keine neuen Kleider, aber dafür bessere Lebensmittel gekauft?), zieht der Sozialhilfeempfänger daraus einen geringeren Nutzen, als wenn er selbst die Konsum-Entscheidungen treffen kann.
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Sü-Badner (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 08. Dezember 2006 - 18:51 Uhr:   

Wie ich bereits sagte, ist Freiburg ein Beispiel,
aber da man sich offensichtlich darauf eingeschossen hat, bleibe ich bei dieser Stadt:
Ich denke schon, das die öffentliche Hand sich auch
für den sozialen Wohnungsbau einsetzen sollte.
Man muß bedenken, dass es hier eine Wohnungsknappheit gibt und mit die höchsten Mieten
in Deutschland. Ein kleiner Arbeiter, Beamte oder eine Krankenschwester könnte sich die normalen Luxusmietwohnungen, welche für den Markt gebaut werden gar nicht leisten. Die Wohnungen der städtischen Wohnbaugesellschaften sind jedoch einfacher (fast sozialistischer Wohnungsbau) und
daher bezahlbar.
Ich wäre (bin allerdings kein Freiburger) auch
für die Entschuldung/ Verkauf der Wohnungen gewesen, allerdings kann ich auch die "kleinen Leute" verstehen, die Angst vor höheren Mieten haben (auch wenn das unter Umständen gar nicht passiert wäre).
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görd
Veröffentlicht am Freitag, 08. Dezember 2006 - 20:39 Uhr:   

Die Wohnungen kann man doch nur dann verkaufen, wenn der Käufer damit einen Gewinn erzielen kann.

Da stellen sich mehrere Fragen:

* Warum sollte der Käufer und nicht die Stadt damit Gewinn machen?
* Wenn der Käufer mehr Gewinn macht, dann muss er entweder Kosten senken (Arbeitsplätze abbauen) oder die Einnahmen erhöhen (Mieten anheben). Kann das von einer Stadt gewollt sein?
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 08. Dezember 2006 - 23:30 Uhr:   

ja, da haben wir ihn wieder: der böse Unternehmer, der Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit macht.

Görd:
(Bitte verzeih die etwas zuspitzende Polemik im folgenden Beitrag}).

Du meinst also, dass es aus Sicht einer Stadt nicht gewollt sein kann, dass ein Privatunternehmer eine Tätigkeit mit weniger Beschäftigten (=effizienter) ausführt als die Stadt selbst?

Mal konsequent zu Ende gedacht:
Warum sollte die Stadt dann nicht auch die örtlichen Supermärkte betreiben?
Die Stadt kann dann einige zusätzliche Mitarbeiter einstellen.
Außerdem gehören auch Lebensmittel zweifellos zur Daseinsvorsorge. Wenn man sowas den gierigen Unternehmern überlässt, dann sind die Preise doch sicher höher als wenn das die Stadt übernimmt...

Es ist halt so:
Arbeitsplätze schaffen ist keine Kunst.
Der Bund könnte sofort 1 Mio. zusätzliche Hausmeister für seine Liegenschaften engagieren.
Es ist aber halt auch für den Staat/die Stadt notwendig, diese Leute effizient einzusetzen.
Weil sonst hohe Kosten auflaufen und dafür kein entsprechender Wert geschaffen wird. Und einen effizienten Personaleinsatz gewährleisten Unternehmen halt i.d.R. einfach besser.

Natürlich kann eine Stadt, wenn sie will, sich (zumindest in begrenztem Umfang) eine uneffiziente Hausverwaltung leisten.
Aber auch hier bleibt halt unverändert das alte Dilemma: Die Mittel sind begrenzt. Wenn Du der Meinung bist, die knappen städtischen Mittel seien sinnvoll in die Gehälter eigentlich nicht benötigter Hausmeister für städtische Wohnblocks investiert, ok.
Ich bin aber der Meinung, die Mittel wären (z.B.) besser investiert in die Gehälter von Handwerkergesellen, die die örtlichen Schulen sanieren.

(Vielleicht ist übrigens zufällig der Handwerker der gleiche Mensch, der zuvor als Hausmeister entlassen wurde. Der Unterschied: In meinem Weltbild arbeitet er an etwas, das der Gesellschaft Nutzen stiftet, in Deinem Weltbild bleibt er auf einem Posten, der eigentlich unnötig ist und daher auch keinen gesellschaftlichen Nutzen stiftet).
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Tim Spier
Veröffentlicht am Samstag, 09. Dezember 2006 - 14:54 Uhr:   

@Florian:
"ja, da haben wir ihn wieder: der böse Unternehmer, der Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit macht. "

Hier hat niemand davon gesprochen, dass ein Unternehmer "böse" ist, wenn er gemäß der betriebwirtschaftlichen Logik handelt. Dass er aber Gewinne machen will, wirst Du wohl kaum bestreiten können. Es geht doch bei dieser Diskussion nicht darum, den Unternehmern Gewinne zu verbieten. Es wird doch nur die Frage diskutiert, ob es sinnvoll ist, "Tafelsilber" wie öffentlichen Wohnungsbestand zu verkaufen, wenn dadurch (a) große Teile der Bevölkerung kurz- oder langfristig mit Mieterhöhungen rechnen müssen, und (b) dadurch die selbe öffentliche Hand, die auf der einen Seite mit dem Verkauf Schulden abbauen kann, auf der anderen Seite über die Sozialhilfe bzw. ALG II die erhöhte Miete tragen muss.
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görd
Veröffentlicht am Samstag, 09. Dezember 2006 - 18:09 Uhr:   

@Florian

Auf dem Lebensmittelmarkt herrscht ausreichend Konkurrenz (teilweise Überproduktion), so dass der Markt selbst für preisgünstige Produkte sorgt. Mit dem Wohnungsmarkt ist das nicht vergleichbar! Es herrschat Wohnraummangel und unter diesem Gesichtspunkt, ist es sinnvoll, dass eine Stadt preisgünstigen Wohnraum schafft.

Leider gehst du bei meiner "entweder-oder" Frage nur auf das entweder ein. Was ist mit dem "oder"? Was ist, wenn die Stadt bereits ihren Wohnraum kostengünstig verwaltet. Es ist ja nicht so, dass Kommunen keine Stellenabbau vornehmen. Darüberhinaus führt eine Stellenstreichung nicht automatisch zu mehr Effizenz. Wenn nicht genügend Hausmeister vorhanden sind, können Wohnungen nicht ordentlich in Stand gehalten werden. Schau dir einfach mal die Bahnprivatisierung in UK und ihre Folgen an.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Samstag, 09. Dezember 2006 - 18:31 Uhr:   

@ Görd:
"Auf dem Lebensmittelmarkt herrscht ausreichend Konkurrenz (teilweise Überproduktion), so dass der Markt selbst für preisgünstige Produkte sorgt. Mit dem Wohnungsmarkt ist das nicht vergleichbar! "

Ganz genau!
Auf dem Lebensmittelmarkt sorgt eine marktwirtschaftliche Konkurrenz für günstige Preise. Auch und gerade dann, wenn die beteiligten Unternehmen gewinnorientiert sind.
Gleiches gilt übrigens auch für jeden anderen Markt, der einem marktwirtschaftlichen Wettbewerb ausgesetzt ist.

Der Wohnungsmarkt ist stark staatlich reglementiert*.
Und es herrscht Wohnraummangel.

Und nun die Preisfrage:
Warum sollte auf dem Wohnungsmarkt ein marktwirtschaftlicher Wettbewerb - wenn man ihn denn zulassen würde - nicht auch zu effizienten (=preiswerten) Ergebnissen führen? Genauso wie auf allen anderen Märkten, auf denen man Marktwirtschaft zulässt.

In den USA ist der Immobilienmarkt z.B. in der Regel viel liberaler.
Zugleich sind die Wohnungsmieten deutlich niedriger, die Wohneigentumsquote wesentlich höher und davon, dass sich in den USA nur noch die Reichen eine Wohnung leisten könnten hat man auch noch nichts gehört.


*Wobei der hohe Anteil staatlichen Wohneigentums nur ein Aspekt ist. Daneben gibt es noch viele andere staatliche Zwangsmechanismen.
Etwa die städtischen Mietspiegel. Oder das assymetrische Kündigungsrecht. Oder die oft seltsamen Stellplatz-Ablöse-Regelungen.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Samstag, 09. Dezember 2006 - 18:35 Uhr:   

Ich möchte ein Argument näher betrachten, weil es etwas Grundsätzliches illustriert und zugleich wieder näher zur Thematik von Wahlen führt:

"Wenn man einem Sozialhilfempfänger (sagen wir mal) 800 € gibt, dann kann er sich selbst aussuchen, für was er sein Geld ausgibt.
Wenn man ihm hingegen eine Wohnung gibt, einen Gutschein für Kleider und einen für Essen, dann trifft eine Behörde diese Entscheidung für ihn.
Nachdem die Behörde seine Präferenzen aber weniger gut kennt als er selber (vielleicht hätte er sich lieber keine neuen Kleider, aber dafür bessere Lebensmittel gekauft?), zieht der Sozialhilfeempfänger daraus einen geringeren Nutzen, als wenn er selbst die Konsum-Entscheidungen treffen kann."

Nun stellen sich uns als politisch betroffenen Mitbürgern auch folgende Fragen (nebst natürlich sehr vielen weiteren, die aber bei dieser enggeführten Betrachtung keine Rolle spielen):
- Stellt es an sich einen Wert dar, dass eine Person eine Entscheidung selbst fällt, statt dass der Staat diese Entscheidung fällt?
- Sollen wir als Mitbetroffene, die bspw. über Steuern den Staat bezahlen, der den Empfänger der oben genannten Leistung letztlich aus diesen unseren Zahlungen bezahlt, in jedem Fall gezwungen sein, die Präferenz des Empfängers hinzunehmen?
- Steht es nicht uns bzw. dem Staat, als den die Leistung finanzierenden, zu, zumindest mitzubestimmen, welche Präferenzen finanziert werden sollen?
- Und schliesslich: Gibt es nicht auch Präferenzen, gegen deren Befriedigung sachliche Gründe sprechen?

Ich meine damit folgendes: Wenn wir der Person X die 800 EUR in die Finger drücken, diese Person X aber die Präferenz hat, sich damit Drogen zu erstehen, statt bspw. Essen zu kaufen oder die Miete zu begleichen, dann stehen wir früher oder später vor der Situation, dass X nun eben doch nicht ernährt und untergebracht ist. Was wird die Folge davon sein? Richtig: In der Regel werden wir nicht darum herumkommen, X gleichwohl mit Essen und einem Obdach zu versorgen, d. h. wir werden doppelt Geld ausgeben. Wenn wir dies ablehnen, weil X eine eigene Präferenz gewählt hat und die Konsequenzen dafür selbst tragen soll, dann nehmen wir bspw. in Kauf, dass X Mundraub begeht, um nun doch noch zu seinem Essen zu kommen, oder in ein Haus eindringt, dort übernachtet, den Boden vollblutet usw. Folge: soziale und finanzielle Zusatzkosten. Oder aber X wird früher oder später sterben.
So schön es in der Theorie also sein mag, X oder Y Präferenzentscheidungen zu überlassen, so problematisch kann dies in der Praxis werden. Gerade im angesprochenen sozialen Unterstützungsbereich hat sich dies immer wieder gezeigt, denn manche versuchen, dem System ein Schnippchen zu schlagen, sind selbst gar nicht in der Lage, verantwortlich Präferenzen zu setzen, oder aber setzen Präferenzen, die die Gesellschaft nicht billigen kann oder will.
Auch im Bereich der sozialen Werke bzw. der Vorsorge stellen sich solche Probleme: Bspw. könnte man darauf verzichten, eine kollektive, vom Staat verwaltete bzw. organisierte Altersvorsorge zu schaffen. Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, jeder müsse für sich selbst vorsorgen. Aus Erfahrung wissen wir jedoch, dass das nicht alle tun werden, und jene, die es wirklich tun, werden es nicht im gleichen Ausmass und mit der gleichen Sicherheit der Anlagen oder Rentabilität tun. Schliesslich werden wir also im Alter eine Gruppe haben, die dann gleichwohl nicht oder nur unzureichend versorgt ist - und wer wird da wohl in die Bresche springen müssen, sofern man die Betreffenden nicht sterben lassen will? Hinzu kommt noch der Umstand, dass die professionelle Anlage von Vorsorgegeldern die Kräfte des Einzelnen weitgehend überfordern; kleine Guthaben können niemals so effizient verwaltet werden wie grosse. Daher liegt eine Bündelung und gesammelte Verwaltung von Vorsorgegeldern auch sachlich nahe. Beide Probleme könne daher sinnvoll nur im Rahmen einer Zwangsversicherung gelöst werden.
Damit möchte ich wieder auf die Thematik von Wahlen zurückkommen: Auch diese kann man unter dem Aspekt der Präferenzen betrachten. Insofern stellen Wahlen Präferenzen dar.
Allerdings ist hier unter verschiedenen Titeln über den Charkter von Wahlentscheidungen vielfach diskutiert worden. Nur als ein Beispiel sei an das Elternwahlrecht "für Kinder" erinnert: Dieses sezt voraus, dass Eltern die Präferenzen der Kinder kennen und auch umsetzen. Das scheint mir nun in keiner Weise zwingend.
Es fragt sich auch, ob Wahlen überhaupt Präferenzen abbilden oder nicht eher anderen Mustern folgen. In manchen Kreisen ist es nach wie vor üblich, dass Parteizugehörigkeiten über Generationen vererbt werden, manche Landstriche sind im wesentlichen von einer Partei dominiert usw. Dies hat zweifellos mit der sozialen Einbettung zu tun und wenig mit individuellen Präferenzen. In Asien wird wohl kaum deshalb soviel Reis gegessen, weil das die Bewohner dieser Gebiete frei so entschieden haben. Es dürfte sich somit erweisen, dass dies alles kein Ausdruck individueller Präferenzen ist.
Soviel einmal zum Nachdenken-
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görd
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Dezember 2006 - 13:40 Uhr:   

@Florian

Zum einen sollte man erstmal davon wegkommen, dass freie Marktwirtschaft überhaupt zu marktwirtschaftlichen Wettbewerb führt. Dies kann man in der Regel nämlich nur durch staatlichen Eingriff erreichen (Kartellbehörden etc.). Darüber hinaus können staatliche Unternehmen ebenso am marktwirtschaftlichen Wettbewerb teilnehmen und so in Konkurrenz zu den Privaten stehen. Einer Privatisierung folgt also nicht automatisch ein höherer marktwirtschaftlicher Wettbewerb, das kann sogar gegenteilige Folgen haben, wenn es durch den Verkauf zu einer marktbeherrschenden Situation für den Käufer kommt.

