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Condorcet vs. IRV

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c07
Veröffentlicht am Sonntag, 24. August 2003 - 21:51 Uhr:   

Florian:
> In diesem Fall braucht es irgendjemanden, der sagt wie es weiter
> gehen soll, damit Deutschland handlungsfähig bleibt.

Naja, davon, dass er sich für eine von zwei Möglichkeiten entscheidet, wird Deutschland noch lang nicht handlungsfähig.

Den Handlungsspielraum des Bundespräsidenten in dieser Frage find ich ohnehin sehr fragwürdig. Es gibt keinen vernünftigen Grund, ein frisch gewähltes Parlament aufzulösen, bevor es irgendwas Produktives gemacht hat. Stattdessen wär es sinnvoll, eine etwas qualifiziertere Mehrheit vorauszusetzen. Es gibt ja nicht nur die Extreme relative und absolute Mehrheit, sondern man kann auch mit IRV eine Mehrheit ermitteln.

Übrigens fehlt IRV (Instant Runoff Voting) bis jetzt auf wahlrecht.de. Kurz: Das ist ein Sonderfall von STV in einem Winner-takes-it-all-Szenario, also im Prinzip eine Serie von Wahlgängen, nach denen jeweils der Schwächste ausscheidet, bis nur noch einer übrig bleibt. In der Praxis kann man das einfacher in einem Wahlgang durch Durchnummerieren der Kandidaten wie bei STV erreichen. Selbst ein echtes Patt wird sehr unwahrscheinlich, weil man bei Gleichstand die relative Stärke in den vorigen Wahlgängen als Kriterium nehmen kann (wobei im Bundestag zwei homogene Blöcke das Patt leicht erzwingen könnten, wenn sie sich einig sind und von vornherein nur zwei Kandidaten aufstellen).

Auch für die Wahl des Bundespräsidenten selbst wär das das geeignete Verfahren, solang Parteipolitiker Kandidaten sind. Condorcet ist nur geeignet, wenn entweder gar keine Parteien eine Rolle spielen oder sie sich zumindest nicht vernünftig auf eine lineare Skala projizieren lassen. Sonst wird ziemlich sicher die unfähigste Person gewählt, wenn sie nur den Anschein erweckt, in der Mitte zu stehen (z.B. wählen 1000 Linke A-B-C, 1000 Rechte C-B-A, und die eine Person, die B-A-C wählt, führt dazu, dass bei Condorcet B gewinnt).
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 09:39 Uhr:   

Die von Florian genannte Ausnahme-Situation überzeugt mich nicht. Für solche Fälle lassen sich verschiedene andere Lösungswege konstruieren, dafür muß man nicht einen Bundespräsidenten in Reserve halten.

c07's Einwände gegen Concordet überzeugen mich auch nicht - ohne daß ich hier ansonsten pro oder contra Concordet reden möchte.
> Sonst wird ziemlich sicher die unfähigste Person gewählt, wenn sie
> nur den Anschein erweckt, in der Mitte zu stehen (z.B. wählen 1000
> Linke A-B-C, 1000 Rechte C-B-A, und die eine Person, die B-A-C wählt,
> führt dazu, dass bei Condorcet B gewinnt).
Richtig ist, daß "mittig" sein bei Concordet hilft. Aber das sagt ja noch nicht aus, daß dies irgendwie mit Unfähigkeit korrelieren würde.

Und ich halte das Wahlergebnis wie im Beispiel für völlig in Ordnung.
Wenn denn nun 2000 Wählern ein "unfähiger" Kandidat B lieber ist als einen genialen A oder C, den sie aber politisch zutiefst ablehnen - dann würde ich schon sehr dazu raten, B zu nehmen.
A oder C haben beide nicht nur eine klare Mehrheit gegen sich, sondern dies auch noch von einer so polarisierenden Qualität, daß da nichts Gutes rauskommen kann.
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c07
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 10:42 Uhr:   

Ralf:
> Richtig ist, daß "mittig" sein bei Concordet hilft. Aber das sagt ja
> noch nicht aus, daß dies irgendwie mit Unfähigkeit korrelieren würde.

Das Wahlergebnis sollte ja gerade (negativ) mit der Unfähigkeit korrelieren. Im Beispiel geht das Ergebnis völlig in Ordnung, wenn die Wähler tatsächlich B für den zweitbesten Kandidaten halten. Wenn sie aber B nur deshalb an diese Position gesetzt haben, weil er ihrem eigenen Lager näher steht und womöglich gar nichts außer seiner Parteiangehörigkeit über ihn wissen, dann ist das Ergebnis absurd. Condorcet setzt eine wirklich gute Kenntnis der Kandidaten voraus, sowie den Willen und die Fähigkeit, sie jenseits einer linearen Skala zu beurteilen. All das halt ich auf bundespolitischer Ebene momentan nicht für gegeben.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 12:38 Uhr:   

@c07:
> Im Beispiel geht das Ergebnis völlig in Ordnung, wenn die Wähler
> tatsächlich B für den zweitbesten Kandidaten halten.
Nichts anderes läßt sich schließen, wenn sie ihn an den zweiten Platz stellen! Im Beispiel halten 100% der Wähler den B eben nicht für so unfähig, daß sie ihn an den letzten Platz stellen würden (wo er Ihrer Meinung nach ja offenbar hingehören müßte).
Ich kann doch nicht ein Wahlsystem abqualifizieren, weil das Ergebnis dem Willen von 100% der Wähler entspricht!
"Unfähigkeit" ist in der Politik ein schwammiger Begriff. Letztlich läuft jede Wahlentscheidung darauf hinaus, ein Paket aus verschiedenen Vor- und Nachteilen zu bewerten und in Relation zu den übrigen Angeboten zu setzen.

Wieviel die Wähler nun über den Kandidaten B oder die übrigen Kandidaten wissen, kann man auch nur spekulieren.
Auf jeden Fall würde eine solche Unwissenheit bei jedem Wahlsystem durchschlagen.

Wahlsysteme sollen den Willen der Wähler feststellen - das tut Condorcet hier im konkreten Beispiel m. E. tadellos.
Daß die Wähler manchmal nach Ansicht außenstehender Beobachter falsch entscheiden, das kann man nicht dem Wahlsystem anlasten.
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 14:21 Uhr:   

c07 schrieb:
Condorcet ist nur geeignet, wenn entweder gar keine Parteien eine Rolle spielen oder sie sich zumindest nicht vernünftig auf eine lineare Skala projizieren lassen. Sonst wird ziemlich sicher die unfähigste Person gewählt, wenn sie nur den Anschein erweckt, in der Mitte zu stehen

Das sehe ich nicht so extrem. Bei Condorcet wird halt das Mehrheitsprinzip ausgereizt, während bei IRV (und schlimmer noch bei relativer Mehrheitswahl) im Zweifelsfall die größte halbwegs geschlossene Minderheit gewinnt. Es ist das Wesen von Kompromissen, daß sie häufig der Hauptpräferenz von fast keinem der Beteiligten entsprechen. Ersetze in deinem Beispiel A durch "20% Mehrwertsteuer", B durch "15% MwSt" und C durch "10% MwSt", dann erscheint es doch absolut gerecht und demokratisch, daß die Mehrwertsteuer auf 15% festgelegt wird.

Nun mag es nicht immer sinnvoll sein, bei Personenwahlen den Kompromißkandidaten zum Sieger zu erklären. Zumindest bei der Wahl des Bundespräsidenten, der ja überparteilich und von allen anerkannt sein soll - ist das aber sachgerecht.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 15:27 Uhr:   

Wenn man den Bundespräsidenten schon direkt vom Volk wählen lassen will (ich halte sowohl vom Amt selbst als auch von der Volkswahl in diesem Fall nichts) dann sollte STV angewendet werden. Condorcet ist schwer nach vollziehbar und hat doch die wesentliche Schwäche, daß das Ergebnis sehr stark und weit mehr als bei STV von der Anzahl der Kandidaten abhängt; selbst wenn fast alle kaum Rückhalt in der Bevölkerung haben. Die Gefahr von Zufallsmehrheiten ist sehr groß wenn es viele Stichentscheide zwischen Kasndidaten gibt die fast keiner will. STV ist zudem leichter nachvollziehbar für die Wähler. Die müssen das Wahlverfahren zwar nicht zwingend kapieren, aber ein durchschnittlich intelligenter Wähler sollte es schon ohne allzu große Schwierigkeiten verstehen können wenn er sich damit beschäftigt.
Ich sehe auch nichts schlimmes darin wenn ein stärker polarisierender Kandidat gewinnt, der bei Condorcet keine Chance hätte. Konsenssoße á la Weizsäcker oder Rau haben wir genug gehabt. Wenn der Bundespräsident überhaupt eine Rolle hat neben Staatsnotar und Repräsentation, dann doch die, Denkanstöße zu geben (wie ansatzweise Herzog mit seiner Ruck-Rede). Dafür ist aber ein Konsensmensch weniger geeignet.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 17:09 Uhr:   

STV ist ein "proportionales" Verfahren für Mehrpersonengremien. Für eine Einpersonenwahl macht es gar keine eindeutige Aussage.

Bei Condorcet besteht dagegen die Gefahr, daß es keinen Condorcet-Sieger gibt, und wenn man versucht daran zu drehen, hat man wieder Parteistrategische Überlegungen mitdrin.

Sonst gibt das obige Beispiel, doch ein vernünftiges Ergebnis.
Präferenz A-B-C, der Kandidat C ist für die Hälfte der Wahlmänner unwählbar. Und wenn die Wahlentscheidung nach links-rechts fällt, statt Kompetenz, dann hilft auch kaum ein anderes Wahlsystem weiter.
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c07
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 17:18 Uhr:   

Ralf:
> Ich kann doch nicht ein Wahlsystem abqualifizieren, weil das Ergebnis
> dem Willen von 100% der Wähler entspricht!

Ich bezweifle ja gerade, dass es dem Willen der Wähler entspricht. Es könnte ja auch auf ihrer Unkenntnis beruhen. Das ist zwar ein Einwand, den man gegen so ziemlich alles verwenden könnte, aber Condorcet sucht gerade da den Sieger, wo die Konturen am schwächsten sind. Und das liegt nicht unbedingt am Konsens, sondern womöglich eben auch daran, dass diese Alternative nicht greifbar war.

