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Wahlrecht.de Forum » Sonstiges (FAQs, Wahltipps, usw. ...) » Verfallende Zweitstimmen in der Statistik » 026-050 « Zurück Weiter »

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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juni 2004 - 09:25 Uhr:   

Natürlich ist es aber so - und da haben Thomas und C07 recht - dass im Falle des normalen Stimmensplittings die Mandatsstärke der Parteien nicht zweimal beeinflusst wird. Man kommt hier wahrscheinlich nur im Sinne von Wilkos obiger Argumentation weiter, indem man - was Fromme in seinem Artikel nicht tut - neben dem Begriff des "Erfolgswertes" den des "Erfolgschancengleichheit" einführt, wie Dirk oben gesagt hat und wie dies auch in den übrigen Threads zu diesem Thema andiskutiert wurde.

Im Sinne des klassischen Erfolgswertes hätte Fromme recht - dann dürfte es keine Überhangmandate ohne Ausgleich geben und die PDS-Mandate in Berlin wären demzufolge Überhangmandate.

Wenn man - wie Wilko das Urteil von 1997 zitierend - von Erfolgschancengleichheit ausgeht, so müssten meines Erachtens die PDS-Zweitstimmen in Berlin gezählt werden, da eben dies von vorneherein nicht feststand und die Wähler dies nicht wußten.

Also sehr kompliziert das Ganze.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juni 2004 - 10:00 Uhr:   

Ich habe jetzt nocheinmal alle Beiträge in allen Threads zu diesem Thema gelesen und glaube, dass die Sachlage sich wie folgt darstellt:

1.) Zum einen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem mehrfach zitierten Hinweis von 1988 sicherlich recht, dass in Bezug auf die Grundmandatsklausel eine Regelungslücke bezüglich des § 6 BWG besteht.

2.) Gemessen am Ergebnis einer Wahl - gemessen also am reinen Begriff des "Erfolgswertes" hat Fromme durchaus recht. In diesem Sinne wäre bei den beiden PDS-Mandaten die Mandatsverteilung zweifach beeinflusst und damit dürften die Zweitstimmen dieser Wähler nicht berücksichtigt werden. Das gleiche gälte für die Überhangmandate.

3.) Wilko hat aber mit seinem zweiten Beitrag - und ich habe das BVerfG-Urteil von 1997 dazu gelesen - auch recht:

Der Wähler, der einen parteilosen Kandidaten mit seiner Erststimme wählt und diesem zum Erfolg verhilft, d.h. zum Eintritt in den Bundestag, weiß, dass dieser im Erfolgsfall ein nicht verrechenbares (!!!!!) Direktmandat gewinnt. Das gleiche gilt für den Fall, dass er einem Kandidaten mit seiner Erststimme zum Erfolg verhilft, der von einer Partei nominiert wurde, für die keine Landesliste zugelassen oder gar vorgeschlagen wurde.

Da weiß er dies im voraus, was im Erfolgsfall geschieht, er kann sein Handeln danach bemessen, hat also die Chance dazu, dies bei seiner Stimmabgabe zu berücksichtigen.


Dies gilt - wie Wilko und C07 zu recht ausführten - für die Wähler in den Bezirken, die PDS wählten, jedoch nicht. Sie wissen ja nicht im voraus, ob die PDS drei Direktmandate erringt und damit mit (Landeslisten-)Kandidaten in Fraktionsstärke ins Parlament kommt oder nicht. Mit Sicherheit wählen sie die PDS-Kandidaten unter anderem auch, um zu diesem Erfolgsfall beizutragen - nämlich ihr drei Direktmandate und damit den Einzug mit Fraktionsstärke ins Parlament - zu sichern. In diesem Falle läge normales Stimmensplitting vor, d.h. die Mandatsstärke der Partei würde nur einmal berücksichtigt, da ein Ausgleich der überzähligen Mandate über die Landeslisten erfolgen würde. Dies wollen die Wähler ja erreichen, sie können aber - im Gegensatz zu Wählern, die einen parteilosen Kandidaten oder einen Parteikandidaten ohne Landesliste wählen - dies nicht im voraus abschätzen.

Wer also einen parteilosen oder einen Parteikandidaten ohne Landesliste wählt, tut dies bewußt, er weiß, dass seine Zweitstimme nicht gewertet wird, um die Mandatsstärke nicht zu beeinflussen.

Der Wähler, der Parteien mit der Erststimme wählt, um dazu bezutragen, sie durch Grundmandate ins Parlament zu bringen, kann dies nicht wissen, er weiß nicht, ob seine Zweitstimme verloren geht oder nicht. Er müsste sogar mit seiner Zweitstimme eine Partei wählen, die in jedem Fall Chancen hat, die Sperrklausel zu überwinden.

Vom Ergebnis - dem Erfolgswert - ist daher in der Tat eine Analogie zu den anderen Fällen in § 6 BWG zu sehen, aber vom Gesichtspunkt der Erfolgschancengleichheit her eben nicht.

Insofern schließe ich mich - nach langer Überlegung - Wilkos zweitem Beitrag in diesem Thread an und glaube, dass die derzeitige Regelung vom BVerfG wohl toleriert werden wird. Trotz allem hat auch das BVerfG mit seinem Hinweis von 1988 recht, dass eine Regelungslücke in § 6 BWG besteht, das diesbezüglich dringend ergänzt werden müßte. Dies dürften die Verfassungsrichter jetzt nochmals anmahnen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juni 2004 - 10:46 Uhr:   

Nur so ist im übrigen die Tolerierung der Überhangmandate durch die 4 Richter des 2. Senats des BVerfG von 1997 zu verstehen. Denn dies ist ja wohl der Ausnahmefall: Wähler, die Stimmen gesplittet haben und mit ihrer Erststimme einen Kandidaten zum Einzug in den Bundestag verholfen haben, der ein Überhangmandat besitzt, werden mit ihrer Zweitstimme ja gewertet, d.h. diese wird zur Sitzverteilung mit berücksichtigt, so viel ich weiß. Dies ist ja auch nur dadurch zu erklären, dass die Wähler eben nicht vorhersehen konnten, dass der von ihnen erfolgreich gewählte Direktkandidat der Erststimme auf einem Überhangmandat sitzt. Sonst müßten in der Tat die Überhangmandate ausgeglichen werden und - hier wäre Fromme zuzustimmen - das Urteil des BVerfG von 1997 noch weniger verständlich als es bislang schon ist, denn bis heute leuchtet mir die Begründung der das Urteil tragenden 4 Richter nicht ein.