Dies gilt auch für den Wohnungsmarkt. Hier kann ein martkwirtschaftlicher Wettbewerb eben auch nur durch staatliche Eingriffe erst erreicht werden, denn die Wonhungsbaugesellschaften stehen ja auch im marktwirtschaftlichen Wettbewerb bzw. fördern diesen. Würde sie an einem privaten Investor verkauft, könnte dieser eine Marktbeherrschendestellung einnehmen, was dann zu weniger Wettbewerb führt. Darüber hinaus gelten auf den Wohnungsmarkt für den Konsumenten ganz andere Spielregeln als beim Kauf von Lebensmitteln. Das geht schon dabei los, dass man nicht so einfach zur Konkurrenz wechseln kann (Kündigungsfristen, Umzugskosten, etc.). Es ist daher mehr als blauäugig von Markt für Lebensmittel auf den Markt für Wohnungen schließen zu können. Zu dem ist der Markt für Lebensmittel ebenfalls staatlichen Eingriffen unterworfen. Das merkt man vielleicht beim Kauf weniger, ist aber dennoch vorhanden.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Dezember 2006 - 14:39 Uhr:   

@ Görd:
Vorschlag: Die Argumente sind ausgetauscht. Wir lassen es damit bewenden.
(Keine Sorge: Ich hätte durchaus gute Gegenargumente zu ihrem letzten Post - aber nachdem ich sicher bin, dass auch Sie darauf wieder substanziell antworten würden, drehen wir uns da glaube ich langsam im Kreis).

@ P. Wälchli:
Nachdem Ihr Post eine grundsätzliche Fragen zum Staatsverständnis aufwirft, möchte ich Ihrer Sicht nun doch meine Sicht entgegen stellen:

Ihr Drogen-Beispiel ist sicher ein praktisches Problem und tatsächlich ein stichhaltiges Argument für die "Gutschein-Lösung" gegenüber der "Cash-Lösung".

Wobei man natürlich schon festhalten muss: Gegen Drogenkauf gibt es Gesetze. Wenn sich ein Bürger nicht daran hält, dann muss man das strafrechtlich verfolgen. Aber das rechtfertigt nicht präventiv eine totale Kontrolle seiner Ausgaben.
(Denn wenn die Vereitelung von Straftaten einen solchen massiven Eingriff in die Freiheit des Bürgers rechtfertigt, dann müssten ja richtigerweise die Ausgaben aller Bürger - nicht nur der Sozialhilfe-Empfänger - der totalen Kontrolle unterworfen werden).

Wenn nun eine Person derart psychisch krank ist wie in Ihrem Beispiel und nicht in der Lage ist, mit dem Geld aus der "Cash-Lösung" ein Mindestmaß an rationalen Umgang zu finden (d.h. nicht in der Lage ist, das Geld so auszugeben, dass sein physisiches Überleben gesichert ist), dann ist sicherlich ein staatlicher Eingriff in sein Ausgabenverhalten gerechtfertigt.

Bei einem großen Teil der Sozialhilfe-Empfänger in Deutschland liegt eine solche Pathologie aber nicht vor. Ist es wirklich anzunehmen, dass z.B. 10% aller Freiburger Bürger in die von Ihnen skizzierte Lebenslage passen? Wohl kaum.
Das heißt: sehr vielen Leuten macht der Staat unnötig Vorschriften darüber, für wie sie ihr Geld ausgeben müssen.

Jetzt kann man natürlich wie Sie argumentieren:
Wer zahlt, schafft an. Wenn der Staat also Sozialhilfe gewährt (also eine Zahlung ohne Gegenleistung) dann darf er auch über die Verwendung bestimmen.
Ethisch/moralisch sicher richtig.
Aber: Dies führt aus den genannten Gründen eben zu einer nicht optimalen Mittelverwendung. Keine noch so wohlwollende Behörde kann so gut wie der Empfänger wissen, welche Güter ihm den meisten Nutzen stiften. Und wenn man schon staatliche Mittel für einen sozialen Zweck einsetzt, dann sollte man sich doch auch hier daran orientieren, mit den begrenzten Mitteln einen möglichst großen Nutzen zu stiften.

Die Frage, ob der Staat besser weiß als der einzelne Bürger was gut für diesen ist, wird m.E. in Deutschland ohnehin viel zu oft bejaht.

Ein Beispiel:
Ein "Normalverdiener" muss in Deutschland schon ganz ordentlich Steuern zahlen (direkt+indirekt).
Dafür gibt es aber auch eine Vielzahl an Subventionen, die den Durchschnitts-Bürger zum Ziel haben.
Zum Beispiel die Eigenheimzulage.
Zu einem großen Teil ist das für den Durchschnitts-Bürger ein "Linke-Tasche/Rechte-Tasche"-Spiel: Was ihm der Staat nimmt, gibt es ihm in anderer Form wieder zurück.
Nur sind an dieses Geld nun plötzlich Bedingungen geknüpft: Du bekommst das Geld, aber nur, wenn Du ein Haus baust (das zudem bestimmten Bedingungen genügen muss).
Nachdem das Haus nun aus Bürgersicht relativ preiswert ist, wird es gebaut.

Hätte man nun dem Bürger das Geld erst gar nicht durch Steuern weggenommen, dann hätte er selbst die Wahlfreiheit gehabt.
Natürlich kann es sein, dass seine eigenen Präferenzen zufällig ohnehin dem entsprechen, was irgendwelche Beamten sich für ihn ausgedacht haben. Dann ändert sich nichts.
Kann aber auch sein, dass eine andere Geld-Verwendung ihm vorteilhafter erscheint. Und genau dieses Delta (Nutzen Haus gegenüber Nutzen alternative Verwendung) geht durch den Staatseingriff verloren.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Dezember 2006 - 14:57 Uhr:   

görd: Das geht schon dabei los, dass man nicht so einfach zur Konkurrenz wechseln kann (Kündigungsfristen, Umzugskosten, etc.). - Also entspricht der Wohnungsmarkt nach Deinen Überlegungen etwa dem Markt für Handy - Verträge oder für den Autokauf. Da muss ich auch den oder das bisherige Handy/Auto etc irgendwie möglichst günstig loswerden. Das passt auch von der Kostenseite und auch von der Bedeutung des einzelnen Objektes für mich gut zu Wohnungen. Ich benötige nämlich üblicherweise gleichzeitig höchstens ein Auto, ein Handy, eine Wohnung, dagegen immer wieder neue Lebensmittel, die ich immer wieder woanders und immer wieder neu kaufe und die als einzelnes Produkt sowieso nach einem Tag oder einer Woche weg sind.

Und seit es nicht mehr der Staat ist, der vorschreibt, welches Telefon und welches Auto ich wann und zu welchen Bedingungen bekomme, sind Autos und Telefone nicht nur wesentlich billiger geworden, sondern auch einfacher und schneller zu bekommen. Die Qualität wurde besser, es gibt mehr Auswahl, mehr Sorten, mehr Typen, und wenn der Anbieter Mist baut, kaufe oder miete ich nächstes mal woanders.

Das würde ich mir für Wohnungen auch so wünschen.

Richtig von Dir gesehen ist es ein Problem, wenn es durch den Verkauf zu einer marktbeherrschenden Situation für den Käufer kommt. Eigentlich sollte diese marktbeherrschende Situation sowohl jetzt schon wie auch nach dem Verkauf ein Fall für die Kartellbehörden sein.
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görd
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Dezember 2006 - 16:16 Uhr:   

Ein Auto bzw. ein Handy braucht man nicht unbedingt, eine Wohnung schon.

Bei Handys gibt's z.B. auch genügend Varianten ohne Vertragsbindungen und gerade Verträge sind für den Verbrauchen oft nicht gerade günstig (man siehe die Probleme bei Auslandstelefonaten, Datentarifen etc., was sogar die EU auf den Plan gerufen hat). Der Telekommunikationsmarkt ist ein gutes Beispiel dafür, dass Wettbewerb a) nur durch staatlichen Eingriff erreicht werden kann (Regulierungsbehörde) b) nach der Privatisierung es immer noch zu keine wirklich optimalen Wettbewerb gekommen ist.

Darüber hinaus ist beim Wohnungsmarkt der Staat bzw. die Kommune nur ein Anbietern neben vielen Privaten. Das war ja beim Telefon anders, hier war der Staat einzigster Anbieter.

Im Markt für Automobile gab's IMHO so gut wie keinen staatlichen Eingriff, außer vielleicht die Beteiligung bei VW, was sogar positiv zu bewerten ist, da z.B. durch solche Produkte wie den Käfer, Automobile erst massentauglich worden. Vorher konnte sich ja nur ein Bruchteil der Bevölkerung ein Auto leisten. Durch staatliche Intervention (Förderung eines preisgünstigen Automobils) sollte dies verändert werden.

Vergleichen wir also den Automobilmarkt mit dem Wohnungsmarkt. Ohne staatlichen Eingriff gab es zunächst nur teure Fahrzeuge, die sich wenige leisten können, was auf den Wohnungsmarkt umgemünzt teuere Wohnungen bedeutet. Durch staatlichen Eingriff und ein halbstaatliches Unternehmen im Konkurrenz zur Privatwirtschaft konnte die Produktpalette an Automobilen auch auf Kleinwagen und preisgünstige Modelle für Jedermann ausgedehnt werden. Dies ist mit dem sozialen Wohnungsbau vergleichbar, der eine preisgünstige Alternative an Wohnungen für die Familie mit kleinen Geldbeutel zur Verfügung stellt.
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Marc K.
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Dezember 2006 - 19:56 Uhr:   

@Görd,

und etwas zu essen braucht man auch. Also warum nicht Supermärkte verstaatlichen????
Ihre Argumentation ist widersprüchlich.
Sie lehnen offensichtlich die freie Marktwirtschaft ab und wollen eine staatsinterventionistische Wirtschaftspolitik.
Diese ist schon in den 70er-Jahren gescheitert. Die Konjunkturprogramme waren reine Strohfeuer.

Von daher wird es Zeit gerade in den Bereichen, in denen der Marktmechanismus augseschaltet wurde, diesen wieder zuzulassen, damit dort Wettbewerb herrscht. Das beste Bsp. hierfür war ja die Privatisierung der Telekom.
Der Staat kann und soll sich darauf beschränken, die Möglichkeit des Wettbewerbs sicherzustellen (Kartellbehörden, Marktaufsicht).
Eigene Unternehmensbeteiligungen sind (weitgehend) unnötig (mit Ausnahme der KfW vielleicht, die man schon für die Organisation der Privatisierungen braucht; über die Spakassen kann man noch reden, wobei ich auch hier zu einer Privatisierung neige).
Alles weitere sollte aber privatisiert werden.
Wozu braucht man z.B. Bezirksschornsteinfeger mit einem Monopol in Ihrem Bezirk??? Das verhindert Wettbewerb und macht die Kosten für die Abgasmessungen viel zu hoch.
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görd
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Dezember 2006 - 20:43 Uhr:   

Ja, ich lehne die freie Marktwirtschaft ab, da sie nicht zu martkwirtschaftlichen Wettbewerb führt. Dies gelingt nur mit staatlichen Eingriff. Übrigens gibt es nicht nur schwarz (frei Marktwirtschaft) und weiß (staatlich gelenkte Wirtschaft) sondern auch viele Grauabstufungen dazwischen.

