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Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Bundestagswahl 2005 » Neuwahl des Deutschen Bundestags im Herbst 2005 » 351-375 « Zurück Weiter »

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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 15. Juni 2005 - 21:45 Uhr:   

Der CSU-Politiker Ramsauer hat am Abend auf Phoenix die Glos-Äußerung, die CSU wolle bei einer Ablehnung der Bundestags-Auflösung durch den Bundespräsidenten eine Verfassungsänderung erreichen, nach der sich der Bundestag dann mit Zweidrittelmehrheit selber auflösen könne, nur halb dementiert. Im Falle, dass Bundespräsident Köhler das Parlament nicht auflöse, solle es "fraktionsübergreifende Gespräche" zu der Frage geben, wie eine solche Situation - Neuwahlwunsch aller Parteien kann nicht stattgegeben werden - zu lösen ist.

Wir werden jetzt also abwarten müssen
a) Welche Begründung der Bundeskanzler für seine Vertrauensfrage vor dem Bundestag geben wird
b) in welcher Form der Bundestag dem Kanzler das Vertrauen versagt (durch Ministerenthaltung)
c) Welche Begründung der Bundeskanzler gegenüber dem Bundespräsidenten ausführen wird (nach dem 1. Juli)
d) ob - womit ich allerdings nach den jüngsten Äußerungen Köhlers fest rechne - der Bundespräsident auflösen wird.

Sicherlich - da wiederhole ich mich - wäre eine Selbstauflösung des Bundestages mit qualifizierter Mehrheit (2/3, 4/5 etc.) nach wie vor - wie auch auf www.wahlrecht.de dargestellt - eine saubere Lösung. Es ist sowieso für mich befremdlich, dass alle Politiker von Neuwahlen ausgehen und Wahlkampf betreiben, bevor der Bundespräsident über vorzeitige Neuwahlen entschieden hat. Nach wie vor bleibe ich auch dabei, dass es aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 1983 schwierig sein wird, den Bundestag aufzulösen, wenn sich die Minister enthalten (da im Gegensatz zu 1972 eine Pattsituation im Parlament nicht offensichtlich ist, sondern nur indirekt aufgrund der Distanz der SPD-Linken zur Agenda 2010 erschlossen werden kann). Schröder hätte sich leichter getan, auch vor dem Bundestag die - offensichtlich dem Bundespräsidenten benannte - Begründung für seine Vertrauensfrage zu geben und die Vertrauensfrage mit einem konkreten Gesetzentwurf, etwa zur Senkung der Unternehmenssteuer, verbunden hätte.

So sehe ich jetzt folgendes Szenario:

a) Bundespräsident Köhler löst das Parlament auf und schreibt - vermutlich zum 18. September - Neuwahlen aus. Diese Entscheidung könnte vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten werden. Das Bundesverfassungsgericht dürfte dennoch die Neuwahlen durchwinken.

b) Bundespräsident Köhler löst das Parlament nicht auf. Das Grundgesetz wird vom Bundestag und Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit dahingehend geändert, dass ein Selbstauflösungsrecht des Bundestages mit Zweidrittelmehrheit ermöglicht wird. Dies halte ich zwar für richtig, läuft aber de facto auf eine Missbilligung einer Nicht-Auflösungsentscheidung durch den Bundespräsidenten hinaus und so die Ankündigung der Union diesen - indirekt - unter Druck nach dem Motto: tust Du nicht, was wir wollen, so wirst Du in Zukunft nicht mehr gefragt. So wurde damals auch Bundespräsident Carstens 1983 offensichtlich unter Druck gesetzt - offiziell will dies niemand getan haben. Nichtsdestotrotz halte ich nach wie vor ein entsprechendes Selbstauflösungsrecht des Bundestages für die sauberste Lösung, wie sie Wilko ja auch schon hier in diesem Thread angemahnt hat
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SHler
Veröffentlicht am Mittwoch, 15. Juni 2005 - 21:45 Uhr:   

21:19 Stimmen? Ist der BT dann überhaupt beschlussfähig? Ich dachte immer, dazu müsste (bei den Abstimmungen, nicht bei den Debatten davor) immer die Hälfte der Parlamentarier da sein?

