Restsitzverteilung

[Systemfehler]

Negatives Stimmgewicht durch Restsitzverteilung

Durch die Art und Weise der Restsitzverteilung bei einem Quoten- oder Quasiquotenverfahren können negative Stimmgewichte entstehen, wenn der zweite Verteilungsschritt (eben die Restsitzverteilung) vorteilhafter sein kann, als der erste Verteilungsschritt (die Grundmandatsverteilung).

Ein Beispiel bietet dafür das Wahlsystem zum Landtag in Liechtenstein, bei der die Restmandate nach dem Divisorverfahren mit Abrundung (d’Hondt) verteilt werden, wobei hier allein die Reststimmen zugrunde gelegt.

Bei einer Restmandateverteilung unter Anrechnung der schon zugeteilten Mandate und Zugrundelegung der Stimmen insgesamt ergäbe sich insgesamt das Divisorverfahren mit Abrundung (d’Hondt/Hagenbach-Bischoff). Solch eine Beschreibung enthält das Schweizer Nationalratswahlgesetz.

Allerdings kann dieser Mechanismus negativer Stimmen nicht auftreten, wenn nur drei oder vier Parteien – wie zurzeit in Liechtenstein – im Wahlkreis zur Wahl stehen.

Beispielrechnung – Landtag in Liechtenstein

Es sei angenommen, es träten 6 Parteien an, die die landesweite Sperrklausel überwunden hätten. Im Wahlkreis Unterland sind 10 Sitze zu verteilen. Das Wahlergebnis im Unterland und die Grundverteilung sei (zur rechtlichen Grundlage siehe Art. 55 und 56 VRG):

Wahlvorschlag Stimmen    Grundmandate       Reststimmen
 Partei A	2.999		2		 999
 Partei B	2.400		2		 400
 Partei C	1.450		1		 450
 Partei D	1.400		1		 400
 Partei E	1.400		1		 400
 Partei F	1.350		1		 350
Gesamt 10.999 8

Die Wahlzahl ist in diesem Fall 11.000 Stimmen geteilt durch [10 + 1] Sitze aufgerundet 1.000. Die Zahl der Grundmandate ergibt sich durch Divison der Stimmen mit der Wahlzahl, d. h., Partei A mit 2.999 Stimmen erhält zwei Grundmandate und hat 999 Reststimmen.

Zuteilung der Restmandate

Wenn bei der Grundmandatverteilung nicht alle Mandate verteilt werden, werden die restlichen Mandate nach d’Hondt auf Basis der Reststimmen verteilt. Dazu werden die Reststimmen nacheinander durch 1, 2 usw. geteilt. Bei noch zwei zu vergebenden Mandaten ist die zweitgrößte so ermittelte Zahl die Wahlzahl für die Restmandate.

 
Wahlvorschlag  1.HZ	2.HZ
 Partei A	999	499,5
 Partei B	400	200
 Partei C	450	225
 Partei D	400	200
 Partei E	400	200
 Partei F	350	175

In diesem Fall ist die Wahlzahl 499,5. Jede Wählergruppe erhält so viele Restmandate, als die Wahlzahl in ihrer Reststimmenzahl enthalten ist. Die beiden Restmandate gehen in diesem Fall beide an Partei A.

Wahlergebnis I

Das Endergebnis der Wahl ist damit:

Wahlvorschlag  Stimmen 	Mandate
 Partei A	2999		4
 Partei B	2400		2		
 Partei C	1450		1		
 Partei D	1400		1		
 Partei E	1400		1		
 Partei F	1350		1
gesamt 10999   10   

Wahlergebnis II

Nun betrachten wir ein leicht geändertes Wahlergebnis, bei dem Partei A 10 Stimmen an Partei C verloren habe.

	      Stimmen	Mandate  1.HZ/Reststimmen  
 Partei A	3009	    3		   9		  
 Partei B	2400	    2		 400     
 Partei C	1440	    1+1		 440
 Partei D	1400	    1		 400  	  
 Partei E	1400	    1		 400  	 
 Partei F	1350	    1		 350  	 
 gesamt        10999	    9+1		

Die Wahlzahl ist nach wie vor 1.000. Partei A erhält in diesem Fall drei (statt vorher zwei) Grundmandate. Bei der Restmandatverteilung gibt es nur noch ein zu verteilendes Mandat. Als Wahlzahl ergibt sich 440 (die Reststimmenzahl von Partei C). Das Restmandat geht an Partei C.

Fazit

Beim Vergleich der beiden Wahlergebnisse profitieren Partei A bzw. Partei C jeweils vom schlechteren Wahlergebnis.


Auszug aus dem Wahlgesetz

Quelle: Liechtensteinisches Landesgesetzblatt Jahrgang 1973 Nr. 50 ausgegeben am 23. November 1973: Gesetz vom 17. Juli 1973 betreffend die Ausübung der politischen Volksrechte in Landesangelegenheiten

Art. 55
b) Zuteilung der Mandate an die Wählergruppen

1) Von der Gesamtzahl aller in einem Wahlkreis gültig abgegebenen Kandidaten- und Zusatzstimmen werden vorerst jene Stimmen abgezogen, die auf Wählergruppen entfallen sind, welche 8 % der im ganzen Land abgegebenen gültigen Stimmen nicht erreicht haben. Die verbleibende Stimmenzahl wird sodann durch die um eins vermehrte Zahl der zu wählenden Abgeordneten (mit Ausschluss der stellvertretenden Abgeordneten) geteilt und das Teilungsergebnis in jedem Fall auf die nächstfolgende ganze Zahl erhöht.

2) Die so ermittelte Zahl heisst Wahlzahl.

3) Jeder Wahlliste, die gemäss Art. 46 Abs. 3 der Verfassung an der Mandatsverteilung teilnimmt, wird so viel mal ein Abgeordneter zugeteilt, als die Wahlzahl in der Zahl der für diese Wahlliste abgegebenen Kandidaten- und Zusatzstimmen enthalten ist (Grundmandatsverteilung).

Art. 56
Zuteilung der Restmandate

1) Ergibt die Verteilung gemäss Art. 55 in einem oder beiden Wahlkreisen nicht so viele Mitglieder des Landtages, als zu wählen sind, so hat unter den Wählergruppen, die wenigstens acht Prozent der im ganzen Land abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben, eine Restmandatsverteilung nach den Bestimmungen der folgenden Absätze zu erfolgen.

2) Die Reststimmen werden, nach ihrer Grösse geordnet, nebeneinander geschrieben; unter jede Reststimmenzahl wird die Hälfte der Reststimmenzahl geschrieben, darunter ihr Drittel, ihr Viertel und nach Bedarf die weiterfolgende Zahl.

3) Als Wahlzahl gilt bei bloss einem zu vergebenden Restmandat die grösste, bei zweien die zweitgrösste, bei drei zu vergebenden Restmandaten die drittgrösste Zahl der so angeschriebenen Zahlen.

4) Jede Wählergruppe erhält so viele Restmandate, als die Wahlzahl in ihrer Reststimmenzahl enthalten ist. Wenn nach dieser Berechnung zwei Wählergruppen auf ein Restmandat den gleichen Anspruch haben, so hat jene Wählergruppe den Vorzug, bei welcher der nach Art. 57 in Betracht kommende Kandidat die grössere Stimmenzahl aufweist. Bei gleicher Stimmenzahl entscheidet das Los.


von Martin Fehndrich (11.02.2001, letzte Aktualisierung der Links: 08.02.2009)