Ich sehe es als sinnvoll an, dass der Staat eingreift, wenn die "freie" Marktwirtschaft kein brauchbares Ergebnis liefert, sei es, weil sie zunächst keine erschwinglichen PKWs produzieren wollte (Gründung von VW) oder weil sie nicht ausreichend preisgünstigen Wohnraum zur Verfügung stellt. Darüber hinaus gibt es mittels Kartell- und Regulierungsbehörden in vielen Bereichen der Wirtschaft die notwendigkeit von staatlichen Eingriffen, um marktwirtschaftlichen Wettbewerb sicherzustellen.

Es stellt sich weiterhin die Frage, warum durch ein Wohnungsbauunternehmen "Marktmechanismen" ausgeschalten werden. Die Privatwirtschaft kann gern Konkurrenzprodukte auf den Markt werfen, sprich selbst preisgünstigen Wohnraum anbieten. Das müsste ja ein Leichtes sein, wenn dort alles viel besser und viel effizienter passiert. Diese Entwicklung sehe ich allerdings weniger. Beim Automobil hat es geklappt. Mittlerweile gibt es eine breite Palette an preisgünstigen Fahrzeugen. Daher kann sich hier der Staat nach und nach zurückziehen, was bei VW ja im Grunde auch der Fall ist, da dieser Konzern rein gewinnorientiert arbeitet (vom 3-Liter-Lupo abgesehen). Wenn die Privatwirtschaft analog dazu preiswerten Wohnraum zur Verfügung stellt, dann kann sich der Staat hier ebenso zurückziehen. Derzeit ist dies aber noch nicht der Fall, bzw. noch nicht überall.

Gleiches gilt für andere Bereiche, sei es der Verkauf von Krankenhäusern oder Stadtwerken. Hier kann man nicht per se sagen, Verkauf ist sinnvoll oder nicht sondern die Gegebenheiten vor Ort müssen betrachtet werden. Darüber hinaus frage ich mich, warum sich der Staat von Unternehmen trennen sollte, die Gewinn erwirtschaften und nur noch defizitäre Aufgaben wahrnehmen soll.
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Marc K.
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Dezember 2006 - 21:50 Uhr:   

@Görd,

" Übrigens gibt es nicht nur schwarz (frei Marktwirtschaft) und weiß (staatlich gelenkte Wirtschaft) sondern auch viele Grauabstufungen dazwischen."

Ach nee, das ist ja ganz was neues *g*.

"Ich sehe es als sinnvoll an, dass der Staat eingreift, wenn die "freie" Marktwirtschaft kein brauchbares Ergebnis liefert, sei es, weil sie zunächst keine erschwinglichen PKWs produzieren wollte (Gründung von VW) oder weil sie nicht ausreichend preisgünstigen Wohnraum zur Verfügung stellt. Darüber hinaus gibt es mittels Kartell- und Regulierungsbehörden in vielen Bereichen der Wirtschaft die notwendigkeit von staatlichen Eingriffen, um marktwirtschaftlichen Wettbewerb sicherzustellen."

Und ich sehe es so, dass der Staat sich aus der Wirtschaft weitestgehen raushalten sollte.
Er verzerrt damit nur den Wettbewerb und erhöht damit i.d.R. die Preise.
Ich bin aber sehr wohl für staatliche Regelungen die den Marktzugang sicherstellen und den Wettbewerb sichern (Regulierungs- und Kontrollbehörden).
Ich bin, wenn Sie so wollen, ökonmisch ein Ordo-Liberaler. Hier im besten Geiste Ludwig Erhards.


"Es stellt sich weiterhin die Frage, warum durch ein Wohnungsbauunternehmen "Marktmechanismen" ausgeschalten werden. Die Privatwirtschaft kann gern Konkurrenzprodukte auf den Markt werfen, sprich selbst preisgünstigen Wohnraum anbieten. Das müsste ja ein Leichtes sein, wenn dort alles viel besser und viel effizienter passiert. Diese Entwicklung sehe ich allerdings weniger."

Und ich sehe nicht, wie das staatliche Eigentum von Wohnraum hier irgend etwas positives bewirkt. Der Staat soll sich hier zurückziehen und gebenenfalls über Kontroll- und Aufsichtsmechanismen bzw. über Anreize dazu beitragen, dass der Wohungsmarkt ausgeglichen ist. Staatliche Wohnungsbaugesellschaften sind hierfür schlicht unnötig.


"Beim Automobil hat es geklappt. Mittlerweile gibt es eine breite Palette an preisgünstigen Fahrzeugen. Daher kann sich hier der Staat nach und nach zurückziehen, was bei VW ja im Grunde auch der Fall ist, da dieser Konzern rein gewinnorientiert arbeitet (vom 3-Liter-Lupo abgesehen). Wenn die Privatwirtschaft analog dazu preiswerten Wohnraum zur Verfügung stellt, dann kann sich der Staat hier ebenso zurückziehen. Derzeit ist dies aber noch nicht der Fall, bzw. noch nicht überall."

Aber natürlich steht überall preisgünstiger Wohnraum zu Verfügung. Nur: Kostendeckend müssen die Mieten schon sein. Hier kann übrigens der Staat selbst etwas dazu beitragen, bes. die Kommunen z.B. durch Senkung der Abfallgebühren, der Abwassergebühren, des Grundsteuern usw.
Das sind nämlich die wesentlichen Kostentreiber bei der Mieten, neben den - auch aufgrund staatlicher Steuerpolitik - massiv gestiegenen Energiekosten.
Gerade in einer Stadt wie Berlin - und das war hier das eigentliche Thema - steht sogar Wohnraum leer. Die Mieten und Immobilienpreise sind dort alles andere als hoch (z.B. verglichen mit Frankfurt am Main). Es gibt hier überhaupt keinen Grund, dass sich diese hochüberschuldete Stadt weigert, diese Wohnungsbaugesellschaft zu verkaufen.
Mit den Gewinn kann sie dann ihre Neuverschuldung reduzieren und hat damit immerhin eine Zinsersparnis, ehe man - ohne Verkauf - noch mehr Schulden macht und in Zukunft noch mehr Zinsen aufwenden muss.
Ehe man von anderen Geld einklagt, muss man schon selbst alles machen um seine Einnahmenposition zu verbessern bzw. seine Ausgaben reduzieren.
Hierzu gehören auch und gerade Privatisierungen.

Gleiches gilt für andere Bereiche, sei es der Verkauf von Krankenhäusern oder Stadtwerken. Hier kann man nicht per se sagen, Verkauf ist sinnvoll oder nicht sondern die Gegebenheiten vor Ort müssen betrachtet werden. Darüber hinaus frage ich mich, warum sich der Staat von Unternehmen trennen sollte, die Gewinn erwirtschaften und nur noch defizitäre Aufgaben wahrnehmen soll.
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görd
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Dezember 2006 - 22:04 Uhr:   

Als ich in die Diskussion einstieg, ging es glaube ich um die Stadt Freiburg, welche kaum Wohnungsleerstand kennt.

Bestes Beispiel dafür, dass Private es nicht unbedingt besser können, ist die Privatisierung von British Rail.

Folgen:

* Preisanstieg
* Unpünktlichkeit
* Verfall der Infrastruktur auf Grund kurzfristigen Profitdenkens

Am Ende musste die privaten Gesellschaft Railtrack 2002 den Bankrott erklären und nun muss die öffentlich-rechtliche Gesellschaft Network Rail und damit der Staat das alles wieder in Ordnung bringen.

Der Rückzug des Staates hat also nicht den erhofften Erfolg gebracht, im Gegenteil.

"Und ich sehe nicht, wie das staatliche Eigentum von Wohnraum hier irgend etwas positives bewirkt."

Wie wäre es mit günstigere Mieten? Wenn dies nicht so wäre, würde man ja eher beim Privatanbieter anmieten.

"Aber natürlich steht überall preisgünstiger Wohnraum zu Verfügung. Nur: Kostendeckend müssen die Mieten schon sein."

Sie sollten mal in eine süddeutsche Großstadt ziehen, am besten um zu studieren. Preisgünstiger Wohnraum ist dort Mangelware.

"Mit den Gewinn kann sie dann ihre Neuverschuldung reduzieren und hat damit immerhin eine Zinsersparnis"

Die Zinsen kann man auch einfach mit den Gewinnen der Wohnungsbaugesellschaft bezahlen und hat dann noch sein Vermögen. Offenbar werfen die Wohnungen ja genug ab sonst würde sich kein privater Investor dafür interessieren, welche sicher höhere Kapitalkosten als die öffentliche Hand hat.
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Marc K.
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Dezember 2006 - 22:35 Uhr:   

@Görd,

dass ist aber hier eigentlich nicht das Thema: Hier soll es eigentlich um die Länderfusion Berlin-Brandenburg gehen.

Im übrigen: Billige Mieten sind kein Wert an sich. Am billigsten waren die Mieten in der DDR. Nur das sie eben nicht kostendeckend waren, was eben zum Verfall von den Häusern geführt hat. Übrigens auch von Häusern die im Privateigentum, weil diese eben die Renovierungen nicht durch die Mieteinnahmen decken konnten.
Und das ist genau mein Kritikpunkt an staatlichen Wohnungen: Sie führen eben im Extremfall dazu, dass die privaten Anbieter nicht mehr über ihre Mieten die Renovierungskosten und die übrigen Kosten decken können.
Bei gerineren Ausmaß führen die staatliche Wohnungsbaugesellschaften dazu, dass die Gewinne von privaten Vermietern reduziert werden UND - was sehr negativ ist - kein Anreiz für Private gesetzt wird, selbst neuen Wohnraum zu schaffen bzw. selbst unter- bzw. weiterzuvermieten.
Dieser an sich bestehende marktwirtschaftliche Anreiz wird durch diese marktverzehrende Preispolitik staatlicher Wohungsbaugesellschaften drastisch verringert.
Der Staat führt daher erst zu dem "Versagen" des Marktes, das er vorgibt hierdurch zu bekämpfen.
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Ralf Lang
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Dezember 2006 - 23:41 Uhr:   

"Natürlich kann eine Stadt, wenn sie will, sich (zumindest in begrenztem Umfang) eine uneffiziente Hausverwaltung leisten.
Aber auch hier bleibt halt unverändert das alte Dilemma: Die Mittel sind begrenzt. Wenn Du der Meinung bist, die knappen städtischen Mittel seien sinnvoll in die Gehälter eigentlich nicht benötigter Hausmeister für städtische Wohnblocks investiert, ok.
Ich bin aber der Meinung, die Mittel wären (z.B.) besser investiert in die Gehälter von Handwerkergesellen, die die örtlichen Schulen sanieren."

Das ist doch weltfremd. Über das notwendige Personal entscheidet die Geschäftsführung der Wohnungsbaugesellschaft. Über die Vergabe von Aufträgen an Unternehmen entscheidet je nach Kommunalverfassung der Bürgermeister/die Verwaltung oder der Stadtrat. Beide operieren auf begrenzten Mitteln rein betriebswirtschaftlich. Die Wohnungsbaugesellschaft ist ihren Anteilseignern (also der Stadt und im Falle einer Genossenschaft den Mietern und weiteren Mitgliedern) verpflichtet zu wirtschaftlicher Betriebsweise. Die Probleme der WBGen im Osten rühren aus verschiedenen Ursachen: Den bei der Einigung verbuchten "virtuellen Schulden", dem Investitionsstau und dem Bevölkerungsrückgang der meisten Städte. Zudem kam es zu einer Fehlsteuerung der Bautätigkeit durch Sonderabschreibungsmodelle.

Bei gleichzeitiger Entstehung von privatem Wohneigentum entsteht insbesondere für größere und gut ausgestattete Mietobjekte ein ruinöser Wettbewerb. Sieht man sich die schlecht gepflegten Gammelblocks an, die oft erst einige Jahre zuvor halbwegs intakt an Privatinvestoren verhökert wurden, bekommt man so seine Zweifel an der "natürlich effizienteren" Bewirtschaftung. Reden wir doch mal tacheles: In einem Niedriglohngebiet wie Thüringen mit einer zudem hohen Arbeitslosigkeit besteht breiter Bedarf an bezahlbarem Wohnraum. Die Leute haben in der Regel durch ihren niedrigen Lohn schon die Gewinne ihres Arbeitgebers finanziert. An den Gewinnen weiterer Privatinvestoren sind sie mäßig interessiert, dafür ist in der Lohntüte auch nicht viel Spielraum. Zudem steht in den meisten Städten des Landes unsanierter, teilsanierter und vollsanierter Wohnraum zur Verfügung. Wer da weitere Kapazitäten aufbaut und die Misere vergrößert, ist selber schuld und soll mal nicht über den Staat jammern sondern sein unternehmerisches Geschick hinterfragen.

