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10.12.2003

Bundesverwaltungsgericht: Ausschüsse müssen Kräfteverhältnis im Stadtrat widerspiegeln

In einem heute veröffentlichten Urteil – 8 C 18.03 – erklärte das Bundesverwaltungsgericht die Wahl der Ausschußmitglieder des Rates der Stadt Tönisvorst in Nordrhein-Westfalen für ungültig. Die Leipziger Richter gaben damit der Revision der Fraktion der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWT) gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. November 2002 – 15 A 662/02 – statt, die sich durch die Art der Berechnung bei der Ausschußsitzverteilung benachteiligt sah.

Nach der Wahl zum Rat der Stadt Tönisvorst (NRW) am 12. September 1999 (Wahlergebnis hier) bildeten sich 5 Fraktionen. Eine Verteilung von 11 Ausschußsitzen nach den drei in Deutschland gebräuchlichen Berechnungsverfahren ergibt folgende Sitzverteilungen:

 Fraktion   Sitze im Rat        Anspruch auf Ausschußsitze nach
                            d’Hondt  Sainte Laguë   Hare-Niemeyer
 CDU           17             5         4              5
 SPD           10             3         3              3
 UWT            6             2         2              2
 Grüne          3             1         1              1
 FDP            2             0         1              0

Die UWT-Fraktion hat demnach in jedem Fall einen Anspruch auf 2 Sitze pro Ausschuß.

Die übrigen im Stadtrat vertretenen Parteien SPD, CDU, FDP und Grüne legten aber einen gemeinsamen Wahlvorschlag als Zählgemeinschaft vor, mit dem Ziel und dem Ergebnis, daß nach Anwendung des Divisorverfahrens mit Abrundung (d’Hondt) der UWT nur ein Sitz, der Zählgemeinschaft aber 10 Sitze zustanden. Der zusätzliche Sitz der Zählgemeinschaft wurde von der FDP-Fraktion besetzt.

Nach dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes sollen Ausschüsse als verkleinerte Abbilder des Stadtrates dessen Zusammensetzung und die darin wirkenden Kräfte widerspiegeln (Spiegelbildlichkeit). Im niederrheinischen Tönisvorst geben die Ausschüsse jedoch nur das Verhältnis der UWT-Fraktion zu einer Zählgemeinschaft wieder, die als solche aber weder vom Volk gewählt wurde, noch gemeinsame politische Ziele verfolgt und nur zur Erlangung eines Ausschußsitzes zu Lasten der UWT gebildet wurde. Durch solch ein Wahlverfahren sahen die obersten Verwaltungsrichter das Demokratieprinzip verletzt, daher sei § 50 Abs. 3 Satz 3 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen so auszulegen, daß gemeinsame Wahlvorschläge von zwei oder mehr Fraktionen unzulässig sind.

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von Martin Fehndrich