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Wahlrecht.de Forum » Tagesgeschehen » Der Fischer-Erlaß » 001-025 « Zurück Weiter »

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Imperator rex
Veröffentlicht am Samstag, 05. Februar 2005 - 16:40 Uhr:   

Der SPIEGEL hat den Außenminister angezählt und erledigt den Job des Untersuchungsausschusses. Angesichts seiner wiederholt aufgetreten Arroganz der Macht fällt Fischer jetzt einiges auf die Füße. Ist das der Anfang vom Ende oder kann Fischer sich da noch rausziehen? Und inwiefern beeinflußt das noch die Wahl in Schleswig-Holstein, da doch grüne Wähler besonders empfindlich auf Verfehlungen ihrer Pappenheimer reagieren sollen?

Mich würden Eure Einschätzungen interessieren.
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Sascha
Veröffentlicht am Samstag, 05. Februar 2005 - 16:47 Uhr:   

Ich verstehe diese ganze Aufregung überhaupt nicht. Der Erlass ist ja prinzipiell relativ vernünftig, da im Zweifelsfall das Visa erteilt werden soll. Ich denke, dass sich damit zumindest jeder Wähler der Grünen anfreunden könnte, CDU-Wähler können das meiner Erfahrung nach überhaupt nicht nachvollziehen. Sicher wurde der Erlass in Teilen auch von kriminellen Banden ausgenutzt, aber das hat an sich nichts mit dem Erlass an sich zu tun.
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Florian
Veröffentlicht am Samstag, 05. Februar 2005 - 17:43 Uhr:   

@ Sascha:
Na ja. Ich sehe es zwar auch so wie Du, dass man im Zweifel eine liberale Position haben sollte.
Aber im konkreten Fall wurde auf Wunsch der politischen Führung des Außenministeriums eine Prüfung des Einzelfalls praktisch unmöglich gemacht. Dass dies negative Folgen wie Menschenhandel und Zwangsprostitution begünstigt hätte man m.E. als vernünftig denkender Mensch von Anfang an erkennen können.
Aber selbst wenn das im Außenministerium nicht von Anfang an erkannt worden ist: es kamen jede Menge Warnhinweise - aus dem Innenministerium, vom BKA, aus den anderen Schengen-Staaten. Dennoch ließ man eine Praxis, die schlimme Folgen hatte, jahrelang weiterlaufen. Und _dass_ die Folgen schlimm waren, hat man ja mittlerweile auch im AA eingesehen. Warum sonst wurde der Erlass nun letztlich doch zurückgenommen?

Allerdings gebe ich Dir recht: So richtig poltisch schaden wird der Vorgang Fischer wohl nicht. Denn schließlich hat dieser Mann schon ganz andere Verbrechen begangen und hat Deutschland außenpolitisch in sehr schwere See geführt - und ist aus unverständlichen Gründen trotzdem noch immer der beliebteste Politiker des Landes.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Sonntag, 06. Februar 2005 - 11:21 Uhr:   

@Sascha:
> Der Erlass ist ja prinzipiell relativ vernünftig ...
Wohl nicht - sonst hätte ihn die Bundesregierung doch nicht komplett wieder gestrichen.
Im Prinzip sind sich damit alle Parteien einig, daß der Erlaß Murks war.

Strittig ist nur, ob man das schon vorher hätte wissen können (siehe Warnungen von Schily) und ob Fischer angesichts der Probleme früher hätte reagieren müssen.

M. E. wird die erste Frage kaum zu entscheiden sein: Schily ist im Zweifelsfall immer für die restriktivste Linie überhaupt, das kann man nicht automatisch zur alleinigen Entscheidungsbasis machen.

Dagegen ist bei der Frage der Reaktion wohl ziemlich klar, daß Fischer eklatant versagt hat.
Das Thema war ja immer wieder in den Medien, die Botschaften haben Alarmmeldungen gegeben - und das Ministerium hat schlicht gepennt.
Nicht umsonst ist ja die Justiz inzwischen tätig.

Und wenn man Volmer glauben kann, dann sind auch die Kommunikationswege im Ministerium chaotisch (Staatsminister nicht eingebunden).