Man sollte auch nicht alles durcheinander werfen. In Berlin ist der Abwasserkonzern teilprivatisiert. Der Investor wird dir was husten wenn du dem in die Preise pfuschen willst, um irgendwelchen Immobilienheinis Marktvorteile zu gewähren (wieso eigentlich? Die Höhe der Abwasserpreise innerhalb eines Gebietes spielt bei der Ermittlung der "nackten" Miete keine Rolle!)
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Sonntag, 10. Dezember 2006 - 23:56 Uhr:   

Eigentlich war es nicht meine Absicht, eine weitere Runde in der Debatte um politische Inhalte oder das Für und Wider freier oder auch weniger freier Wirtschaft loszutreten. Mir ging es bloss um etwas anderes, nämlich darum, die Thematik nicht einseitig unter einem verkürzenden Gesichtspunkt der "Präferenzen" zu betrachten.
Um noch einmal auf die Probleme der Wirtschaft einzugehen: Auch dort lässt sich sehr schön zeigen, dass es Güter oder Dienstleistungen gibt, die mehr oder weniger der freien Wahl der Beteiligten überlassen sind, andere hingegen nicht oder nicht im selben Sinne. Dass ein Mobiltelephon an sich keine Lebensnotwendigkeit darstellt, wurde schon gesagt. Auch im Bereich der Lebensmittel gibt es einen weiten Spielraum: Festgelegt ist nämlich nur, DASS der Mensch sich ernähren muss, aber nicht im streng WIE. Wohnungen hingegen stellen in unserer Klimazone eine deutlich andere Art von Lebensnotwendigkeit dar, und da zugleich die Transaktion von Wohnraum nicht einfach ist, sondern besonderen Regeln folgt (gleichgültig, wie die gesetzlichen Regelungen sind: Auch eine Stundentenbude räumt man nicht in einer Stunde ein und wieder aus!), kann es dort auch nicht denselben Markt geben wie bei Lebensmitteln oder eigentlichen Luxusartikeln. Die klassische Nationalökonomie bildet dies übrigens auch in der Form der Bedürfnispyramide teilweise ab.
Kritisch wird es auch dort, wo Menschen aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage oder auch nicht willens sind, sich selbst eine vernünftige Präferenz zu bilden. Dies müssen weder Sozialhilfeempfänger noch Drogensüchtige sein, sondern können auch andere sein. Nur dürften solche Fälle gerade in diesen Bereichen ziemlich häufig auftreten.
Viel grundsätzlicher aber stellt sich die Frage, ob wir überhaupt von Präferenzen ausgehen dürfen oder nicht. Ich kaufe bspw. als einer der ganze wenigen in unseren Breitengraden keinen Kaffee. Der Grund ist jedoch nicht der, dass ich mich dazu ein Mal entschlossen hätte, sondern schlicht der, dass mich Kaffee seit jeher angewidert hat.
Damit möchte ich auf folgendes hinweisen: Wir können jede Art von Bevorzugung oder Auslese einer Sache gegenüber anderen als Präferenz verstehen.
Nur müssen wir uns klar machen, dass dahinter sehr verschiedene Vorgänge stehen können: Solches kann einer auf umfassende Informationen gestützten vernünftigen Entscheidung entspringen, einer nicht weiter ableitbaren (angeborenen?) Neigung, einer irrationalen Herleitung, ebensogut einem Denkfehler oder Uninformiertheit oder aber auch bspw. einer Abhängigkeit, z. B. einem Suchtverhalten. Ein Drogensüchtiger, um wieder dieses Beispiel zu nehmen, entscheidet sich nicht, Stoff zu kaufen; er WILL dies vielleicht gar nicht, sondern er BRAUCHT es einfach, seine Sucht ZWINGT ihn dazu.
Dies gilt nicht allein für Alltagsentscheidungen oder Konsumentscheidungen, sondern ebensogut für Wahlentscheidungen: Ein Wähler kann einer Person die Stimme geben, weil er sich dieser persönlich verpflichtet fühlt, und eine Partei wählen, weil dies schon sein Vater gemacht hat. Ebensogut kann jemand vor dem Wählen ein Los ziehen, eine Münze werfen oder in ein Buch stechen, um sich zu entscheiden. Es gibt noch viele andere solcher Möglichkeiten.

Um aber nun zur Frage von Länderfusionen u. dgl. zurückzukommen: Darüber entscheidet nicht so sehr das rationale Kalkül vorwiegend wirtschaftlicher Art. Ich glaube viel eher, dass andere, im wesentlichen irrationale Faktoren ausschlaggebend sein werden.
Denn (auch wenn dies die Vertragstheorie der Gesellschaft suggerieren mag) niemals haben sich Leute zusammengesetzt und gesagt: Wir wollen ein Land werden und einen Staat gründen.
Alle modernen europäischen Staaten sind irgendwie Nachfolger älterer, bereits vorfindlicher Gemeinwesen, die teilweise noch gar keine Staaten im heutigen Sinne waren; diese wiederum gingen auf noch ältere Vorläufer zurück usw. Man sagt, sie seien historisch gewachsen. Historisches Wachstum ist eine Mischung aus Entscheidungen, Zufällen, äusseren Einflüssen usw.
Es fragt sich nun, was Staaten zusammenhält. Es gibt auch Beispiele von Staaten, die entweder geographisch geteilt wurden oder in sich zusammengebrochen sind.
Ganz entscheiden dabei ist das Reissen der Bande, die Menschen zu einem Staatswesen zusammenschweissen. Diese Bande sind aber, soweit ich sehe, vorwiegend irrationaler Natur. Man könnte von einem Zusammengehörigkeitsgefühl sprechen, vielleicht sogar von einer Art "Liebe". Wie immer man es nennen will, das Entscheidende ist eben gerade nicht, dass durch den Zuschnitt von Landesgrenzen maximaler wirtschaftlicher Profit erwirtschaftet wird, sondern dass die Grenzen mit dem eigenen Gefühl übereinstimmen, wie weit der Solidaritätsbund des Staates reicht.
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uwe_s
Veröffentlicht am Montag, 11. Dezember 2006 - 00:48 Uhr:   

Die Diskussion ist inzwischen total off-topic. Ich möchte allerdings einen kleinen Einwurf bringen, da das Wort ordo-liberal gefallen ist:

Ludwig Erhard war ein Praktiker der Wirtschaftspolitik, kein Theoretiker. Ihn daher mit einer wirtschaftstheoretischen Denkrichtung etikettieren zu wollen ist meiner Meinung nach nicht richtig. Wahr ist wohl, dass er sich von Ordoliberalen und ihren Ideen hat (zumindest teilweise) leiten lassen.

Sehr wichtig und einflussreich im Rahmen der ordoliberalen Wirtschaftstheorie war zweifellos Walter Eucken. Und gerade er hat ja neben seine konstituierenden Prinzipien der Wirtschaftspolitik auch noch vier regulierende Prinzipien gestellt. Die Lektüre der relevanten Stellen in seiner "Theorie der Wirtschaftspolitik" sei den Diskussionsteilnehmern an Herz gelegt.
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dein papa (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 12. Dezember 2006 - 12:11 Uhr:   

Beitrag gelöscht
Remote Address: 195.71.50.209
Time of Post: Dezember 12, 2006 - 12:11:57
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Marc K.
Veröffentlicht am Dienstag, 12. Dezember 2006 - 12:38 Uhr:   

@Uwe,

natürlich folgt kein Politiker einer "reinen Lehre". Das geht in der Realpolitik auch gar nicht.
Aber bestimmte Richtungen gibt es schon.

Und nach denen wird man Erhard getrost als Ordo-Liberalen bezeichnen können (und nicht als Sozialisten; auch nicht christlichen Sozialisten, er war ein klarer Gegner des Aahlener Programms).
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Fragender (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 26. Dezember 2006 - 00:12 Uhr:   

... und ich dachte, es ginge hier um Länderfusionen ... Wer unterbindet eigentlich mal diesen ganzen Off-Topic-Kram?
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Dienstag, 26. Dezember 2006 - 10:49 Uhr:   

Na ja, das Problem ist doch eigentlich das, dass eine Gruppe von Diskussionsteilnehmern die ganze Frage von Länderfusionen entschieden ökonomisch betrachtet und zu berechnen versucht, wie, wann und wo welche Fusionen ökonomisch "zwingend" sein werden.
Eine andere Gruppe hält dieser Position entgegen, dass es solche zwingenden ökonomischen Gründe nicht gebe, dass eine optimale Grösse auch überschritten werden könne oder dass die Abgrenzung von Staatswesen anderen als ökonomischen Gesetzen folge usw.
Es erscheint daher schon folgerichtig, dass die Diskussion von der "Kernfrage" der Länderfusionen in eine ökonomische Debatte abgeglitten ist, denn diese ökonomische Betrachtungsweise des Problems ist es ja gerade, die in Frage steht bzw. die unterschiedlichen Positionen in Hinblick auf die Fusionen begründet.
Dies wiederum hängt mit festen Auffassungen zusammen, welchen Stellenwert das Ökonomische in der Lebenswelt überhaupt besitzt, sind also ideologische Positionen.
Ich selbst habe mehrfach bereits darauf hingewiesen, dass ich dem Ökonomischen zwar durchaus eine wesentliche Bedeutung beimesse, aber es gewiss nicht als die alleinige Grundlage menschlichen Verhaltens ansehen kann, sondern vielmehr andere teils rationale, vorwiegend aber auch irrationale Faktoren am Werk sehe. Grundsätzlich ist es ja auch so, dass Menschen sich gegen ihre wirtschaftlichen Interessen verhalten können und dies oft auch tun.
Wie immer man sich aber zu diesen Fragen stellt, ob man sie als mit der Fusions-Thematik zusammenhängend anerkennt oder sie ausblendet, Tatsache ist doch, dass nach den Vorschriften des Grundgesetzes nicht die Ökonomie über Ländergrenzen entscheidet, selbst wenn im Wortlaut der Bestimmungen solche Begriffe wie "Lebensfähigkeit", "einheitlicher Wirtschaftsraum" u. dgl. vorkommen: Der Prozess selbst ist ein rein politisches Verfahren mit vielen unterschiedlichen Beteiligten, die ihre sehr verschiedenen Interessen verfolgen können und gewiss auch werden. Daher handelt es sich beim Entscheid über Ländergrenzen um einen genuin politischen Prozess; Politik wiederum kann man nun als eine Art Funktion der Ökonomie ansehen oder auch nicht - womit sich die geschilderte Thematik an dieser Stelle wiederum einschleicht.
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LS (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Donnerstag, 08. März 2007 - 19:32 Uhr:   

"Experten haben ausgerechnet, dass ein Land mindestens fünf Millionen Einwohner haben sollte, um effektiv wirtschaften zu können. Mehr als 18 Millionen sollten es aber auch nicht sein."
Quelle: http://www.tagesschau.de/bundeslandkalkulator/

Wer nun diese Experten sind, steht da leider auch nicht, aber es ist schon mal ein Zeichen dafür, dass sehrwohl Berechnungen durchgeführt werden.

"Politiker könnten eigenes Amt wegrationalisieren

Aber es gibt noch andere Gründe, warum es schwer ist, an bestehenden Landesgrenzen zu rütteln: Politiker, die das Projekt in Angriff nehmen, laufen Gefahr, ihr eigenes Amt wegzurationalisieren. Denn eine Neugliederung würde nur dann Sinn machen, wenn die Zahl der Länder sinkt. Damit würde sich aber auch die Zahl der Posten in Landesregierungen und Verwaltungen reduzieren. Es verwundert daher nicht, dass entsprechende Vorschläge besonders häufig aus Ländern wie Bayern oder Baden-Württemberg kommen, die für Fusionen wegen ihrer Größe nicht in Frage kommen. Ganz abgesehen davon würden Änderungen an den Grenzen der Bundesländer auch die politischen Machtverhältnisse verschieben. Und wer an der Macht ist, hat daran meist wenig Interesse.

Baden-Württemberg, Bayern und NRW ungefährdet

Theoretisch wäre nicht nur ein Zusammenschluss von Ländern möglich, man könnte die Landesgrenzen auch komplett neu ziehen. Gerade in Ballungsräumen wie dem Rhein/Main-Gebiet oder der Region Mannheim/Ludwigshafen - die heute noch von Landesgrenzen durchschnitten werden - würde das durchaus Sinn ergeben. Dass sich für eine solche Lösung Mehrheiten in den betroffenen Ländern finden, gilt aber als äußerst unwahrscheinlich. Realistisch sind also nur Zusammenschlüsse bestehender Länder. Die meisten Experten-Vorschläge dafür laufen am Ende auf sieben, acht oder neun Länder hinaus. Unangetastet bleiben dabei nur Bayern (das flächenmäßig größte Land), Baden-Württemberg (der Wirtschafts-Primus) und Nordrhein-Westfalen (das die meisten Einwohner hat). Relativ weit gediehen sind die Pläne für eine mögliche Länderfusion im Norden, wo Hamburg und Schleswig-Holstein bereits heute in vielen Bereichen eng zusammenarbeiten."
Quelle: http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID5662590,00.html
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Donnerstag, 08. März 2007 - 20:44 Uhr:   

"Denn eine Neugliederung würde nur dann Sinn machen, wenn die Zahl der Länder sinkt."