> Auf jeden Fall würde eine solche Unwissenheit bei jedem Wahlsystem durchschlagen.

Nein. Momentan haben wir ja eher das andere Extrem. Die ganz kleinen Parteien fallen ganz automatisch weg, obwohl die meisten Wähler nicht einmal von ihrer Existenz Kenntnis nehmen, geschweigedenn irgendetwas über sie wissen.


Wilko:
> Bei Condorcet wird halt das Mehrheitsprinzip ausgereizt, während bei IRV
> (und schlimmer noch bei relativer Mehrheitswahl) im Zweifelsfall die
> größte halbwegs geschlossene Minderheit gewinnt.

Bei IRV kommt aber zumindest eine echte Mehrheit heraus, die eine Möglichkeit gegenüber der stärksten Alternative bevorzugt. Die Frage ist eben, ob es wünschenswert ist, dass andere Alternativen, die keine nennenswerte originäre Unterstützung haben, bevorzugt unter den Tisch fallen. Wer sie berücksichtigen will, muss auch dafür sorgen, dass eine echte Auseinandersetzung mit ihnen stattfindet. Zumindest müsste die Zahl der Alternativen hart begrenzt werden.

Condorcet steht und fällt damit, dass sich alle Wähler mit sämtlichen Alternativen gleich stark beschäftigt haben. Das ist der Preis, der für das "Ausreizen" des Mehrheitsprinzips gezahlt werden muss. Verglichen mit anderen Wählern hab ich wahrscheinlich eh schon eine relativ hohe Bereitschaft dazu, aber auch bei mir ist sie irgendwo begrenzt.

Bei IRV werden dagegen Varianten, die niemanden so recht überzeugt haben, automatisch entsorgt, ohne dass sich die Wähler die Mühe machen müssen, sie gegenüber jeder einzelnen anderen, auch nicht überzeugenden Variante abzuwägen. Im Extrem der relativen "Mehrheitswahl" ist das nicht mehr sehr demokratisch, aber den grundlegenden Schutz gegen Überflutung, den IRV bietet, find ich in vielen Fällen eher vorteilhaft als nachteilig.

> Ersetze in deinem Beispiel A durch "20% Mehrwertsteuer", B durch "15% MwSt"
> und C durch "10% MwSt", dann erscheint es doch absolut gerecht und
> demokratisch, daß die Mehrwertsteuer auf 15% festgelegt wird.

Nicht unbedingt. Es gehört ja auch jeweils ein Konzept dazu, was mit dem Geld gemacht wird bzw. wo es eingespart wird. Wenn ich eigentlich für 20% bin, damit Dinge bezahlt werden können, die mir wichtig sind, kann ich trotzdem sparsame 10% gegenüber unsinnig verwendeten 15% bevorzugen.

Für einzelne Sachentscheidungen halt ich aber Condorcet durchaus für sinnvoll, wenn die Zahl der Alternativen begrenzt ist. Konkretes Beispiel wären Volksentscheide, wo zwischen Volksbegehren, Landtagsentwurf und Status quo entschieden wird. Die Form mit zwei Einzelfragen und Stichfrage ist ja nichts viel anderes als ein verkompliziertes Condorcet.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 18:14 Uhr:   

Könnte mir jemand in dieser Liste mal den Unterschied zwischen Condorcet und IRV am Beispiel der Bundesversammlung von 1994 erklären, vielleicht wird es dann für mich verständlicher.

Ausgangssituation war: Unionskandidat: Herzog (relative Mehrheit Wahlgang 1 und 2)
SPD-Kandidat Rau (zog nicht zugunsten von Hamm-Brücher zurück)
FDP-Kandidatin Hamm-Brücher (wurde im 3. Wahlgang zum Verzicht gedrängt)
Grünen-Kandidat Reich verzichtete nach dem ersten Wahlgang
Republikaner-Kandidat ohne Chance.

Wenn wir davon ausgehen, dass - ausgehend von den damaligen Mehrheitsverhältnissen in der Bundesversammlung - SPD, FDP, Grüne und PDS sich auf Hamm-Brücher hätten einigen können, Herzog aber nicht nur von der Union, sondern auch von ca. 1/4 der FDP-Abgeordneten in der Bundesversammlung (gegen deren eigene Kandidatin)unterstützt worden wäre und die paar Republikaner für Herzog votiert hätten, so ergäbe hätte sich doch wohl sowohl bei Condorcet - wie auch bei IRV - ein knappes Ergebnis eingestellt. Meines Erachtens hätte Herzog in jedem Falle knapp gesiegt. Oder seht Ihr dies als Experten - anders?
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 18:53 Uhr:   

@ Bernhard Nowak

Ich sehe das schon deshalb anders, weil keiner sagen kann, wie die Mitglieder der Bundesversammlung tatsächlich abgestimmt hätten, hätte es ein anderes Wahlsystem gegeben. Vielleicht wären ja sogar jeweils ganz andere Kandidaten aufgestellt worden, wenn es ein anderes Wahlsystem gegeben hätte. Das Argument "wir hatten aber nunmal diese Kandidaten" lasse ich dabei nicht gelten, weil die jeweilige Lage (zu der neben der Verteilung der Sitze im Wahlgremium auch das Wahlverfahren, das diese anwenden gehört) eben sowohl Kandidatennominierungen als auch Wahlentscheidungen entscheidend beeinflußt.
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c07
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 19:16 Uhr:   

Bernhard:

Deine Ausgangslage beinhaltet ja schon, dass nur noch 2 Kandidaten übrig sind. Dann ist das Ergebnis bei so ziemlich jedem Verfahren dasselbe. Sowohl bei IRV als auch bei Condorcet soll ja erst das Verfahren die Einigung bewirken.

Aber nehmen wir mal an, dass es noch 4 Blöcke mit 3 Kandidaten gibt, die vielleicht deine Vorstellung repräsentieren:

SPD/Grüne/PDS: 580 Stimmen wählen Rau - Hamm-Brücher - Herzog
FDP A (3/4): 84 Stimmen wählen Hamm-Brücher - Rau - Herzog
FDP B (1/4): 28 Stimmen wählen Hamm-Brücher - Herzog - Rau
Union und Rest: 632 Stimmen wählen Herzog - Hamm-Brücher - Rau

Nach Condorcet haben dann die Paare:
580:744 Rau Herzog
692:632 Hamm-Brücher > Herzog

Damit gilt Hamm-Brücher > Rau > Herzog und Hamm-Brücher hat gewonnen. Wenn sich die FDP anders aufteilt, ändert sich nur an den hinteren Rängen was; Hamm-Brücher gewinnt in jedem Fall deutlich. Überhaupt wär bei der momentanen politischen Großwetterlage kaum jemals ein Ergebnis denkbar, bei dem nicht die FDP gewinnt. Spannender wird es erst, wenn mal Grüne/PDS und Union sich gegenseitig als wählbar erachten und/oder große Koalitionen enttabuisiert werden.

Bei IRV hat im ersten "Wahlgang":
632 Herzog
580 Rau
112 Hamm-Brücher

Damit fliegt Hamm-Brücher raus und ihre Stimmen verteilen sich auf Rau und Herzog, womit es 664:660 für Rau steht. Die genaue Aufteilung innerhalb der FDP entscheidet zwischen Rau und Herzog.

In jedem Fall steht es den Parteien (oder Teilen davon) natürlich frei, von sich aus Vereinbarungen zu treffen, die zwangsläufig zu einem der beiden Ergebnisse führen. Die formale Ermittlung ist ja nur nötig, wenn es noch mehr als zwei Blöcke gibt, sonst ist das sinnvolle Ergebnis jedem unmittelbar einsichtig.
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c07
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 19:21 Uhr:   

Die Forumssoftware hat die Condorcet-Paare teilweise vernichtet (mag scheinbar keine Kleiner-Zeichen). Also nochmal:

580:744 Rau « Hamm-Brücher
664:660 Rau » Herzog
692:632 Hamm-Brücher » Herzog
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 19:43 Uhr:   

Wenn man Bernhards Beispiel genau nimmt, wäre das Votum der
FDP Minderheit:
FDP B (1/4): 28 Stimmen wählen Herzog - Hamm-Brücher - Rau
und damit gälte wohl auch, aber nur weil das Viertel nicht reicht

664:660 Hamm-Brücher >> Herzog
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 21:13 Uhr:   

@C07
Danke für diese Erklärung. Ich glaube nur, dass es ganz knapp für Herzog ausgegangen wäre, weil ja die (wenigen) Stimmen der Republikaner noch für Herzog gewonnen worden wären. Ansonsten halte ich das Beispiel für schlüssig. Nach Deiner obigen Berechnung würde ddies würde aber bedeuten: nach Condorcet wäre Hamm-Brücher Präsidentin geworden, nach IRV Rau. Condorcet würde aber dann wohl genauer den "Willen" der Bundesversammlung wiederspiegeln. Denn bei IRV würde die von der Mehrheit gewollte Kandidatin ausscheiden. Sehe ich dies richtig?
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 21:24 Uhr:   

Noch mal das oben von C07 gewählte Beispiel, ergänzt um die Republikaner und das Votum der FDP-Minderheit so wie es Martin dargestellt hat bei "taktischer" Stimmabgabe der Union (Rau vor Hamm-Brücher):
SPD/Grüne/PDS: 580 Stimmen wählen Rau - Hamm-Brücher - Herzog
FDP A (3/4): 84 Stimmen wählen Hamm-Brücher - Rau - Herzog
FDP B (1/4): 28 Stimmen wählen Herzog - Hamm-Brücher - Rau
Union und Rest: 632 Stimmen wählen Herzog - Rau (als "aussichtsloseren" Kandidaten) - Hamm-Brücher (um sie zu verhindern)
Republikaner (ca. 6 Stimmen): Herzog-Rau-Hamm-Brücher

Und dann wird es knapp.
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c07
Veröffentlicht am Montag, 25. August 2003 - 23:14 Uhr:   

Bernhard:
> Ich glaube nur, dass es ganz knapp für Herzog ausgegangen wäre, weil ja
> die (wenigen) Stimmen der Republikaner noch für Herzog gewonnen worden wären

Die sind schon bei "Union und Rest" drin, auch Fraktionslose o.Ä., die womöglich eher anders gewählt haben/hätten. Ich hab das nicht im Detail untersucht.