Fazit: Wenn die Zweitstimmen der Wähler, die PDS in den entsprechenden Berliner Wahlkreisen mit ihrer Erststimme gewählt haben, nicht anerkannt wird, dann müssten auch Zweitstimmen derjenigen Wähler, die ihre Stimmen gesplittet und mit ihrer Erststimme einem "Überhangmandats-"Kandidaten zum Erfolg verholfen hätten, nicht für die Mandatsstärke der Parteien gewertet werden. Dies ist ja auch nicht der Fall, eben weil diese Wähler dies nicht vorhersehen konnten (Erfolgschancengleichheit). Und wenn dies so wäre, dann dürfte es in der Tat keine Überhangmandate geben, d.h. es wäre dann meines Erachtens in der Tat nicht nur wünschenswert, solche Überhangmandate auszugleichen, sondern - entgegen der Sicht des BVerfG von 1997 - sogar verfassungswidrig, Überhangmandate nicht auszugleichen. Insofern ist es logisch, dass die 4 Richter, die 1997 die Überhangmandate toleriert hatten, auch in der Frage der Gültigkeit der Zweitstimmen der PDS-Wähler in Berlin diese tolerieren müssen und mit dem Argument der Erfolgschancengleichheit rechtfertigen müssen. Sonst wäre - wie gesagt - die Tolerierung der Überhangmandate nicht zu begründen.

O.K., das war es für mich zu dem Thema.
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c07
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juni 2004 - 11:26 Uhr:   

Bernhard:
> Der Wähler, der Parteien mit der Erststimme wählt, um dazu bezutragen,
> sie durch Grundmandate ins Parlament zu bringen, kann dies nicht wissen,
> er weiß nicht, ob seine Zweitstimme verloren geht oder nicht.
> Er müsste sogar mit seiner Zweitstimme eine Partei wählen,
> die in jedem Fall Chancen hat, die Sperrklausel zu überwinden.

Das ist in der Tat sogar ein noch stärkeres Argument wie meine bisherigen: Das Wahlrecht fordert durch die unsinnige Kombination von 5%-Hürde und Grundmandatsklausel praktisch das Stimmensplitting.

Ein Anhänger der PDS in den kritischen Wahlkreisen ist geradezu gezwungen, die Erststimme der PDS und die Zweitstimme wem anders zu geben, wenn er keine Chancen auf 5% sieht. Wirklich erfolgreich ist die Erststimme aus seiner Sicht nur dann, wenn die Grundmandatsklausel zieht. Faktisch stellen ja die beiden PDS-Abgeordneten keinen Wert dar. Das ist zwar bei Einzelkandidaten nicht anders, aber deren Wähler wollten es nicht anders.

Eine Regelungslücke seh ich aber nicht. Der Wortlaut ist absolut eindeutig, und solang seine Bestimmungen verfassungsgemäß sind, gibt es keinen Grund, noch mehr zu sagen.

Bei normalen Überhangmandaten ist es übrigens gar nicht so leicht möglich, die Zweitstimme bei den Verursachern abzuwerten. Zu dem Zeitpunkt in der Auszählung, wo bekannt wird, dass es Überhangmandate gibt, sind sie ja längst gezählt worden.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juni 2004 - 11:52 Uhr:   

C07: Vollkommen richtig !!!!
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juni 2004 - 12:01 Uhr:   

Doch noch eins: Nach Durchdenken des Sachverhaltes und nachdem ich alle Beiträge in den verschiedenen Threads dazu nochmal gelesen habe, steht für mich fest, dass die beiden PDS-Mandate Überhangmandate sind. Erst in dem Moment, in dem die Grundmandatsklausel "greift", d.h. dass durch Erringen von drei Direktmandaten die Partei durch Fraktionsstärke im Bundestag vertreten ist, sind sie keine Überhangmandate mehr und dadurch auszugleichen.

Dies hat zwei Konsequenzen

a) Für den Fall, dass eine oder beide PDS-Kandidatinnen aus dem Bundestag ausscheiden, werden sie nicht ersetzt, da es keine Landesliste gibt (war ja im Thread: "Rechtsfragen" umstritten)

b) die Zweitstimmen der Wähler, die om den entsprechenden Wahlkreisen PDS gewählt haben, sind aus meiner Sicht - im Anschluß an die obige Argumentation von C07 und mir - zu werten, da die Wähler praktisch in diesen Wahlkreisen gezwungen sind, Stimmensplitting zu betreiben, wenn sie keine Chancen sehen, dass die Partei 5% erringen kann.

Insofern hat auch C07 doch recht, dass es in der Tat keine zwingende (!!!!) Regelungslücke im § 6 des Bundeswahlgesetzes gibt, die Sachlage erscheint mir eindeutig. Man kann den § 6 konkretisieren, muss dies aber nicht
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juni 2004 - 12:15 Uhr:   

Wenn man - wie ich - davon ausgeht, dass die beiden PDS-Abgeordnetensitze Überhangmandate sind, dann sind die Zweitstimmen der Wähler in den entsprechenden PDS-Wahlkreisen sind natürlich auch deshalb zu werten, weil bei Wählern, die im übrigen Bundesgebiet durch Stimmensplitting dazu beigetragen haben, mit ihrer Erststimme einem Direktkandidaten ins Parlament zu verhelfen, der ein Überhangmandat besitzt, deren Zweitstimme ja auch gewertet wird - im Sinne des "Grenzfalles", den Thomas und C07 angesprochen haben. Sonst läge ja - wie ich oben schon erwähnt habe - eine Ungleichbehandlung vor. Wie gesagt, nur so ist auch die Argumentation der 4 Richter oben zu werten.

So dies war es dann aber auch. Ich denke aber, dass durch die Beiträge von uns mehr Rechtsklarheit in der Sache herrscht. Auf die Entscheidung des BVerfG bin ich aber sehr gespannt.
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Juwie
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juni 2004 - 20:01 Uhr:   

Sorry, vielleicht stehe ich auf dem Schlauch...

Wenn die beiden Berliner PDS-Mandate tatsächlich "Überhangmandate" sind, dann hätten doch zwei weitere Mandate an andere Parteien zugeteilt werden müssen.

Oder habe ich mich jetzt selbst in den Fußangeln des Bundestagswahlrechts verfangen?
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juni 2004 - 20:09 Uhr:   

Solch einen Ausgleich gibt es nur bei den Landtagswahlen mit personalisierter Verhältniswahl und dann auch nur bei "richtigen" Überhangmandaten.
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c07
Veröffentlicht am Freitag, 11. Juni 2004 - 20:44 Uhr:   

Juwie: Es sind ja keine Überhangmandate im klassischen Sinn. Nachdem zu Beginn der Verteilung nach Zweitstimmen schon feststeht, dass sie überhängen, kann an den Rest gleich entsprechend weniger verteilt werden. Insofern werden sie ja wie Einzelkandidaten behandelt, nur eben bei der Wertung der Zweitstimmen nicht. Das war ja auch mein Missverständnis vom Anfang dieses Threads.