Abgesehen von dem scheusslichen Anglizismus, der augenscheinlich aus der deutschen Sprache bereits nicht mehr auszumerzen ist, fragt sich, was der Autor oder die Autorin mit einem solchen apodiktischen Satz aussagen will.
Es gibt wohl sehr verschiedene Kriterien, nach denen sich Grenzen zuschneiden lassen. Die heutigen Bundesländer sind ja durch verschiedene und historisch betrachtet eher "zufällige" Vorgänge umgrenzt worden: Die Haupt-Umrisse der heutigen Bundesländer wurden durch die Grenzen der Besatzungszonen bestimmt; innerhalb der jeweiligen Zonen wurden sodann die Grenzen der "alten" Bundesländer weitgehend durch Überlegungen der Besatzungsmächte bestimmt, woran sich später nur wenig geändert hat. Das Saarland entstand im Grunde dadurch, dass es noch länger besetzt war, bei seinem späteren Beitritt zum Bundesgebiet hätte man es entweder einem Bundesland zuschlagen können, wobei dann die Besonderheiten auf Grund seines längeren Verbleibs unter unmittelbarer ausländischer Verwaltung Probleme geboten hätten, oder aber zu einem eigenen Bundesland machen, wie es ja auch geschehen ist. Die "neuen" Bundesländer wurden per Gesetz noch kurz vor dem Beitritt der DDR zur BRD geschaffen.
Ich bin mir daher ziemlich sicher, dass man Kriterien finden könnte, nach denen die heutige Einteilung völlig unsinnig wäre und ganz andere Gebiete zusammengeschlossen werden sollten, wieder andere, die heute im selben Land vereint sind, hingegen getrennt. Dabei müsste allerdings keineswegs eine wesentlich verschiedene Zahl der Länder als heute herausschauen.
Es kann durchaus sinnvoll sein, Grenzen zu verschieben, ohne dabei selbständige Einheiten aufzuheben, etwa dann, wenn dadurch wirtschaftlich zusammengehörige Gebiete getrennt werden. Wenn noch nicht einmal eine Kosteneinsparung beim Staat entsteht, können solche Massnahmen dennoch zu grösserer Prosperität führen, und zwar dadurch, dass nun die Wirtschaftstätigkeit sich freier entfalten kann. Man sehe sich auch nur die stattliche Zahl von Grenzkorrekturen zwischen den europäischen Nationalstaaten an. Wären diese bloss "unsinnig", wären wohl so ziemlich alle Regierungen in Europa jeglicher politischer Couleur stumpfsinnig.
Im übrigen lässt sich eine Rechnung auch andersherum rechnen: Wenn 5 Mio. Einwohner eine optimale Mindestgrösse darstellen, dann wäre die Zahl der deutschen Bundesländer also gar nicht zu hoch. Deutschland besteht heute aus 16 Bundesländern, und 80 geteilt durch 5 ergibt nach Adam Riese nach wie vor 16. Bloss gibt es unter diesen 16 heutigen Ländern einige wenige Riesen und ein paar Zwerge, somit ist also die Verteilung ungleichmässig, nicht aber die Gesamtzahl anfechtbar.

Dies nur als allgemeine Kritik dieser Auslassungen der ungenannt sein wollenden "Experten"; eine eingehenderr Auseinandersetzung glaube ich sparen zu können.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Freitag, 09. März 2007 - 01:47 Uhr:   

Erst habe ich gedacht, das Zitat von LS wäre ein schlechter Scherz.
Aber mann kann es kaum glauben: Das steht so tatsächlich auf der Tagesschau-Seite:
"würde nur dann Sinn machen":
Schlimmes Deutsch, wie schon P. Wälchli anmerkte.
"Experten haben ausgerechnet,...":
Wer diese "Experten" sind wird nicht gesagt. Aber diese anonyme Quelle wird dann als Dreh- und Angelpunkt für die gesamte Argumentationskette verwendet.

Unglaublich, wie tief die journalistischen Standards bei der Tagesschau schon gesunken sind.
Aber Hauptsache, für eine sinnlose Flash-Graphik ist noch Geld da.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 09. März 2007 - 10:00 Uhr:   

Da kann ich mich Florian nur anschließen - es ist ein Skandal, daß die Zwangsgebühren der GEZ für solche dummen und politisch fragwürdigen Sachen verwendet werden.

"Experten sagen ..." ist natürlich eine fragwürdige Umschreibung von "ich kann meine Stammtisch-Vorurteile nicht belegen".

Man könnte sich ja noch vorstellen, daß man sinnvolle Kriterien findet, die zu einer Mindestgröße von 5 Millionen führen.
Aber die angeblich errechnete Höchstgröße von 18 Millionen ist völlig unglaubwürdig. Da will man offensichtlich nur vermeiden zum Schluß zu kommen, daß NRW eigentlich zu groß ist, um als Bundesland effizient arbeiten zu können.

Wenn man überhaupt eine politisch so aussichtlose Sache wie Länderneugliederung anfangen wollte, dann wäre die Einwohnerzahl ohnehin nur ein mäßig interessantes Kriterium. Man sollte dann auch auf eine flächenmäßige Höchstgröße achten (um vernünftige Reisebeziehungen aller Regionen zur Landeshauptstadt zu ermöglichen), man müßte historische, wirtschaftliche und geographische Gegebenheiten miteinbeziehen.

Und am Ende einer vernünftigen Neugliederung würden dann eher 20 mittelgroße Bundesländer stehen als 10 große, die alle schon über das eigentliche Regionalmaß hinausgewachsen sind und selbständige Staaten bilden könnten.
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tg
Veröffentlicht am Freitag, 09. März 2007 - 11:06 Uhr:   

Was ich bei der Argumentation nicht verstehe: Wenn ein Land unter 5 Mio. nicht funktionieren kann, wieso funktionieren dann Nationalstaaten wie Island, Luxemburg, Estland oder Slowenien? Und wieso funktionieren in der Schweiz 26 Kantone, deren größter gerade mal 1,3 Mio. Einwohner hat?
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mma
Veröffentlicht am Freitag, 09. März 2007 - 12:18 Uhr:   

@tg

Weil die Leute, die solche "Gut"achten entwickeln, zwar mit Formulierungen wie "Sinn machen" Weltläufigkeit vortäuschen wollen, aber sich in Wirklichkeit gar nicht für andere Länder interessieren.
Es ist auch ziemlich geschwätzig, erst von einer Neugliederung im Raum Mannheim/Ludwigshafen zu schwärmen und gleich darauf Konzepte werbend herauszustellen, bei denen Baden-Württemberg "unangetastet" bleiben soll mit der Begründung, dass es der "Wirtschafts-Primus" sei.
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mma
Veröffentlicht am Freitag, 09. März 2007 - 12:27 Uhr:   

Die tolle Flash-Grafik der Tagesschau zeigt übrigens die Grenze zwischen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern in einem Verlauf, der seit 1. August 1992, also fast 15 Jahren, nicht mehr stimmt. Vielleicht sollten sie da mal "Ländergrenzen reformieren"
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 09. März 2007 - 13:14 Uhr:   

Das Niveau der Öffentlich-Rechtlichen ist manchmal wirklich erschreckend niedrig, so auch hier. Die Schweiz ist viel kleinräumiger organisiert und hat trotzdem ein relativ kleinen bürokratischen Wasserkopf.

@LS
"Denn eine Neugliederung würde nur dann Sinn machen, wenn die Zahl der Länder sinkt. Damit würde sich aber auch die Zahl der Posten in Landesregierungen und Verwaltungen reduzieren."

Diepgen und Stolpe waren bereit, für eine Fusion möglicherweise ihr Amt aufzugeben. Die Zahl der Minister würde tatsächlich sinken, das gesamte übrige Verwaltungspersonal bliebe aber erstmal erhalten. Dafür steigt dann der Koordinationsaufwand, was möglich Rationalisierungseffekte wieder zunichte macht.

"Theoretisch wäre nicht nur ein Zusammenschluss von Ländern möglich, man könnte die Landesgrenzen auch komplett neu ziehen. Gerade in Ballungsräumen wie dem Rhein/Main-Gebiet oder der Region Mannheim/Ludwigshafen - die heute noch von Landesgrenzen durchschnitten werden - würde das durchaus Sinn ergeben. "

Und am Rande des Ballungsraums würde man dann wieder zerschneiden. Das ist ein Nullsummenspiel. Auf den Selbstwiderspruch bezügl. Mannheim/Ludwigshafen hat mma schon hingewiesen.

@Ralf
"Aber die angeblich errechnete Höchstgröße von 18 Millionen ist völlig unglaubwürdig. Da will man offensichtlich nur vermeiden zum Schluß zu kommen, daß NRW eigentlich zu groß ist, um als Bundesland effizient arbeiten zu können."
Richtig. Die Quersubventionierung des Ruhrgebietes durch andere Landesteile hat den dortigen Strukturwandel lange verzögert. Auch in anderen Landesteilen gab es Strukturprobleme (z.B. die früher recht große Textilindustrie und - wie überall - die Landwirtschaft). Aber dort wurden nicht, wie im Ruhrgebiet, überkommene Strukturen mit Gewalt konserviert.


Die Zahl und Größe der Länder ist nicht das eigentliche Problem, sondern fehlender Wettbewerb. Die Länder sollten sich ganz oder überwiegend über eigene Steuern finanzieren und deren Höhe auch selbst bestimmen. Das funktioniert in den USA, Kanada und der Schweiz gut. Der so entstehende Steuerwettbewerb führt automatisch zu viel mehr Druck, Geld effizient einzusetzen.

Aber Wettbewerbsföderalismus ist für die meisten Länder ein Schreckgespenst. Einige Landesregierungen müßten auch wirklich Angst haben, an ihren Leistungen gemessen zu werden.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Freitag, 09. März 2007 - 17:58 Uhr:   

An Thomas Frings' Bemerkung anknüpfend liesse sich auch einmal auf die Unterschiede unter den Ländern schauen. Z. B. dürfte in der Schweiz das Verhältnis zwischen dem bevölkerungsreichsten und dem bevölkerungsärmsten Kanton so etwa bei 1:100 liegen.
In den USA gibt es einige Staaten, die eine kleinere Bevölkerung haben als die beiden grössten Schweizer Kantone, hingegen gibt es mit Kalifornien und New York zwei Staaten, die grösser sind als viele souverände Staaten der Welt.
Betrachtet man andere Unterschiede, so gibt es auch da sehr grosse Spannweiten: Staaten wie Alaska, New Mexico oder Texas sind eigentliche Flächenstaaten, Maryland oder Maine sind schon eher überschaubar. Klimatisch haben Staaten wie Nevada, Florida, West Virginia oder New Hampshire kaum etwas gemeinsam. Einmal ganz davon abgesehen, dass in verschiedenen Teilen der USA selbst verschiedene Grundnahrungsmittel vorherrschen; Neben Brot-Staaten gibt es auch Mais-Staaten, vorwiegend als Grütze, aber auch Bohnen-Staaten und Steak-Staaten (respektive BBQ-Staaten) usw.
In der Schweiz finden sich solche Extreme gerade nicht, aber doch auch erhebliche Unterschiede: Ein Kanton wie Bern umfasst geographisch so ziemlich alles, was es in der Schweiz gibt (sogar ein fossiles Korallenriff!); hingegen Kantone wie Uri oder Glarus sind im Grunde nur einzelne grosse Täler. Zudem wird das Land auch noch von drei deutlichen Sprachgebieten durchzogen.
Man könnte noch weitere Kriterien untersuchen, interessant wäre etwa die Verbreitungsgebiete der frühen Industrie zu betrachten. Aber ich will nur andeuten, was so alles an Unterschieden im Spiel sein kann.
Entgegen aller abstrakten Berechnungen ist es ja eben so, dass ein Giganten-Staat wie Kalifornien chronische Finanzprobleme hat, wohingegen "Zwergstaaten" ganz gut dastehen und auch ihre Aufgaben ebensogut erfüllen wie die grossen.
Trotz solcher viel krasserer Differenzen geht es also seit jeher in den USA auch, und ebenso in der Schweiz.
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mma
Veröffentlicht am Sonntag, 11. März 2007 - 17:52 Uhr:   

Mal etwas radikaler:

Ist es grundsätzlich überhaupt legitim, dass Länder, die sich zu einem Bundesstaat zusamengeschlossen haben, durch Bundesgesetz oder bundespolitische Entscheidungen ihre Selbständigkeit verlieren?

Die Bundesrepublik ist eindeutig kein Staat, der sich von oben her aus irgendwelchen politischen Bedürfnissen eine Förderalgliederung gegeben hätte und diese im Lichte neuer Erkenntnisse wieder abschaffen könnte; nein, alle Mitgliederaufnahmen von 1867 (zum Vorvorgänger) bis 1990 betrafen Länder mit Staatsqualität.

Handelt es sich bei der Regelung in Art. 29 evtl. nur um eine historisches Relikt, das der Atmosphäre im Vierzonendeutschland, nur zwei Jahre nach der endgültigen Auflösung Preußens, geschuldet ist, aber in einer jahrzehntelang geltenden Verfassung gar nichts zu suchen haben sollte? Die Bereitstellung der im GG ansonsten verpönten Plebiszite für Neugliederungsfragen spräche doch auch dafür, dass die "Väter und Mütter der Verfassung" in Art. 29 ein systemfremdes Element gesehen haben.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 12. März 2007 - 09:21 Uhr:   

@mma:
> Ist es grundsätzlich überhaupt legitim, dass
> Länder, die sich zu einem Bundesstaat
> zusamengeschlossen haben, durch Bundesgesetz
> oder bundespolitische Entscheidungen ihre
> Selbständigkeit verlieren?
Die juristische Seite kann ich nicht wirklich beurteilen, teile aber die Skepsis.
Auf jeden Fall wäre eine Zwangsfusion durch die Zentrale politisch unvorstellbar.