Bei einer solchen Ansammlung von peinlichen Versäumnissen wäre wohl jeder andere Minister schon längst zum Rücktritt gezwungen worden.
Aber der heilige Joschka kann sich halt auf den Rückhalt bei seinen Medienfreunden verlassen.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Sonntag, 06. Februar 2005 - 11:38 Uhr:   

Um noch mal die politische Brisanz der Affäre klar zu machen:
Alle Formulare und Dokumente für die Durchführung des "Volmer-Erlasses" wurden von der Bundesdruckerei geliefert. Das war für die ein einträgliches Geschäft - je großzügiger das gehandhabt wurde, desto besser.

Genau diese Bundesdruckerei hat nun Honorare an die Volmer-Firma bezahlt, die höchst dubios sind: Weit höher als in der Branche üblich, und vor allem haben die Leistungen, für die Volmer angeblich kassiert haben soll (Reisen nach Vietnam etc.) überhaupt nicht zu Aufträgen geführt, d.h. normalerweise hätte es dann auch keine Provision gegeben.

Diese Verdachtsmomente sind so stark, da müßte eigentlich die komplette Journalistenmeute bei Fischer und den Grünen auf der Matte stehen und Erklärungen verlangen.
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Sascha
Veröffentlicht am Sonntag, 06. Februar 2005 - 15:27 Uhr:   

@Ralf Arnemann

Der Erlass war vernünftig und wurde nicht zurückgezogen, sondern wurde im Zuge des Zuwanderungsgesetzes und neuer EU-Bestimmungen modifiziert. Die Ursachen des Mißbrauch durch Schleuserbanden hatte nichts mit dem Erlass zu tun, sondern mit dem Reisebüroverfahren und der Ausstellung von Reiseschutzpässen, die schon unter der Kohlregierung eingeführt wurden. Die Anwürfe an Fischer scheinen mir sehr konstruiert zu sein, ganauso wie ihr Zusammenhang von Erlass, Volmer und der Bundesdruckerei.
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alberto
Veröffentlicht am Sonntag, 06. Februar 2005 - 17:19 Uhr:   

smile
Im Land der 1.000 Gesätze p.a.

Quote:

Sascha, Sonntag, den 06. Februar 2005 - 15:27 Uhr @Ralf Arnemann Der Erlass war vernünftig und wurde nicht zurückgezogen, sondern wurde im Zuge des Zuwanderungsgesetzes und neuer EU-Bestimmungen modifiziert.


gibt es ebensoviele Nachbesserungen & Verschlimmbesserungen. Die das alles abnicken, verstehen eh nur Bahnhof. Wenn es 2.000 wären, wär's auch nicht anders. Die brauchen das anscheinend, wir nicht. Die Hauptamtlichen aus der Käseglocke haben vom Lebn keine Ahnung. Das ist die Krux.

WahlRechtReform
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 07. Februar 2005 - 11:01 Uhr:   

@Sascha:
> Der Erlass war vernünftig und wurde nicht zurückgezogen, sondern ...
> modifiziert.
Hihi.
Das erinnert mich an eine lokale Anekdote: Vor einigen Jahren fällte das Grünamt unserer Stadt versehentlich eine Reihe wertvoller Bäume.
Sehr peinlich, großes Geschrei - und dann war die offizielle Ausrede: Der Arbeitstrupp hätte die Bäume nur ent-asten sollen, und das etwas zu weit interpretiert. Und die Bäume dann "entastet bis zur Wurzel".

Will sagen: Ob man nun den Entwurf zurückzieht, sondern alle kritischen Punkte zwecks Gesichtswahrung rausmodifiziert, das bleibt sich im Kern gleich.

Klar ist - bei allen edlen Intentionen -, da sind Sachen falsch gelaufen (und zwar erst unter Fischer/Volmer, nicht schon unter Kohl). Schily hatte auch gewarnt, es wurde trotzdem so gemacht.
Und dann führte das zu den großen Problemen mit den Schleusern, und deswegen wurden die Bestimmungen wieder zurückgenommen. Und jetzt gibt es diese Probleme nicht mehr (bzw. nur noch im reduzierten Maß wie schon immer).