> Condorcet würde aber dann wohl genauer den "Willen" der Bundesversammlung
> wiederspiegeln. Denn bei IRV würde die von der Mehrheit gewollte Kandidatin ausscheiden.

Es gibt ja keine klar definierte Mehrheit. Das ist nur Spekulation. Einerseits bevorzugt eine Mehrheit Hamm-Brücher gegenüber Rau, andererseits will eine Mehrheit Hamm-Brücher eigentlich nicht. Um zu ergründen, welche der beiden Möglichkeiten eher im Sinn der Abstimmenden ist, müsste man differenzierter vorgehen, als es die beiden Verfahren tun. Bei Condorcet geht ja die Information verloren, wie groß die Unterschiede in den Präferenzen sind, während IRV pauschal die zunächst schwächste Kandidatin verwirft.

Um den wirklichen Willen der Mehrheit zu ermitteln, müsste man nicht nur eine Reihenfolge der Kandidaten erfragen, sondern auch die Abstände zueinander, und bei den Condorcet-Paaren die jeweiligen Abstände addieren statt einfach nur den Gewinnern einen Punkt zu geben. Damit würde das Verfahren aber nicht nur kompliziert und undurchsichtig, sondern man könnte bzw. müsste verstärkt taktisch wählen, um das Beste für sich herauszuholen. Gerade das sollte aber ein gutes Verfahren möglichst vermeiden.

Es hat schon seinen Sinn, Mehrheiten in Verhandlungen zu finden und nur pauschal bestätigen oder ablehnen zu lassen, solang die Nähe der Verhandlungsführer zu den Abstimmenden groß genug ist. Für die heutige Bundespräsidenten- und -kanzlerwahl ist deshalb das derzeit vorgesehene Verfahren nicht wirklich tragisch. Aber wenn die Verhandlungen nicht erfolgreich waren oder die Nähe nicht mehr gegeben ist (wie z.B. bei einer Volkswahl), wär es schon sinnvoll, ein möglichst brauchbares Verfahren als Hilfsmittel zu haben, statt auf Neuwahlen oder ein Machtwort zu setzen.

Ein Verfahren, das wirklich alle Ansprüche erfüllt, gibt es allerdings nicht. Das sollte aber nicht daran hindern, möglichst nah ans Optimum zu kommen. Bei parteigebundenen Einpersonenwahlen ist das für mich in der momentanen Situation ziemlich klar IRV, auch wenn in einzelnen Fällen Condorcet eher dem Willen der Mehrheit entspricht. Öfter wird es aber umgekehrt sein, und insbesondere ist der größte anzunehmende Fehler bei Condorcet extrem hoch, während IRV zumindest eine große Minderheit begünstigt, wenn es schon nicht die wirkliche Mehrheit findet.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Dienstag, 26. August 2003 - 10:24 Uhr:   

@c07
Du scheinst der Erstpräferenz sehr stark zu werten, mit dem Schluß wenige Erstpräferenzen gleich nicht so guter Kandidat.

Daß man Schwierigkeiten gar nicht vermeiden kann:
Wahl zwischen A und B
51% kann mit beidem leben, mit leichter Präferenz für A
49% sind voll für B und lehnen A als völlig ungeeignet ab.

Das "bessere" Ergebnis ist dann B, wird bei einer normalen Abstimmung aber nicht herauskommen, sondern nur wenn die Mehrheit sich die Abstimmung abkaufen läßt.
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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 26. August 2003 - 11:16 Uhr:   

Martin:
> Du scheinst der Erstpräferenz sehr stark zu werten, mit dem Schluß
> wenige Erstpräferenzen gleich nicht so guter Kandidat.

Nicht generell, aber als Entscheidungskriterium in Zweifelsfällen halt ich das für sinnvoll.

Zum Beispiel: Das Problem ist halt, dass ein technisches Verfahren einer interaktiven Konsensbildung nie gleichwertig ist. Es gibt kein sinnvolles Verfahren, das zu B führt, obwohl er in direkten Verhandlungen wahrscheinlich gewinnen würde. Nur die können zeigen, ob die Ablehnung von A echt oder nur Taktik ist.
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Florian
Veröffentlicht am Dienstag, 26. August 2003 - 17:48 Uhr:   

@Martin:

> Daß man Schwierigkeiten gar nicht vermeiden kann:
> Wahl zwischen A und B
> 51% kann mit beidem leben, mit leichter Präferenz für A
> 49% sind voll für B und lehnen A als völlig ungeeignet ab.
>
> Das "bessere" Ergebnis ist dann B, wird bei einer normalen Abstimmung aber nicht herauskommen, sondern nur wenn die Mehrheit sich die Abstimmung abkaufen läßt.

Ja, das ist in der Tat ein Problem.
Und die Lösung des Stimmenkaufs hat zwar für mich (als Ökonom) durchaus seinen Reiz. Aber ich könnte mir vorstellen, dass die meisten sie als unethisch einstufen würden.
(Was sie aber nicht ist: Bei einer Volksabstimmung ist ein Stimmenkauf in Ordnung, weil es es wie gesagt zur besten Lösung führen kann. Anders als in repräsentativen Demokratien).
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Florian
Veröffentlicht am Dienstag, 26. August 2003 - 17:52 Uhr:   

Frage eines Unwissenden zu Condorcet:

Was passiert in folgendem Fall:
40% präferieren: A-B-C
30% präferieren: B-C-A
30% präferieren: C-A-B

Das ergibt folgende Paarabstimmungen:
A-B: A gewinnt
A-C: C gewinnt
B-C: B gewinnt

Wer gewinnt in diesem Fall die Abstimmung?
Doch eigentlich keiner, weil keiner alle seine Abstimmungen gewinnen kann. Oder sehe ich da etwas falsch?
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gelegentlicher Besucher
Veröffentlicht am Dienstag, 26. August 2003 - 18:05 Uhr:   

@Martin Fehndrich
STV ist ein "proportionales" Verfahren für Mehrpersonengremien. Für eine Einpersonenwahl macht es gar keine eindeutige Aussage.

Mir ist klar, dass ich jetzt etwas arrogant werde :-), aber das ist falsch.
Man kann natürlich STV-Regeln (in der jeweils bevorzugten Variante) für den Spezialfall nur eines Sitzes anwenden. Dieser Spezialfall verändert Vieles (s.u.) und wird deshalb oft mit einem eigenen Namen bedacht (IRV, AV). Man kann aber ebenso auch für diesen Fall den Namen STV verwenden, wie das z. B. die irische Verfassung (Art. 12.2.1) tut.

Zu dem vielen Veränderten:
Bestimmte Teile der Verfahrensdefinition (Verteilung von dann nicht mehr auftretenden Überschüssen) werden im IRV-Spezialfall natürlich nicht erreicht und können (nicht müssen) deshalb weggelassen werden, womit man eine - für diesen Spezialfall - allgemeinverständliche Verfahrensdefinition erhält. Auch die Unterschiede zwischen den verschiedenen STV-Varianten verschwinden oder werden zumindestens wesentlich kleiner. Weiterhin gibt es Leute die zu STV im Gremienfall und im Eingewinnerfall unterschiedliche Meinungen haben.

Für Gremien mit mehreren Mitgliedern bin ich z.B. absoluter STV-Fan wärend ich mir im Eingewinnerfall ehrlich gesagt zur Zeit zwischen STV und Condorcet nicht ganz einig bin. Der 'Killervorteil' von STV scheint mir nämlich darin zu liegen, dass es nicht nur nach Parteien sondern nach jedem Kriterium nach dem die Wähler sortieren proportional ist. Wenn also - nur als Beispiel - Alberto in seinem 5-er Wahlkreis 40% der Wähler überzeugt alle nicht im öffentlichen Dienst beschäftigten Kandidaten vor allen im öffentlichen Dienst beschäftigten Kandidaten zu platzieren, dann werden auch mindestes 2 nicht im öffentlichen Dienst beschäftigte Kandidaten gewählt.(Um ehrlich zu sein: Der Anspruch wird abgerundet, man braucht also halbwegs große Wahlkreise).
Das gleiche gilt für Sortierung nach Geschlecht, Religion,Hautfarbe, Alter, u.s.w.

Im Fall nur eines Gewinners fällt dieser Vorteil natürlich weg und STV zeigt um so stärker sein (ihr? Welches Geschlecht hat STV?) hässliches - d.h. nichtmonotones - Gesicht.

Auf der anderen Seite haben c07 und Thomas Frings Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass der Condorcet-Sieger evtl. ein von niemandem wirklich gewünschter bzw bei vielen unwichtigen Kandidaten effektiv sogar zufälliger Kandidat sein kann, weil Condorcet-Verfahren eben bei der Reihung zweier Kandidaten nicht von den sonstigen Kandidaten unabhängig sind.

Außerdem (beim Bundespräsidenten weniger wichtig) könnte man sich mit einem Condorcet-Verfahren jede Wechselmöglichkeit verbauen: Bei einer Condorcet-Volkswahl des Bundeskanzlers und 'ehrlicher' Stimmabgabe hätte die FDP wohl noch nie nicht den Bundeskanzler gestellt. Schon alein deshalb würden die Anhänger der großen Parteien strategisch wählen und so die Anwendung des 'Ersatzverfahrens' für die Abwesenheit eines Condorcet-Siegers erzwingen.

Der Weg zum perfekten Eingewinnerverfahren (monoton und von irrelevanten Alternativen unabhängig) ist nunmal durch den Arrow'schen Unmöglichkeitssatz verbaut...

In der Frage was wichtiger ist, bin ich mir wie gesagt zur Zeit uneinig.

