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Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Bundestagswahl 2005 » Neuwahl des Deutschen Bundestags im Herbst 2005 » 376-400 « Zurück Weiter »

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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2005 - 18:17 Uhr:   

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hatte die Fristsetzung "nicht vor dem 18. Juni 2005" einen anderen Ursprung, nämlich eine Veränderung bei den Wahlkreisen, und das Veränderungsgesetz sah diese Sperrfrist vor.
Vom Bundeswahlleiter aus gesehen sind ansonsten nur die "spätestens"-Fristen relevant.

Ich bezweifele aber, daß eine Partei wirklich beliebig früh eine Wahlliste aufstellen kann. Das wird nicht explizit gesetzlich geregelt sein. Aber wenn es deutlich sachfremd zu früh ist (also z. B. 3 Jahre vor der nächsten Wahl), dann könnte diese Listenaufstellung wohl von Parteimitgliedern anfechtbar sein, die später kandidieren oder mitbestimmen wollen.
Das ist aber eine reine Vermutung von mir, ich könnte nicht konkret sagen, auf welche Paragraphen man sich dabei stützen könnte.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2005 - 19:01 Uhr:   

Aus der FAZ vom 22.06.2005:

Vertrauensfrage
Schröder bringt Kabinett und Köhler in Nöte


22. Juni 2005 Bundeskanzler Schröder will in der kommenden Woche die Mitglieder des Bundeskabinetts darüber unterrichten, wie er sich die Modalitäten der für den 1. Juli im Bundestag vorgesehenen Vertrauensfrage vorstellt. Statt in einer Kabinettssitzung solle dies in einem Ministergespräch „ohne Tagesordnung” geschehen, sagte am Mittwoch Regierungssprecher Steg.


Bislang war erwartet worden, Schröder werde die Minister mit Abgeordnetenmandat oder auch die Parlamentarischen Staatssekretäre auffordern, sich bei der Vertrauensfrage der Stimme zu enthalten und auf diese Weise das gewünschte Ergebnis deren negativer Beantwortung zu erzielen.

Kein Verständnis für das Vorziehen

Nicht bei allen Kabinettsmitgliedern war das Vorgehen Schröders und des SPD-Vorsitzenden Müntefering auf Wohlgefallen gestoßen, die Wahlperiode des Bundestages zu verkürzen. Es gibt sogar Hinweise aus dem Kabinett, mit Ausnahme von Wirtschaftsminister Clement, der kein Abgeordnetenmandat hat, seien eigentlich und ursprünglich alle Kabinettsmitglieder von SPD und Grünen ohne Verständnis für das Vorziehen der Bundestagswahl - teils aus verfassungsrechtlichen Gründen, teils aus politischen. Auch der Chef des Bundeskanzleramtes, Staatssekretär Steinmeier, gehört dazu.

Nun aber habe man sich zu fügen, heißt es. Öffentlichen Widerspruch von Ministern gab es allerdings nicht, und mehrere - wie Innenminister Schily und Verteidigungsminister Struck - versicherten, sie würden sich der Stimme enthalten, wenn es von Schröder gewünscht werde. Auf der anderen Seite wurde in der vergangenen Sitzungswoche des Bundestages gezählt, daß die Fraktionen von SPD und Grünen bei Abstimmungen im Plenum etwa fünfzigmal eine ausreichende Mehrheit mobilisiert hätten.

Kein neuer Sachstand

Die Gespräche, die Köhler am Dienstag mit den Partei- und Fraktionsvorsitzenden von SPD, CDU/CSU und FDP führte, haben keinen neuen Sachstand erbracht, zumal die Gesprächspartner des Bundespräsidenten nur ihr Interesse am Vorziehen der Bundestagswahl dargelegt haben, nicht aber Schröders engere Motive erklären konnten. Diese liegen auch im engeren Kern der SPD weiter im dunkeln, was zu Spekulationen über die Meinungsbildung führte.

Auch nach den Gesprächen ist die Entscheidung Köhlers offen. Hinweisen aus Kreisen der Parteien ist nicht zu entnehmen, daß sich substantiell eine Tendenz bei Köhler verändert hat. Die Zitate, die aus den Gesprächen kolportiert wurden, gaben ebenfalls keine Linie vor.

Danach sollen die Spitzen von CDU und CSU dem Bundespräsidenten dargelegt haben, sie hätten kein Interesse daran, daß Schröder wegen des Scheiterns seines Planes zurücktreten müßte, weil dann das weitere Verfahren komplizierter und unberechenbarer würde. Auch angebliche Hinweise Köhlers, er werde sich seine Entscheidung nicht leichtmachen und dabei auch Stimmungen in Politik und Bevölkerung berücksichtigen, geben keine Richtung an.

Scheut Köhler das Risiko?

Er hatte sich in diesem Sinne schon vorher in einigen Zeitungsgesprächen geäußert, zugleich aber kundgetan, die Entscheidung über die Auflösung des Bundestages könne er erst treffen, wenn - nach der Vertrauensabstimmung im Bundestag - der Bundeskanzler ihn darum bitte.

An dieses Verhalten knüpfen sich in Berlin mittlerweile Spekulationen, zu denen sogar ein Wahltag vor dem 18. September gehört, aber auch die Auffassung, Köhler werde kein verfassungsrechtliches Risiko eingehen wollen. Deshalb werde er Schröders Bitte um Parlamentsauflösung entweder ablehnen oder sie gleich an das Bundesverfassungsgericht weiterleiten wollen.