Sachlich eh unwichtig, da CDU, SPD, CSU, B90/Grüne, FDP und DL/PDS meines Erachtens alle über 5% landen werden und andere wohl keine drei Direktmandate holen werden.

Zur BVerfGE: War eine 8:0-Senatsentscheidung. Maximal mögliche Klatsche für Rot-Grün!
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Kai
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. Juni 2005 - 10:33 Uhr:   

Wenn Glos ein einziges Mal nachdenken würde, bevor er die Klappe aufreißt!

Sollte Köhler den Bundestag nicht auflösen (was ich für unwahrscheinlich halte, da Schröder inzwischen ein Regierung mit diesem Hühnerhaufen nicht mehr zuzumuten ist), bliebe dem Kanzler immer noch der Rücktritt, um Neuwahlen zu erreichen. Solange sich die SPD hiergegen sträubt, kann die Union sie sehr gut vor sich hertreiben, da braucht es keine ad-hoc-Verfassungsänderung.
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Florian
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. Juni 2005 - 15:12 Uhr:   

Die geplante Änderung von 3 auf 5 Direktmandate:

Erst habe ich gedacht ich träume, als ich das gestern abend in den Nachrichten gesehen habe.
Denn ich hatte davon gar nichts mitbekommen.
Und anscheinend auch sonst niemand in diesem Forum nicht - zumindest vermisse ich eine Debatte darüber.
Das ist doch schon eine wichtige Wahlrechtsänderung, die auch politisch sehr brisant sein kann (dieses Jahr für die PDS und irgendwann vielleicht auch für die Grünen, wenn deren Trend zur Großstadtpartei anhält).
Und das geht an der interessierten Öffentlichkeit (für die ich dieses Forum halte) vollkommen vorbei.

Und bei der Abstimmung (eine Abstimmung, die immerhin entscheidend für die Parlamentszusammensetzung ab Herbst 2005 sein kann) verirren sich dann gerade mal 40 Abgeordnete ins Plenum? Unglaublich!
Kann sein, dass man diese Abstimmung rückblickend einmal als entscheidend für die Zusammensetzung der Bundesregierung ansieht - und für die Richtung, in die die Republik in den nächsten 10 Jahren geht.

Ganz nebenbei:
Mir ist nicht klar, warum der Unions-Vorschlag nicht auch die Zustimmung von SPD und FDP gefunden hat.
Beide werden doch nie von der jetzigen Regelung profitieren. Hingegen wäre für beide die Chance, die PDS aus dem Parlament heraus zu halten doch verlockend.
Zumal mir die Argumentation der Union durchaus auch sachlich nicht unbegründet vorkommt (jenseits des natürlich offensichtlichen Eigennutzes für die Union).
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sebu
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. Juni 2005 - 15:18 Uhr:   

@Florian:
Doch auf wahlrecht.de wurde davon berichtet -> vgl. den Link in meinem Beitrag oben. Allerdings war das zu der Zeit eben nur eine Fussnote wert, wohingegen es jetzt durch die Abstimmung zu diesem Zeitpunkt eine gewisse Brisanz bekommen hat.
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Sole
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. Juni 2005 - 15:36 Uhr:   

Die Argumentation ist nicht schlüssig. Warum war der Bedarf nicht vor der Verkleinerung des Bundestages da? Zudem: Drei Direktmandate allein bewirken erst einmal nur drei Bundestagssitze. Nur in Verbindung mit Zweitstimmenanteilen auf anderen Landeslisten oder aber in Größenordnung von mehr als drei Mandaten ergibt sich eine weitere Vertretung im Bundestag.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. Juni 2005 - 16:39 Uhr:   

"Mir ist nicht klar, warum der Unions-Vorschlag nicht auch die Zustimmung von SPD und FDP gefunden hat."

Für die FDP ist der Fall klar: Sie will natürlich die Schwelle zur absoluten Mehrheit nicht senken. Die SPD will nicht in den Verdacht geraten, eine Lex PDS aus Machtkalkül unterstützt zu haben.