> Die Anwürfe an Fischer scheinen mir sehr konstruiert zu sein,
Fischer ist verantwortlicher Minister, für den Erlaß, für die Probleme daraus, für die Kommunikationspannen im Ministerium.

> ganauso wie ihr Zusammenhang von Erlass, Volmer und der
> Bundesdruckerei.
Richtig, das sind nur Vermutungen. Aber durchaus keine unbegründeten.
Und es gibt einen erheblichen Erkärungsbedarf, und normalerweise müßten die Medien bei einer solchen Affäre ganz anders nachhaken als sie dies derzeit tun.
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Sole
Veröffentlicht am Montag, 07. Februar 2005 - 11:53 Uhr:   

Dass Volmer sich privat irgendwie bereichert hat, klingt sehr wahrscheinlich. Nach dem Spiegelbericht und anderen Mediendarstellungen ist aber nicht klar, dass die ganze Sache der Bereicherung diente. Man kann schon von einer politischen Motivation ausgehen, das deutsche Zuwanderungsrecht auszuhebeln. Das Geschäft war dann wahrscheinlich der verlockende Zusatznutzen.

Volmer ist weg vom Fenster, Fischer kriegt vielleicht ein paar Kratzer am Image, vielleicht stürzt er - prinzipiell ist das egal, seine Karriere neigt sich dem Ende. Dass er trotzdem noch auf 10 Jahre und mehr "die" Integrationsfigur seiner Partei sein kann, zeigen die Beispiele Kohl und Gysi. Freilich haben die beiden letztgenannten lange Zeit nicht kapiert, dass sie tatsächlich nur noch Integrationsopas sind. Ihre Versuche, das Geschehen im Hintergrund weiter zu lenken waren eher mäßig erfolgreich.

Wir werden uns in den nächsten Jahren von vielen Köpfen verabschieden. Von Otto Schily, Peter Struck, J. Fischer, Frau Fischer, von der Reihe der CDU-Minister unter Kohl (bis auf Merkel vielleicht) , von Rudolf Scharping.

Volmer ist da uninteressant. Er war politisch sowieso kaltgestellt und keine logische Nachfolge für Fischer.

Die Grünen werden sich noch wundern, wie gut es mit mäßigem Personal und einigen wenigen Spitzenleuten auch ohne Fischer geht.

Wenn Fischer Glück hat und die CDU weiter solche Fehltritte macht wie in den letzten Wochen (Stoiber-, Kauder-Äußerungen, herumeiern beim NPD-Verbot, allgemeines internes Hickhack) sind die Leute das Thema in den Medien vielleicht leid, bevor es richtig zum öffentlichen Skandal geworden ist.
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alberto
Veröffentlicht am Montag, 07. Februar 2005 - 13:29 Uhr:   

smile
Der Zusatznutzen

Quote:


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Wahlrecht - Forum: Tagesgeschehen: Der Fischer-Erlaß
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Von Sole am Montag, den 07. Februar 2005 - 11:53 Uhr:

Dass Volmer sich privat irgendwie bereichert hat, klingt
sehr wahrscheinlich. Nach dem Spiegelbericht und anderen
Mediendarstellungen ist aber nicht klar, dass die ganze
Sache der Bereicherung diente. Man kann schon von einer
politischen Motivation ausgehen, das deutsche
Zuwanderungsrecht auszuhebeln. Das Geschäft war dann
wahrscheinlich der verlockende Zusatznutzen.


Nu ist dieser Zusatznutzen in Neidhammelland zwar besonders kritisch zu betrachten, aber Macht korrumpiert nun mal. Darum gibt es Demokratie, sie zu bekämpfen und nicht zu fördern, wie wir das tun. Just dies wirft uns nämlich der Korruptionsbericht von Transparency International vor: »Die Aufdeckung wir gezielt behindert«.