Grüner droht mit Klage in Karlsruhe

Vor allem der Grünen-Abgeordnete Schulz ist gewillt, sich an Karlsruhe zu wenden, wenn er zur Auffassung gelangt, der gewünschte negative Ausgang der Vertrauensfrage sei auf „gezinkte” Weise zustande gekommen. Derzeit ist Schulz „immer mehr” dieser Meinung. Er sagte, viele Parlamentarier aus allen Fraktionen hätten ihn in internen Gesprächen in seiner Auffassung bestätigt. Die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Grünen werden an diesem Donnerstag Köhler besuchen.

Die Meinung von Schulz sehen sie, wie der Parteivorsitzende Bütikofer sagte, „mit Gelassenheit”. Zudem heißt es, ihretwegen müsse die Bundestagswahl nicht vorgezogen werden. Bei den Grünen gibt es Hinweise, daß sich - im Falle eines abschlägigen Bescheids Köhlers oder des Bundesverfassungsgerichts - die anderen Parteien auf eine Verfassungsänderung verständigen und ein Selbstauflösungsrecht des Bundestages beschließen würden.

„Geheimaktion” zweier Politiker?

Am Mittwoch äußerten sich führende Parteipolitiker in einer Weise, die den Druck auf den Bundespräsidenten zu erhöhen schien. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Gerhardt sagte: „Ich halte die Neuwahlen auch für unumgänglich.” Die Öffentlichkeit sei darauf eingestellt und die amtierende Regierung sei handlungsunfähig. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Beck sagte, „ganz Deutschland ist auf Neuwahlen eingestellt, insofern gehe ich davon aus, daß der Bundespräsident seinen Entscheidungsspielraum auch diesbezüglich nutzt.”

Erwartungen gibt es, daß die Zahl von derlei Stellungnahmen zunimmt, um Druck auf Köhler auszuüben. Schulz von den Grünen könnte unterdessen geneigt sein, daß Gespräch mit Köhler zu suchen und diesem zu erklären, es könne nicht richtig sein, daß durch eine „Geheimaktion” zweier Politiker (Schröder und Müntefering) gleich drei Verfassungsorgane (Bundestag, Bundespräsident, Bundesverfassungsgericht) genötigt und in Turbulzenzen gestürzt würden.


Text: ban.; Frankfurter Allgemeine Zeitung
Bildmaterial: AP
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2005 - 19:18 Uhr:   

Wirklich schade, daß durch die Nichtnominierung von Schulz seine eventuelle Organklage einen negativen Beigeschmack bekommt. Fairerweise muß man aber dazusagen, daß er sich schon vor einigen Wochen angedeutet hat, möglicherweise nach Karlsruhe zu gehen.

Absurd finde ich übrigens, daß die Idee einer Verfassungsänderung vom Tisch zu sein scheint, weil offenbar alle der Meinung sind, eine solche Ad-hoc-Änderung sei irgendwie anrüchig. Die Sinnhaftigkeit eines Selbstauflösungsrechts des Bundestags wird doch nicht gerade zum ersten Mal offensichtlich. Daß man nach 1983 bedauerlicherweise einer Wiederholung der Farce durch eine Verfassungsänderung nicht vorgebeugt hat, darf kein Grund sein, den gleichen Fehler noch einmal zu machen.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2005 - 19:40 Uhr:   

> Nicht bei allen Kabinettsmitgliedern war das Vorgehen Schröders
> und des SPD-Vorsitzenden Müntefering auf Wohlgefallen gestoßen,
> die Wahlperiode des Bundestages zu verkürzen.
LOL, das kann man sich denken.
Für die meisten Minister dürfte der Verlust des Kabinettsposten ziemlich einschneidend sein, ein schmerzlicher Verlust von Macht und Einkommen.
Während die Mehrheit in den Koalitionsfraktionen darauf vertrauen kann, bei gleicher Besoldung künftig die leichtere Oppositionsrolle spielen zu dürfen.

> Scheut Köhler das Risiko?
Auch als Frage eine blödsinnige Journalisten-Spekulation.
Köhler hat bisher eiserne Disziplin bewiesen und jede Festlegung vermieden, die irgendeinen Zweifel an seiner Neutralität aufkommen ließe.
Ist aber egal, was er macht - es werden ihm doch beliebig Absichten und Motive untergeschoben.

> Derzeit ist Schulz „immer mehr” dieser Meinung. Er sagte, viele
> Parlamentarier aus allen Fraktionen hätten ihn in internen
> Gesprächen in seiner Auffassung bestätigt.
Das sind vielleicht Pinsel.
Im Gegensatz zu Schulz geht es ihnen wohl nicht um die Verfassungsmäßigkeit, sondern um die persönliche Pfründe.
Aber sie sind zu feige, offen für ihren Standpunkt zu werben, sondern hoffen, daß Schulz für sie die Kohlen aus dem Feuer holt.
Diese weit verbreitete Feigheit ist eines der Grundprobleme im deutschen Politik-Betrieb.
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John Rawls
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2005 - 20:10 Uhr:   

>>>Köhler hat bisher eiserne Disziplin bewiesen und jede Festlegung vermieden, die irgendeinen Zweifel an seiner Neutralität aufkommen ließe.