Bei einer evtl. Volkswahl des Bundespräsidenten wäre mir das genaue Verfahren allerdings ehrlich gesagt völlig gleichgültig. Hier scheint mir der Vorteil weniger in mehr Macht für das Volk (kann durch Buprä-Wahl ohnehinn nicht erreicht werden) als in weniger Parteiengeschacher um das höchste Staatsamt zu liegen. Geschäfte wie das, dem Rau sein Amt verdankt (NRW-Ministerpräsidentschaft für Bundespräsidentschaft getauscht) wären dann ebenso unmöglich wie der (in diesem Forum bei der NRW-Koalitionskriese vielfach als Absicht vermutete) Einkauf von Stimmen einer kleinen Partei durch Zugeständnisse in der 'echten' Politik. Das würde dem Bundespräsidenten wieder etwas Würde verleihen. Und Würde auszustrahlen ist schließlich seine einzige Aufgabe :-)
Im Prinzip könnte man sogar durch Auslosen bessere Bundespräsidenten finden als die (ihrem Wesen nach (Partei-)politikgebundene) Bundesversammlung.

Bei einem 'Machtamt' könnte evtl. ein Teil der Lösung darin liegen, dass man schon eine gewisse Unterstützung (meinetwegen z.B. eines Landtages) verlangt, damit ein Kandidat überhaupt wählbar ist. Bei wenigen Kandidaten schlagen die jeweiligen Verfahrensnachteile (hoffentlich) auch weniger stark durch.

Und um letzendlich ganz vom Thema abzugleiten:
Wenn der Bundeskanzler vom Volk gewählt würde, dann bräuchte man keine stabilen Koalitionen und könnte daher auf die 5%-Hürde verzichten.
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gelegentlicher Besucher
Veröffentlicht am Dienstag, 26. August 2003 - 18:55 Uhr:   

@Florian's Frage eines Unwissenden zu Condorcet:

Da streiten die Condorcet-Anhänger auch d'rüber...

Es gibt mehrere Möglichkeiten in so einem Fall zu verfahren.

Darum spreche ich (wie viele Andere) ja auch gerne von den (nicht dem Condorcet-Verfahren)

Die wohl beliebteste und von Condorcet ursprünglich vorgeschlagene (aber bei weitem nicht einzige) Variante ist wohl in soch einem Fall den am knappsten ausgegangenen Vergleich zu streichen. In Florian's Beispiel ist das der Vergleich A-C und A gewinnt die Wahl. Aber wie gesagt: es geht auch anders.

Aber egal wie man es macht gilt dann (Wie Martin Fehndrich weiter oben schon erwähnte), dass die Parteistrategie über diese Hintertür zurückkehrt. Jedes Verfahren das immer (d.h. für jede Stimmenverteilung) einen Sieger liefert - also auch jedes verfollständigte Condorcet-Verfahren - hat eben nach dem Arrow'schen Unmöglichkeitssatz ziemlich perverse Eigenschaften.
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Dienstag, 26. August 2003 - 19:16 Uhr:   

Mal eine Frage (ich weiß es schlicht nicht):

Wie sähe das Ergebnis bei Condorcet eigentlich in folgendem Fall aus:

49,9% A-D-C-B
49,9% B-D-C-A
0,1% C-D-A-B
0,1% C-D-B-A

Hier haben wir das Problem, daß A und B stark polarisieren und C und D unbekannte Kandidaten sind, die zur Verhinderung von B bzw. A von deren Gegnern vor den ungewollten Kandidaten platziert werden. Sollte Condorcet zu C oder D führen, ist dieses System aus meiner Sicht ungeeignet, weil dann nur noch profilloser Einheitsbrei aufgestellt werden würde, da nur der eine Chance hätte.
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gelegentlicher Besucher
Veröffentlicht am Dienstag, 26. August 2003 - 19:57 Uhr:   

@C.-J. Dickow's Frage.

D.
Er gewinnt mit 50.1% (A), 50.1% (B) und 99.8% (C) die direkten Vergleiche mit allen Gegnern, was die Definition eines Condorcet-Siegers ist.
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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 26. August 2003 - 23:12 Uhr:   

C.-J. Dickow:
> ist dieses System aus meiner Sicht ungeeignet, weil dann nur noch profilloser
> Einheitsbrei aufgestellt werden würde, da nur der eine Chance hätte.

Das ist ja der Sinn von Condorcet. "Profilloser Einheitsbrei" kann man auch ein bisschen positiver formulieren. Es gibt schon sinnvolle Anwendungen für Condorcet. Parteipolitisch dominierte Personenwahlen gehören aber in der Regel nicht dazu.

Noch eine Bemerkung zu dem Problem, dass reines Condorcet nicht unbedingt einen Sieger findet: Im parteipolitisch dominierten Szenario ist das relativ unwahrscheinlich. Dazu ist (vereinfacht gesagt) notwendig, dass Unionsanhänger die PDS sehr hoch gewichten oder umgekehrt. So ein Verhalten wird eher die Ausnahme sein. Dafür ist es in einem Konsens-orientierten Szenario relativ wahrscheinlich, also gerade da, wo Condorcet eigentlich sinnvoll wär. Das schränkt die praktische Verwendbarkeit von Condorcet ziemlich ein.
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Martin Fehndrich
Veröffentlicht am Mittwoch, 27. August 2003 - 22:26 Uhr:   

@Florian
"Stimmenkauf" heißt hier nur im Zusammenhang mit anderen Entscheidungen einen Kompromiß finden.

@Florian (Condorcet)
Wenn es keinen Condorcet-Sieger gibt, sagt Condorcet eben nichts aus und es gibt strenggenommen kein Condorcet-Verfahren.
Man muß dann natürlich irgendwie drumherum arbeiten, allerdings baut man damit wieder Anreize zur strategischer Stimmabgabe ein.

@gelegentlicher Besucher (zu STV)
Die Frage welche Kandidaten in welcher Reihenfolge gestrichen werden, ist in den verschiedenen STV-Varianten unterschiedlich gelöst. Die eigentliche STV Eigenschaft, die Stimmenübertragung, macht nur bei mehreren Sitzen Sinn.

@gelegentlicher Besucher (zu Condorcet)
Doch, Condorcet ist bei der Reihung zweier Kandidaten unabhängig von den sonstigen Kandidaten.
Es gibt paarweise Vergleiche und wer alle Vergleiche gewinnt ist Sieger (und da ändern sonstige Kandidaten nichts dran).

@C.-J. Dickow
"profilloser Einheitsbrei" ist vielleicht in einem sehr polarisierten Land notwendig um einen Bürgerkrieg zu verhindern.
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Donnerstag, 28. August 2003 - 00:33 Uhr:   

@ gelegentlicher Besucher
Einen Kandidaten zum Sieger zu erklären, den kein einziger Wähler als Hauptkandidaten auswählt, ist meines Erachtens nicht sinnvoll. Man muß, wenn nur ein Posten zu besetzen ist, eben eindeutige Entscheidungen auch auf personaler Ebene treffen. Und da ist mir ein straighter Vertreter einer Ansicht, die ich nicht vertrete lieber, als ein nicht greifbarer Wackelpudding, denn ich möchte mich - wenn schon nicht der von mir präferierte Kandidat gewinnt - wenigstens an dem Amtsinhaber reiben können. Deshalb präferiere ich für Wahlen, bei denen nur ein Amtsinhaber zu wählen ist (Bundespräsident, Bürgermeister, Landrat, Vereinsvorsitzender ...) das absolute Mehrheitswahlrecht, unabhängig davon, ob man Volkswahl oder Delegiertenwahl einsetzt.

@ Martin Fehndrich
Der Thread heißt "Volkswahl des Bundespräsidenten" und nicht "Condorcet in Ruanda". Deshalb habe ich mich in meinen Aussagen auch auf die Lage hier bezogen und nicht auf Länder, in denen ein Bürgerkrieg drohen könnte.
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gelegentlicher Besucher
Veröffentlicht am Donnerstag, 28. August 2003 - 00:44 Uhr:   

Irgendwie werde ich immer weniger gelegentlich :-)

Zu meiner Behauptung IRV sei der Spezialfall von STV für nur einen Sitz schrieb Martin Fehndrich:

Die Frage welche Kandidaten in welcher Reihenfolge gestrichen werden, ist in den verschiedenen STV-Varianten unterschiedlich gelöst.

Da hat Herr Fehndrich Recht.
Zu meiner Verteidigung: Ich war von der traditionellen und einzigen politisch tatsächlich verwirklichten Variante ausgegangen die zu streichenden Kandidaten nach geringster derzeitiger Stimmenzahl auszuwählen (und dabei allenfalls nach Newland und Britton mehrere (nachweislich) chancenlose Kandidaten gleichzeitig zu streichen, was aber für diese Kandidaten und damit im IRV-Fall für alle Kandidaten keinen Unterschied macht.). Es gibt aber (theoretisch) STV-Varianten die andere Eliminationsregeln verwenden (z.B. Condorcet- oder Borda-Verlierer) oder ganz ohne Eliminationen auskommen (CPO-STV). Um meine These so abzuschwächen dass sie war ist: Jeder der STV kennt weiß auch was mit STV im Eingewinnerfall gemeint ist: IRV.Übrigens werden auch für IRV andere Eliminationsregeln vorgeschlagen/verwendet; am beliebtesten die Elimination aller bis auf zwei Kandidaten also im Wesentlichen eine vorweggenommene Stichwahl.

Zu Condorcet-Verfahren hatte ich behauptet, dass

[...]Condorcet-Verfahren eben bei der Reihung zweier Kandidaten nicht von den sonstigen Kandidaten unabhängig sind.

worauf Martin Fehndrich antwortete

Doch, Condorcet ist bei der Reihung zweier Kandidaten unabhängig von den sonstigen Kandidaten.
Es gibt paarweise Vergleiche und wer alle Vergleiche gewinnt ist Sieger (und da ändern sonstige Kandidaten nichts dran).


Da bleibe ich bei meiner Darstellung :-)
Angesichts meiner vielen Tippfehler mag auch dieser Satz wie einer ausgesehen haben. Ich meine aber wirklich Condorcet-Verfahren im Plural, also Verfahren die soweit vorhanden den Condorcet-Sieger wählen und sonst eine Auflösungsregel haben. Für den Spezialfall (bei 'ehrlicher' Abstimmung zugegebenermaßen eher Regel als Ausnahme) eines existenten Condorcet-Siegers hat Herr Fehndrich Recht. Aber dann habe ich auch ein perfektes Wahlverfahren, welches allerdings nur bei Einstimmigkeit anwendbar ist...

