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23.1.2001
Verkleinerung der Bremischen Bürgerschaft / Sainte Laguë statt Hare/Niemeyer
In seiner heutigen Sitzung hat der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuß der Bremischen Bürgerschaft beschlossen, daß das Parlament ab der kommenden Wahlperiode (ab 2003) auf 83 Abgeordnete verkleinert werden soll.
Strittig war sowohl die neue Abgeordnetenzahl als auch die Verteilung der Sitze zwischen Bremen und Bremerhaven. Nach dem Beschluß der Ausschusses sollen künftig 67 Abgeordnete aus Bremen und 16 aus Bremerhaven kommen, obwohl dem Einwohnerverhältnis zwischen Bremen (ca. 81,5 %) und Bremerhaven (ca. 18,5 %) eine Aufteilung von 68 zu 15 entsprechen würde. Die Bremerhavener Abgeordneten konnten sich in den Beratungen jedoch mit ihrer Forderung nach einem Bonus durchsetzen. Offiziell begründet wurde dieser Schritt mit dem Argument, nur so könne sichergestellt werden, daß sowohl die Stadtbürgerschaft, die nur aus den stadtbremischen Abgeordneten besteht, als auch der Landtag eine ungerade Abgeordnetenzahl hat, damit bei knappen Mehrheitsverhältnissen eine Patt-Situation bei Sachentscheidungen und bei der Regierungsbildung vermieden wird. Diese ungerade Sitzanzahl im Parlament ist nur zu erreichen, wenn Bremerhaven eine gerade Sitzzahl erhält. Man hofft, auf diese Weise einer möglichen Wahlanfechtung zu entgehen, die sich auf einen eventuellen Verstoß gegen das Gebot der Erfolgschancengleichheit der Wählerstimmen in Bremen und Bremerhaven berufen könnte.
Aufgrund der geplanten Verkleinerung der Bürgerschaft wird mit einer Kostenersparnis von langfristig 1,5 Millionen Mark pro Jahr gerechnet. Der Antrag der Grünen, das Parlament gar auf 79 (64 zu 15) Sitze zu verkleinern, fand keine Mehrheit im Ausschuß.
Die beabsichtigte Verkleinerung des Parlamentes führt dazu, daß die faktische Sperrklausel in Bremerhaven unter dem geltenden Berechnungsverfahren (Hare/Niemeyer) in Ausnahmekonstellationen auf mehr als 5 % anwachsen könnte. Um dieses Risiko zu minimieren, empfiehlt der Ausschuß, das Sitzzurteilungsverfahren zu ändern und die Sitze auf die Partei künftig nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung (Webster/St. Laguë/Schepers) zu verteilen. Das Divisorverfahren mit Standardrundung zeichnet sich im Vergleich zum Standardquotenverfahren mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) durch eine deutlich geringere Varianz der faktischen Sperrklausel aus, die in beiden Verfahren bei durchschnittlich 3,125 % (bei 16 Sitzen) liegt. Die höchstmögliche faktische Sperrklausel liegt bei 16 Sitzen und sechs Parteien unter Hare/Niemeyer bei 5,2 %, unter Sainte Laguë dagegen nur bei 3,6 % (die zugehörigen Formeln gibt es hier).
Überdies wird dem Gebot der Erfolgschancengleichheit der Stimmen beim Divisorverfahren mit Standardrundung in bestmöglicher Weise Rechnung getragen. Es wäre wünschenswert, wenn die anderen Landesparlamente dem Beispiel der Bremischen Bürgerschaft folgen würden. Die Bundesregierung ist einem entsprechenden Prüfungsauftrag des Bundestags, den dieser aufgrund von Eingaben der Autoren von Wahlrecht.de erteilt hat, bisher nicht nachgekommen.
Darüber hinaus lehnte der Ausschuß mit der Mehrheit der Großen Koalition den Antrag von Bündnis 90/DIE GRÜNEN ab, die Fünf-Prozentklausel abzuschaffen. Hierbei kann er auf eine kürzlich ergangene Entscheidung des Staatsgerichtshofes stützen, welche die 5%-Klausel für verfassungskonform erklärt hatte (siehe die Meldung vom 30.8.2000).
Einstimmig wurde außerdem entschieden, die Wahlperiode nicht von 4 auf 5 Jahre zu verlängern.
Die Frage der Herabsetzung des Wahlalters wurde auf den Februar verschoben. Vor einer Ausschussempfehlung soll zu diesem Thema eine Anhörung von Vertreterinnen und Vertretern von "Jugend im Parlament" stattfinden.