Sieht man mal gnädig davon ab, dass er sich öffentlich Merkel als Kanzlerkandidatin gewünscht hat und andere, nun, Stellungnahmen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2005 - 22:41 Uhr:   

Wie hier schon mehrfach dargelegt, halte ich das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar 1983 für ein hochpolitisches Fehlurteil, welches auch in der Urteilsbegründung widersprüchlich argumentiert. Ich habe dies ja hier schon mehrfach dargelegt und teile vollkommen Wilkos Meinung dazu. Allmählich hoffe ich fast, dass Schulz im Falle der Bundestagsauflösung vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wird und dass die von Schröder auf diese Weise (Ministerenthaltung) herbeigeführte Vertrauensfrage als Grundlage für die Auflösung des Bundestages nach Art. 68 GG durch das Bundesverfassungsgericht gestoppt wird. Ich hoffe, dass durch die mögliche Verfassungsklage von Schulz - dessen Motive, eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einzureichen, ich durchaus darin sehe, dass er nicht wieder in den Bundestag einziehen wird, dieses erneut urteilen muss. WEiterhin hoffe ich (wenn ich auch nicht daran glaube), dass es dieses Mal den Mut hat, diese von Schröder vorgesehene Art der Bundestagsauflösung als nicht vereinbar mit Art. 68 GG zu erklären. Dann würden sich die Parteien nämlich - so sehe ich dies - sehr schnell auf ein Selbstauflösungsrecht mit qualifizierter Mehrheit einigen, wie es ja auch aus dem FAZ-Artikel hervorgeht und wie wir es in diesem Thread mehrfach als mögliche Lösung diskutiert haben. Wir hätten dann zwar etwas später Neuwahlen - vielleicht erst im Oktober oder November - aber eine einwandfreie verfassungsgemäße Grundgesetzregelung dazu. Dies wäre aus meiner Sicht nach wie vor die sauberste Lösung. Es bleibt mir völlig unverständlich, warum die Parteien weder 1983 noch danach diesen Weg gegangen sind.

Im übrigen: der Bundespräsident kann kein Gutachten beim Bundesverfassungsgericht in Auftrag geben. Der FAZ-Artikel - die Formulierungen sind ja relativ wolkig - irrt, falls er eine solche Annahme enthalten sollte. Der Autor des Artikels scheint - so habe ich es interpretiert - so etwas anzunehmen. Der Bundespräsident kann nur innerhalb von 21 Tagen - also bis zum 22. Juli - auflösen oder nicht auflösen. Danach erlischt sein Auflösungsrecht. Es würde auch dann nicht wirksam, wenn der Kanzler die Gegenzeichnung der Auflösung - nach Art. 68 ja Voraussetzung für das Wirksamwerden einer solchen Auflösungsentscheidung - verweigern würde.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2005 - 22:51 Uhr:   

Und hier noch ein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung vom 23.06.05, der zeigt, dass neben Schulz weitere Kleinparteien gegen eine mögliche Bundestagsauflösung Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einreichen wollen:


Aufstand der "Kleinen"

Parteien erwägen Klage gegen Neuwahl

Weil vier kleine Gruppierungen durch eine vorgezogene Bundestagswahl einen Wettbewerbsnachteil befürchten, überlegen sie, ob sie in Karlsruhe Klage einreichen sollen. Aber auch der Grünen-Politiker Werner Schulz hat Widerstand gegen das Verfahren angekündigt, mit dem das Parlament aufgelöst werden soll.
Von Robert Roßmann

Der Widerstand gegen die geplante Auflösung des Bundestages wächst. Vier kleine Parteien erwägen, deswegen vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Sie fühlen sich durch eine vorgezogene Neuwahl benachteiligt.

Außerdem kündigte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Werner Schulz am Mittwoch eine Organklage in Karlsruhe für den Fall an, dass sich Minister bei der geplanten Vertrauensfrage enthalten und so die Parlamentsauflösung bewirken. Dieser Weg gilt derzeit als wahrscheinlich.

Schulz sagte der Süddeutschen Zeitung, ihm hätten mehrere Abgeordnete von SPD und Grünen Unterstützung signalisiert.

Den Gang nach Karlsruhe erwägen die Republikaner, die Tierschutzpartei, die ÖDP und das Zentrum. Der Vorsitzende der Tierschutzpartei, Jürgen Gerlach, sagte der SZ, die von Bundeskanzler Gerhard Schröder gewünschte Auflösung des Parlaments sei verfassungswidrig.


"Offensichtlich getürkt"
Die überraschend vorgezogene Bundestagswahl verringere angesichts des Zeitdrucks und des enormen organisatorischen Aufwandes die Aussichten der kleineren Parteien. Diesen Wettbewerbsnachteil werde man nicht hinnehmen.

Gerlach sagte, es sei absurd, dass jetzt „künstlich Abgeordnete gesucht werden, die gegen ihre Überzeugung dem Kanzler das Misstrauen aussprechen“. Die Vertrauensfrage sei „offensichtlich getürkt“.