Letztendlich (Ich weiß, ich wiederhole mich) kann man sich eben nach Arrow für alle (bei allen Stimmverteilungen funktionierenden) Einzelsiegerverfahren sehr unerwünschte Beispiele konstruieren.
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Donnerstag, 28. August 2003 - 23:45 Uhr:   

c07:
Wenn ich eigentlich für 20% bin, damit Dinge bezahlt werden können, die mir wichtig sind, kann ich trotzdem sparsame 10% gegenüber unsinnig verwendeten 15% bevorzugen.

C.J. Dickow:
Man muß, wenn nur ein Posten zu besetzen ist, eben eindeutige Entscheidungen auch auf personaler Ebene treffen. Und da ist mir ein straighter Vertreter einer Ansicht, die ich nicht vertrete lieber, als ein nicht greifbarer Wackelpudding, denn ich möchte mich - wenn schon nicht der von mir präferierte Kandidat gewinnt - wenigstens an dem Amtsinhaber reiben können.

Ihr habt dies als Gründe angeführt, die eurer Meinung nach gegen Condorcet sprechen. Meines Erachtens sind es aber eher Argumente, die FÜR Condorcet sprechen. Denn sie zeigen, daß die Annahme, bei Condorcet gewinne im Zweifel immer ein Kandidat der Mitte, nicht stichhaltig ist. Sowohl bei Sach- als auch bei Personalentscheidungen kann es diverse Gründe geben, warum man gerade den Kandidaten bzw. die Position der Mitte bei den nachfolgenden Präferenzen "überspringt". Und da es bei Concorcet kaum Anreize zu taktischem Wahlverhalten gibt, sehe ich keinen Grund, warum sich dies nicht auch im Wahlergebnis wiederspiegeln sollte.

Hier wurde sogar behauptet, bei allen bisherigen Wahlen wäre wohl der FDP-Kandidat Bundeskanzler geworden. Das ist doch nun wirklich abwegig! Gerade bei nachrangigen Präferenzen tritt die Partei hinter den persönlichen Merkmalen des Kandidaten zurück. Ich bin mir z.B. ziemlich sicher, daß derzeit bei einer direkten Kanzlerwahl nach Condorcet nicht etwa Westerwelle gewinnen würde, sondern Joschka Fischer (bei IRV aber wohl auch).

Im Prinzip geht's mir aber ähnlich wie dem gelegentlichen Besucher: Ich bin zwischen Condorcet und IRV hin- und hergerissen. Letztlich müßte man beide Verfahren mal "in action" in Deutschland erleben, um sich ein Urteil bilden zu können. Und dieser Weg kann realistischer Weise nur so aussehen, daß man zunächst die bisher üblichen Stichwahlverfahren (z.B. bei Bürgermeisterwahlen) nach und nach durch IRV ersetzt, das ja bis auf die Stimmgebungsform kein wirklich neues Prinzip bedeutet. Erst wenn IRV (und die Rangfolgenstimmgebung allgemein) eines Tages etabliert ist, kann man sich dann Gedanken machen, ob man vielleicht auch mal Condorcet ausprobieren sollte.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 00:05 Uhr:   

Wenn man C07s Beitrag vom 25.08. 19:16 Uhr zu Grunde legt, dann ist doch, wenn in dem von mir gewählten Beispiel Bundespräsidentwahl 1994 nach IRV oder Condorcet Frau Hamm-Brücher herausgeflogen wäre, IRV ähnlich wie das absolute Mehrheitswahlrecht (denn beim romanischen Wahlrecht (wie Wilko zu recht auf der Wahlrechtslexikaseite geschrieben hat, eine Variante des relativen und nicht des absoluten Mehrheitswahlsystems), wie es etwa bei der Reichspräsidentenwahl in der Weimarer Republik galt, fliegt ja nicht der letzte Kandidat raus, sondern kann drin bleiben, wie das Beispiel der Wahl Hindenburgs 1925 - bei Verbleib Thälmanns im 2. Wahlgang aufzeigt) stärkt - wenn ich Eure Beiträge richtig verstanden habe, IRV die "Spitzen-"kandidaten, Frau Hamm-Brücher hätte also keine Chance bei IRV gehabt, bei Condorcet wäre sie - um bei meinem obigen Beispiel zu bleiben - neben Herzog aussichtsreichste Kandidatin gewesen. Ich kenne IRV nicht (sollte unbedingt mal auf der Wahlrechtsseite vorgestellt werden), es scheint mir aber nach den obigen Beiträgen eine Variante des absoluten Mehrheitswahlsystems zu sein und dies kann von Condorcet (siehe unsere Debatte nach der Präsidentschaftswahl in Frankreich und dem - überraschenden - Ausscheiden Jospins) nicht behauptet werden. Wenn also, um zum Thema dieses Threads zurückzukommen, die Volkswahl des Bundespräsidenten ein Thema wäre, so sollte man sich für Condorcet oder absolutes Mehrheitswahlrecht entscheiden. Mir ist immer noch nicht klar, was IRV in der praktischen Auswirkung - siehe Beitrag von C07 - vom absoluten Mehrheitswahlrecht unterscheidet. Denn bei Condorcet oder relativem bzw. romanischem Wahlrecht (siehe etwa die Oberbürgermeisterwahlen in Stuttgart) kann der Dritt- oder Viertplatzierte durch taktisches Wählen der anderen Erster werden, bei IRV doch wohl nicht?
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 00:33 Uhr:   

@Bernhard:

Mit IRV ist "Instant Run-off Voting" gemeint, das hier als "absolute Mehrheitswahl mit übertragbarer Stimmgebung" erwähnt wird. Es ist letztlich eine absolute Mehrheitswahl in nur einem Wahlgang (daher auch der Name IRV). Die Auswirkungen sind dementsprechend ähnlich der abs. Mehrheitswahl in nur einem Wahlgang. Es können aber bei IRV auch Kandidaten gewinnen, die nach den Erstpräferenzen auf Platz drei (oder schlechter standen). Dies ist in der Regel aber nur dann der Fall, wenn die ersten beiden Kandidaten keinen allzu großen Vorsprung haben. So zum Beispiel bei der letzten französischen Präsidentschaftswahl. Die Stichwahl war ja eine Farce, weil die Kandidaten der großen Mehrheit der Wähler nicht mehr dabei waren und stattdessen mit Le Pen ein Kandidat in die Stichwahl kam, der völlig chancenlos war. Bei IRV (und auch Condorcet) wäre die Entscheidung wohl zwischen Chirac und einem anderen Kandidaten als Le Pen gefallen.
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c07
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 05:41 Uhr:   

Wilko:
> Ihr habt dies als Gründe angeführt, die eurer Meinung nach
> gegen Condorcet sprechen.

Nein, im Folgenden hab ich ja sogar gesagt, dass Condorcet für derartige Fälle durchaus geeignet sein kann.

> Sowohl bei Sach- als auch bei Personalentscheidungen kann es diverse
> Gründe geben, warum man gerade den Kandidaten bzw. die Position
> der Mitte bei den nachfolgenden Präferenzen "überspringt".

Das würd ich nicht so sagen. Wenn es eine (eindimensionale) Mitte gibt, gibt es normalerweise auch keinen Grund, sie zu überspringen. Aber es kann sein, dass diese Mitte einfach nicht existent ist, weil das Problem zu sehr mehrdimensional ist.

Prinzipiell bin ich ja ein ausgesprochener Verfechter davon, dass Mehrheiten möglichst in der Mitte gefunden bzw. gebildet werden (obwohl ich mich selber nicht als mittig bezeichne), und bei Einzelentscheidungen kann das auch ganz gut klappen. Schwierig wird es aber bei Paketlösungen, weil da die "Mitte" oft nur in grober Vereinfachung die Mitte ist und das Paket in der Regel auch Dinge enthält, die alles andere als mittig sind. Zum Problem wird das dann, wenn die Details des Pakets für den Wähler nicht mehr mit zumutbarem Aufwand erkennbar sind, wenn also entweder die Konturen zu verschwommen sind oder die Auswahl zu groß ist.

Konkret muss ich mich bei Personenwahlen, bei denen ich die Kandidaten nicht wirklich gut kenn (und bei Condorcet müsste ich jeden einzelnen Kandidaten gut kennen), nach der Partei orientieren. Und da steht eben die FDP in erster Näherung in der Mitte, obwohl sie das in vielen Einzelfragen nicht ist. Deshalb bin ich gezwungen, den FDP-Kandidaten relativ weit oben zu platzieren, obwohl das vermutlich nicht seinem Wert entspricht (aber das weiß ich ja vorher nicht). Natürlich könnte ich auch eine weniger riskante Strategie fahren und das bekannte Übel vor dem Unbekannten platzieren. Ich halt es aber für unwahrscheinlich, dass in unserer gegenwärtigen politischen Landschaft sehr viele so eine Risikominimierung betreiben würden. Vielleicht würde Condorcet auf die Dauer diese politische Landschaft so sehr verändern, dass das nicht mehr der Fall ist, aber bis überhaupt der Boden für ein derart riskantes Verfahren bereitet ist, ist es noch ein langer Weg (ausgenommen wie gesagt alle überschaubaren Fragen).

Dass die FDP chronisch gewinnen würde, hab ich zwar auch schon mal behauptet, aber das stimmt eigentlich nur für das erste Mal, und nur wenn man davon ausgeht, dass es keine ganz kleinen Parteien gibt. In der Anfangszeit der BRD hätte z.B. das Zentrum ganz gute Chancen gehabt und hätte deshalb wahrscheinlich überlebt. Und heute würden wohl die ÖDP und die Grauen eine Bundeskanzlerwahl nach Condorcet unter sich ausmachen. Wobei man natürlich noch berücksichtigen muss, dass es entweder eine Flut von neuen Parteien geben würde, oder dass das irgendein Mechanismus regulieren müsste, der die Vorteile von Condorcet gegenüber IRV wieder aushebeln würde. Lieber lass ich IRV bei der Wahl die schwächsten Alternativen eliminieren, als dass ich vorher härtere Quoren einbau, die im Prinzip das Gleiche auf eher undemokratischerem Weg machen.