Insgesamt halt ich aber genau diese Differenzierung für sinnvoll. Der kleine Nachteil ist nur, dass der Bundestag damit unter die Sollgröße schrumpfen könnte. Wie Bernhard richtig festgestellt hat, dürfte bei dieser Betrachtungsweise nämlich eindeutig niemand nachrücken, wenn eine der PDS-Abgeordneten ausscheidet.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2004 - 15:30 Uhr:   

Dennoch kann man sie meines Erachtens als Überhangmandate bezeichnen, denn es gibt ja - wie bei der klassischen Form - auch einen "Überhang". Bei den klassischen "Überhang-"Mandaten sind dies die Mandate, die "über" dem regulären Zweitstimmenanteil der Parteien "drüberhängen", also wenn etwa die Partei A mit 43% der Stimmen in einem Parlament mit 100 Sitzen, von denen die Hälfte mit Direktmandaten besetzt wird, alle diese gewinnt, hat sie 50 Sitze und damit 7 mehr, als ihr zustehen.

Die PDS hat einen Zweitstimmenanteil von 3-4%, der nicht wirksam wird, da er unter der Sperrklausel ist und 2 Direktmandate gewonnen. So hat sie im Bundestag einen Anteil von 0 Sitzen. Durch die Direktmandate hat sie 2 Sitze mehr, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil, 0 Sitze, zustünde.

Die Besonderheit liegt nur darin, dass es keinen Zweitstimmenanteil gibt, der zu berechnen ist.

Im Grunde handelt es sich aber bei beiden Formen der - nicht ausgeglichenen - Überhangmandate um nicht (mit dem Zweitstimmenanteil) verrechnete Direktmandate, wobei sie im PDS-Fall nicht verrechenbar sind, da kein Zweitstimmenanteil über 5% zur Verfügung steht und ein Zweitstimmenanteil unter 5% erst bei 3 Direktmandaten zum Tragen kommt.

Das Prinzip der Definition eines Überhanges über einem Zweitstimmenanteil - auch wenn der 0 beträgt - ist bei beiden Formen vorhanden. Insofern glaube ich, dass C07 und ich richtig liegen, wenn wir bei den beiden PDS-Mandaten von Überhangmandaten sprechen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2004 - 15:47 Uhr:   

Nochmals:
Klassisches Überhangmandat: nicht [mit dem Zweitstimmenanteil einer Partei] verrechnetes Direkmandat. Es könnte allerdings mit dem Zweitstimmenanteil einer Partei verrechnet werden. Eine andere Ausgleichsmöglichkeit wäre die Erweiterung der Sitzzahl im Parlament durch Ausgleichsmandate.

PDS-Überhangmandat: nicht [mit dem nicht vorhandenen Zweitstimmenanteil einer Parte] verrechenbares Direktmandat. Ein Ausgleich zugunsten anderer Parteien wäre somit nur über Ausgleichsmandate durch Erweiterung der Sitzzahl im Parlament möglich.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2004 - 16:40 Uhr:   

Eine Ergänzung noch, bevor der Server erneut ausfällt. Natürlich kann es sein, dass auch beim klassischen Überhangmandat eine Verrechnung der Überhangmandate, wenn gewünscht, zunächst nur über Erweiterung der Sitzzahl im Parlament möglich ist, da die stärkste Partei keine Listenkandidaten ins Parlament entsandt hat, da sie alle Direktwahlkreise gewonnen hat. Eine Verrechenbarkeit der Direktmandate wäre damit lediglich über zusätzliche Ausgleichsmandate möglich. Die Verrechenbarkeit wäre aber trotzdem gegeben.

Dies zeigt aber, dass es sich bei den PDS-Mandaten um Überhangmandate handelt und - um beim Thema des Threads zu bleiben - die Zweitstimmen so wie bei den klassischen Überhangmandaten behandelt werden müssen, also nicht einfach für die Mandatsverteilung wegfallen dürfen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 12. Juni 2004 - 18:31 Uhr:   

Wenn man diese Definition der Überhangmandate der PDS - als nichtverrechenbare (!!!) Direktmandate mit dem § 6 des Bundeswahlgesetzes vergleicht, so bleibt mein Fazit.

Fromme hat bezüglich des Erfolgswertes darin recht, dass es sich in allen drei Fällen (Direktkandidat ist parteiloser Kandidat, Landesliste daher nicht vorhanden; Direktkandidat ist ein von einer Partei nominierter Kandidat, die keine Landesliste vorgeschlagen hat bzw. keine Landesliste von der Partei zugelassen ist und Direktkandidaten einer Partei mit Landesliste, die aufgrund fehlender Direktmandate nicht mit Fraktionsstärke ins Parlament einzieht) um nicht-anrechenbare Direktmandate handelt.

Damit gilt: in allen diesen Fällen tritt ein doppelter Erfolgswert bezüglich der Mandatsverteilung ein. Dieser ist durch die Nichtverrechenbarkeit der gewonnenen Direktmandate nur vermeidbar, indem die Zweitstimmen der Wähler dieser Wahlkreise, sofern sie andere Parteien, die die Sperrklausel überwunden haben, gewählt haben, nicht für die Mandatsverteilung anrechnen.

Darin hat Fromme recht.

Bei den Überhangmandaten, die im übrigen Bundesgebiet anfallen, handelt es sich um Direktmandate, die nicht verrechnet wurden - wohl aber verrechenbar wären, da es den Zweitstimmenanteil der Parteien gibt. Der doppelte Erfolgswert tritt auch hier auf, wäre hier aber durch entsprechende Ausgleichsmandate bzw. Wegfall von Listenmandaten derselben Partei vermeidbar. In den obigen Fällen ist er nicht vermeidbar. Hier könnte also durch entsprechenden Ausgleich der Überhangmandate eine Nichtwertung der Zweitstimmen der Wähler von die Sperrklausel erfolgreich überwundenen Alternativparteien vermieden werden.

Dies ist natürlich ein Unterschied. Dies wird von Fromme nicht in seinem Artikel berücksichtigt.

Warum aber wurde dann nicht im Paragraph 6 allgemein davon gesprochen, dass Zweitstimmen von Wählern, die einen Kandidaten wählen, der ein nicht-verrechenbares Direktmandat gewinnt, nicht gewertet werden?

Doch ganz offensichtlich genau aus dem von Wilko genannten Grunde der Vorhersehbarkeit eines solchen Ergebnisses. Denn von Vergessen kann ja wohl kaum die Rede sein, da die Grundmandatsklausel ja durch den Einzug bzw. Nichteinzug der PDS in den Bundestag ja wieder ins öffentliche Bewußtsein gerückt ist.

Das Argument der Erfolgschancengleichheit scheint also doch bedenkenswert zu sein. Insofern stimme ich Dirk oben nicht zu, der den Begriff der Erfolschancengleichheit sehr kritisch betrachtet, sondern wir kommen wohl - wie oben schon angedeutet - in diesem Dilemma, was jetzt 4 Foren beschäftigt hat, nur weiter, wenn beide Begriffe gleichermaßen in dieser verzwickten Verfassungsdiskussion berücksichtigt werden.
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 21:30 Uhr:   

@ Bernhard Nowak

"Warum aber wurde dann nicht im Paragraph 6 allgemein davon gesprochen, dass Zweitstimmen von Wählern, die einen Kandidaten wählen, der ein nicht-verrechenbares Direktmandat gewinnt, nicht gewertet werden?"