Die Tierschutzpartei sei deshalb bereits im Gespräch mit anderen kleinen Parteien, um die Neuwahl gemeinsam juristisch zu verhindern. Bei der Bundestagswahl 2002 hatte die Tierschutzpartei 160.000 Stimmen oder 0,3 Prozent erzielt. Sie war damit etwa so stark wie die NPD.


„Nicht koscher“
Auch die Republikaner bereiten bereits eine Organklage in Karlsruhe vor. Ihre stellvertretende Vorsitzende Ursula Winkelsett sagte, am Wochenende werde sich der Bundesvorstand damit befassen.

Verfasser der Klage sei der Bundesvorsitzende Rolf Schlierer. Der Generalsekretär der ÖDP, Claudius Moseler, sagte der SZ, seine Partei werde ebenfalls am Wochenende endgültig über das weitere Vorgehen entscheiden.

Sowohl die ÖDP als auch die Familienpartei erwögen den Gang nach Karlsruhe. Die beiden Parteien haben eine Kooperation vereinbart. In Zukunft wollen sie nicht mehr gegeneinander antreten, sondern – beginnend mit der Bundestagswahl – abwechselnd kandidieren.

Der stellvertretende Vorsitzende der Familienpartei, Wolfgang Britz, äußerte sich allerdings deutlich vorsichtiger als sein Bündnispartner von der ÖDP. Britz sagte, seine Partei wolle zunächst erreichen, dass sie wegen der vorgezogenen Wahl weniger Unterschriften als eigentlich nötig einreichen müsse.

Ihre Klagen erheben können die vier Parteien erst nach der Entscheidung von Bundespräsident Horst Köhler über die Auflösung des Bundestags. Der Bundespräsident kann sich dafür bis zum 22.Juli Zeit lassen.

Es gilt als sicher, dass eine Verfassungsbeschwerde für zulässig erklärt werden würde. Wie die anschließende Entscheidung ausfallen würde, ist dagegen unklar.

Die kleinen Parteien könnten statt der Verfassungsbeschwerde aber auch eine Organklage einreichen. Das Bundesverfassungsgericht gibt ihnen – entgegen dem Wortlaut des BVG-Gesetze – ein Klagerecht als Organkläger.

Begründet wird dies mit dem besonderen Status der Parteien nach Artike l21 des Grundgesetzes.

Der grüne Abgeordnete Schulz will in jedem Fall Organklage einreichen, wenn die „Vertrauensfrage nicht koscher läuft“. Das jetzt wahrscheinliche Verfahren der Minister-Enthaltung sei nicht koscher. Schulz wies darauf hin, dass sich SPD und Grüne allein vorige Woche 50 Abstimmungen hätten stellen müssen.

Die Koalition habe alle gewonnen. Die Voraussetzungen für eine Auflösung des Parlaments seien also nicht erfüllt.

Bei der SPD ist bislang niemand bekannt, der nach Karlsruhe gehen will. Es wurde in der Führung aber darauf hingewiesen, dass sich dies nach den Listenaufstellungen in den Landesverbänden ändern könne.

Abgeordnete, die keine Chance auf eine Wiederwahl bekämen, könnten dann versuchen, ihr Mandat per Klage doch noch zu verlängern.

Schröder will am Mittwoch nächster Woche, zwei Tage vor der Sitzung des Bundestages, das Kabinett über seine Begründung der Vertrauensfrage informieren.

Schröder habe dafür statt einer formalen Kabinettssitzung ein Ministergespräch angesetzt, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. Daran werden keine Beamten teilnehmen, folglich auch nicht der Staatssekretär im Bundespräsidialamt, der für gewöhnlich den Kabinettssitzungen beiwohnt.

(SZ vom 23.6.2005
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Kai
Veröffentlicht am Donnerstag, 23. Juni 2005 - 10:08 Uhr:   

Zur Frage des Zeitpunktes der Kandidatenaufstellung lautet § 21 Abs. 3 Satz 4 des Bundeswahlgesetzes:

Die Wahlen (der Kandidaten durch die Parteien) dürfen frühestens 32 Monate, für die Vertreterversammlungen frühestens 29 Monate nach Beginn der Wahlperiode des Deutschen Bundestages stattfinden; dies gilt nicht, wenn die Wahlperiode vorzeitig endet.

Die Wahlperiode begann mit der konstituierenden Sitzung des 15. Deutschen Bundestages am 17. Oktober 2002. 32 Monate später ist der 17. Juni 2005, ab dem darauf folgenden Tag dürfen also wirksam Kandidaten gewählt werden.

Im Falle des vorzeitigen Endes des Wahlperiode ist wegen der 60-Tages-Frist für Neuwahlen den Parteien natürlich nicht zuzumuten, ihre Entscheidungen zu treffen, nachdem der Bundespräsident entschieden hat, ob der Bundestag wirklich aufgelöst wird. Hierzu hat der Bundeswahlleiter in der letzten Maiwoche erklärt, dass mit der Erklärung des Bundeskanzlers, eine Vertrauensfrage mit dem Ziel der Auflösung des Bundestages zu stellen, von der Alternative des zweiten Halbsatzes des § 21 Abs. 3 Satz 4 BWG ausgegangen werden kann, die Kandidatenaufstellung - soweit vor dem 18. Juni erfolgt - jedoch hinfällig wäre, wenn die Auflösung unterbleibt.
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MMA
Veröffentlicht am Donnerstag, 23. Juni 2005 - 12:17 Uhr:   

So ganz recht hat Schulz mit seinen stets gewonnenen Abstimmungungen ja nicht, wenn man an die hier dokumentierte Geschichte mit der fast geglückten Änderung der Grundmandatsklausel denkt. Das BVerfG könnte sich dann ja diese peinliche Abstimmung als Beleg dafür heranziehen, dass die Mehrheit unsicher ist.