Dies ist der Grund für den Artikel 137 GG. Er ist im Wahlrecht anzuwenden

WahlRechtReform
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 07. Februar 2005 - 14:52 Uhr:   

@Sole:
> Man kann schon von einer politischen Motivation ausgehen, das deutsche
> Zuwanderungsrecht auszuhebeln. Das Geschäft war dann wahrscheinlich
> der verlockende Zusatznutzen.
Das ist wohl die plausibelste Interpretation.
Für beide Motive war die doch beachtliche Zahl an Visa (über 300 000) nützlich ...

> Volmer ist weg vom Fenster, ...
Noch nicht. Das wirklich Erstaunliche ist doch, daß die Grünen sich (trotz Grummeln im Hintergrund) offiziell mit ihm solidarisiert haben.

> Fischer kriegt vielleicht ein paar Kratzer am Image, vielleicht
> stürzt er
Eher nicht. Dazu müßten die Medien härter rangehen. Bisher hat sich ja noch nicht einmal einer getraut, ihm Fragen zu stellen.

> prinzipiell ist das egal, seine Karriere neigt sich dem Ende.
Sagen wir mal so: Es ist wieder einmal Zeit für ihn, den Schauplatz zu wechseln, bevor ihn die Widersprüche und offenen Versprechen seiner aktuellen Tätigkeit einholen.
Nur ist halt (nachdem sein Traum vom europäischen Außenminister geplatzt ist) keine neue Tätigkeit für ihn zu sehen.

> Wir werden uns in den nächsten Jahren von vielen Köpfen
> verabschieden.
Das wäre mal eine gesonderte Diskussion wert. Ist das normale Personalfluktuation oder ein echter Paradigmenwechsel?

> Die Grünen werden sich noch wundern, wie gut es mit mäßigem Personal
> und einigen wenigen Spitzenleuten auch ohne Fischer geht.
Das ist m. E. nicht so klar.
Falls sie 2006 aus der Regierung fliegen und die Promis in Ruhestand gehen, dann stellt sich die Sinnfrage völlig neu. Es ist nicht klar, ob sie darauf eine Antwort finden werden, die den Laden zusammenhalten kann.
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Florian
Veröffentlicht am Montag, 07. Februar 2005 - 21:39 Uhr:   

"und die Promis in Ruhestand gehen"

die Grünen scheinen mir aber eine relativ große Personaldecke auch mit semi-prominentem Personal in der zweiten Reihe zu haben.
Aus dem Stand könnte ich auf jeden Fall deutlich mehr grüne Politiker aufzählen als z.B. FDP- oder PDS-Politiker.
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Sole
Veröffentlicht am Montag, 07. Februar 2005 - 22:24 Uhr:   

Ist wohl auch eine Frage der Präferenzen
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Florian
Veröffentlicht am Montag, 07. Februar 2005 - 23:03 Uhr:   

Natürlich richtig.
Aber eigentlich sind die Grünen nicht unbedingt meine Top-Präferenz...

Vielleicht kommt mein Eindruck aber auch daher, weil die Grünen so oft ihre Parteispitze wechseln, praktisch keine Ämterhäufung haben und zudem alle Spitzenpositionen doppelt besetzen. Entsprechend sind da recht viele Leute im Rampenlicht.
Allerdings bringt das den Grünen wohl nur bei Leuten die sich überdurchschnittlich für Politik interessieren zusätzliche Aufmerksamkeit.
Beim Durchschnittswähler ist die ganze grüne Semi-Prominenz wahrscheinlich weniger präsent als "echte" Parteispitzen wie Stoiber oder Westerwelle.
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Imperator rex
Veröffentlicht am Montag, 14. Februar 2005 - 16:27 Uhr:   

Der Stern holt zum nächsten Schlag aus und vielleicht drückt es die traditionell schwachbrüstigen GRÜNEN in Schleswig-Holstein noch unter die 5%-Hürde. Dann würde die nächste Meldung heißen: "Fischers Affäre stürzt Simonis!"
Es ist sicherlich ein Stück Wunschdenken dabei.


Visa-Affäre

"Nicht mehr kontrollierbar"

von Hans Peter Schütz

Neue Dokumente in der Visa-Affäre zeigen, dass die Regierung alle Warnungen in den Wind schrieb - und Parlamentarier falsch informierte.