Das ist doch ganz einfach: a) Ich weiß nicht, welches der Direktmandate das Überhängende ist und b) mit jeder nichtberücksichtigten Zweitstimme steigt der Überhang, so daß weiter gestrichen werden müßte (etc.pp.).
Beispiel zu a): In Hamburg hat die SPD alle sechs Wahlkreise gewonnen, aber nach der Unterverteilung stehen ihr lediglich fünf Mandate zu. Sie hat also ein Überhangmandat. Ob nun Johannes Kahrs, Olaf Scholz, Angelika Mertens, Anke Hartnagel, Ortwin Runde oder Hans-Ulrich Klose dieses innehaben kann nicht entschieden werden. Also kann ich auch nicht entscheiden, welche Zweitstimmen (die Zahl der SPD-Zweitstimmen ist ja je nach Wahlkreis unterschiedlich) gestrichen werden. Erst mit dem Tod von Anke Hartnagel trat die Konkretisierung ein - ihr Mandat wird nicht wieder besetzt. Scheidet nun ein weiterer Sozialdemokrat aus, so rückt der erste Listennachfolger (ich glaube es ist Jutta Blankau) nach.

Beispiel zu b): Selbst wenn man - was nicht geht, wie oben gezeigt wurde - entscheiden könnte, die zu den Erststimmen kongruenten Zweitstimmen aus einem bestimmten Wahlkreis zur Streichung vorzusehen, gäbe es das nächste Problem. Gesetzt den Fall, fast alle SPD-Erstimmenwähler in dem - wie auch immer festgelegten - Wahlkreis hätten auch mit der Zweitstimme SPD gewählt (um den Fall wenigstens halbwegs einfach zu gestalten), so würde die Zahl der zu berücksichtigenden Zweitstimmen wahrscheinlich dazu führen, daß der SPD bundesweit (und in der Unterverteilung dann auch in Hamburg) ein Mandat weniger zustehen würde. Sie hätte also erneut ein Überhangmandat, bei dem die Zweitstimmen nicht zu berücksichtigen sind. Diese müßte gestrichen werden ... etc.pp.
Das ist erstens nicht praktikabel und zweitens auch sicherlich nicht gewollt, weil es die Überhangmandate nicht nur ausgleichen würde, sondern den Übrigen an der Verteilung teilnehmenden Parteien auch noch zusätzliche Sitze verschaffen würde. Im Extremfall (ich gehe jetzt einmal davon aus, daß weit über 90% der Wähler von erfolgreichen Direktkandidaten eine Partei gewählt haben, die am Verhältnisausgleich teilnimmt), könnte ein einziges Überhangmandat es zur Folge, daß ca. 45% der Zweitstimmen keine Berücksichtigung finden, was wiederum zur Folge hätte, daß man mit 2,8% der tatsächlich abgegebenen Zweitstimmen die Sperrklausel überwinden würde (ein Überhangmandat brauche ich um den Rattenschwanz in Gang zu bringen - wenn ich Glück habe hört er irgendwann auf, wenn ich Pech habe nicht). Die Besetzung des Bundestages käme dann einer Lotterie gleich.

000 Sagt mir bitte, falls ich irgendwo einen Denkfehler drin habe, ich habe keinen gefunden. 000
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c07
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 23:01 Uhr:   

Prinzipiell könnte man das so lösen, dass Landeslisten, bei denen ein Überhangmandat aufgetreten ist, völlig aus der Verteilung genommen werden, ähnlich wie es auch bei Einzelkandidaten geregelt ist. Es würden also die entsprechenden Stimmen (inkl. reiner Zweitstimmen für diese Landesliste) und Sitze (wahlweise die Soll- oder Ist-Zahl) aussortiert und danach neu verteilt. U.U. können dadurch erneut Überhangmandate auftreten, dann müsste man das wiederholen.

Sinnvoll ist das natürlich höchstens dann, wenn die verwendeten Verfahren paradoxienfrei sind. Besser ist es auf jeden Fall, Überhangmandate ganz zu vermeiden, zumindest die internen. Bei externen Überhangmandaten und Oberverteilung nach Sainte-Laguë ist der beschriebene Ansatz aber durchaus praktikabel.

Das Problem mit der Sperrklausel stellt sich nicht, weil sie sich auch jetzt schon ziemlich eindeutig auf die abgegebenen (und gültigen) Zweitstimmen bezieht. Es wird im BWG nicht verlangt, dass sie auch einen Zählwert haben müssen.

Fraglich ist allenfalls, ob die nicht gezählten Zweitstimmen trotzdem zur Überwindung der Sperrklausel beitragen können. Das ist aber auch jetzt schon ein praktisches Problem, das bei Einzelkandidaten auftreten könnte. Ich würd das BWG so interpretieren, dass sie hierzu mitzählen, aber das ist nicht völlig eindeutig.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 23:39 Uhr:   

@C.-J.Dickow: Nein,dies ist nicht der Grund, warum die klassischen Überhangmandate nicht im $ 6 BWG erwähnt sind. Die von Dir erwähnten Überhangmandate sind Überhangmandate im klassischen Sinn. Sie sind nicht-verrechnete, wohl aber verrechenbare (!!!!) Direktmandate. Die PDS-Mandate sind - solange die Grundmandatsklausel nicht greift - wie die anderen in § 6 benannten Fälle - mangels Zweitstimmenliste eben nicht verrechenbar.

Insofern führen diese PDS-Mandate - sofern die Grundmandatsklausel nicht greift - in jedem Fall bei der Mandatsverteilung zu einem doppelten Erfolgswert, da hat Fromme recht. Dies wäre bei den klassischen, eben verrechenbaren Überhangmandaten eben nicht der Fall, denn sie könnten ja ausgeglichen werden. Nur wenn sie nicht ausgeglichen werden, kann der Wähler durch Stimmensplitting zu einem - von ihm allerdings nicht vorhersehbaren (!!!) doppelten Erfolgswert bezüglich der Mandatsverteilung im Parlament kommen.

Vom Erfolgswert sind die PDS-Mandate den anderen Fällen im $ 6 BWG also gleich zu behandeln, von der Vorhersehbarkeit durch den Wähler, der Erfolgschancengleichheit im Sinne von Wilkos zweitem Beirag in diesem Thread - und so argumentierte das BVerfG 1997 - eben nicht. Und dies habe ich dargelegt.

Die von Dir gewählten Beispiele: "Das ist doch ganz einfach: a) Ich weiß nicht, welches der Direktmandate das Überhängende ist und b) mit jeder nichtberücksichtigten Zweitstimme steigt der Überhang, so daß weiter gestrichen werden müßte (etc.pp.)." wären im Prinzip verrechenbare Direktmandate und damit ausgleichbar. Daher werden sie in Paragraph 6 Bundeswahlgesetz nicht genannt. Das war unstrittig. Es ging lediglich um den Sonderfall der durch Nicht-"greifen" der Grundmandatsklausel nicht-verrechen(baren !!!!!) Direktmandate. Und hier gilt.
Fromme hat in Bezug auf seiner Argumentation Erfolgswert recht: hier besteht meines Erachtens eine Analogie zu $ 6 BWG, nicht aber was die Erfolgschancengleichheit angeht.