Umgekehrt stellt sich die Frage, ob es eigentlich innerhalb eines Bundeslands Sezessionen geben dürfte.

Mal abgesehen von einer denkbaren Ost-West-Aufteilung Niedersachsens oder der Wiederbelebung Badens bzw. Würtembergs wäre ja NRW ein Aufteilungskandidat.

Und noch stärker sind die Argumente für ein selbständiges Bundesland Franken - da wäre alles da: Ordentliche Größe, historische Tradition, vernünftige geographische Abgrenzung.
Es ist aber kaum vorstellbar, daß "Altbayern" das zulassen würde.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 12. März 2007 - 14:10 Uhr:   

Bin auch kein Experte, aber ich glaube, die staasrechtliche "Fiktion" sieht so aus:

Es haben sich in Deutschland einst souveräne Länder freiwillig zu einem Bund zusammengeschlossen, dem sie bestimmte Souveränitätsrechte abgetreten haben.
Es sind aber nach wie vor die Länder, die den Bund "tragen" - und nicht umgekehrt.

Die Länder haben außerdem innerhalb ihrer Grenzen aus eigener Souveränität gewisse Gebietskörperschaften geschaffen (Gemeinden, Kreise, Bezirke).
Diese könnten jederzeit auch wieder abgeschafft werden.

Es wäre daher staatsrechtlich möglich, dass Bayern die fränkischen Regierungsbezirke auflöst und eine reine Zentralverwaltung schafft.
Ebenso ist es möglich, dass Bayern eine Vereinigung mit anderen Ländern betreibt oder einzelne Gebiete in die Selbständigkeit entlässt (so etwas kommt in der Welt der souveränen Staaten ja auch gelegentlich vor).
Unvorstellbar ist es aber, dass Bayern gegen seinen Willen aufgelöst wird oder auch nur Gebiete verliert.
Ich vermute daher, dass eine Sezession Frankens (selbst wenn sie bei einer Volksberfragung eine Mehrheit in Franken hätte) nur dann möglich ist, wenn auch Bayern insgesamt (ggf. per Volksbefragung) zustimmt.

Soweit die Theorie.
In der Praxis sieht es so aus, dass Altbaiern (mit ai bitte schön) sich einer starken fränkischen Unabhängigkeitsbewegung politisch kaum widersetzen könnte.

Wobei man nicht vergessen darf, dass es auch in Franken starke "staatstragende" Elemente für den bayerischen Staat gibt.
Das ganze "moderne Bayern" einschlie0lich dem Hang zum Zentralismus wurde unter Montgelas und Nachfolgern mit fränkischer Rückendeckung gegen eine klare altbairische Mehrheit geschaffen.
Ich kenne keine Statistik, aber ich würde vermuten, dass die Franken in der bayerischen Ministerialbürokratie noch immer spürbar überrepräsentiert sind.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 12. März 2007 - 17:19 Uhr:   

@Florian:
Erst einmal bemerke ich, daß Du genauso von den Serverproblemen (doppeltes Posting) betroffen warst wie ich ...

Dann gebe ich Dir recht in der juristischen Bewertung.

Dissens aber bei der Schreibweise: Die neue Schreibung mit Y bezieht sich m. E. auch auf Formen wie "Altbayern".

Wie stark eine fränkische Seperationsbewegung sein müßte, um vom restlichen Bayern anerkannt zu werden, wäre eine interessante Frage.
Die Wahrscheinlichkeit dafür ist natürlich minimal, wäre eigentlich nur denkbar, wenn das ganze Thema anläßlich Neugliederungen in anderen Ländern aufs Tapet käme.
Nach meinen Erfahrungen identifizieren sich die meisten Franken mit Bayern, weil sie es als erfolgreich im Vergleich mit anderen Bundesländern empfinden. Und sind doch auch unzufrieden wegen des Münchner Zentralismus.

Das entscheidende Problem dürfte eigentlich nur sein, eine Bewegung überhaupt in Gang zu kriegen. Es fehlt sozusagen der "Leidensdruck", der größeres Engagement freisetzen könnte.
Gäbe es aber eine allgemeine Volksabstimmung dazu, würde ich in Franken eine recht klare Mehrheit erwarten - es gäbe wenig Argumente, auf ein eigenes Bundesland zu verzichten.

> Das ganze "moderne Bayern" einschlie0lich dem
> Hang zum Zentralismus wurde unter Montgelas und
> Nachfolgern mit fränkischer Rückendeckung gegen
> eine klare altbairische Mehrheit geschaffen.
Das ist natürlich richtig und irgendwo auch witzig - aber weitgehend unbekannt.

Für eine aktuelle Diskussion wäre das völlig irrelevant.
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mma
Veröffentlicht am Montag, 12. März 2007 - 17:41 Uhr:   

"Die Länder haben außerdem innerhalb ihrer Grenzen aus eigener Souveränität gewisse Gebietskörperschaften geschaffen (Gemeinden, Kreise, Bezirke).
Diese könnten jederzeit auch wieder abgeschafft werden."

Einzelne davon können sicherlich aufgelöst, fusioniert etc. werden, aber Art. 28 GG I 2, der in Gemeinden und Kreisen Volksvertretungen vorschreibt, wird m. W. meist so verstanden, dass es eben auch solche Gemeinden und Kreise generell geben muss, weil ja die Garantie sonst ins Leere ginge.

Über die Aussage, dass die Länder Gemeinden geschaffen haben, könnte man auch diskutieren: Für eine in der Gebietsreform geschaffene Gemeinde trifft das durchaus zu, aber für eine jahrhundertalte Stadt?
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mma
Veröffentlicht am Montag, 12. März 2007 - 17:56 Uhr:   

"Und noch stärker sind die Argumente für ein selbständiges Bundesland Franken - da wäre alles da: Ordentliche Größe, historische Tradition, vernünftige geographische Abgrenzung."

In jedem Fall auch nicht.
So wurde in den Siebzigerjahren etwa der Raum Eichstätt von Mittelfranken nach Oberbayern umgegliedert.
Und der Raum Aschaffenburg wird erst seit der Nazizeit zu Franken gerechnet, denn vorher hieß der damalige Kreis und heutige Regierunsgbezirk extra umständlich "Unterfranken und Aschaffenburg" (ab 1938 dann Mainfranken und ab 1946 Unterfranken). Die könnten dann etwa bei einer Loslösung von Bayern gleich zu Hessen gehen.
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Florian (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 13. März 2007 - 12:34 Uhr:   

@ R.Arnemann:

Zur Schreibweise:
Wikipedia schreibt: "Altbayern (häufig auch Altbaiern)".
In so fern würde ich sagen: wir haben beide recht.
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(Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Mittwoch, 14. März 2007 - 17:13 Uhr:   

@ Florian:

Die Länder tragen nicht den Bund. Die Bundesrepublik ist ein Bundesstaat, kein Staatenbund. Das heißt, dass mit dem Zusammenschluss der einzelnen Gliedstaaten eine eigenständige neue staatliche Ebene geschaffen wurde: die Bundesebene. Diese hat in ihrer Bundesverfassung, dem Grundgesetz, in Art. 29 ein besonderes Verfahren zur Länderneugliederung geschaffen, das eine Entscheidung durch Bundesgesetz vorsieht. Also ist der Bundesebene die Kompetenz zugewiesen, eine Entscheidung notfalls auch gegen den Willen der jeweiligen Landesorgane herbeizuführen. Zu beachten ist aber der obligatorische Volksentscheid.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Donnerstag, 15. März 2007 - 08:50 Uhr:   

(Süd-)Baden wurde aufgrund einer Sonderbestimmung im GG sogar gegen den Willen von 62,2% der Abstimmenden Baden-Württemberg eingegliedert.
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hhk (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 20. März 2007 - 13:16 Uhr:   

Da ich in meinem Studium mal eine Hausarbeit zum Thema geschrieben habe, kann ich vielleicht auch was beitragen. Vorab: je mehr ich mich damit beschäftigte, umso skeptischer wurde ich.

Der ursprüngliche Text des GG sah eine Länderneugliederung binnen 3 Jahren vor (diese Bestimmung wurde erst 1969 gestrichen!), wobei diese – große Ausnahme im GG – tatsächlich durch eine bundesweite Volksabstimmung bestätigt werden sollte. Nicht nur die Bundesrepublik, auch ihre Länder wurden 1948/49 als Provisorien angesehen.

Für die Neuregelung gab es von Anfang an sich widersprechende Leitbilder, nämlich die der landsmannschaftlichen Verbundenheit und wirtschaftlicher/funktionaler Zweckmäßigkeit, die niemals in einem Gesetz näher geklärt wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat dann später in diversen Urteilen die Zulässigkeit von Volksentscheiden zur Wiederherstellung der alten Länder des Deutschen Reiches erklärt. (Zentral das „Altbadenurteil“ 1956, ob da der Amtsitz Karlsruhe eine Rolle gespielt hat?) So hat es noch Anfang der 70er Jahre erfolgreiche Volksentscheide zur Wiederherstellung Oldenburgs und Schaumburg-Lippes (70 000 Einwohner!) gegeben. Sie wurden per Bundesgesetz einfach annulliert.

Aber im Prinzip ging die Politik der 50er bis 70er Jahre mit dem Thema nur taktisch um.
Beispiel:„Adenauer war schon am 23.10.1952 für den Südweststaat (Baden-Württemberg) gewonnen. Nach Maiers [Ministerpräsident von Württemberg-Nordbaden] Koalition gegen die CDU überrascht und verärgert, war er kurzfristig sogar bereit, Baden wiederherzustellen. Als der Rücktritt Maiers erfolgte, war der Kanzler jetzt wieder für den Südweststaat gewonnen." (Zitat: Der überspielte Volkswille, Robert Albiez) Entscheidend für Adenauer waren die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat, sonst nichts.

Baden- Württemberg wurde bekanntlich auf Grundlage eines anderen Paragrafen geschaffen, Art. 118 GG. Der „Erfinder“ dieses Paragrafen, Theodor Eschenburg, war entsetzt als er den Entwurf des eigentlichen Länderneugliederungs-Art. 29 sah. Der damalige Innen-Staatssekretär von Württemberg-Hohenzollern titulierte ihn spontan „Neugliederungs-Verhinderungsartikel“ und schrieb einem befreundeten Mitglied des parlamentarischen Rates auf einen Zettel in der Lobby den Entwurf einer Sonderregelung, der - fast unverändert – zum Art. 118 GG wurde. Nach 1990 ist er dann für Berlin-Brandenburg umgeschrieben worden.

Der Hauptfehler des Art. 29 lag nach Eschenburgs Meinung darin, dass er nur eine bundeseinheitliche Regelung vorsah, Baden-Württembergs Schicksal also von einer Einigung für den Norden, für das Rhein-Main-Gebiet etc. abhängig gemacht wurde. In der juristischen Literatur dazu findet sich das Argument von der „eleganten“, „kohärenten“, „systematischen“ Lösung, der der Vorzug vor „partikularen“ Teillösungen gegeben wird. Ich finde, somit schießen sich die Befürworter der Neugliederung selbst ins Knie. Wenn die Chance einer Länderfusion je bestand (BaWü; BB), hat man ja immer lieber den Art. 118 genommen!

Die Krux des Art.29 liegt m.E. darin, dass er eine Reformbedürftigkeit feststellt, aber keine wirksamen Instrumente bereitstellt, das (unzureichend) definierte Ziel zu erreichen; oder (in der alten Fassung) erlaubte, Volkentscheide durchzuführen sie aber anschließend kraft
einfachen Gesetzes zu ignorieren. Die letzte Fassung von 1976 hat durch die Kompliziertheit seiner Abstimmungsregelungen Eschenburgs Urteil noch richtiger gemacht.
}
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hhk (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 20. März 2007 - 13:35 Uhr:   

Sehr informativ zum Thema: Susanne Greulich: Länderneugliederung und Grundgesetz : Entwicklungsgeschichte und Diskussion der Länderneugliederungsoption nach dem Grundgesetz . Baden-Baden 1995

Die so genannte Ernst-Kommision hat Anfang der 70er Jahre ein ausgefeiltes Konzept vorgelegt. Dabei legte sie die Vorstellung von Ländern als Zweckverbände zugrunde. Notwendige Größe und Leistungsfähigkeit der Länder ergab sich aus errechneten Funktionsgrößen. Die wichtigsten:
-Wirtschaftlich arbeitende Ministerialorganisation: ca. 4,7 Mio
-Hochschulen: mind. 3,9 Mio
-Wirtschaftsstrukturverbesserung: ca. 6,1 Mio
-Oberfinanzdirektion: über 4 Mio
-Oberverwaltungsgerichte: 6,6 Mio
-Landesarbeitsämter: 5 Mio
Aber auch Bundesbehörden wurden zur Bestimmung herangezogen, z.B. die Bundespost, die Bundesbahn und die Bundeswehr sowie Landesrundfunkanstalten.