Ob das Verfahren der Ministerenthaltung wirklich so anrüchig ist, wie Schulz behauptet? Ich habe noch mal genauer nachgeguckt, die entsprechenden Passagen des Urteils von 1983 (BVerfGE 62, S. 48/49) werten das Verfahren von 1972 als positives Vorbild für eine korrekte Anwendung von Art. 68.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Donnerstag, 23. Juni 2005 - 12:23 Uhr:   

@MMA: Der entscheidende Unterschied zu 1972 ist aber der, dass Willy Brandt keine Mehrheit mehr im Parlament hatte. Er bekam keine Mehrheit mehr für den Haushalt 1972, der kurz nach dem gescheiterten Konstruktiven Misstrauensvotum eingebracht worden war, vgl. das Buch von Arnulf Baring: Machtwechsel.
Schröder hingegen hat keine Abstimmung verloren - dies sind aber Maßstäbe aus der Vergangenheit. Der Begriff: "stetige Mehrheit" bezieht sich auf die Zukunft.

Kernfeststellung des Urteils des BVerfG von 1983 ist doch die: Ein Kanzler, dessen "stetige Mehrheit" "außer Zweifel steht" darf das Verfahren nach Art. 68 GG nicht zu einer (gewollten) Bundestagsauflösung benutzen.

Aber Preisfrage: Wann steht die Mehrheit "außer Zweifel" - wie ist dies zu belegen? Eine sehr interpretationsfähige Formulierung - meiner Meinung nach.

Insofern argumentiert Schulz in die Vergangenheit - für die Zukunft - und dies gilt für die Situation, ob nach den Wahlen in NRW Schröder eine Mehrheit in seiner Partei im Bundestag für notwendige weitere Reformschritte hat - sagt die Vergangenheit eben nicht viel aus.

Es bleibt spannend, wie das BVerfG jetzt vermutlich neuerlich entscheiden wird.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Donnerstag, 23. Juni 2005 - 13:25 Uhr:   

"Aber Preisfrage: Wann steht die Mehrheit "außer Zweifel" - wie ist dies zu belegen? Eine sehr interpretationsfähige Formulierung - meiner Meinung nach."

Zweifelsfrei ist die derzeitige Mehrheit aber knapper als 1983.
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MMA
Veröffentlicht am Donnerstag, 23. Juni 2005 - 14:12 Uhr:   

Eine andere Frage bei einer Anrufung des BVerfG könnte aber sein, ob das Verfahren überhaupt an den eigentlichen Punkt (Auflösungsenteschiedung des BPräs) gelangt. Wenn momentan, wie Kai schreibt, seit 17. 6. sogar schon Vorbereitungen für eine turnusgemäßte Neuwahl zulässig sind, ist die Frage, ob ein Abgeordneter durch vorzeitige Neuwahl in seinen Rechten ernsthaft beschnitten wird, nicht unbedingt genauso zu beantworten wie 1983. Und können Kleinparteien überhaupt verletzte Rechte geltend machen?
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Gast
Veröffentlicht am Donnerstag, 23. Juni 2005 - 14:52 Uhr:   

@MMA
"ist die Frage, ob ein Abgeordneter durch vorzeitige Neuwahl in seinen Rechten ernsthaft beschnitten wird, nicht unbedingt genauso zu beantworten wie 1983."

Ich denke, das dürfte ohne Problem genauso zu beantworten sein. Die Dauer der Legislaturperiode ist klar definiert: "Die Neuwahl findet frühestens sechsundvierzig, spätestens achtundvierzig Monate nach Beginn der Wahlperiode statt." Art. 39 I S. 2 GG -> jegliche Reduzierung verletzt den Abgeordneten in seinen Rechten.

"Und können Kleinparteien überhaupt verletzte Rechte geltend machen?"

Warum nicht? Partei ist Partei, wer weiß denn, ob sie nach der nächsten Wahl nicht plötzlich die drittstärkste Partei wären.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Donnerstag, 23. Juni 2005 - 22:15 Uhr:   

@John:
> dass er sich öffentlich Merkel als Kanzlerkandidatin gewünscht hat
Das wäre in der Tat ein Faux Pas - dann wäre mein Lob auch deutlich einzuschränken.
Wo und in welchem Zusammenhang soll er so etwas gesagt haben?
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Donnerstag, 23. Juni 2005 - 23:57 Uhr:   

@Ralf: Das war im letzten Jahr, unmittelbar vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten. Die genaue Formulierung, die er gewählt hat und die zunächst einige Aufregung verursacht hatte (er schränkte sie dann auch gleich ein mit der Bemerkung, er könne sich auch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Schröder vorstellen, den er für die Agenda 2010 lobte) kenne ich nicht. Sie war aber m.E. auch eher ein Sturm im berühmten journalisten Wasserglas.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 24. Juni 2005 - 09:20 Uhr:   

@Bernhard:
Danke für die Antwort.
Wenn es VOR seiner Wahl war, ist also alles in Ordnung und ich bleibe dabei, daß an Köhlers Neutralität keine Kritik zu üben ist.
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uwe s.
Veröffentlicht am Freitag, 24. Juni 2005 - 10:00 Uhr:   

@Gast
""Und können Kleinparteien überhaupt verletzte Rechte geltend machen?"