Ich halte die Grundmandatsklausel generell für nicht gerechtfertig. Statt die Schwelle von drei auf fünf Mandate zu erhöhen, sollte man sie gleich ganz streichen, am besten noch in der verschärften bayerischen Variante.
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Nosferatu
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. Juni 2005 - 17:22 Uhr:   

ich denke egal wie man zur PDS als Partei steht ist es einfach ein Armutszeugnis für die CDU wie sie versucht sich die absolute Mehrheit im nächsten Bundestag zu erschleichen. Und um nichts anderes geht es bei der Änderung der Grundmandatsklausel. Da muss einigen doch sehr bange vor einer Koalition mit der FDP sein.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. Juni 2005 - 18:32 Uhr:   

Ich sehe dies ebenso. Zwar wird die Union in der neuesten Forsa-Umfrage bei 49% und damit der absoluten Mehrheit gesehen. Aber Kohl errang 1983 48,8% und 1976 48,6% für die Union und es reichte nicht zur absoluten Mandatsmehrheit. Daher ist es Ziel der CDU/CSU gewesen, den Einzug der PDS in den Bundestag, der aufgrund von Gysis Kandidatur im Wahlkreis Berlin-Köpenick wahrscheinlicher geworden ist (denn er dürfte diesen Wahlkreis gewinnen und die beiden PDS-Abgeordneten ihren Wahlkreis möglicherweise erneut direkt gewinnen, die PDS damit 3 Direktmandate erzielen und mit ihrem Zweitstimmenanteil in jedem Fall im Parlament vertreten sein) zu verhindern und sich somit die absolute Mehrheit im nächsten Bundestag zu sichern. Ich stimme Nosferatu vollkommen zu. Ich bin froh, dass dieses Ansinnen nicht die Mehrheit der Abgeordneten gefunden hat, wobei ich die niedrige Zahl an Abstimmenden schon unmöglich finde. Dies zeigt aber auch: der eigentliche Nutznießer eines Einzuges eines Linksbündnisses oder der PDS alleine in den Bundestag ist eigentlich die FDP (daher vermutlich auch ihr Abstimmungsverhalten). Würden PDS oder Linksbündnis mit etwa 4,8% und nur 2 Direktmandaten den Einzug in den nächsten Bundestag verfehlen, hätte die Union die absolute Mehrheit sicher; bei einem Einzug der PDS oder des Linksbündnisses ins Parlament dagegen wäre eine absolute Mandatsmehrheit der Union unwahrscheinlich und eine schwarz-gelbe Koalition mit Beteiligung der FDP die mutmaßliche Folge.
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Florian
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. Juni 2005 - 20:09 Uhr:   

Bis September ist noch lang hin.
Und das derzeitige Umfragehoch der Union wird nicht bis dorthin zu halten sein.
Es könnte somit auch der Fall eintreten, dass Union+FDP zusammen die Mehrheit nur dann erreichen, wenn die PDS nicht einzieht.
In dem Fall käme es dann zur großen Koalition - wohl kaum das Wunschszenario für die FDP.
Der Effekt für die FDP ist für die Wahl im September somit schwer prognostizierbar.
Aber spätestens bei der _nächsten_ Bundestagswahl (wenn die Union wieder auf "Normalmaß") liegt, wird es eine FDP-Regierungsbeteiligung nur geben können, wenn die PDS draußen ist.
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zigzag
Veröffentlicht am Donnerstag, 16. Juni 2005 - 23:58 Uhr:   

"gerade mal 40 Abgeordnete ins Plenum?"

Die News die ich gelesen habe berichten alle von anderen Zahlen.
So z.B der Spiegel:

"Das Parlament folgte einer mit den Stimmen von Rot-Grün und FDP gefassten Beschlussempfehlung des Innenausschusses. Gegen den Gesetzentwurf von CDU und CSU stimmten 268 Parlamentarier, für die Vorlage votierten 157 Abgeordnete."
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,360649,00.html
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Matthias Cantow
Veröffentlicht am Freitag, 17. Juni 2005 - 00:12 Uhr:   