Die Warnung kam von kompetenter Seite, vom Vizepräsidenten des Bundeskriminalamts. "Die Verwendung von sog. Reiseschutzpässen bei der Sichtvermerkserschleichung entwickelt sich zu einer neuen, nicht mehr kontrollierbaren kriminellen Arbeitsweise", schrieb Bernhard Falk am 21. Mai 2002 ans Bundesinnenministerium (BMI). Es gebe eindeutige Belege dafür, dass die Visa-Erschleichung "von bedeutenden international tätigen kriminellen Organisationen kontrolliert wird".

Es hätte gehandelt werden müssen, unverzüglich, als das Bundeskriminalamt (BKA) organisierte Kriminalität, Menschenhandel und eine Gefahr "für die Innere Sicherheit in Deutschland" meldete. Als klar wurde, dass vor allem aus Russland und der Ukraine Zehntausende Männer zur Schwarzarbeit und Frauen zur Zwangsprostitution eingeschleust wurden, weil die Bundesrepublik eine überaus laxe Visa-Politik betrieb, die mit einem Erlass von Außenminister Joschka Fischer und seinem Parlamentarischen Staatssekretär Ludger Volmer im Frühjahr 2000 möglich gemacht worden war.

Doch das politisch verantwortliche Auswärtige Amt (AA) unternahm nichts, wie bald im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss über die Visa-Affäre offenbar werden wird. Peinlicher noch: Fischers Ministerium vertuschte den Skandal. Als der CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl Mitte 2002 in einer Anfrage Näheres zu den Folgen der Visa-Politik wissen wollte, antworteten die Beamten nach viermonatiger Beratung mit einer Lüge. "Durch die gute Zusammenarbeit des Auswärtigen Amtes mit dem BMI wird jeder Form einer Visa-Erschleichung unverzüglich, schnell und wirkungsvoll entgegengetreten", behaupteten sie.

Dass es die Beamten im AA besser wussten, belegt der interne Mail-Verkehr zu dem Vorgang, der dem stern vorliegt. Darin ließ Amtsrat Ralf Nitz fünf Kollegen wissen: Wenn man gegen die Schleuser tatsächlich wirkungsvoll vorginge, "würden wir in einer (fast) heilen Welt leben. Wir wissen ja leider insbesondere seit Reiseschutzpass, dass das durchaus anders aussehen kann, habe aber trotzdem keine Bedenken, den Entwurf mitzuzeichnen, weil er doch unsere Position nach außen hin stärkt". Der Abgeordnete Uhl kann bis heute kaum glauben, wie er verladen wurde: "Ich habe Mühe, mir vorzustellen, dass Beamte so zusammenwirken zur Täuschung eines Parlamentariers."
..

Auch in der Folgezeit geschah nichts. Zwar empfahl Innen-Staatssekretär Claus Henning Schapper im Juli 2002 mit Blick auf die BKA-Warnung dem Außenministerium dringend, die Anerkennung der Reiseschutzpässe als Voraussetzung einer Visa-Erteilung generell auszusetzen. Das Fischer-Ministerium schlug den Rat aber in den Wind. Im Innenministerium kannte man die verheerenden Wirkungen der Visa-Praxis seit Anfang 2001 genau, billigte sie aber regierungsintern, wie zahlreiche Schreiben beweisen, die dem stern vorliegen. Innenminister Otto Schily ließ die Dinge laufen, weil er sauer war auf Fischer, der die Regelung ohne Rücksprache mit ihm in Kraft gesetzt hatte. Belegbaren Widerstand hat Schily nur auf der Kabinettssitzung am 15. März 2000 geleistet. Im Frühjahr 2004, als das Desaster nicht länger zu verheimlichen war, versuchte das Schily-Ministerium, sich aus der Mitverantwortung zu stehlen: "Weder die Länder noch die Sicherheitsbehörden hatten im Vorfeld Kenntnis von dem Erlass." Das ist formal richtig, doch das Innenministerium wusste jederzeit, was alles schief lief - unternahm aber nichts.