Zur Lösung Deines Problems siehe Beitrag von C07. Eine andere Lösung fällt mir jetzt dazu auch nicht ein.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 20. Juni 2004 - 20:40 Uhr:   

Mir ist heute noch etwas eingefallen, was die oben von C07 und mir vorgetragenen Argumente noch plausibler machen dürfte.

Nehmen wir an, die PDS wäre - wie 1994 und 1998 (bei letzter Wahl lag sie knapp über 5%)mit Listenabgeordneten in den Bundestag eingezogen. Dann hätten die Wähler, die mit ihrer Erststimme in den entsprechenden Berliner PDS-Wahlkreisen die PDS-Kandidaten gewählt hätten und mit ihrer Zweitstimme andere Parteien (SPD, Grüne etc.) gewählt hätten, in jedem Falle Anspruch darauf, dass ihre Zweitstimmen für die Mandatsverteilung im Bundestag mit angerechnet worden wären. Die gewonnenen PDS-Direktmandate wären dann verrechenbare Direktmandate (da die PDS mit Listenabgeordneten im Parlament vertreten war). Somit wäre das normale Stimmensplitting erfolgt, wie es im restlichen Bundesgebiet bei Stimmensplitting ja auch erfolgt. Man könnte die direkt gewonnenen PDS-Direktmandate dann auch als Überhangmandate im klassischen Sinn auffassen (verrechenbare Direktmandate, die nicht verrechnet werden). Da werden dem Wähler ja auch nicht die Zweitstimmen zur Mandatsverteilung aberkannt, eben weil der Wähler ja nicht wissen kann, dass ausgerechnet in seinem Wahlkreis der direkt gewählte Kandidat auf einem Überhangmandat sitzt.

Nun konnten die Wähler bei der Bundestagswahl 2002 das Abschneiden der PDS nicht vorhersehen. Sie hätten auch davon ausgehen können, dass es die PDS erneut ins Parlament schaffen könnte - ob über 3 Direktmandate oder durch Überwinden der Sperrklausel oder durch Erfüllen beider Bedingungen. In beiden (!!!!) Fällen hätte es einen Zweitstimmenanteil der PDS im Parlament gemäß ihrem prozentualen Abschneiden gegeben und damit wäre erfolgtes Stimmensplitting genauso wie das Stimmensplitting im übrigen Bundesgebiet behandelt worden - nämlich so, dass die Zweitstimmen der entsprechenden Wähler in jedem Fall anerkannt werden. Wie sollten sie dies voraussehen?

Nochmals: Fromme ist darin zuzustimmen, dass es sich bei den PDS-Mandaten, die entstehen, ohne dass die Grundmandatsklausel greift, d.h. die Partei mit ihrem prozentualen Zweitstimmenanteil ins Parlament einziehen kann, um nicht verrechenbare Direktmandate handelt - wie bei den beiden anderen in $ 6 BWG genannten Fällen (parteiloser erfolgreicher Direktkandidat, erfolgreicher Direktkandidat einer Partei ohne vorgeschlagene bzw. zugelassene Landesliste). Insofern stimmt es: es entsteht dann beim Stimmensplitting ein doppelter Erfolgswert für den Wähler, da er die Mandatsverteilung im Parlament zweifach beeinflusst. Dies ist in diesen Fällen - im Gegensatz zu den klassischen Überhangmandaten, die theoretisch verrechnet bzw. ausgeglichen werden könnten - unvermeidbar. Daher schreibt $6 BWG ja auch die Nichtberücksichtigung der Zweitstimmen in den oben geschilderten Fällen vor. Aber nochmals: In den in § 6 BWG benannten Fällen weiß dies der Wähler im Voraus. Ihm ist bekannt, dass ein parteiloser Kandidat keine Landesliste haben kann und ihm ist bekannt dass ein Parteikandidat ohne zugelassene/vorgeschlagene Landesliste ein Mandat erringt, welches nicht verrechenbar sein kann, da keine Landesliste existiert.

Genau dies kann aber der Wähler, der einer Partei mit zugelassener/vorgeschlagener Landesliste über Direktmandate zum Einzug in den Bundestag verhilft, nicht berechnen. Er weiß nicht, ob die Grundmandatsklausel greifen kann, d.h. ob es der Partei gelingen wird, genügend Direktmandate zu erringen, um auch bei Verfehlen der Sperrklausel mit Zweitstimmenanteil im Parlament zu sein. Damit bei einem Mißerfolg seines Wahlkreiskandidaten und Scheitern der Partei an der Sperrklausel seine Stimme nicht völlig wertlos ist, muß er - wie C07 korrekt dargelegt hat - sogar Stimmensplitting betreiben.

Daher halte ich den Hinweis der 4 Richter des Bundesverfassungsgerichts von 1997 in diesem Punkt für plausibel und korrek - so sehr ich die Entscheidung des Gerichts in Bezug auf die Verfassungsmäßigkeit der Überhangmandate sonst auch bedaure. Dennoch hoffe ich, dass das Bundesverfassungsgericht bald über die Wahlprüfungsbeschwerden entscheidet, damit endlich in dieser Angelegenheit Rechtssicherheit herrscht.
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Wahlrechtskritiker
Veröffentlicht am Dienstag, 29. Juni 2004 - 07:35 Uhr:   

Der Fall der beiden Berliner Wahlkreise (86 und 87) ist nur eine von mehreren Konstellationen, die zu doppeltem Stimmgewicht führen können. Insbesondere wäre doppeltes Stimmgewicht auch dann gegeben, wenn noch ein weiterer PDS-Kandidat einen Wahlkreis gewonnen hätte (und damit die PDS an der Sitzverteilung teilgenommen hätte). Ich komme darauf zurück.

Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des Wahlrechts ist zunächst zu beachten: Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verlangt stets, daß die Abgeordneten gewählt werden; eine bloße Parteienwahl schließt die Verfassung aus (BVerfGE 97, 317 m.w.N.). Das BVerfG hat zudem mehrfach betont, daß die politischen Parteien vornehmlich Wahlvorbereitungs- organisationen sind (vgl. BVerfGE 20, 56 m.w.N.)

Außerdem schreibt die Verfassung nicht nur den Gleichheitsgrundsatz vor. Gleichrangig ist auch der Grundsatz der unmittelbaren Wahl. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG bedeutet Unmittelbarkeit der Wahl auch, daß jede Stimme entsprechend dem Wählerwillen bestimmten oder bestimmbaren Wahlbewerbern zugerechnet werden muß (vgl. BVerfGE 97, 317 m.w.N.). (Man beachte: Die Stimmen sind von Verfassungs wegen nicht den Parteien zuzurechnen.)