Das Plenarprotokoll der 180. Sitzung des 15. Deutschen Bundestages klärt es auf (S. 16999 ff., Abstimmung(en) ab Seite 17005 f.).
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zigzag
Veröffentlicht am Freitag, 17. Juni 2005 - 03:12 Uhr:   

Also wenn ich das richtig sehe waren zuerst nur 41 Abgeordnete anwesend, nach der ersten Abstimmung wurde zuerst verkündet, dass das Gesetz angenommen wurde. Protest und genaue Auszählung der Stimmen folgte (19 für 21 gegen) Um sicher zu gehen sollte nochmal abgestimmt werden (Entsprechend der Geschäftsordnung haben wir da nur eine Regel: bei Unsicherheit Hammelsprung!). Nun wurden anscheinend alle verfügbaren Abgeordneten aus ihren Ausschüssen oder sonstwoher zusammengetrommelt.
Ergebnis: mit Ja haben gestimmt 157 Mitglieder, mit Nein 268.


Hier der entsprechende Auszug aus dem Protokoll:

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf
der Fraktion der CDU/CSU zur Änderung des Bundeswahlgesetzes
zur Korrektur der Grundmandatsklausel
auf Drucksache 15/4718. Der Innenausschuss
empfiehlt auf Drucksache 15/5664, den Gesetzentwurf
abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen?
(Zurufe von der CDU/CSU: Das war die
Mehrheit!)
Der Gesetzentwurf ist ganz ohne Zweifel mit Mehrheit
angenommen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster
[SPD]: Nein! Nein! – Zuruf von der CDU/
CSU: Die FDP hat sich enthalten! – Hartmut
Koschyk [CDU/CSU]: Schlussabstimmung,
Herr Präsident!)
Zur Geschäftsordnung hat sich der Kollege Küster zu
Wort gemeldet. Er erhält selbstverständlich das Wort.
Dr. Uwe Küster (SPD):
Das ist schön, Herr Präsident. – Weil das unsicher ist,
beantrage ich, dass die Stimmen richtig schön ausgezählt
werden.
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Das können wir gerne tun, zumal wir eine übersichtliche
Besetzung haben.
(Dr. Uwe Küster [SPD]: Entsprechend der Geschäftsordnung
haben wir da nur eine Regel:
bei Unsicherheit Hammelsprung! Ich möchte
gerne, dass sie eingehalten wird! – Josef Philip
Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es
muss geschätzt werden oder, wenn Unsicherheit
herrscht, ein Hammelsprung durchgeführt
werden! – Gegenruf des Abg. Thomas Strobl
[Heilbronn] [CDU/CSU]: Es gibt doch keine
Unsicherheit! Es ist doch eindeutig! Es ist
doch eine Schau, die Sie hier abziehen!)
– Es besteht doch gar kein Grund zur Aufregung.
(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN]: Im Präsidium herrscht Uneinigkeit!)
– Nein, nein.
Wir haben doch hier im Unterschied zu Hammelsprüngen,
bei denen die Feststellung der tatsächlichen
Mehrheitsverhältnisse etwas komplizierter ist, eine überschaubare
Besetzung. Wir haben jetzt gerade noch einmal
nachgezählt. Unter Berücksichtigung auch mancher
Flügeladjutanten, die sich nicht gleich im Blickfeld befanden,
ergibt sich als tatsächliches Mehrheitsverhältnis:
19 Ja-Stimmen zu 22 Nein-Stimmen. Damit müsste eigentlich
jede weitergehende Ambition des Geschäftsführers
der SPD-Fraktion erledigt sein.
(Dr. Uwe Küster [SPD]: Ich sehe im Präsidium
keine Einigkeit! Das sieht man von hier aus
eindeutig! – Gegenruf des Abg. Hartmut
Koschyk [CDU/CSU]: Ihr habt doch jetzt gewonnen!)
– Da der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD mit
der Feststellung des amtierenden Präsidenten, dass sich
nach genauem Nachzählen eine Mehrheit für die Ablehnung
ergeben hat, nicht einverstanden ist, beziehe ich
mich gerne auf die von ihm vermutete Unstimmigkeit im
Präsidium und lasse das Stärkeverhältnis durch Hammelsprung
feststellen.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU –
Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Herr Küster,
Parlamentarischer Geschäftsführer h. c.!)
Wir werden also die Sitzung für einige Minuten unterbrechen
und dann den gewünschten Hammelsprung
durchführen. Es gibt dazu ja in dieser Legislaturperiode
nicht mehr ganz so viele Gelegenheiten. Der Hammelsprung
gehört offenkundig zu den Aktivitäten, die man
sich von Zeit zu Zeit gönnen muss. Um den Hammelsprung
durchführen zu können, müssen alle Mitglieder
des Hauses den Saal verlassen und sich in der bekannten
Weise dieser eindrucksvollen Zeremonie im Foyer aussetzen.
Ich unterbreche die Sitzung.
(Unterbrechung von 15.37 bis 15.48 Uhr)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Die Schriftführer geben mir das Zeichen, dass die Türen
besetzt sind und dass wir mit der Durchführung des
Hammelsprungs beginnen können. Ich eröffne hiermit
die Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführer an den Türen, mir einmal zu
signalisieren, ob sich noch Kollegen in der Lobby aufhalten.
– Ich mache darauf aufmerksam, dass wir in zwei
Minuten die Abstimmung abschließen werden. Darauf
sollten sich bitte sowohl die Fraktionen als auch die
Schriftführer einstellen.
Ich bitte nun die Schriftführer, die Türen zu schließen
und das Abstimmungsergebnis festzustellen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich gebe das von
den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis
der Abstimmung über den Gesetzentwurf in
zweiter Lesung bekannt. Mit Ja haben gestimmt
157 Mitglieder des Hauses, mit Nein 268.
(Beifall bei der SPD)
Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung abgelehnt.
Nach unserer Geschäftsordnung entfällt somit die
weitere Beratung.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 17. Juni 2005 - 09:30 Uhr:   