So blieb auch ein weiterer, noch drängenderer Brief von BKA-Vize Falk im März 2003 wirkungslos. Darin warnt er, die Reiseschutzpässe würden von Personen verkauft, über die "umfangreiche kriminalpolizeiliche Erkenntnisse vorliegen". Die Praxis des Auswärtigen Amts fördere, so Falk, "terroristische oder sonst kriminelle Netzwerke und Organisierte Kriminalität". Beinahe flehentlich rief der Polizeimann nach Maßnahmen, um "dem Schutz der Bevölkerung vor kriminellen oder gar terroristischen Aktivitäten besser Geltung zu verschaffen".

Doch der Fischer-Volmer-Erlass blieb im Prinzip bis Oktober 2004 in Kraft. Im Kanzleramt wurde das geduldet. "Wir mussten", so Mitarbeiter von Kanzleramtschef Frank Walter Steinmeier, "den Grünen doch auch einmal ein Bonbon gönnen." Inzwischen gilt eine nach Außenamts-Staatssekretär Jürgen Chrobog bezeichnete Anweisung. Die Einreise darf nun verweigert werden, wenn Zweifel am angegebenen Reiseziel "überwiegen". Der Bundesnachrichtendienst warnt weiter vor "einer gefährlichen Schnittmenge" zwischen Schleuserkriminalität und internationalem Terrorismus.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 10:47 Uhr:   

@Imperator:
> Der Stern holt zum nächsten Schlag aus und vielleicht drückt es die
> traditionell schwachbrüstigen GRÜNEN in Schleswig-Holstein noch unter
> die 5%-Hürde.
Inzwischen sind ja noch einige Schläge dazugekommen - aber ich glaube nicht, daß die Grünen schon bei der jetzigen Wahl deswegen verlieren werden.
Die wenigen Tage bis zur Wahl wird noch die Verteidigungslinie Fischers halten (von wegen "Fehler der Mitarbeiter" und "Union ist mitschuldig"), obwohl die inhaltlich natürlich hochgradig lächerlich ist.
Es braucht aber einfach seine Zeit, bis so etwas wirklich "durchgesichert" ist, d.h. Wähler wirklich ihre Grundüberzeugung ändern.

Viel eher wird das bei den SPD-Wähler wirken, die ja die grünen Ideen von der unbeschwerten Einwanderung meist viel kritischer sehen - gerade bei den niedrigeren Einkommensschichten, bei denen die SPD ohnehin große Mobilisierungsprobleme seit Hartz IV hat.
Hier würde es Simonis helfen, sich in dieser (für die Landeskoalition ja unwichtigen) Frage demonstrativ von den Grünen zu distanzieren.
Aber ich bezweifele, daß sie das tun wird.
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Sole
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 11:04 Uhr:   

Das wäre ein ziemlich riskantes Spiel. Die Grünen haben alle Chancen, ihr mäßiges Abschneiden bei der Wahl 2000 zu wiederholen (wobei des immer noch das zweitbeste SH-Ergebnis war)
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 12:03 Uhr:   

> Das wäre ein ziemlich riskantes Spiel.
Die Grünen haben keine Alternative mehr.
Wie diverse Pressekommentare geschrieben haben: Fischer hat die Brisanz der Affäre unterschätzt und viel zu spät reagiert. Und die unerwartete Kombination mit den Volmer-Bundesdruckerei-Geschäften hat das (bei Politikern aller Parteien) übliche Aussitzen unmöglich gemacht.

Zum jetzigen Zeitpunkt würde Fischer mit jeder Detailerklärung untergehen. Da hilft nur pauschales Nebenbombenwerfen und eisernes Durchhalten bis zum Sonntag. In den Kommentaren kommt das zwar schlecht an, aber die meisten Wähler werden sich so schnell nicht umentscheiden.
Es ist die einzige Chance für die Grünen, in S-H halbwegs glimpflich davonzukommen (den Traum von größeren Zugewinnen können sie sich auf jeden Fall abschminken).
Und nur wenn S-H halbwegs hält, können sie hinterher versuchen, den Gesamtschaden der Affäre zu begrenzen.
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Stefan Z.
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 13:00 Uhr:   

Zur Ausgangsfrage:

ASuf gar keinen Fall wird Joseph Fischer, der sakrosankte Übervater der Grünen als Außenminister zurücktreten, denn das würde - auch unabhängig von diversen Wahlen - eine unvorstellbare Krise der rot-grünen Regierung bedeuten. Wenn nicht gar das Ende.

