Ulrich Wiesner |
[Pressemitteilungen] |
2 Millionen Stimmen bei den Bundestagswahlen 2005 wurden mit manipulierbaren Wahlcomputern abgegeben |
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Die niederländischen Bürgerinitiative „Wij vertrouwen stemcomputers niet“ [1] (Wir vertrauen Wahlcomputern nicht) ist es nach eigenen Angaben gelungen, Wahlcomputer des Typs Nedap ES3B so zu manipulieren, dass diese bei der Auszählung der Stimmen das Wahlergebnis verfälschen. Dies berichtet heute die Sendung „EénVandaag“ [2] des niederländischen Fernsehens Nederland 1. In den Niederlanden sollen die Nedap-Computer bei den Parlamentswahlen im November in über 90% der Wahllokale zum Einsatz kommen. | 1 |
Technisch weitgehend identische Wahlcomputer der Firma Nedap/Groenendaal sind auch bei der Bundestagswahl im September 2005 in 1831 Wahllokalen zum Einsatz gekommen. Dabei wurden ca. 2 Millionen Stimmen mit den Nedap-Geräten abgegeben. Zu den größten Anwendern in Deutschland gehören die Städte Köln (570 Geräte), Dortmund (300), Neuss (100), Koblenz (80), Cottbus (70), Ratingen (60) und Marl (50). Die Deutschen Geräte vom Typ Nedap ESD1 verfügen über eine an das deutsche Wahlrecht angepasste Software. | 2 |
Jan Groenendaal, der Geschäftsführer des Wahlgerätegeräteherstellers Nedap/Groenendaal, hatte noch im August behauptet, bei den Wahlgeräten handele es sich nicht um Computer im eigentlichen Sinne, sondern um Maschinen, die ausschließlich für den Zweck einer Wahl und sonst nichts anderes hergestellt wurden. Die Maschinen seien keine Zauberkisten, Hacker hätten absolut keine Chance. [3] | 3 |
Gegen den Einsatz der Wahlcomputer bei den letzten Bundestagswahlen sind mehrere Einsprüche beim Wahlprüfungsausschuss des Bundestages anhängig. Einer der Einspruchführer, der Neu-Isenburger Physiker Ulrich Wiesner [4], begründet seinen Einspruch mit der Verletzung des Öffentlichkeitsprinzips bei der Wahl. „Es muss nachvollziehbar sein, wie ein Wahlergebnis zustande kommt. Das ist bei den Wahlcomputern nicht möglich. Der Wähler kann nicht prüfen, ob seine Stimme richtig gezählt wird. Das ist in einem demokratischen Staat nicht akzeptabel“, meint Wiesner. | 4 |
In einer Stellungnahme zu den anhängigen Wahleinsprüchen hatte das Bundesministerium des Inneren (BMI) im Mai erklärt, eine Manipulation der Wahlcomputer sei ohne Zugriff auf den Quellcode der Wahlgerätesoftware undenkbar. Der liege aber nur beim Hersteller und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vor und sei ausreichend gesichert. Beim Einsatz der Wahlgeräte werde deshalb „mindestens ein vergleichbares Sicherheitsniveau gewährleistet wird wie bei der konventionellen Wahl.“ | 5 |
Mit ihrer Demonstration möglicher Angriffe auf Wahlcomputer hat die niederländische Bürgerinitiative nun bewiesen, dass die Aussagen des Herstellers und des Bundesinnenministeriums zur Sicherheit der Wahlgeräte unhaltbar sind. „Man benötigt ja auch nicht den Quellcode von Windows, um einen Virus für einen PC zu schreiben“, erläutert Andreas Bogk vom Chaos Computer Club Berlin. „Dass Computer manipulierbar sind, sollte eigentlich zum täglichen Erfahrungsbereich jedes PC-Benutzers gehören“, so Bogk. Auch Wiesner hatte in seinem Wahleinspruch zahlreiche Sicherheitsmängel angeführt, die eine Irische Regierungskommission bereits 2004 bei Nedap-Geräten moniert hatte. „Die mit der Überprüfung der Wahlgeräte befasste Physikalisch-Technische Bundesanstalt und das für die Zulassung der Geräte zuständige Bundesinnenministerium sind mit der Beurteilung der Gerätesicherheit offensichtlich völlig überfordert“, so Wiesner. „Es wird höchste Zeit, dass der Bundestag diesem Spuk ein Ende macht und die Ermächtigung zum Einsatz von Wahlcomputern aus dem Bundeswahlgesetz streicht“, meint Wiesner. | 6 |
Mit den jetzt öffentlich gemachten Untersuchungen hat die Bürgerinitiative belegt, dass Wahlcomputer durch Austausch der eingesetzten Software so manipuliert werden können, dass sie das Wahlergebnis verfälschen. Für einen solchen Austausch der Software reiche ein Zugriff von weniger als fünf Minuten pro Gerät. Anschließend sind solche Manipulationen weder für Wähler noch für Wahlvorstände erkennbar. | 7 |
In den Niederlanden wird ebenso wie in Deutschland lediglich ein Wahlcomputer des jeweiligen Typs einer technischen Kontrolle unterzogen. Wegen der angeblichen Manipulationssicherheit der Geräte existieren weder in Deutschland noch in den Niederlanden Vorschriften für eine sichere Verwahrung der Wahlcomputer. Die jetzt von der Bürgerinitiative manipulierte Geräte-Elektronik wird weder in Deutschland noch in den Niederlanden amtlich versiegelt. | 8 |
„Den Beweis, dass unsere Wahlmaschine auch Schach spielen kann, würde ich gerne vorgeführt bekommen“, so Groenendaal noch im August [3]. Diesen Gefallen hat ihm die Initiative „Wij vertrouwen stemcomputers niet“ nun getan: Sie installierte auf einem der Nedap-Geräte ein Schachprogramm. Der Wahlcomputer eröffnet mit d2-d4. | 9 |
Quellen:
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Ulrich Wiesner |