Bei der Prüfung, ob das Wahlrecht die Verfassungsgrundsätze verwirklicht, geht es
- jedenfalls vorrangig - um Wähler und Bewerber. Der Grundsatz der gleichen Wahl ist also stets in Verbindung mit dem Grundsatz der unmittelbaren Abgeordnetenwahl zu prüfen. Es geht also darum, in welchem "Kontext" der Gleichheitsgrundsatz zu betrachten ist.

Bei den folgenden Erläuterungen wird immer vorausgesetzt, daß die Wähler beide Stimmen abgeben:

* entweder: für einen Wahlkreisbewerber und für die Bewerber der zugeordneten Landesliste (nichtsplittende Wähler)

* oder: für einen Wahlkreisbewerber und für die Bewerber einer anderen als der zugeordneten Landesliste (splittende Wähler)

Ein Gestaltungsprinzip des Bundeswahlgesetzes (BWG) ist es, daß zwar jeder Wähler zwei Stimmen hat, daß aber im Ergebnis nur eine Stimme wirksam werden soll. Dieses Prinzip ist jedoch nur verwirklicht, wenn nicht gesplittet wird, oder wenn keine zugeordnete Landesliste existiert (d.h. im Falle des Einzelbewerbers):

* Beim erfolgreichen Einzelbewerber ist dieses Prinzip offensichtlich, da die Zweitstimmen seiner Wähler nicht berücksichtigt werden (§6 Abs. 1 Satz 2 BWG).

* Bei nichtsplittenden Wählern wird dieses Prinzip indirekt dadurch verwirklicht, daß ein erfolgreicher Wahlkreisbewerber auf die Sitzzahl der zugeordneten Landesliste angerechnet wird (§6 Abs. 4 Satz 1 BWG). Durch die Anrechnung werden die Zweitstimmen (der nichtsplittenden Wähler) im Ergebnis neutralisiert.

Doppeltes Stimmgewicht haben splittende Wähler dann, wenn ihre Erststimmen für den Erfolg des Wahlkreisbewerbers entscheidend sind (d.h. wenn die Erststimmem der nichtsplittenden Wähler für den Gewinn des Wahlkreises nicht ausreichend sind). Mit der Erststimme verhelfen sie einem Bewerber zum Gewinn des Wahlkreises; mit der Zweitstimme verhelfen sie einem weiteren Bewerber zum Erfolg, da der erfolgreiche Wahlkreisbewerber nicht auf die Landesliste angerechnet wird, für die die gesplittete Zweitstimme abgegeben wird.

Insofern ist für die verfassungsrechtliche Beurteilung, ob splittende Wähler (und nur um diese geht es) doppeltes Stimmgewicht haben, bedeutungslos,

* ob dem erfolgreichen Wahlkreisbewerber eine Landesliste zugeordnet ist oder nicht,

* ob die zugeordnete Landesliste an der Sitzverteilung teilnimmt oder nicht.

Denn doppeltes Stimmgewicht der splittenden Wähler wird nicht dadurch vermieden, daß der erfolgreiche Wahlkreisbewerber auf die zugeordnete Landesliste angerechnet wird - auf eine Landesliste also, die der splittende Wähler mit seiner Zweitstimme nicht wählt.

Auch durch Ex-Post- und Ex-Ante-Betrachtungen läßt sich entstandenes doppeltes Stimmgewicht nicht rechtfertigen. Im übrigen sind die Unterschiede nicht so groß, wie die Argumentation suggeriert. Zum Zeitpunkt der Stimmabgabe weiß auch der Wähler eines Einzelbewerbers nicht, ob der Kandidat erfolgreich ist und ob somit seine Zweitstimme nicht berücksichtigt wird. Ex-Ante-Betrachtungen mögen allenfalls eine Rolle spielen, wenn es darum geht, nachträglich eine Regel anzuwenden, die zum Zeitpunkt der Wahl nicht explizit bestanden hat.

Das Wahlrecht ermöglicht sogar, daß (dieselben) Wähler zwei Parteien zum Einzug in den Bundestag verhelfen können - und zwar dann, wenn sie mit der Erststimme der einen Partei zum 3. Wahlkreismandat verhelfen und mit der Zweitstimme einer anderen Partei über die 5%-Hürde helfen.

Zur Beseitigung der Fehlkonstruktion des Zwei-Stimmen-Verfahrens ist es also nicht damit getan, die Regelung für den Einzelbewerber zu verallgemeinern. Zumal diese Regelung den Grundsatz der Chancen- gleichheit insofern verletzt, als (nur) seine Wähler mit dem Hinweis abgeschreckt werden können, daß ggf. die (sog. maßgebende) Zweitstimme nicht berücksichtigt wird.
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Wahlrechtskritiker
Veröffentlicht am Dienstag, 29. Juni 2004 - 08:01 Uhr:   

Auch bei der Beurteilung der Überhangmandate sind die Vorgaben der Verfassung zu beachten. Wie bereits erwähnt, verlangt die Verfassung eine unmittelbare Abgeordnetenwahl. Das bedeutet, daß Erststimmen für Wahlkreisbewerber und die Zweitstimmen für Listenbewerber abgegeben werden. Will man den Parteienproporz ermitteln, müßten alle Stimmen berücksichtigt werden, die für die von einer Partei aufgestellten Bewerber abgegeben wurden.

Dem trägt aber das BWG keine Rechnung, weil es als Bemessungsgrundlage, wieviele Sitze auf eine Partei entfallen sollen, (und damit auch als Berechnungsgrundlage für die Anzahl der Überhangmandate), lediglich die Berücksichtigung der Zweitstimmen vorschreibt. Sähe man als Bemessungsgrundlage die Summe aus Erst- und Zweitstimmen vor, gäbe es zudem weniger Überhangmandate.

Auch dieses Beispiel zeigt, daß eine grundlegende Reform des Wahlsystems überfällig ist.

Ungeachtet dessen, ist es fraglich, ob es überhaupt verfassungsrechtliche Einwände gegen Überhangmandate geben kann. Die Verfassung schreibt weder eine Verhältniswahl vor noch verbietet sie eine Mehrheitswahl. Kombiniert der Gesetzgeber eine Mehrheitswahl mit einer Verhältniswahl, läßt sich verfassungsrechtlich nicht begründen, wieso das Gesamtergebnis so sein müßte, als gäbe es nur eine Verhältniswahl. Kein Paragraph des BWG hat Verfassungsrang. Somit können die dort vorgesehenen "Grundsätze einer mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl" (§1 Abs. 1 Satz 2 BWG), was auch immer das bedeuten mag, vom Gesetzgeber selbst durch Ausgestaltung so interpretiert werden, daß Überhangmandate entstehen können (§6 Abs. 5 BWG) und zulässig sind. Dabei ist unerheblich, was Dritte meinen, wie eine mit der Personenwahl verbundene Verhältniswahl auszusehen habe. Insofern ist es auch keine Aufgabe für das BVerfG, den in einem Gesetz angeführten Grundsätzen Verfassungsrang zu geben und dann damit die übrigen Bestimmungen des Getzes "verfassungsgemäß" auszulegen.
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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 29. Juni 2004 - 10:04 Uhr:   

Wahlrechtskritiker:
> eine bloße Parteienwahl schließt die Verfassung aus (BVerfGE 97, 317 m.w.N.)