> Gerade bei nachrangigen Präferenzen tritt die Partei hinter
> den persönlichen Merkmalen des Kandidaten zurück.

Wieso sollte sie? Weil der Kandidat bekannter als die Partei ist? Das ist vielleicht bei Fischer so, aber generell würd ich eher vom Gegenteil ausgehn, gerade bei den wirklich kleinen Parteien.

> Letztlich müßte man beide Verfahren mal "in action" in Deutschland
> erleben, um sich ein Urteil bilden zu können.

Wobei ein Verfahren aber noch lang nicht im Großen sinnvoll ist, bloß weil es im Kleinen funktioniert. In kleinen Gemeinden würd ich Condorcet zur Bürgermeisterwahl schon für sinnvoll halten, aber bereits in mittelgroßen hätte ich sehr starke Bedenken.

Condorcet muss auch nicht unbedingt den Vorlauf von IRV haben. Bei zwei konkurrierenden Volksentscheiden mit Stichfrage ist ja (zumindest in Bayern) der zu IRV vergleichbare Stand schon überwunden. Condorcet wär hier eine echte Vereinfachung und müsste inhaltlich gar nichts ändern (außer dass es unmöglich würde, A anzunehmen, B abzulehnen und in der Stichfrage für B zu stimmen, was aber nicht sonderlich sinnvoll ist). Wenn man das bisherige Verfahren auf Condorcet überträgt, wär auch gleich die Auflösungsregel definiert: Im Zweifelsfall zählt der Vergleich mit dem Status quo.

Ich bin also gar nicht zwischen Condorcet und IRV hin- und hergerissen, sondern seh für beides ziemlich klar umrissene Anwendungsfälle. Es geht nicht darum, was davon abstrakt das bessere Verfahren ist, sondern welches besser auf die Situation passt. Allerdings muss ich feststellen, dass der mögliche Schaden von IRV relativ begrenzt ist, während Condorcet an der falschen Stelle ziemlich verheerend sein kann. Und dann gibt es da halt noch das Problem mit der Vervollständigung, das die Vorteile auch wieder ruinieren kann.


Bernhard:
> kann der Dritt- oder Viertplatzierte durch taktisches Wählen
> der anderen Erster werden, bei IRV doch wohl nicht?

Doch. Das mögliche taktische Wählen ist der klassische Vorwurf der Condorcet-Anhänger an IRV. Es geht um Situationen wie diese (nach Erstpräferenzen): CDU 45 - SPD 30 - PDS 25. Normalerweise würde hier zuerst die PDS eliminiert, und deren Zweitpräferenzen würden wohl relativ komplett an die SPD gehn, womit die SPD gewinnt. Wenn aber ein Teil der CDU-Anhänger PDS wählt, scheidet die SPD als erste Partei aus und vererbt vermutlich der CDU genug Stimmen, dass diese gewinnt.

Dieses taktische Vorgehen ist aber hochgradig riskant. Wenn es ein bisschen zu viele praktizieren, gewinnt gerade der ärgste Gegner. Bei richtigen Wahlen ist es schon deshalb kein echtes Problem, weil die nötigen Informationen nicht mit ausreichender Sicherheit vorhanden sind. Relevant könnte es dagegen werden, wenn ein Landtag den Ministerpräsidenten wählt, oder auch in der Bundesversammlung, wo also die "eigentlichen" Mehrheiten absehbar sind. In diesen Fällen könnten sich allerdings SPD und PDS problemlos schon im Vorfeld einigen, wenn ihnen an einer Zusammenarbeit gelegen ist, und damit der CDU die Möglichkeit nehmen, taktisch abzustimmen. Außerdem gibt es auch hier das Risiko, die Situation zu verschlimmern. Als Gegentaktik könnte nämlich der linke Flügel der SPD ebenfalls die PDS wählen und damit zum Sieger machen, und auch wenn die SPD der CDU einfach keine Zweitpräferenzen gibt, bleibt der nur noch die Auswahl zwischen SPD und PDS. Tatsächlich ist aber der Anreiz zur taktischen Wahl bei Condorcet geringer.

Gegenüber der klassischen absoluten Mehrheitswahl hat aber konsequentes IRV auf jeden Fall fast nur Vorteile. Taktisches Wählen ist seltener sinnvoll bzw. notwendig, die wirkliche Mehrheit wird zuverlässiger gefunden, und es ist auch noch viel einfacher in der Anwendung für den Wähler. Einziger Nachteil ist die schwierigere Auszählung der Stimmen, die in der Vergangenheit IRV im größeren Maßstab unpraktikabel gemacht hat.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 09:26 Uhr:   

Jetzt allmählich scheint mir die Diskussion an Realitätsnähe zu gewinnen.
Letztlich ist es ja doch absurd, ausgerechnet ganz oben bei der ohnehin problematischen Position des Bundespräsidenten mit neuen Wahlverfahren zu beginnen, das ganze System untendrunter (das ja für die Herausbildung von Kandidaten wesentlich ist) aber konventionell zu lassen.

c07 hat völlig recht - jedes Wahlverfahren hat nun mal bestimmte Vor- und Nachteile, und deswegen gibt es kein optimales Verfahren, sondern für jeden Anwendungszweck gibt es mehr oder weniger Eignung eines bestimmten Verfahrens.

Und ich stimme Wilko zu, daß der beste Einstieg hierzulande die Direktwahl von Bürgermeister/Landräten ist.
Das ist IRV gut zu vermitteln, weil es im Prinzip eine Weiterführung der heute üblichen Wahlpraxis ist. Es bietet eine handgreifliche Verbesserung (Reduzierung auf einen Wahlgang mit entsprechender Kostenersparnis).
Es ist auch recht leicht zu begreifen, Durchnummerieren nach persönlicher Einschätzung versteht jeder sofort.
Die Weiterentwicklung (ob nun Condorcet oder SVT für Mehr-Personen-Gremien) kann nach diesem Einstieg und entsprechenden Erfolgserlebnissen als zweiter Schritt folgen.

Bisher gibt es in ganz Deutschland m. W. nur ein Beispiel für IRV-Verwendung: Die Wahl des "Internet-Kanzlers" bei der Politik-Simulation www.dol2day.de
Sehr ernst zu nehmen ist das natürlich nicht, aber eine gewisse Referenz bietet es doch (irgendwelche Wahlen in Australien sind nicht so leicht zu vermitteln).
Leider ist es mir nicht gelungen, bei der letzten Kommunalwahlreform in Hessen das IRV zu thematisieren - aber das kann noch werden.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 09:55 Uhr:   

Könnt ihr mir den Unterschied zwischen Condorcet und IRV an dem von C07 gewählten Beispiel bitte noch mal erklären.

CDU 45%
SPD 30%
PDS 25%

Hier würde doch gelten:
relatives Mehrheitswahlrecht: CDU gewinnt
romanisches Wahlrecht: CDU gewinnt (sofern SPD und PDS sich nicht auf einen Einheitskandidaten einigen)
absolutes Mehrheitswahlrecht: Stichwahl CDU/SPD (Gewinner möglicherweise SPD)
IRV: ????
Condorcet ????

Danke im Voraus für die Erklärungen. Außerdem doch noch eine Anregung: die Wahlsysteme in Wahlrecht stichwortartig erläutern, also Links IRV etc. anlegen fände ich gut. Danke
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 11:08 Uhr:   

Mir geht es nochmals ganz konkret um den Unterschied IRV Condorcet. IRV ist - wie Wilko erklärte - eine Variante des absoluten Mehrheitswahlsystems (Australien), Condorcet jedoch ebenfalls ein System, bei dem Zweit- und Drittpräferenzen eine Rolle spielen. In meinem obigen Beispiel gehe ich davon aus, dass der Kandidat der SPD von den PDS-Wählern unterstützt wird, d.h. es de facto eine Mehrheit 55% gegen 45% gegen den Kandidaten der CDU gibt. Trotzdem bleibt mir der Unterschied zwischen IRV und Condorcet unklar. Danke für die Erklärungen.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 13:08 Uhr:   

Bei beiden Systemen spielen die Folgepräferenzen eine Rolle - und da muß man gewisse Annahmen für das Beispiel treffen.
Die Standardannahme wird sein, daß die CDU-Wähler lieber SPD als PDS nehmen, und umgekehrt die PDS-Wähler lieber SPD als CDU.

Bei IRV bedeutet das, das nach Ausscheiden der PDS wegen zu wenig Erstpräferenzen deren Stimmen zur SPD gehen - und die dann gegen die CDU gewinnt.
Wenn man das Beispiel aber etwas anders konstruiert, z. B. die Werte für SPD und PDS vertauscht, dann würde die SPD rausfallen, und die Zweitpräferenzen der SPD-Wähler sind nicht so einfach zu erraten.
Wenn mehr als 5 Prozentpunkte der im veränderten Beispiel 25 SPD-Punkten zur CDU gehen, hätte die gewonnen.

Bei Condorcet muß man unabhängig vom Beispiel alle Präferenzen wissen, weil alle Vergleiche gezogen werden (d.h. es werden hier alle drei Szenarien mit Wegfall einer Partei durchgespielt).
Da würde SPD besser sein als CDU und besser sein als PDS und damit gewinnen. Ob CDU oder PDS im direkten Vergleich vorne wäre, käme wieder auf die SPD-Zweitpräferenzen-Verteilung an, wäre aber unwichtig.

So jedenfalls habe ich das verstanden ...
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 13:25 Uhr:   

@Ralf: Vielen Dank ! So wird es mir einigermaßen klar.
In dem von Dir gewählten Beispiel würde dies bedeuten:

CDU 45%
PDS: 30%
SPD: 25%

Condorcet:
Zweitpräferenzen PDS: zu SPD
Zweitpräferenzen SPD: zu PDS

d.h.
SPD vor CDU und vor PDS
PDS vor CDU hinter SPD (aufgrund SPD-Zweitpräferenz)
CDU hinter SPD hinter PDS

Das hieße im Extremfall: obwohl die CDU mit 45% stärkste Kraft ist, würde sie auf den 3. Platz zurückfallen (bei Condorcet), da SPD und PDS-Anhänger mehrheitlich SPD und PDS unterstützen und somit als Block (!!!!) gesehen werden. Eine Zersplitterung (der SPD-Anhänger in Mehrheit und Minderheit) findet nicht statt, daher CDU ohne Chance.