@Bernhard:
> der eigentliche Nutznießer eines Einzuges eines Linksbündnisses
> oder der PDS alleine in den Bundestag ist eigentlich die FDP ...
Nur bei den aktuellen Umfragezahlen.
Wie Florian schon dargelegt hat, kann das schon bei leicht veränderten Rahmenbedingungen ins Gegenteil umschlagen.

> ... (daher vermutlich auch ihr Abstimmungsverhalten)
Auch wenn es als naiv gilt, so etwas bei Bundespolitikern anzunehmen: Ein anderer (und m. E. zutreffenderer) Grund für das Abstimmungsverhalten könnte ganz normal inhaltliche Überzeugung bzw. politische Anständigkeit sein (analog auch bei der SPD, die ansonsten auch wenig Grund hätte, der PDS behilflich zu sein).

Man kann grundsätzlich darüber streiten, ob die Grundmandatsklausel überhaupt sinnvoll ist (ich bezweifle das). Aber sie aus taktischen
Gründen gerade so weit anzuheben, daß der politische Gegner Probleme bekommt (aber die CSU im sicheren Bereich bleibt), das ist nicht so überzeugend.
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Florian
Veröffentlicht am Freitag, 17. Juni 2005 - 10:59 Uhr:   

Wir hatten ja schon mal eine Diskussion über die von mir als archaisch empfundenen Abstimmungs-Vorschriften im Bundestag.

Dieses Protokoll ist dafür ja mal wieder ein Musterbeispiel.
Peinlicher gehts nimmer.
Aus dem Protokoll gewinnt man ja fast den Eindruck, dass derjenige sich durchsetzt, der am lautesten schreit:
"
(Zurufe von der CDU/CSU: Das war die
Mehrheit!)
Der Gesetzentwurf ist ganz ohne Zweifel mit Mehrheit
angenommen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster
[SPD]: Nein! Nein! – Zuruf von der CDU/
CSU: Die FDP hat sich enthalten!
"

Besonders schön ist ja die Erkenntnis, dass es im Plenum offenbar Bereiche gibt, die sich außerhalb des Blickfelds des Präsidiums befinden (dessen Aufgabe es ja immerhin im Regelfall ist, die Mehrheit zu SCHÄTZEN - was natürlich erschwert wird, wenn man gar nicht alle sehen kann...).