Warum nicht? Partei ist Partei, wer weiß denn, ob sie nach der nächsten Wahl nicht plötzlich die drittstärkste Partei wären."

Der Vergleich der zukünftigen Linkspartei mit den Kleinstparteien hinkt natürlich enorm.
Die bisher nicht (d.h. nicht in Fraktionsstärke) im Bundestag vertretene Linkspartei hat eben de facto einfach die notwendige kritische Größe um eine Neuwahl auch in kurzer Zeit vorzubereiten. Das muss ich als Wähler von jeder ernstzunehmenden Partei auch erwarten können. Bekommt eine Kleinstpartei noch nicht einmal die Voraussetzungen für die Teilnahme an einer Wahl in einer kurzen Zeit hin, sondern nur mit enormen Vorlauffristen, dann ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass sie kaum eine gesellschaftlich relevante Gruppierung hinter sich stehen hat.
Eben das unterscheidet die vielen nicht-erfolgreichen Parteigründungen von den Parteien, die es mit nur ein wenig Anlauf in die Parlamente schaffen konnten/könnten (z.B. Grüne, Linkspartei, GB-BHE, etc.).
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Martin Jurgeit
Veröffentlicht am Freitag, 24. Juni 2005 - 13:51 Uhr:   

uwe s.:
"Eben das unterscheidet die vielen nicht-erfolgreichen Parteigründungen von den Parteien, die es mit nur ein wenig Anlauf in die Parlamente schaffen konnten/könnten (z.B. Grüne, Linkspartei, GB-BHE, etc.)."

- Die PDS bzw. die zukünftige Linkspartei musste bisher noch nie irgendwelche Unterschriften etc. sammeln, da sie immer im direkten Übergang aus der Volkskammer als Bundestagapartei galt und/oder in zahlreichen Landtagen saß. Es hat ja auch seine Gründe warum es zu keiner Neugründung kommen soll, sondern lediglich zu einer Umbenennung der PDS!

- GB-BHE und Grüne begannen ihren Siegeszug in den 50er bzw. 70er Jahren, als die Teilnahmen an Wahlen längst nicht den hohen Hürden unterworfen waren, wie wir sie heute (insbesondere beim Unterschriftensammeln) kennen.

Trotzdem hatten die Grünen fast 10 Jahre harten Kampf vor sich, bevor sie einigermaßen flächendeckend im Westen etabliert waren und z.B. 1983 ertsmals in den Bundestag einziehen konnten - von "ein wenig Anlauf" kann da wohl kaum die Rede sein.
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Freitag, 24. Juni 2005 - 14:21 Uhr:   

@Martin Jurgeit
Beim BHE hast Du recht, aber die Grünen hatten die gleichen Anforderungen, die es heute gibt: Entweder hat man fünf Mandate in Landtagen oder im Bundestag seit der jeweils letzten Wahl oder man braucht Unterschriften von einem Promille der Wahlberechtigten je Bundesland (höchstens jedoch 2000) um zum Bundestag mit einer Landesliste anzutreten. Seit dem Einzug in den Baden-Württembergischen Landtag 1980 brauchten die Grünen also nicht mehr zu sammeln. Der Erfolg war also schnell genug da, bevor die erste Bundestagswahl seit Gründung anstand.
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Martin Jurgeit
Veröffentlicht am Freitag, 24. Juni 2005 - 15:15 Uhr:   

C.-J. Dickow:
Im Prinzip hast du recht. Aber die Form der Unterschriftensammlung (insbesondere das Beglaubigungsverfahren) wurde noch mal in den achtziger und neunziger Jahren verschärft, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob das von Land zu Land variieren kann.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 25. Juni 2005 - 13:25 Uhr:   

Quelle: http://www.google.de/news
Die "Welt" (http://www.welt.de/) berichtet heute
a) über ein erneutes Gespräch zwischen dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler vom gestrigen Tage
b) spekuliert über eine sofortige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Hauptsacheverfahren in Bezug auf die geplanten Neuwahlen ohne vorherige Eilentscheidung

Erneutes Treffen Schröders mit Bundespräsident Köhler
Berlin - Bundeskanzler Gerhard Schröder hat am Freitag erneut bei Bundespräsident Horst Köhler vorgesprochen. Nach Informationen der WELT traf Schröder am frühen Nachmittag am Repräsentationssitz des Bundespräsidenten in der Pacelliallee in Berlin ein. Über Inhalte des Gesprächs wurde nichts bekannt. Sprecher der Bundespräsidialamtes und des Bundeskanzleramtes wollten sich zu dem Vorgang nicht äußern.