Was aber nur heißen soll, dass die Abgeordneten, die eine Partei stellen wird, vor der Wahl namentlich bekannt sind, und nicht, dass irgendwelche Abgeordnete "direkt" gewählt werden müssten, wie aus den Sätzen davor zweifelsfrei ersichtlich ist. Dadurch, dass Wähler anderer Parteien die Liste praktisch obsolet machen können, ist dieses Prinzip allerdings nur sehr mäßig verwirklicht.

> Ein Gestaltungsprinzip des Bundeswahlgesetzes (BWG) ist es, daß zwar jeder Wähler
> zwei Stimmen hat, daß aber im Ergebnis nur eine Stimme wirksam werden soll.

Das ist nicht richtig. Prinzipiell (außer bei erfolgreichen Einzelbewerbern) werden immer beide Stimmen wirksam, nur in unterschiedlicher Weise. Die Zweitstimme regelt das Verhältnis der Parteien und die Erststimme bestimmt die personelle Zusammensetzung einer Partei mit (und zwar egal, ob der Wähler splittet oder nicht). Die Frage ist nur, ob die Erststimme darüber hinaus auch Auswirkungen auf das Parteienverhältnis hat. Das kann passieren, weil sie gegenüber der Zweitstimme im Zweifelsfall vorrangig bewertet wird.

Von "Wirksamkeit" kann man eigentlich eh nur reden, wenn daraus auch ein Mandat resultiert. Das ist bei den Erststimmen genau dann der Fall, wenn der siegreiche Bewerber gewählt worden ist, und bei Zweitstimmen, wenn die Partei die Sperrklausel überwindet.

> Durch die Anrechnung werden die Zweitstimmen (der nichtsplittenden Wähler)
> im Ergebnis neutralisiert.

Im Allgemeinen nicht. Stimmensplitting ist für Überhangmandate nur von sehr untergeordneter Bedeutung.

> Doppeltes Stimmgewicht haben splittende Wähler dann, wenn ihre Erststimmen für
> den Erfolg des Wahlkreisbewerbers entscheidend sind (d.h. wenn die Erststimmem
> der nichtsplittenden Wähler für den Gewinn des Wahlkreises nicht ausreichend sind).

Doppeltes Stimmgewicht haben sie außer bei Einzelbewerbern und bei Parteien, die die Sperrhürde nicht überwinden, immer. Die Frage ist nur, ob es auch wirksam wird, und ob das der Wähler vorher absehen kann. Eine Unterscheidung nach der jeweiligen Zweitstimme ist dabei sinnlos. Ebenso könnte man umgekehrt behaupten, dass einzig die Erststimmen der Splitter entscheidend sind, wenn sie zum Wahlkreisgewinn ausreichen.

> Zum Zeitpunkt der Stimmabgabe weiß auch der Wähler eines Einzelbewerbers
> nicht, ob der Kandidat erfolgreich ist und ob somit seine Zweitstimme
> nicht berücksichtigt wird.

Er weiß aber, dass in jedem Fall nur eine seiner beiden Stimmen wirksam wird. Jeder andere Wähler hat die Chance, gleichzeitig mit der Zweitstimme einer Partei und mit der Erststimme einem konkreten Bewerber zu einem Mandat zu verhelfen. Das ist völlig unabhängig davon, ob er splittet oder nicht. Auch die Frage, ob das über die Erststimme erzielte Mandat für eine Partei zusätzlich ist, hängt nicht wesentlich damit zusammen, ob er gesplittet hat.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 29. Juni 2004 - 19:52 Uhr:   

"Denn doppeltes Stimmgewicht der splittenden Wähler wird nicht dadurch vermieden, daß der erfolgreiche Wahlkreisbewerber auf die zugeordnete Landesliste angerechnet wird - auf eine Landesliste also, die der splittende Wähler mit seiner Zweitstimme nicht wählt."

Dies ist meines Erachtens nicht korrekt, denn die Mandatsstärke der Partei des Wahlkreiskandidaten, dem der Wähler durch sein Stimmensplitting zum Erfolg verholfen hat, wird dadurch nicht beeinflusst und es geht ja bei den Betrachtungen des doppelten Stimmengewichtes um die Mandatsstärke der Parteien und die wird eben - es sei denn, es handelt sich um ein Überhangmandat - nicht beeinflusst.
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Wahlrechtskritiker
Veröffentlicht am Dienstag, 13. Juli 2004 - 07:33 Uhr:   

c07 und Bernhard Novak:

Es dürfte zweckmäßig sein, zunächst einige Begriffe bzw. Voraussetzungen zu klären.

Eine verfassungsrechtliche Betrachtung des Wahlrechts erfordert stets, daß man auch vom Verfassungstext ausgeht (und nicht implizit so argumentiert, als wenn die Verfassung eine Parteienwahl vorsähe; was aber durchaus unbewußt geschehen kann. Auch das Bundeswahlgesetz - BWG - geht teilweise implzit von einer Parteienwahl aus).

* Funktion der Wahl

In der durch das Grundgesetz verfaßten freiheitlichen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt - Art. 20 Abs. 1 und 2 GG. Diesen Organen wird die demokratische Legitimation, derer sie bedürfen, damit das Volk durch sie die von ihm ausgehende Staatsgewalt ausübt, durch Wahlen vermittelt. Mit der Stimmabgabe der Wahlen betätigt sich der Bürger als Glied des Staatsorgans Volk im status activus (BVerfGE 83, 60 m.w.N).

Die Mitglieder des Deutschen Bundestages erlangen die für ihre Tätigkeit als Volksvertreter erforderliche demokratische Legitimation unmittelbar durch die Bundestagswahl (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. BVerfGE 77, 1 m.w.N.).

Wahlen vermögen demokratische Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG nur zu verleihen, wenn das Wahlrecht alle einschlägigen Verfassungsnormen verwirklicht. So hat es das Bundesverfassungsgericht exemplarisch für den Grundsatz der freien Wahl festgestellt (vgl. BVerfGE 44, 125 ).


* Unmittelbare Abgeordnetenwahl
schließt eine Listenwahl nicht aus. Bei einer Listenwahl wird die Abgeordnetenwahl in Form einer En-block-Wahl durchgeführt. Wie oben bereits erläutert, verlangt - laut BVerfG - der Grundsatz der Unmittelbarkeit, daß jede Stimme entsprechend dem Wählerwillen bestimmten oder bestimmbaren Wahlbewerbern zugerechnet werden muß. Dies gilt auch bei einer Listenwahl.

Diese Zurechnung ergibt eine 1:n-Beziehung zwischen dem Wahlkreisbewerber und den Erststimmen, eine m:n-Beziehung zwischen den Listenbewerbern und den Zweitstimmen.


* Wirksam
ist (bei einer Abgeordnetenwahl!) eine Stimme dann, wenn sie (zusammen mit anderen in gleicher Weise abgegebenen Stimmen) bewirkt, daß ein Bewerber erfolgreich ist, der ohne diese Stimmen nicht erfolgreich wäre.