IRV (konstruiertes Beispiel:
CDU: 52 (45 + 7 SPD)
PDS: 48 (30 + 18 SPD)
Damit CDU vor PDS

Richtig?
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gelegentlicher Besucher
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 13:28 Uhr:   

@C.-J. Dickow (Antwort erst jetzt weil ich es gestern übersehn habe)
Ich habe nur gesagt was mit Condorcet das Ergebniss ist, nicht dass es mir gefällt. Ich habe allerdings gesagt (und sage noch), dass mir IRV-Ergebnisse auch nicht immer gefallen. Es gibt kein Wahlsystem dessen Ergebnisse mir immer gefallen.

@Bernhard Nowak's Frage mit Beispel:

(Ich sehe gerade (nachdem ich mit Schreiben fertig bin), dass Ralf Arnemann schneller war. Um die Arbeit nicht wegzuwerfen poste ich jetzt einfach trotzdem.)

Sowohl bei IRV als auch bei Condorcet geben die Wähler einen durchnummerierten Stimmzettel ab. (Oder nummerieren auf einem Computer)
Bei Condorcet können auch Gleichwertungen (also z.B. geteilter zweiter Platz) zugelassen werden.

IRV bedeutet (meistens):

1. Alle Stimmen werden demjenigen der noch verbliebenen Kandidaten zugerechnet, der die niedrigste Nummer bekommen hat.
2. Wenn nur noch ein Kandidat übrig ist, dann ist dieser gewählt und das Verfahren beendet.
3. Der Kandidat mit den wenigsten Stimmen wird gestrichen; weiter mit Punkt 1.

(In der Praxis bricht man das Verfahren schon ab wenn ein Kandidat die absolute Mehrheit hat, da er dann ja 'unstreichbar' ist und nach einigem Weiterrechnen gewinnen muss. Die hier dargestellte Regel braucht man trotzdem, da manche Wähler vielleicht nur bis -z.B.- 5 nummerieren und die 'Randkandidaten' nicht ordnen. Dann gibt es evtl. keine absolute Mehrheit. In Australien löst man dieses Problem indem man nicht vollständig durchnummerierte Stimmen als ungültig ansieht.)

Wo es nur drei Kandidaten gibt läuft IRV auf eine absolute Mehrheitswahl hinaus in der man seine Stimme für die Stichwahl schon im ersten Wahlgang durch Durchnummerieren für jedes mögliche Stichwahlkandidatenpaar abgibt. Bei mehr als drei Kandidaten liegt der Unterschied darin, dass es mehrere (ebenfalls durch die Nummerierung im Voraus gewählte)'Stichwahlen' gibt, weil immer nur ein Kandidat auf einmal ausscheidet

Die Condorcet-Verfahren gehen so:

1. Jeder Kandidat wird mit jedem anderen Kandidaten verglichen. Vergleichen bedeutet feststellen welcher Kandidat von einer Mehrheit dem anderen Kandidaten vorgezogen wird (d. h. eine niedrigere Nummer bekommen hat). Die Mehrheiten der einzelnen Vergleiche müssen nicht aus den gleichen Personen bestehen.
2. Ein Kandidat der all seine Vergleiche gewinnt wird als Condorcet-Sieger bezeichnet und gewinnt die Wahl.
3. Wenn es keinen Condorcet-Sieger gibt (cf. Beispiel von Florian weiter oben) dann kommt eine Auflösungsregel zum Einsatz. Welche Auflösungsregel man benutzen soll ist eine Frage über die sich Condorcet-Anhänger noch streiten.

Im Konkreten Beispiel:

IRV:
Erst scheidet der Kandidat der PDS aus. Seine Stimmen werden auf den Kandidaten der SPD übertragen. Von den verbleibenden zwei Kandidaten hat der CDU-Kandidat jetz weniger Stimmen, scheidet also aus. Damit gewinnt der SPD-Kandidat.

Condorcet:
Der SPD-Kandidat gewinnt all seine (hier nur zwei) Vergleiche mit 70% gegen den CDU-Kandidaten und 75% gegen den PDS-Kandidaten. Damit gewinnt er als Condorcet-Sieger die Wahl. (Wir haben das Glück, dass die Vergleiche, deren Ergebnisse wir -magels bekannter SPD-Zweitpräferenzen- nicht kennen in diesem Fall keine Rolle spielen.)

Im vorliegenden Beispiel gewinnt also bei beiden Verfahren der gleiche Kandidat (von der SPD).

Das ist aber nicht immer so, bei folgender Stimmenverteilung z. B. nicht:

2 Stimmen: A-B-C
3 Stimmen: B-A-C
4 Stimmen: C-A-B

In diesem Beispiel gewinnt mit IRV B und bei Condorcet A.

Damit sind dann wohl alle Klarheiten beseitigt.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 13:50 Uhr:   

> Um die Arbeit nicht wegzuwerfen poste ich jetzt einfach trotzdem.
Das war sehr gut, weil Deine Erklärung viel umfassender und systematischer ist als meine.

> In Australien löst man dieses Problem indem man nicht vollständig
> durchnummerierte Stimmen als ungültig ansieht. Ich hoffe doch sehr, daß damit gemeint ist, daß ein Stimmzettel dann ungültig wird, wenn alle dort nummerierten Kandidaten schon ausgeschieden sind.
Einen Stimmzettel schon von vorneherein zu entwerten, weil man irgendwelche Randfiguren nicht priorisiert hat, das fände ich krass übertrieben. Der Wähler ist ja schon gestraft genug, wenn wider sein Erwarten gerade diese Randfiguren übrig bleiben und er dann nicht mehr gewertet wird.

Ich versuche mal, anhand des Beispiels die Unterschiede inhaltlich werten.

Wir gehen ja von einer Situation aus, in der im Prinzip ein "rotes" Lager existiert aus SPD und PDS, das über eine solide Mehrheit verfügt, aber mit zwei Kandidaten antritt.
Dann sortiert IRV schlicht den schwächeren der beiden Kandidaten aus und verhilft dem übrigen zum Gesamtsieg. Die CDU-Wähler spielen eigentlich keine Rolle - es sei denn, ihr Kandidat würde als erstes ausscheiden. Dann würden wohl die CDU-Stimmen den Ausschlag geben für die rot-interne Konkurrenz.

Condorcet dagegen berücksichtigt auch dann, wenn der PDS-Kandidat stärker ist die Tatsache, daß die CDU-ler den SPD-Kandidaten für das kleinere Übel halten werden. Da gewinnt mit ziemlicher Sicherheit meist der "mittlere" Kandidat.

Ganz anders sieht es dagegen aus, wenn man nicht von einem monolithischen "roten Block" ausgeht, sondern von einer differenzierten Landschaft (wie das wohl oft auch ist).
Dann würde es eine große Rolle spielen, daß eben nicht alle SPD-Wähler bereit sind, den PDS-Kandidaten zu akzeptieren. Wenn nur ein gewisser Teil dann lieber zur CDU geht, kommt die mit ihrem soliden 45%-Sockel doch zum Erfolg.
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Thomas Frings
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 14:02 Uhr:   

Wenn man ein Wahlverfahren will, das mittige Kandidaten bevorzugt, kann man das doch viel einfacher machen als bei Condorcet: Jeder Wähler kann JEDEM Kandidaten bis zu fünf Stimmen geben und zwar entweder Positiv- oder Negativstimmen. Sieger ist dann der, der den höchsten positiven Saldo erreicht; bei gleichem Saldo gewinnt der mit der kleineren Anzahl Negativstimmen . Da gibt es dann immer ein eundeutiges Ergebnis und die Auszählung ist auch wesentlich leicher.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 14:08 Uhr:   

Das würde aber dann bedeuten, dass das obige Beispiel stimmt?

Bei folgender Auswahl

CDU-Kandidat: 45% (Zweitpräferenz: SPD)
PDS-Kandidat: 30% (Zweitpräferenz: SPD)
SPD-Kandidat: 25% (Zweitpräferenz: 18%: PDS; 7%: CDU)

IRV wie absolute Mehrheitswahl:
CDU-Kandidat 52%
PDS-Kandidat 48%

Condorcet:

SPD: 25% + 45% Zweitpräferenz CDU + 30% Zweitpräferenz PDS: 100% Platz 1

CDU: 45% + 7% Zweitpräferenz SPD-Whäler: 52%

PDS: 30% + 18%: 48%

Rangfolge:
SPD vor CDU vor PDS

Gewinner: SPD-Kandidat

Richtig?
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 14:27 Uhr:   

@Thomas: So ein Verfahren zwingt aber zu taktischer Stimmabgabe, weil man aufpassen muß, daß man seinem Top-Kandidaten nicht dadurch schadet, daß man seinen potentiellen Konkurrenten hilft.

@Bernhard: Das Ergebnis ist richtig, aber du kannst bei Condorcet nicht einfach die Präferenzen zusammenzählen, sondern mußt paarweise vergleichen:

SPD vs. CDU: 55:45
CDU vs. PDS: 52:48
PDS vs. SPD: 30:70
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 14:54 Uhr:   

Vielen Dank für die Auskünfte. Ich glaube, jetzt habe ich es begriffen. Der Unterschied liegt also konkret gesagt darin: bei IRV wird der jeweils unterste Kandidat gestrichen (bei Kandidaten 1-10 Kandidat 10) und nur (!!!!!!) dessen (!!!!!!) Präferenzen auf die übrigen (hier 9) Kandidaten verteilt. Daraus kann sich eine erneute Veränderung ergeben,z.B. das die Präferenzen des ausgeschiedenen Kandidaten 10 mehrheitlich 9 vor 8 präferieren und so 9 auf Platz 8 und Platz 8 auf Platz 9 rückt. Bei 3 Kandidaten hat gelegentlicher Besucher also völlig recht, läuft es auf absolute Mehrheitswahl heraus. Die Stimmen des 3. Kandidaten werden gestrichen und nur dessen (wiederum: nur dessen !!!!) Präferenzen auf die übrigen Kandidaten verteilt. So kommt bei obigem Beispiel eben heraus, dass der Kandidat der CDU gewinnt, da die drittplatzierte SPD mit 25% ihre Präferenzen gespalten hat (18% PDS, 7% CDU). Ergebnis: 52:48 CDU
Dies wäre auch das Ergebnis bei einer Stichwahl beim absoluten Mehrheitswahlrecht gewesen, vorausgesetzt, alle Wähler wählen so wie bei der ersten Stimmabgabe gemäß ihren Präferenzen.