Das Bundesverfassungsgericht wird möglicherweise ohne vorherige Eilentscheidung sofort im Hauptsacheverfahren über Klagen gegen die vorgezogene Bundestagsneuwahl entscheiden. Der Zeitplan des Gerichts, noch vor einer Neuwahl am 18. September ein Urteil zu fällen, ist äußerst knapp bemessen. hei/dpa


Artikel erschienen am Sa, 25. Juni 2005
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 25. Juni 2005 - 17:11 Uhr:   

DER SPIEGEL 26/2005 - 27. Juni 2005
URL: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,362188,00.html
Union

Die große Unsicherheit

Von Ralf Neukirch

Ende der Woche will der Kanzler die Vertrauensfrage stellen. In der CDU/CSU wächst die Sorge, dass der Bundespräsident oder das Verfassungsgericht den Neuwahl-Plan stoppen könnte.



REUTERS
Bundespräsident Köhler: Maximal 21 Tage Zeit
Noch vor wenigen Wochen ließ die Unionsspitze keinen Zweifel daran, was für sie der beste Weg zur Neuwahl wäre. Gerhard Schröder müsse zurücktreten, sagte CDU-Generalsekretär Volker Kauder, ganz klar. Das sei die beste, die "sauberste Variante". Auch Kauders CSU-Kollege Markus Söder kam ohne großes Nachdenken zu einem eindeutigen Urteil: "Die ehrlichste Lösung wäre der Rücktritt des Kanzlers." Sollte es anders kommen, stehe "das internationale Ansehen Deutschlands auf dem Spiel", so Söder in gespielter Sorge.

Als die CDU/CSU-Führung am Dienstag vergangener Woche mit Bundespräsident Horst Köhler zusammenkam, um über den richtigen Weg zur Neuwahl zu sprechen, war von einem Rücktritt Schröders keine Rede mehr. Vielmehr gaben sich die Parteichefs Angela Merkel und Edmund Stoiber nun überzeugt, dass eine Auflösung des Bundestags auch ohne Amtsverzicht des Kanzlers rechtens sei.

In der Union wächst vor der für diesen Freitag angekündigten Vertrauensfrage Schröders die Nervosität. Plötzlich scheint wieder vorstellbar, dass die eben noch sicher geglaubte Regierungsübernahme nicht zustande kommt - weil es gar keinen Wahltermin am 18. September gibt.

Denn allzu vieles ist unklar: wie genau der Kanzler seine Niederlage organisieren will; wer ihm bei seinem Vorhaben folgt und wer nicht; vor allem aber, was Bundespräsident Horst Köhler von dem Spektakel hält. Die Unsicherheit ist groß.



DER SPIEGEL
In kleinen Runden diskutieren die CDU/CSU-Politiker verschiedene Szenarien. Falls Köhler die Auflösung des Bundestags im Anschluss an Schröders Vertrauensfrage ablehnen sollte, könnte der zurücktreten. Der Bundestag würde vom Präsidenten aufgefordert, einen neuen Kanzler zu wählen. Denkbar ist, dass dann alle drei maximal vorgesehenen Wahlgänge ohne Ergebnis bleiben. Denkbar ist aber auch, dass am Ende ein Kanzler Franz Müntefering steht - eine Möglichkeit, auf die Merkel schon Anfang Juni in internen Diskussionen aufmerksam machte.

Eine Amtszeit Münteferings wäre für die Union der schwierigste Fall. Statt im September zur Machtübernahme anzutreten, müsste Merkel bis zum regulären Wahltermin 2006 ihre Leute beisammenhalten. Die Chancen der Regierung, aus ihrem Tief herauszukommen, könnten wieder steigen.

In dieser Woche gab es für die Unionsspitze wenig Grund zur Beruhigung. Die Grünen machten deutlich, wie wenig sie von einer Neuwahl halten. Der frühere Parteichef Fritz Kuhn sprach von einer "Schnapsidee". Als erster Bundestagsabgeordneter drohte der Grüne Werner Schulz mit einer Verfassungsklage, sollte Köhler das Parlament auflösen. Er wird vielleicht nicht der Einzige bleiben, der sich damit seinen Arbeitsplatz noch 15 Monate sichern möchte. Auch einige kleine Parteien wollen das Verfassungsgericht anrufen. Als Schreckensszenario gilt im Präsidialamt eine Entscheidung aus Karlsruhe, die ein mögliches Jawort des Präsidenten zur Neuwahl kassieren würde.



DPA
Unionspolitiker Glos, Stoiber, Merkel: Keine Rede mehr von Schröders Rücktritt
Die Gespräche mit Köhler brachten für die Spitzenpolitiker keinen Hinweis, wie er die Sache zu entscheiden gedenkt. Der Präsident forderte die Partei- und Fraktionschefs auf, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Er selbst hielt sich zurück. Viel hängt jetzt davon ab, wie der Kanzler seinen Machtverlust organisieren will. Die Lage ist selbst für die Sozialdemokraten derzeit paradox.

Die Linken in der SPD-Fraktion haben angekündigt, dem Kanzler ihr Vertrauen aussprechen zu wollen. Sie wollen dem Eindruck entgegentreten, sie seien kein verlässlicher Partner. Schröder hatte im vertraulichen Gespräch mit Köhler vor fünf Wochen behauptet, in seiner Fraktion gebe es ein "erhöhtes Erpressungspotential".

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums schwören die Kanzlertreuen aus dem konservativen Seeheimer Kreis, Schröder bei Bedarf das Misstrauen auszusprechen. "Wenn wir gebraucht werden, machen wir es so, wie der Chef es will", sagt ihr Sprecher Johannes Kahrs.