Übrigens scheint nach dem Protokoll zu Beginn eine _deutliche_ Mehrheit für den Antrag bestanden zu haben.
Daraus folgere ich, dass zwischen der ersten Abstimmung und dem Nachzählen die SPD _etliche_ Leute zusätzlich ins Plenum geholt hat.
Bei der ersten Abstimmung dürften somit deutlich unter 40 Abgeordnete anwesend gewesen sein (Präsidium inclusive).
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 17. Juni 2005 - 12:43 Uhr:   

"Wie Florian schon dargelegt hat, kann das schon bei leicht veränderten Rahmenbedingungen ins Gegenteil umschlagen."

Richtig, aber eine absolute Unionsmehrheit wäre für die FDP schlimmer als eine große Koalition.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Montag, 20. Juni 2005 - 22:51 Uhr:   

Köhler spricht morgen mit allen Parteichefs über Neuwahlen
SPIEGEL ONLINE - 20. Juni 2005, 22:37
URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,361381,00.html
Neuwahl

Köhler berät sich mit Parteichefs

Zwei Wochen vor der angekündigten Vertrauensfrage des Kanzlers sucht Bundespräsident Köhler das Gespräch. Er will mit den Partei- und Fraktionschefs beraten, welche Wege zu einer Neuwahl führen können - und zwar auf dem Boden des Grundgesetzes. Aller Voraussicht nach wird bei dem Treffen auch die Möglichkeit einer Verfassungsänderung ausgelotet.

Berlin - Das Gespräch über die verfassungsrechtlichen Wege zu einer vorzeitigen Auflösung des Parlaments mit den Partei und Fraktionschefs soll am Dienstag stattfinden. Das erfuhr die Deutsche Presse Agentur aus Parlamentskreisen.

Köhler ist entschlossen, sich dabei eng an die Vorgaben des Grundgesetzes zu halten. Er werde entsprechend seinem Amtseid "nach bestem Wissen und Gewissen» entscheiden", hatte das Staatsoberhaupt angekündigt. Die Menschen müssten darauf vertrauen können, dass mit der Verfassung sachgemäß umgegangen werde.

Voraussichtlich wird bei dem Gespräch im Präsidialamt auch die Möglichkeit für eine kurzfristige Verfassungsänderung erörtert, um so zu Neuwahlen zu kommen. Kritiker verweisen jedoch darauf, dass eine solche Lösung kaum unter dem aktuellen Druck möglich wäre.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte erklärt, er werde die Vertrauensfrage nicht mit einer Sachfrage verknüpfen. Als wahrscheinlich gilt, dass sich mehrere SPD-Minister der Stimme enthalten oder der Abstimmung fernbleiben werden, um in namentlicher Abstimmung die gewünschte Niederlage für die Koalition im Plenum zu erreichen.

Der Ältestenrat des Bundestages hatte bereits in der vergangenen Woche das Verfahren festgelegt. Danach wird Schröder voraussichtlich am 28. Juni die Vertrauensfrage offiziell im Bundestag beantragen. Die Begründung für seinen Schritt will er erst bei der Sitzung am 1. Juli selbst bekannt geben. Köhler hat dann bis zum 22. Juli Zeit zu entscheiden, ob er den Bundestag vorzeitig auflöst. Letztmöglicher und auch wahrscheinlicher Wahltermin ist der 18. September.



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MMA
Veröffentlicht am Dienstag, 21. Juni 2005 - 14:37 Uhr:   

"Er will mit den Partei- und Fraktionschefs beraten, welche Wege zu einer Neuwahl führen können - und zwar auf dem Boden des Grundgesetzes."

Ist jemandem bekannt, ob der nachgestellte Zusatz nur journalistisches Geklapper ist oder ob damit etwas Ungehöriges angedeutet werden soll?
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Carsten Heine
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2005 - 11:27 Uhr:   

Die Parteien beginnen bereits in diesen Tagen mit der Nominierung von Kandidaten, d.h. offizielle Einladungen zu den Nominierungsveranstal- tungen gehen raus. Ist das denn rechtens, wenn bereits jetzt der Prozeß der Kandidatenaufstellung beginnt? Noch ist der BT nicht aufgelöst und der BP hat die eventuelle Neuwahl noch gar nicht
bekanntgemacht.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2005 - 11:36 Uhr:   

Grünen-Politiker droht mit Verfassungsklage

Der Grünen-Abgeordnete Werner Schulz schließt eine Klage gegen die geplanten Neuwahlen des Bundestags nicht aus. Kanzler Gerhard Schröder und SPD-Chef Franz Müntefering wollten "sich das Grundgesetz zurechtbiegen, wie es ihnen gerade passt".