* Doppeltes Stimmgewicht
ist (bei einer Abgeordnetenwahl!) dann gegeben, wenn z.B. beim Zwei-Stimmen-Verfahren bei den einen Wählern beide Stimmen wirksam sind, während bei den anderen Wählern jeweils nur eine Stimme wirksam ist.


Solche Effekte sind nicht besonders augenfällig, da sich in den Wahlergebnissen unterschiedlische Verhaltensweisen der Wähler vermischen. Daher mögen die folgenden Gedankenexperimente die Zusammenhänge veranschaulichen.

Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Situation des Berliner Wahlkreises 84. Dort war H. Ströble als Wahlkreiskandidat der GRÜNEN aufgestellt und erfolgreich. Er war jedoch nicht auf der Landesliste der GRÜNEN nominiert und konnte folglich nicht durch Zweitstimmen legitimiert werden. (Die Erststimmen der Wähler, die auch die Bewerber der Landesliste der GRÜNEN gewählt haben, waren allerdings für den Gewinn des Wahlkreises nicht ausreichend.)

Betrachten wir nun die beiden folgenden (angenommenen) Konstellationen:

1. Nehmen wir zunächst an, Ströbele habe die Erststimmen nur von nichtsplittenden Wählern bekommen und sei damit erfolgreich gewesen. (Alle Stöbele-Wähler hätten also ihre Zweitstimmen den Bewerbern der Landesliste der GRÜNEN gegeben.)

Die Erststimmen waren also wirksam, da Ströbele erfolgreich war. (Trivial.)

Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 BWG wird die für die Berliner Landesliste der GRÜNEN ermittelte Abgeordnetenzahl um eins vermindert. D.h. bezüglich der aus der Landesliste zu vergebenden Mandate wird so getan, als seien so viele Stimmen weniger auf die Listenbewerber entfallen, wie einem Sitz entsprechen. Die Wirkung für die
nichtsplittenden Wähler ist also dieselbe wie bei einem pauschalen Verfahren der Präferenzstimmgebung nach folgendem Schema:

(1) Sind die Erststimmen wirksam, wird bei der zugeordneten Landesliste pauschal die einem Mandat entsprechenden Zweitstimmenzahl nicht berücksichtigt. (Eine Verrechnung des Wahlkreismandats unterbleibt dann natürlich.)

(2) Sind die Erststimmen nicht wirksam, werden die Zweitstimmen dieser Wähler berücksichtigt.

Bei einem solchen Wahlverfahren (der Präferenzstimmgebung) ist offensichtlich, daß nur eine Stimme wirksam ist. Zum selben Ergebnis führt auch das Zwei-Stimmen-Verfahren des BWG.

Die Zweitstimmen der (nichtsplittenden) Ströbele-Wähler entfalten also im Ergebnis keine Wirkung - in dem Sinne, daß sie zusätzlich noch einem Listenbewerber zum Mandat verhelfen würden.


2. Nehmen wir nun an, die Wähler, die im Wahlkreis 84 den Bewerbern der Landesliste der GRÜNEN die Zweitstimmen gegeben haben, hätten (entsprechend der Stimmung auf dem Nominierungsparteitag für die Landesliste) ihre Erststimme nicht Ströbele gegeben. Statt dessen habe Ströbele nur "gesplittete Erststimmen" erhalten und sei damit erfolgreich gewesen.

Hinsichtlich der Erststimmen gilt natürlich wieder: wirksam. (Fataler Nebeneffekt der Anrechnung des Wahlkreissitzes: bei der angenommenen Konstellation wird Ströbele Wählern zugerechnet, die ihn nicht gewählt haben, da er auf der Landesliste nicht nominiert war.)

Im Gegensatz zu den nichtsplittenden Wählern erfahren die splittenden Wähler keinerlei Einschränkung der Wirksamkeit ihrer Zweitstimmen. Diese haben dieselbe Wirkung wie die Zweitstimmen der Wähler, deren Erststimmen nicht wirksam waren. Die splittenden Wähler sind also mit ihren Zweitstimmen bei der Legitimation eines weiteren Abgeordneten (nämlich eines Bewerbers einer anderen Liste) beteiligt.

Was ändert sich für die Beurteilung des doppelten Stimmgewichts der splittenden Wähler, wenn Ströbele als Einzelbewerber aufgetreten wäre? Der Unterschied besteht nur darin, daß das BWG (bei zugeordneter Landesliste) so tut, als wenn der Wahlkreisbewerber nicht durch die splittenden Wähler gewählt worden wäre, sondern durch die Wähler der zugeordneten Landesliste.


Noch eine Anmerkung.
Wenn es nicht Gestaltungsprinzip des BWG wäre, daß von beiden Stimmen im Ergebnis nur eine wirksam (im Sinne der obigen Erläuterung) werden soll, was rechtfertigte dann, die Zweitstimmen der Wähler eines erfolgreichen Einzelbewerbers nicht zu berücksichtigen?!
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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 13. Juli 2004 - 10:59 Uhr:   

Wahlrechtskritiker:
> Sind die Erststimmen wirksam, wird bei der zugeordneten Landesliste pauschal
> die einem Mandat entsprechenden Zweitstimmenzahl nicht berücksichtigt.

Dabei ist aber mehreres zu beachten: Erstens gibt es bei Hare/Niemeyer eine "einem Mandat entsprechende Zweitstimmenzahl" höchstens näherungsweise. Zweitens ist sie auch bei Divisorverfahren im Allgemeinen parteiabhängig. Drittens wird die Zahl der Erststimmen von der berechneten Zweitstimmenzahl deutlich verschieden sein.

Insbesondere heißt das, dass die restlichen Zweitstimmen negativ werden können (eben dann, wenn es zu Überhangmandaten kommt). Dazu ist kein Stimmensplitting notwendig, sondern es reichen die Effekte unterschiedlicher Wahlbeteiligung (und im Prinzip auch schon Rundungs- und systematische Fehler aus der Wahlkreiseinteilung und der Oberverteilung).

Du hast also in diesem Modell Stimmen verbraucht, die gar nicht existieren. In Wirklichkeit sind das eben auch die Stimmen von Leuten, bei denen sowohl die Erst- als auch die Zweitstimme wirksam ist - völlig ohne Splitting.
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Mittwoch, 29. Dezember 2004 - 21:42 Uhr:   

Die Problematik, die hier zu Anfang des Threads diskutiert wurde, wird jetzt wieder aktuell. Anfang Januar des nächsten Jahres werden die Zweitstimmen der PDS-Erststimmenwähler in den beiden Berliner "PDS-Wahlkreisen", die nicht an die PDS-Landesliste vergeben wurden, auf Bitte des Bundeswahlleiters an den Berliner Landeswahlleiter neu ausgezählt. Wahrscheinlich wird es keine Mandatsrelevanz geben, so dass nur interessant werden wird, wie sich das BVerfG dazu äußern wird.

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