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23.09.2001

Hamburg nur 304 Stimmen an Wahlrechtsstreit vorbeigeschlittert

Eine Besonderheit des Hamburger Wahlgesetzes hätte um ein Haar die heutige Bürgerschaftswahl entschieden. Im Gegensatz zu fast allen anderen Wahlgesetzen in Deutschland muß eine Partei für den Einzug in die Bürgerschaft nicht etwa fünf Prozent der gültigen Stimmen erreichen, sondern fünf Prozent der abgegebenen (also auch der ungültigen) Stimmen. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erreichte die FDP 5,08 % der gültigen Stimmen und 5,04 % der abgegebenen Stimmen. Damit liegt die FDP nur ganze 303 Stimmen über der gesetzlichen Sperrklausel. Zeitweilig lag sie am Wahlabend genau in dem "Graben" zwischen den beiden rechnerischen Fünfprozenthürden. Wäre die FDP allein aufgrund der besonderen Berechnungsweise an der Hürde gescheitert, hätte dies vermutlich einen längeren Rechtsstreit im Wahlprüfungsverfahren nach sich gezogen.

Eine solche Berechnung der Fünfprozenthürde, die auch ungültige Stimmen einschließt, gibt es sonst nur in Berlin und im Saarland. In den anderen 13 Bundesländern sowie bei Bundestags- und Europawahlen werden ungültige Stimmen dagegen nicht mitgerechnet. Eine Klage der Republikaner gegen die Bezirksversammlungswahl im Berliner Bezirk Friedrichshain, wo 1999 die Republikaner aufgrund eben dieser Berechnungsweise an der dortigen Dreiprozenthürde gescheitert waren, wurde vom Berliner Verfassungsgerichtshof abgewiesen.

Die FDP profitierte möglicherweise auch davon, daß der rot-grüne Senat vor der Bürgerschaftswahl die Wahlumschläge bei der Stimmabgabe abgeschafft hatte, was zur Absenkung des Anteil der ungültigen Stimmen von 1,1 % auf 0,9 % beigetragen haben dürfte. Wäre die FDP nicht in der neuen Bürgerschaft vertreten, würde es dort allerdings trotzdem eine knappe bürgerliche Mehrheit geben. CDU und Schill-Partei kämen dann auf 61 Sitze, SPD und Grüne nur auf 60.

§ 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahl der hamburgischen Bürgerschaft lautet im Wortlaut:

"Bei der Verteilung der Sitze werden nur Wahlvorschläge berücksichtigt, die mindestens fünf vom Hundert der insgesamt abgegebenen Stimmen erhalten haben."


von Wilko Zicht