Jubilar Genscher, der sie als damaliger Innenminister ins Leben rief, schreibt sinngemäß in seinen Memoiren: „Ich war fest überzeugt, die zu erwartenden Ergebnisse nicht umzusetzen“
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 20. März 2007 - 17:16 Uhr:   

@hhk:
Sehr interessante Zahlen.
Das sind zum ersten Mal Thesen, die ich ernst nehmen kann, weil da nicht nur am Stammtisch "klein ist leistungsschwach" behauptet wurde, sondern offenbar echte Strukturüberlegungen dahinter stehen.

Wo das Optimum für eine "wirtschaftlich arbeitende Ministerialbürokratie" liegt kann ich nicht beurteilen.

Bei den Hochschulen muß es m. E. keine volle Landschaft mit Volluni, FHs etc. sein, da würde auch weniger gehen.

Bei der "Wirtschaftsstrukturverbesserung" sehe ich keine echte Mindestgröße, diese Vorstellung scheint mir 70er-Jahre zeitgebunden zu sein.

Oberfinanzdirektion könnte passen.

Bei Oberverwaltungsgericht und vor allem den Bundesbehörden gilt, daß da durchaus benachbarte Bundesländer gemeinsam etwas machen können, ohne ihre Selbständigkeit aufzugeben.

Als Fazit würde ich vermuten, daß für viele Dinge das Optimum bei 3-5 Millionen liegt, die Abweichungen im Bereich 1-7 Millionen bei der Behördeneffizienz etc. aber noch tragbar sind.

Mal umgekehrt vom Bürger aus gesehen (ein unüblicher Blickwinkel bei solchen Diskussionen) sind Länder dann zu groß, wenn man zu lange von der Provinz in die Landeshauptstadt reisen muß.

Die meisten Bundesländer wären dann also durchaus vernünftig proportioniert, einige klar zu groß, und nur das Saarland und vielleicht Bremen etwas zu klein.
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hhk (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Montag, 26. März 2007 - 18:26 Uhr:   

@Ralf Arnemann
Die Ernst-Kommission hat daraus nicht die maximale Größe von 7 Millionen und die Aufteilung der Großen geschlußfolgert! Wenn ich mich recht erinnere, war die Schaffung eines Nordstaates (in der Diskussion seit 1945) und der Zusammenschluss SA/RhP/HE vorgeschlagen. Die territorialen Verhältnisse im mittleren Rheingebiet sind bekanntlich durch die Zonengrenzen (vor allem durch nachträgliche Éinrichtung der französischen Zone Juli 45) völlig umgekehrt worden.

Die Schaffung Baden-Württembergs hat dadurch ja erst den richtigen Drive bekommen. Rheinland-Pfalz galt als das Kunstprodukt schlechthin (diverse Heimatbünde haben auf Grundlage des alten Art. 29 GG ca. ein Dutzend Volksbegehren bis 1976 gestartet, alle erfolglos)

Die Diskussion über die "harten" und "weichen" Kriterien verdeckt aber das grundlegende Kriterium für funktionierenden Föderalismus: Er kann gut mit vielen kleinen Ländern existieren, aber wenn es von der Dominanz eines Gliedstaates geprägt wird, ist es automatisch ein "halber", unvollständiger", "unechter" Föderalismus. Das Beispiel in der deutschen Geschichte dafür ist natürlich Preußen. Mit seiner Auflösung und der Eliminierung vieler En-und Exklaven sind funktional die eigentlichen Defizite behoben worden. Im Deutschen Reich Verhältnis Kleinster Gliedstaat zum Größten: 1:800; in der Bundesrepublik: 1:32}

Sehr gut funktioniert Föderalismus übergroßen Ländern übrigens, wenn sie Gegengewichte haben: Bayern und Nordrhein-Westfalen in Deutschland; New York und Kalifornien in den USA; Kantone Bern und Zürich in der Schweiz}
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 27. März 2007 - 09:54 Uhr:   

@hhk:
> Die Ernst-Kommission hat daraus nicht die
> maximale Größe von 7 Millionen und die
> Aufteilung der Großen geschlußfolgert!
Das glaube ich gerne - das wäre ja politisch inopportun gewesen, und Experten sollen ja immer nur bestätigen, was die Auftraggeber haben wollen.

Der Punkt ist aber: Wenn man wie diese Kommission über theoretisch sinnvolle Ländergrößen philosophiert, dann müßte - falls man sich traut die Logik auch folgerichtig anzuwenden - am Ende eine Zerschlagung mindestens von NRW rauskommen.

Man muß sich halt entscheiden: Wenn man Föderalismus mit historisch gewachsenen Ländern will, dann muß man auch Bremen und das Saarland akzeptieren.

Und wenn man Föderalismus am grünen Tisch entwerfen will - dann kommen eben nicht nur Fusionen raus, wie das diverse Neugliederer glauben.

Und wie ich schon mehrfach schrieb: Ich halte das alles für eine Geisterdiskussion, immer wieder angetrieben von profilneurotischen Politikern, die sich nicht mit den eigentlichen Problemen beschäftigen wollen.
Eine reale Umsetzungschance gibt es für Länderneugliederungen nicht.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Dienstag, 27. März 2007 - 12:33 Uhr:   

Reale Chancen haben solche Projekte immer dann, wenn "der Schuh drückt". Ich wage aber zu bezweifeln, dass ein Grossteil der deutschen Bevölkerung einschliesslich der Politiker ein wirklich wehtuendes Drücken im Schuh verspüren, soweit es um die Ländergrenzen geht.
Noch weiter die Logik zu Ende gedacht müsste sich eigentlich ergeben: Wenn es denn wirklich so ist, dass Länder funktional durch bestimmte Grössenfaktoren bestimmt und aus diesen "kosntruierbar" sind, dann müsste dieser Prozess alle paar Jahre wiederholt werden, mindestens dann, wenn sich grössere Bevölkerungsverschiebungen (Binnenwanderungen, Bevölkerungswachstum oder -schwund) ergeben haben (vgl. Wahlkreiszuschnitt). Ja, auch die Kriterien selbst müssten laufend oder doch periodisch überprüft werden, denn auch der Einfluss von Strukturfaktoren kann sich ändern, man denke nur ans Verhältnis zwischen Kommunikationstechniken und Transportwesen. Wann immer sich grössere Veränderungen ergeben, müsste man dann konsequenterweise die Länder neu umgrenzen und ggf. auch deren Zahl verändern. Je nach Prognose, wie schnell sich solche Veränderungen einstellen, bekäme man dann einen Zeithorizont von 10 bis 20 Jahren für die Neukonstruktion der Länder-Landschaft. Dass jemand dies realistischerweise wollen kann, glaube ich kaum.
Im übrigen meine ich auch, dass die "übergrossen" Länder kaum ein Problem darstellen und nicht mit Preussen verglichen werden sollten: Preussen umfasste immerhin mehr als ein Drittel Deutschlands, Kalifornien hingegen bringt es auf etwas um die 10% der Bevölkerung der USA, Zürich und Bern zusammen auf etwa einen Viertel der Bevölkerung der Schweiz (der Fläche nach ist Bern hinter Graubünden nur der zweitgrösste Kanton, Zürich steht territorial noch weiter hinten in der Rangliste). Wir haben es beim ehemaligen Preussen also mit ganz andern Dimensionen zu tun.
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mma
Veröffentlicht am Dienstag, 27. März 2007 - 17:33 Uhr:   

Was wäre eigentlich von einer Verfassungsbestimmung zu halten, die vorschreibt, ihren Geltungsbereich neu zu gliedern, gg. auch durch die Zentrale gegen die Mehrheit in einem betroffenen Gebiet
- und sich in der aktuell zu schaffenden EU-Verfassung befände?
Da könnte man doch auch so viel Geld sparen, Wettbewerb stimulieren, und manche der Länder (Slowenien, Estland und, ach ja, Deutschland auch) sind in ihren heutigen Grenzen doch historisch betrachtet noch ganz jung ...
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Marc K.
Veröffentlicht am Dienstag, 27. März 2007 - 18:06 Uhr:   

@mma,

es gibt keine EU-Verfassung und es wird auch keine mehr geben. Inzwischen hat das sogar Frau Merkel verstanden.
Es wird keinen europäischen Bundesstaat geben, sondern ein Europa der Nationen und Regionen.
Und das ist auch gut so.
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hhk (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 27. März 2007 - 18:30 Uhr:   

@ ralf Arnemann

grundsätzliche Zustimmung, aber: das war kein Gefälligkeitsgutachten, sondern die Schritte von den Kriterien zu den Vorschlägen samt Alternativen sind transparent offengelegt worden. Sie kamen nur viel zu spät, als sich die Bundesländer längst konsolidiert hatten. Diese ganze Debatte ist übriggeblieben, weil sie nicht mit der großen Finanz- und Föderalismusreform 1969 geklärt wurde. Es ist nicht einfach Profilneurose, bei diesem Thema befällt sie übrigens vorrangig Wissenschaftler (Juristen und Ökonomen), Politiker nur am Rande. Irgendwie übriggeblieben wirkt auch der Art.29 aus dem sich diese unfruchtbare Diskussion sich speist, der sollte einfach gestrichen werden. Da die Stadtstaatenproblematik eine erwartbar andauernde ist (und dies vor Ort - von Bremen mal abgesehen - mehrheitlich so gesehen wird), sollte hierfür der Art.118 als konkret formulierter Spezialfall bleiben.

Wie Wettbewerbsföderalismus mit am grünen Tisch zusammengeschneiderten Bundesländern funktionieren soll, wie seine Befürworter meinen, ist mir auch schleierhaft. Denn Akzeptanz von Niveauunterschieden verlangt ein gewisses Maß an Staatsbewusstsein und Loyalität, welches - wenn überhaupt! - am ehesten noch in historisch gewachsenen (und d.h. in den seit 60 bzw. 17 Jahren existierenden Bundesländern) erwartet werden kann.

@Philipp Wälchli
"der Schuh" drückte in der Tat nur in der unmittelbaren Nachkriegszeit, dann hatten sich die meisten an die neuen Länder gewöhnt. Die Problematik, dass Richtgrößen - und deren Bedeutung - sich ändern, lässt in der Tat nur zu größter Vorsicht raten. Unglaublich, dass Länder wie Irland (4,2 Mio E) und Finnland (5,3 Mio E)wirtschaftlich so erfolgreich sein können, wo sie doch von deutschen Wissenschaftlern errechnete Mindestgrößen zum Teil deutlich unterschreiten!

zum Verhältnis großer und kleiner Länder: Es geht hier nicht um den nackten Prozent-Anteil, sondern darum, wie sich das politische Verhältnis und die Zusammenarbeit zwischen den Gliedstaaten einerseits und zwischen Gliedstaaten und Bund andererseits gestaltet. Da spielen größere Länder nun mal lauter auf als kleinere. In der Bundesrepublik haben die beiden größten, Bayern und NRW, übrigens zusammen 37% Bevölkerungsanteil. In den USA hat sich das Größenverhältnis verschoben (ich hab noch mal nachgeschaut), entscheidend scheint mir aber, dass es in jeder Großregion einen großen State gibt, der eine gewisse Sprecherfunktion einnimmt (Kalifornien für den Westen, Texas für den Süden, New York für den Osten), zusammen dann 26%. Bei der Schweiz will ich mich vor dem Experten nicht nassmachen, glaube aber, dass es dort ähnlich funktioniert; immerhin übernehme ich die ganze Argumentation eines Schweizer Wissenschaftlers (Name kann ich auf Wunsch gerne nachreichen), der dies explizit für Zürich und Bern so erwähnte

Ich gebe zu: das Beispiel Preußen ist extrem (es hatte nach Fläche und Einwohnern einen Anteil zwischen 61 und 65 Prozent), es ist in unserem Zusammenhang aber wichtig, weil sich in der Weimarer Republik die Vorstellung in deutschen Köpfen festsetzte, staatsrechtliche Konstruktionsprobleme ließen sich über territoriale Änderungen beheben. Das die Regelungen der Besatzungszeit die eigentliche Lösung und nicht Teil des Problems sind, ist freilich noch nicht so verbreitet. Da können wir hier ja zu beitragen.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 27. März 2007 - 18:45 Uhr:   

Bei einer näheren Betrachtung von mehreren der nacheinander durchgeführten und durchaus ja sehr umstrittenen und drastischen Gebietsreformen in Deutschland sieht manches auch eher nach Selbstbefriedigung der Macher aus.

So werden nach der laufenden bzw. nächsten Reform der Landkreise in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern die dann existierenden Landkreise eine Größe bekommen, bei der jeweils etwa zwei Landkreise ein alter Bezirk der DDR sind. Dann hätte man die auch lassen und einfach in "Landkreise" umbenennen und neue Funktionen zuweisen können.