Berlin - Schröder habe 31 Mal die Vertrauensfrage gewonnen, teilweise mit rabiaten Methoden, sagte Schulz der "Bild"-Zeitung. Jetzt wolle der Kanzler sie mit Absicht verlieren, trotz bestehender Mehrheit im Bundestag. "Diese demokratische Unkultur darf man ihm nicht durchgehen lassen", sagte Schulz, der wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion ist. Schröder und Müntefering wollten "sich das Grundgesetz zurechtbiegen, wie es ihnen gerade passt." Er behalte sich deshalb eine Klage vor dem Verfassungsgericht vor, sagte Schulz.

Als ersten förmlichen Schritt für eine vorgezogene Bundestagswahl im Spätsommer hat der Ältestenrat des Bundestages für den 1. Juli die Vertrauensfrage von Schröder auf die Tagesordnung gesetzt. Der Kanzler will bei der Vertrauensabstimmung eine Niederlage herbeiführen und Bundespräsident Horst Köhler um die Auflösung des Bundestages bitten. Wahltermin soll dann der 18. September sein.

Quelle: Spiegel Online
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2005 - 12:12 Uhr:   

@Carsten:
> Ist das denn rechtens, wenn bereits jetzt der Prozeß der
> Kandidatenaufstellung beginnt?
Ich kann leider keine Quelle geben, aber das ist rechtens. War meiner Erinnerung nach sogar explizit bei den Fristen des Bundeswahlleiters so gesagt.

Falls die Neuwahl nicht kommt, war die Arbeit natürlich umsonst - das ist halt das private Risiko der Parteien, wenn sie so früh anfangen.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2005 - 12:15 Uhr:   

> Der Grünen-Abgeordnete Werner Schulz schließt eine Klage gegen
> die geplanten Neuwahlen des Bundestags nicht aus.
Grundsätzlich halte ich es für gut, wenn diese doch umstrittene Neuwahl-Sache auch vom Bundesverfassungsgericht geprüft wird.
Auch wenn ich da eher ein politisches als ein juristisches Urteil erwarte.

Ein Geschmäckle kriegt die Klage natürlich dadurch, daß Schulz gerade bei der Listenaufstellung der Berliner Grünen durchgefallen ist, d.h. er klagt letztlich darauf, seinen Job ein Jahr länger behalten zu können.
Das ist menschlich verständlich, aber die Verpflichtung aufs Gemeinwohl tritt da doch stark in den Hintergrund ...
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2005 - 12:52 Uhr:   

@Ralf: volle Zustimmung. Sehe ich genauso.
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MMA
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2005 - 13:30 Uhr:   

"Falls die Neuwahl nicht kommt, war die Arbeit natürlich umsonst - das ist halt das private Risiko der Parteien, wenn sie so früh anfangen."

Was würde eigentlich passieren, wenn die Neuwahl später stattfände (indem z. B. die Auflösung scheitern würde, nach den Sommerferien aber dann doch erfolgreich durchgeführt würde und eine Neuwahl im Spätherbst stattfände)? Müssten die Parteien dann neu nominieren? Wenn nein, könnten dann die jetzt aufgestellten Listen gar auch bei einer planmäßigen Wahl 2006 noch benutzt werden?
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Sascha
Veröffentlicht am Mittwoch, 22. Juni 2005 - 14:13 Uhr:   

Die Listen müssten gelten, da nach dem Schreiben des Bundeswahlleiters die Kandidatenaufstellung auch für die normale Bundestagswahl ab dem 18. Juni 2005 möglich war. Und die Aufstellung gilt ja zur Wahl des 16. Deutschen Bundestags.

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