Viele in der SPD-Fraktion vermuten allerdings, dass Schröder diese Unterstützung nicht brauchen wird. Sie erwarten, dass der Kanzler den gleichen Weg wie Willy Brandt 1972 geht: Dessen stimmberechtigte Kabinettsmitglieder enthielten sich damals und machten so den Weg zur Neuwahl frei.

Um das Verfahren zu besprechen, hat Schröder sein Regierungsteam für Mittwoch zu einem Sonderministertreffen gebeten, nach der normalen Kabinettssitzung am Vormittag - und ohne die zumeist anwesenden Staatssekretäre. So können die Ressortchefs über das Vorgehen diskutieren, ohne dass Michael Jansen, der Chef des Präsidialamts, wie sonst mit am Tisch sitzt.

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass der Kanzler seinen Schritt in einer Rede ausführlich begründen will. Anders als bisher in kleiner Runde vorgetragen, wird Schröder den Vertrauensverlust wohl nicht mit einer mangelnden Unterstützung der eigenen Koalition begründen, sondern die Reformunfähigkeit des Landes insgesamt zum Thema machen. Er will Köhler keinen Anlass liefern, die Vertrauensfrage als bloße Inszenierung abzutun. Am Freitag voriger Woche war der Kanzler erneut beim Staatsoberhaupt zum Gespräch.

Hinter den Mauern des Präsidialamts ringen zwei Denkschulen miteinander. Vor allem im Referat "Verfassung und Recht, Justitiariat" gibt es Zweifel daran, dass Schröders Weg zu Neuwahlen führen kann. Referatsleiter Stefan Ulrich Pieper gilt hausintern als unabhängiger Kopf mit gutem Zugang zum Präsidenten. Schon im Mai hatte er auf die "hohen Hürden" für die Vertrauensfrage hingewiesen.

Penibel wird in seinem Referat registriert, wie viele Gesetze die rot-grüne Koalition seit der Neuwahl-Ankündigung im Bundestag durchbringen konnte. Als wollten die Regierungsfraktionen beweisen, wie gut sie harmonieren, wollen sie am Tag vor der Vertrauensfrage am Freitag wichtige Vorhaben wie das Arbeitnehmerentsende-Gesetz und das Gesetz zur Offenlegung der Vorstandsvergütungen durchsetzen. Das interpretieren Juristen als Zeichen dafür, dass Schröder eine durchaus belastbare Mehrheit hat.

In Köhlers engstem Umfeld sitzen allerdings auch Mitarbeiter aus den Parteien, die vermutlich am stärksten von der Neuwahl profitierten. Sein Sprecher Martin Kothé war vorher in gleicher Funktion bei FDP-Chef Guido Westerwelle. Köhlers Büroleiterin Elisabeth von Uslar gehörte zum Stab von Angela Merkel. Die Leiterin der Abteilung Inland, Cornelia Quennet-Thielen, arbeitete unter Merkel als Referatsleiterin im Umweltministerium. Ihr Mann ist Abteilungsleiter in der CDU-Zentrale.

Mit der Entscheidung kann sich Köhler maximal 21 Tage Zeit lassen. Neuwahlen müssen innerhalb von 60 Tagen nach der Auflösungsverfügung des Präsidenten stattfinden. Soll der 18. September also - wie von den Parteien gewünscht - der Wahltag werden, müsste Köhler bis zum 20. Juli schweigen. So lange wird die Unsicherheit wohl andauern.


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J.A.L.
Veröffentlicht am Samstag, 25. Juni 2005 - 21:34 Uhr:   

Wenn der Link da ist, ist es doch mehr als unnötig auch noch den Artiekl hier reinzustellen.
Meine Empfehlung an Benhard Nowak: Wenn sie das Artikel sammeln interessiert, machen Sie doch einen Blog auf. Aber posten Sie doch nicht jeden Furz von Spiegel Online in voller länger hierher.
Ich fühle mich von Ihnen zunehmend zugemüllt!
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 25. Juni 2005 - 21:39 Uhr:   

@J.A.L.: Sie sollten erst einmal lernen, grammatikalisch korrekte Beiträge hier hinein kzu posten, bevor Sie andere Leute in dieser Form oberlehrerhaft behandeln.
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MMA
Veröffentlicht am Montag, 27. Juni 2005 - 12:24 Uhr:   

"In Köhlers engstem Umfeld sitzen allerdings auch Mitarbeiter aus den Parteien, die vermutlich am stärksten von der Neuwahl profitierten" ist aber ein nebulöser Satz. Wer profitiert denn nach "Spiegel-Meinnung", die Mitarbeiter oder die Parteien?

Wenn Letzteres geeint ist: Was soll das aussagen? Ist Köhler selbst denn nicht auch in der CDU? Dürfen die Mitarbeiter parteilich sein, wie es dem Chef verwehrt ist?
Oder ist mit "sitzen aber auch" gemint, dass die zuvor genannte "Denkschule", die gegen eine BT-Auflösung argumentiert, komplett den Regierungsparteien nahe steht?

Wenn Ersteres gemeint ist (Präsidialamtsmitarbeiter haben persönliches Interesse), wäre es eher noch bedenklicher.

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