Die Affaire wird ausgesessen, vielleicht wird Fischer einen gewissen Schaden davontragen, aber bis zur Wahl 2006 wird das ganze längst wieder vergessen sein.
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Niklas
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 13:19 Uhr:   

Ich glaube auch, dass die Wähler der Grünen sich von der Fischer-Volmer-Affaire kaum beeindrucken lassen. Ein paar SPD-Wähler werden vielleicht abgeschreckt.

Wenn es Effekte bezüglich des Wahlverhaltens gibt, dann zugunsten von CDU, vielleicht auch FDP. Eine klammheimliche Schadenfreude über den Sündenfall/des Versagens der sich moralisch überlegen gerierenden Gutmenschen ist in diesen Kreisen sicherlich gegeben. Das hebt natürlich die Stimmmung bzw. die Motivation, zur Wahl zu gehen.
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Imperator rex
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 14:34 Uhr:   

Angesichts Fischers Statement, er würde sich vor seine Mitarbeiter stellen, kann ich nur lachen. Er sollte froh sein, wenn seine Mitarbeiter sich vor IHN stellen. Denn aufgrund seines nicht vorhandenen Backgrounds fällt der Außenminister wie keiner seiner Vorgänger durch eine unglaublich selbstherrliche, arrogante sowie herablassende Art gegenüber seinen Mitarbeitern auf. Niemand im Kabinett ist bei seinen Untergebebenen so unbeliebt. Das schlägt wie immer im Leben jetzt auf ihn zurück und läßt die Chancen der Opposition im Untersuchungsausschuß steigen, ihn dauerhaft zu beschädigen, was durchaus Auswirkungen auf 2006 hätte.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 14:53 Uhr:   

@Stefan:
> Auf gar keinen Fall wird Joseph Fischer, der sakrosankte Übervater
> der Grünen als Außenminister zurücktreten, denn das würde - auch
> unabhängig von diversen Wahlen - eine unvorstellbare Krise der
> rot-grünen Regierung bedeuten.
Das ist eine interessante Frage.

Diverse Kommentatoren heute vermitteln eher den Eindruck, daß Fischer durchaus entbehrlich geworden sei. Die SPD hat sich wieder stabilisiert, ein Bütikofer hat unerwarteterweise als grüner Parteivorsitzender an Statur gewonnen - eine Koalition könnte durchaus auch ohne Fischer laufen.
Umgekehrt hat Fischer natürlich innerhalb der Grünen auch eine Menge Feinde. Da gibt es vielleicht viele, die sich mehr Karriere vorstellen können, wenn nicht länger "Fischermanns Friends" sich die lukrativen Jobs untereinander aufteilen. Oder die ohne den großen Übervater mehr politischen Spielraum erhoffen.

Es ist oft so, daß Politiker, die wirklich mächtig sind, von Affären gar nicht angekratzt werden können.
Die Visa-Affäre ist seit langem im Gespräch, die meisten Fakten seit Jahren bekannt, das Urteil kam schon letzten Februar - aber da war Fischer wohl noch auf der Höhe.

Siehe damals Kohl: Auch die Schwarzgeld-Konten standen schon Jahre vorher im Spiegel. Aber an den großen Kanzler wagte sich keiner ran - das verpuffte ohne Affäre.

Erst Jahre später knallte das plötzlich. Als Kohl nicht mehr im Amt war, kein wirklich Mächtiger mehr - aber doch mit seiner Omnipräsenz eine echte Belastung für die, die in der Union Karriere machen und etwas Neues gestalten wollten.

