Minderheitenpartei-Paradoxon

[Parteienzuwachs-Paradoxon]

Bei der Bundestagswahl sowie der Landtagswahl in Brandenburg können Parteien der nationalen Minderheiten die Sitzverteilung selbst dann beeinflussen, wenn sie viel zu klein sind, um selber ein Mandat zu bekommen.

Ursache für dieses merkwürdige Phänomen ist das Parteienzuwachsparadoxon, das beim Hare/Niemeyer-Verfahren auftreten kann. Normalerweise werden die kleinen Parteien wegen der 5%-Sperrklausel schon vor der Berechnung der Sitzverteilung aussortiert, aber die Parteien der nationalen Minderheiten (Dänen, Sorben und Friesen) sind von dieser Hürde befreit. Damit kann die genaue Verteilung davon abhängen, ob eine eigentlich belanglose Partei als Minderheitenpartei anerkannt wird.

Bei der Bundestagswahl 1990 (Rechnung ohne Überhangmandate) hätte beispielsweise die SPD einen Sitz an das Bündnis 90 verloren, wenn die Bayernpartei den Status einer Minderheitenpartei gehabt hätte:

Partei CDUSPDFDPCSUPDSB90BPSumme
Real: BP ohne
Minderheiten-
Status
Stimmen 1705511615545366512323333029801129578559207-42715480
Idealansprüche261,923238,73778,68050,72517,3478,588-656,000
Sitze2622397951178-656
Fiktiv: BP mit
Minderheiten-
Status
Stimmen 17055116155453665123233330298011295785592073131542746795
Idealansprüche261,731238,56278,62250,68817,3358,5820,481656,000
Sitze26223879511790656

Solang so eine Partei nicht selber einen Sitz erreicht, profitieren immer die kleineren Parteien davon, dass sie sozusagen als Dummy in der Berechnung mitläuft, weil dadurch die Reste der übrigen Parteien proportional zu ihrer jeweiligen Stimmenzahl schrumpfen.

Natürlich ist es rein fiktiv, dass die Bayernpartei als Minderheitenpartei gelten könnte, aber der SSW, der die Interessen von Dänen und Friesen vertritt, könnte wohl eine ähnliche Stimmenzahl erreichen, wenn er bei Bundestagswahlen antreten würde. Zuletzt hat er das 1961 getan und dabei 25.449 Stimmen bekommen.


von Andreas Schneider (26.01.2004)