Der jetzige Landkreis bzw. "Region" Hannover entspricht von der Größe und Einwohnerzahl einem durchschnittlichen der bis 1974 existierenden niedersächsischen Regierungsbezirke. Seine Mitgliedsgemeinden sind ziemlich genau so groß wie ein halber alter Landkreis. Diese Umgliederungen hätte man auch einfacher und billiger haben können, zumal die entsprechenden Funktionen und Aufgaben immer in der Gegenrichtung umverteilt werden, nämlich von oben nach unten.
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Good Entity (Unregistrierter Gast)
Veröffentlicht am Dienstag, 27. März 2007 - 19:05 Uhr:   

Bei einer näheren Betrachtung von mehreren der nacheinander durchgeführten und durchaus ja sehr umstrittenen und drastischen Gebietsreformen in Deutschland sieht manches auch eher nach Selbstbefriedigung der Macher aus.

So werden nach der laufenden bzw. nächsten Reform der Landkreise in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern die dann existierenden Landkreise eine Größe bekommen, bei der jeweils etwa zwei Landkreise ein alter Bezirk der DDR sind. Dann hätte man die auch lassen und einfach in "Landkreise" umbenennen und neue Funktionen zuweisen können.

Der jetzige Landkreis bzw. "Region" Hannover entspricht von der Größe und Einwohnerzahl einem durchschnittlichen der bis 1974 existierenden niedersächsischen Regierungsbezirke. Seine Mitgliedsgemeinden sind ziemlich genau so groß wie ein halber alter Landkreis. Diese Umgliederungen hätte man auch einfacher und billiger haben können, zumal die entsprechenden Funktionen und Aufgaben immer in der Gegenrichtung umverteilt werden, nämlich von oben nach unten.
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Mittwoch, 28. März 2007 - 12:14 Uhr:   

In Sachen EU ist die Lage eigentlich klar: Die Träger der staatlichen Souveränität sind bis auf weiteres die Mitgliedsländer, also ist es auch nicht möglich, dass "die Zentrale" (wer immer das sein sollte) gegen die Mehrheit der Betroffenen neue Grenzen zieht.
Eine EU-Verfassung hat es ohnehin nie gegeben, denn die sogenannte EU-Verfassung ist nichts anderes als ein völkerrechtlicher Vertrag, dem man nur den Titel "Vertrag über eine Verfassung der EU" gegeben hat.

Was ein Staat wie Deutschland intern macht, ist nach wie vor seine Sache. Und da kennt ja Deutschland das Prinzip der Ewigkeitsgarantie, die sich auch auf den föderalen Staatsaufbau bezieht. D. h. es ist nicht erlaubt, in Deutschland eine Staatsform zu schaffen, die die Länder zu Provinzen degradiert. Ich habe einmal aus einer wohlmeinenden Feder gelesen, dass eine französische Region oder eine italienische Provinz eine eigenständigere Landwirtschaftspolitik führe als ein Schweizer Kanton. Dies mag zutreffen, doch sektorielle Betrachtungsweise führt immer nur zu sektoriellen und somit nicht aufs Ganze zutreffenden Ergebnissen.
Eine französische Region verdankt ihren Bestand einer Entscheidung des Zentralstaates, der den Regionen auch gleich vorschreibt, wie sie organisiert sind, welche Aufgaben und Kompetenzen ihre Organe haben, welche Steuern sie ggf. erheben dürfen usw. Gleicherweise bestimmt ein Gesetz, welche Provinzen es in Italien gibt, wie diese organisiert sind, was sie dürfen bzw. müssen, wie sie finanziert werden usw. In Spanien läuft es ein wenig anders: Dort müssen die autonomen Regionen und der Zentralstaat dem jeweiligen Autonomiestatut beide zustimmen, dieses muss also zwischen Regionalvertretung und Zentralstaat ausgehandelt werden.
Ein deutsches Bundesland verdankt seine Existenz hingegen nicht einer Entscheidung des Bundes, es ist einfach "da". (Natürlich, ich höre diesen Einwand schon, wurden die "neuen" Bundesländer durch den Gesetzgeber geschaffen - aber eben durch jenen der DDR und nicht der BRD.) Der Bundesgesetzgeber kann die Länder auch nicht einfach aufheben oder selbstherrlich neu umschreiben. Vielmehr hat ein Bundesland selbst die Hoheit, sich eine Verfassung zu geben, die seine Organisation bestimmt, Staatsziele und Kompetenzzuweisungen vornimmt usw. Ein Bundesland kann sich ein eigenes Wappen geben, eine Landeshymne usw. (Beim Bund ist übrigens umstritten, ob und wenn ja wer die Kompetenz hat, eine Nationalhymne zu bestimmen. Die heutige Regelung verdankt ihren Bestand hauptsächlich der Tatsache, dass nie Einspruch erhoben wurde.) Natürlich gelten auch für Bundesländer Grenzen, die das GG setzt. Diese greifen aber nur beschränkt in seine Autonomie ein, insoweit es notwendig ist, die Kompetenzen der Länder untereinander und gegenüber dem Bund abzugrenzen. Ohne Zustimmung des Bundesrates, und dies heisst: der Landesregierungen, kann aber der Bund nicht einmal Bundeszwang ausüben.
Weshalb führe ich dies alles aus? Gewiss nicht darum, um mit staatsrechtlichem Grundwissen zu trumpfen, sondern um etwas deutlich zu machen:
Es ist eine Sache, Grenzkorrekturen vornzunehmen, etwa durch ein Infrastrukturprojekt nötig gewordene Grenzverschiebungen vorzunehmen, so dass nicht gerade die Polizeihoheit mitten durch eine Autobahn verläuft und bei einem Unfall auf der linken Spur das Land A, bei einem auf der rechten Spur Land B zuständig wäre. Auch das Verschieben einer Gemeinde von einem zu einem andern Land ist keine weltbewegende Sache.
Sobald man jedoch damit anfängt, die Zahl der Länder zu ändern und gänzlich neue Einheiten zu bestimmen, muss in einem föderalen System jeweils ein Prozess neu beginnen, der sehr aufwendig und kostspielig ist: Die Verfassungsgebung.
Jedes neu geschaffene Land muss eine neue Verfassung erhalten. Dies ist schlicht zwingend, denn die Verfassung gibt ja z. B. vor, welche Aufgaben die Gemeinden, die Kreise, Bezirke u. dgl. und das Land selbst erfüllen, ausserdem die Organisation des Landes selbst, z. B. die Grundzüge des Wahlverfahrens. Auch wenn es zwischen den heutigen Ländern nicht in allem grosse Unterschiede gibt, so sind diese doch vorhanden und müssen in einer neuen Einheit - eben ver-einheit-licht werden. Sogar wenn man ein kleiners Land in ein grösseres "fusioniert", braucht es diese Überleitung der Strukturen. Wenn man schliesslich zwei etwa gleich grosse oder gar drei und mehr Länder zusammenlegt oder aus Teilen eines Landes zusammen mit Teilen anderer Länder ein neues Land bildet usw., geht es gar nicht anders: Es braucht eine neue Verfassung.
Verfassungen fallen nun aber nicht einfach vom Himmel, sondern bedürfen der Ausarbeitung, in der Regel durch einen Verfassungsrat oder eine vergleichbare Versammlung. Je nach dem braucht es anschliessend eine Ratifizierung durch die beitretenden Länder bzw. deren Parlamente, durch das Landesparlament oder in einer Volksabstimmung. Anschliessend müssen die neuen Parlamente und Behörden des neu gebildeten Landes bestellt werden, diese müssen Ausführungs- und Überleitungserlasse ausarbeiten und in Kraft setzen, die gesamte Verwaltungsstruktur, die Gemeinden usw. müssen den neuen Vorgaben angepasst werden usw.
Das alles kennt man grundsätzlich aus der Wirtschaft, wo die Fusionsprozesse schon zwei und mehr Jahre dauern. Zwei Aktiengesellschaften sind schnell einmal rechtlich fusioniert, die Umsetzung bis in die kleinsten Einzelheiten hinein, das Zusammenwachsen, kann aber dauern.
Vor allem aber: Solches Vorgehen kostet: Zeit, Arbeit und auch Geld.
Im staatlichen Bereich kommt hinzu, dass es eben nicht autoritativ von einer Geschäftsführung, einem Aufsichtsrat o. dgl. dekretiert werden kann, sondern dass es in demokratisch-rechtsstaatlichen Verfahren geschehen muss.
Daher können solche Vorhaben immer nur dann gelingen, wenn in den beteiligten Gebieten die Mehrheit einen "drückenden Schuh" spürt und daher der Wille vorhanden ist, ein solches Unterfangen auch wirklich durchzuziehen.
Man betrachte nur einmal die Situation in der Schweiz: Nirgendwo in Europa sind die territorialen Einheiten so klein. Pleite gegangen ist die Schweiz trotzdem nicht. Bestrebungen, gewisse Fusionen durchzuführen, gab es indessen schon einige. Zu erwähnen sind etwa die Wiedervereinigung der beiden Basel oder eine Vereinigung von Genf mit der Waadt. Beide Vorhaben wären wohl in den verschiedensten Hinsichten durchaus nicht unsinnig. Die Trennung der beiden Basel war ja eher ein historischer Unfall als eine zielstrebige und zielgerichtete Politik. Heute arbeiten beide Kantone in vielen Bereich eng zusammen, weil es nie anders ging. Die formellen und materiellen Hürden sind aber so hoch, dass es trotz zeitweise sehr ernsthafter Bemühungen nicht dazu kam, dass die Fusionen auch zustande kamen. Es gab sogar bereits ausgearbeitete Verfassungsentwürfe, die allerdings nicht in allen Teilen der Bevölkerungen auf Gegenliebe stiessen.
Hätten wir es mit echten Provinzen zu tun, dann könnten wir eine Änderung schlicht dekretieren. Föderale Gliedstaaten, die die deutschen Bundesländer trotz aller gegenteiliger Unkenrufe nach wie vor sind, lassen sich aber nicht ohne hohen Aufwand neu gliedern.
Daher ergibt sich eigentlich aus der Sache selbst zwingend, dass solche Änderungen nur unter besonderen Voraussetzungen machbar und sinnvoll sind.
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mma
Veröffentlicht am Donnerstag, 29. März 2007 - 15:58 Uhr:   

"Diese Umgliederungen hätte man auch einfacher und billiger haben können, zumal die entsprechenden Funktionen und Aufgaben immer in der Gegenrichtung umverteilt werden, nämlich von oben nach unten."

Wo sollen die Politiker und Hobbypolitiker eines Landes, das keine Kolonien mehr hat und außenpolitisch bislang auch nicht so recht Grenzen abstecken durfte, denn sonst ihre Umgestaltungs-, Neugliederungs- und Umbenennungsfantasien umsetzen? Für die Sandkiste sind sie ja wohl zu groß!

Vielleicht sollte man doch nochmal überlegen, ob man nicht Bremen zu Niedersachsen ...
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Donnerstag, 29. März 2007 - 16:25 Uhr:   

@hhk:
> Es ist nicht einfach Profilneurose, ...
Es mag durchaus Leute geben, die sich sehr seriös mit diesem Thema beschäftigen.
Von denen kriegt man nur nicht viel mit.
Wenn irgendwelche Fusionsideen in den Medien verbreitet werden, dann sind es aber m. E. immer profilneurotische Schnellschüsse.

> Da die Stadtstaatenproblematik eine
> erwartbar andauernde ist ...
Ich sehe überhaupt keine Stadtstaatenproblematik.
Im Gegenteil halte ich die Stadtstaaten für sehr vernünftig, weil eine Großstadt eine ganz andere Struktur, ganz andere Probleme, ganz andere Ideen hat als die umliegenden ländlichen Gebiete.

Wenn da diverse Stadtpolitiker sich oft über "Speckgürtel" beklagen, deren Einwohner ihre Steuern im Umland lassen, aber die Infrastruktur der Stadt nutzen - dann kann ich nur sagen: Niemand verpflichtet die Städte, irgendetwas zur Verfügung zu stellen!

Ich kenne die Diskussion aus Frankfurt (die wollen gerne das Umland für ihren Kulturhaushalt anzapfen) und aus dem eigenen Stadtparlament.
Es war und ist aber immer ureigenste Entscheidung der Städte selber gewesen, sich irgendwelche Museen, Theater, Sportarenen zu bauen. Und über diese Einrichtungen wollen sie auch weiter völlig autonom selber entscheiden. Nur bei den Kosten soll plötzlich das Umland ins Boot.
Das wird nicht funktionieren ...
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Philipp Wälchli
Veröffentlicht am Freitag, 30. März 2007 - 09:35 Uhr:   

Solche Probleme der Städte liessen sich über einen Gemeindeverband, der als Träger der betreffenden Einrichtungen funktioniert, durchaus lösen, so dass einerseits das Umland finanziell beteiligt ist, anderseits aber auch über die Verbandsgremien mitbestimmen kann, was läuft oder eben auch nicht läuft.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 30. März 2007 - 10:33 Uhr:   

@Philipp:
Richtig.
Gerade im Fall Frankfurt wäre es durchaus sinnvoll gewesen, VOR den Museumsbauten bei den umliegenden Gemeinden/Landkreisen nachzufragen, wer mitmachen möchte. Mit allen entsprechenden Rechten und Pflichten.
Generell würde ich sagen, daß Verbandsverträge in Zukunft eine größere Rolle spielen werden.

Aber wenn man auf eigene Faust etwas baut und darüber bestimmt, kann man nicht anderen Leuten hinterher eine Rechnung schicken.

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