Auch Kohl fühlte sich unangreifbar und war dann überrascht, daß die alte Affäre ihm plötzlich vorgehalten wurde.

Auch Fischer ist offensichtlich sehr davon überrascht worden, daß die alte Visa-Affäre nun plötzlich so an Fahrt gewann und er, der Unangreifbare, plötzlich unter Druck steht.
Und wenn die eigenen Parteifreunde - natürlich mit lauten Solidaritätsbekundungen - von ihm Antworten und Stellungnahmen einfordern, dann ist das ein Alarmzeichen.

Es ist gut möglich, daß es doch in kurzer Zeit zu einem Rücktritt kommt. Und daß sich hinterher alle wundern (er selber am meisten), wie ungestört Koalition und Politikbetrieb in Berlin weiterlaufen.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 14:58 Uhr:   

@Imperator:
> Angesichts Fischers Statement, er würde sich vor seine Mitarbeiter
> stellen, kann ich nur lachen.
Das war dreist, und das kann ihm den Kopf kosten.

Das klingt ja im ersten Moment edel, sich vor seine Leute zu stellen.
Aber in Wirklichkeit gab es in dieser Affäre ja noch nie irgendeinen Vorwurf an irgendwelche Mitarbeiter. Weder Opposition noch Medien haben da irgendwelche Fehler gesehen.
Es ging immer nur um den Erlaß, der war von der politischen Spitze gewollt - nicht von den Mitarbeitern.

Das Abwälzen dieser politischen Frage auf angebliche Fehler der Mitarbeiter könnte ein entscheidender Fehler gewesen sein.
In jedem Ministerium finden sich überreichlich kleinere Vorgänge und Pannen, die isoliert an eine hungrige Pressemeute weitergegeben einem Minister schwer schaden können.
Und wenn ein Minister unter Beschuß steht, ist jedes solche Detail gefährlich für ihn.
Und wenn er seine Mitarbeiter zu sehr vergrätzt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß einige davon sich mit Indiskretionen wehren.
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Sole
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 15:12 Uhr:   

Für den Betrieb ist Fischer entbehrlich. Alle Tabus, die zu brechen eine Fischer nötig war, sind gebrochen. Grüne stehen selbstverständlich für Militäreinsätze, Kürzungen an Lieblingsprojekten sind längst akzeptiert. Beim nächsten Krieg ist kein zerknittert blickender Übervater mehr nötig, der sich Vergleiche mit Auschwitz zurechtlügt (meiner Meinung nach sehr verantwortungslos)

Für alles weitere, schwarzgrün, für Anpassung an die Nach-68er ist Fischer entbehrlich, lästig. Das restliche Jahr wird ohne ihn funktionieren. Was ohne Fischer im Wahlkampf geht, ist eine andere Frage. Hier ist vieles denkbar.
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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Februar 2005 - 17:36 Uhr:   

Nun heißt es, die Koalition stelle sich voll hinter Fischer. Aber ich lese anderes aus den komischen Aussagen von Müntefering bei spiegel online:

Er (Müntefering) sei überzeugt, dass Fischer im bevorstehenden Untersuchungsausschuss "gute, plausible Antworten" geben könne.

Heißt: hat er bisher nicht getan.

"Fischer hat eine realistische Einschätzung", sagte Müntefering.

??? wovon ???

Er rief die Opposition auf, sich bei Vorwürfen gegen den Außenminister zurückzuhalten. Man dürfe sich nicht "mit Teilwissen und mit Vermutungen" ein abschließendes Urteil bilden.

Da die Opposition mindestens soviel weiß wie die ganze Öffentlichkeit, heißt das: bisher haben wir nur ein Teilwissen um die Vorgänge. Die Grünen behaupten dagegen seit Wochen, es sei alles aufgeklärt.

Diese Aussagen sind jedenfalls wertlos, wenn noch mehr kommt, wovon ich überzeugt bin. Da andere hier auch schon davon ausgehen: Wer wird denn wohl nächster Außenminister? So richtig vorstellen kann man sich da kaum jemanden, vielleicht ist das auch ein Grund für das noch-Hinhalten der Koalition.

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