Bundesverfassungsgericht

[Pressemitteilungen]

Pressemitteilung

105/2002

03.12.2002


Tenor und Begründung (BVerfGE 106, 253) der und Informationen zur Entscheidung
zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung,
Entscheidung (2 BvE 3/02) und Informationen zur Entscheidung in der Hauptsache

Keine einstweilige Anordnung wegen Sitzverteilung auf der Bundestagsbank des Vermittlungsausschusses

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat heute einen gegen den Deutschen Bundestag gerichteten Antrag der CDU/CSU-Fraktion (ASt) auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Mit diesem Antrag begehrt die ASt eine vorläufige Regelung der Frage, wie die Sitze auf der Bundestagsbank des Vermittlungsausschusses zu verteilen sind. 1
1. Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: 2
Für jede Legislaturperiode legt der Deutsche Bundestag das Zählverfahren zur Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen in den Bundestagsausschüssen fest. Dieses Verfahren gilt auch für den ständigen Vermittlungsausschuss, in den Bundestag und Bundesrat je 16 ihrer Mitglieder entsenden. Es haben sich drei Zählverfahren für die Besetzung der Gremien durchgesetzt, zwischen denen in der Vergangenheit immer wieder gewechselt wurde. Es handelt sich dabei um die Verfahren d’Hondt, Hare/Niemeyer und St. Laguë/Scheppers. Die Anwendung dieser drei üblichen Zählverfahren führt auf Grund des Wahlergebnisses der Bundestagswahl vom 22. September 2002 dazu, dass die Bundestagsfraktionen von SPD und Union je sieben und die Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP je einen Abgeordneten in den Vermittlungsausschuss entsenden (7:7:1:1). Allgemein herrscht die Auffassung, dass auch auf Seiten der Bundesratsbank im Vermittlungsausschuss ein politisches Patt herrsche, da diese derzeit mit jeweils acht Vertretern von Union und SPD besetzt sei. Am 30. Oktober 2002 beschloss der Bundestag mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, dass das Verfahren St. Laguë/Scheppers mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass die zu verteilende Anzahl der Sitze um einen reduziert und der unberücksichtigte Platz der stärksten Fraktion zugewiesen wird. Auf Grund dessen wurden acht Mitglieder der SPD-Fraktion, sechs Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion und jeweils ein Mitglied der FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (8:6:1:1) gewählt. 3
Gegen den Beschluss des Deutschen Bundestags vom 30. Oktober 2002 wendet sich die ASt im Wege des Organstreitverfahrens. Zugleich will sie vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache erreichen, dass die oben wiedergegebene Bestimmung des Bundestagsbeschlusses nicht zur Anwendung kommt. Sie sieht sich in ihrem verfassungsmäßigen Recht auf angemessene parlamentarische Betätigung beeinträchtigt. Nach dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit müssten die Ausschüsse des Bundestags entsprechend der Mehrheitsverhältnisse des Plenums zusammengesetzt sein. 4
2. Die Ablehnung des Eilantrags ist das Ergebnis einer Folgenabwägung in dem hier zu beurteilenden Fall. Damit verbindet sich keine Entscheidung über den in der Hauptsache gestellten Antrag. Dessen Erfolg ist vielmehr offen. 5
Die Gründe der heutigen Entscheidung des Zweiten Senats liegen derzeit noch nicht in schriftlicher Form vor. Sie werden zu gegebener Zeit der Öffentlichkeit im Wege einer Pressemitteilung zugänglich gemacht werden.
 
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Beschluss vom 3. Dezember 2002 – 2 BvE 3/02
 
Karlsruhe, den 3. Dezember 2002

 


eingetragen von Matthias Cantow