Bei Condorcet werden aber von Anfang an die Präferenzen aller Kandidaten mit einbezogen, d.h. nicht Kandidat 10 fliegt automatisch heraus, sondern bei einem Vergleich der Präferenzen aller 10 Kandidaten kann es sein, dass er auf Platz 9 oder gar 8 vorrutscht und 8 oder 9 nach hinten platziert werden. Die Chancen der untersten Kandidaten steigen also bei Condorcet, da sie die Chance haben, "aufzusteigen", während sie bei IRV gleich von vorneherein gestrichen werden. So habe ich das verstanden.

Und dann natürlich hat Wilko recht. Nicht mein Rechenbeispiel: 100% SPD zu 52% CDU zu 48% PDS wäre bei Condorcet als "Rangfolge" zu werten, sondern Wilko hätte recht. Jede Partei ist mit jeder zu vergleichen, also SPD vs. CDU 55 (25% SPD + Zweitpräferenz 30% PDS-Wähler), SPD vor CDU; CDU vs. PDS 52 zu 48 (45+7%SPD gg. 30+18% SPD-Wähler), also CDU vor PDS, PDS vs. SPD 30 zu 70, da die CDU-Wähler alle Zweitpräferenz SPD angegeben haben.

Also nochmals Dank an alle. Ich glaube, jetzt ist es für mich klar.
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 14:57 Uhr:   

Ihr habt mir oben erklärt, Condorcet sei für Wahlen in extrem polarisierten Gebieten geeignet, um eine ausgleichende Person zu finden. Was mache ich aber, wenn ich keine ausgleichende Person habe? Beispiel: In diversen Hochschulgremien gibt es ganz klare "gut/böse-Strukturen" bei den Studentenvertretern. Ich habe es in den 80er Jahren im Senat der Uni Hamburg erlebt. Damals waren von den vier Studentenvertretern je einer vom MSB Spartakus, vom SHB (Selbstbezeichnung: Marxisten in der SPD), vom RCDS und von der ULH (Liberale). Diese sollten einen Vertreter in einem Ausschuß wählen. Das ging eigentlich, da es zwingend zu einem 2:2 führte, nur über das Los. Da hilft mir aber weder Condorcet, noch irgendein anderes Verfahren weiter, trotz der angeblichen ausgleichenden Funktion, weil keiner den Ausgleich will. Und das gilt - glaube ich - auch im Großen. In extrem polarisierten Gebieten werden die Führer der (zB Volks- oder Religions-)gruppen dazu aufrufen, keine weitere Priorität anzugeben, sondern nur Vertreter der eigenen Gruppe zu wählen und dann ist doch der gewählt, dessen Herkunftsgruppe größer ist.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 16:29 Uhr:   

@C.-J. Dickow:
Das Uni-Beispiel mit 2:2 ist so extrem, da hilft überhaupt kein Wahlverfahren, da kann man nur losen.

Und generell gilt natürlich, daß IRV oder ähnliche Verfahren in erster Linie die unbekannten Wünsche einer größeren Wählerschaft erkunden sollen. In kleinen Gremien mit genau bekannter politischer Zusammensetzung geht es nur noch um Abbildungsverfahren à la d'Hondt vs. Hare-Niemeyer etc.
Ansonsten teile ich Deine Befürchtungen nicht. Nur bei sehr schlichten Wahlverfahren (sprich: man hat nur eine Stimme) können polarisierende Aufrufe eine Gruppe zum geschlossenen Wahlverhalten bringen.

Natürlich werden in strittigen Gebieten die Serben die erste Stimme dem Serben geben und die Sunniten dem Sunniten oder was auch immer.
Aber wenn sie dann per IRV oder Concordet weitere Stimmen bekommen, die sie zwangsläufig an andere Kandidaten außerhalb der eigenen Gruppe vergeben müssen - da werden sie diese normal nicht verfallen lassen (auch wenn dies ihr Häuptling/Oberguru unvernünftigerweise empfehlen sollte).
Da wird dann das Wählerverhalten einer solchen Gruppe ziemlich zerfasern - und das ist ja ein sehr erwünschter Effekt, um diese Polarisierungen zu überwinden.

Dies ist besonders dann der Fall, wenn sich verschiedene Zugehörigkeiten überlagern!
Im Irak z. B. sind die religiösen Unterscheidungen durchaus nicht immer deckungsgleich mit den Volksgruppen. Und ob da der Schiit aus Basra lieber den Christen aus Bagdad oder den Sunniten aus Kurdistan wählt - das ist gar nicht klar.
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c07
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 17:04 Uhr:   

Thomas:
> Sieger ist dann der, der den höchsten positiven Saldo erreicht

Das wär dann so ähnlich wie Borda.

C.-J. Dickow:
> Was mache ich aber, wenn ich keine ausgleichende Person habe?

Die Probleme fangen schon an, wenn die ausgleichende Person sonstige Mängel hat. Im einfachsten Fall den, dass sie niemanden hinter sich hat (damit mein ich nicht nur fehlende Erstpräferenzen der Wähler, sondern auch eine Partei, die die politischen und organisatorischen Fähigkeiten hat, tatsächlich was zu erreichen).

> In extrem polarisierten Gebieten werden die Führer der (zB Volks-
> oder Religions-)gruppen dazu aufrufen, keine weitere Priorität
> anzugeben, sondern nur Vertreter der eigenen Gruppe zu wählen
> und dann ist doch der gewählt, dessen Herkunftsgruppe größer ist.

Mit dieser Taktik kann man oft erzwingen, dass es keinen Condorcet-Sieger gibt und damit die Vervollständigung greift. Dann hängt es von der ab, wer tatsächlich gewinnt.
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gelegentlicher Besucher
Veröffentlicht am Freitag, 29. August 2003 - 17:15 Uhr:   

@Ralf Arnemann

Einen Stimmzettel schon von vorneherein zu entwerten, weil man irgendwelche Randfiguren nicht priorisiert hat, das fände ich krass übertrieben. Der Wähler ist ja schon gestraft genug, wenn wider sein Erwarten gerade diese Randfiguren übrig bleiben und er dann nicht mehr gewertet wird.

Ich sehe das genauso, aber das australische Wahlgesetz (Commonwealth Electoral Act 1918, Sec. 268 (1)(c)) sieht es anders. Das ist aber keine notwendige Eigenschaft von IRV (In Australien AV für Alternative Vote genannt) sondern eine australische Besonderheit. Bei der Wahl des irischen Präsidenten ist es z.B. anders.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Samstag, 27. September 2003 - 23:20 Uhr:   

Eine vielleicht dumme Frage. Aber auch auf der Borda-Seite ist mir nicht ganz klar, was Borda von Condorcet unterscheidet und warum der Condorcet-Sieger nicht immer der Borda-Sieger sein muss. Der Unterschied zwischen Condorcet und IRV ist ja der, dass bei IRV immer der zuunterst stehende Kandidat gestrichen wird, dessen Chancen, "hochzurücken" also entfallen. Bei Condorcet geschieht dies nicht, weshalb in dem Beispiel
CDU 45% PDS: 30%, SPD 25% bei Condorcet der SPD-Kandidat Sieger, bei IRV wegen des "Streichens" des letzten SPD-Kandidaten knapp mit 52/48 der CDU-Kandidat Sieger wäre (siehe die korrekte Erläuterung von Wilko). Wie sähe dies bei Borda aus?

Nochmal das Beispiel: alle CDU-Anhänger sehen im SPD-Kandidaten das "kleinere Übel"; ebenso favorisieren alle PDS-ler den SPD-Kandidaten vor dem Unionskandidaten; die SPD spaltet sich auf 18% für den PDS-Kandidaten, 7% für den Unionskandidaten. Wer wäre bei Borda Sieger? Danke im Voraus für die Erklärung
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c07
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 00:19 Uhr:   

Im Beispiel ergibt sich bei 100 Wählern:

SPD: 125 Punkte (25 × 2 Punkte + 75 × 1 Punkt)
CDU: 97 Punkte (45 × 2 Punkte + 7 × 1 Punkt)
PDS: 78 Punkte (30 × 2 Punkte + 18 × 1 Punkt)

Also gewinnt die SPD.

Im Gegensatz zu Condorcet geht der "Abstand" zweier Kandidaten in die Rechnung ein. Wer beispielsweise bei einem Wähler 5 Plätze vor einem Konkurrenten eingeordnet wird, bekommt auch 5 Punkte mehr, während es bei Condorcet völlig egal ist, wie viele andere Kandidaten zwischen den beiden eingeordnet sind.

Trotzdem ist Borda viel einfacher auszuzählen, weil man die Punkte pro Kandidat einfach addieren kann. Dafür geht die Information verloren, wie viele Wähler ihn gegenüber einem anderen Kandidaten bevorzugen. Stattdessen wird im Prinzip der Mittelwert der Abstände gebildet, wobei wenige große Abstände viele kleine quasi überstimmen können.

Im Beispiel gewinnt die SPD deutlicher als bei Condorcet, weil bei der entscheidenden Frage zwischen SPD und CDU die 18 SPDler, die PDS vor CDU bevorzugen, ein höheres Gewicht haben. Sie sind die Einzigen, bei denen der Unterschied zwischen SPD und CDU 2 Punkte ist. Das zeigt schon, dass Borda ziemlich anfällig für taktisches Wählen ist. Im Prinzip ist es ja eine Stimmenhäufelungsmethode, wo nur die Zahl der Stimmen aus einer Rangfolge indirekt abgeleitet wird, und alle Häufelungsmethoden reizen zu taktischem Wählen, weil es vorteilhaft ist, die direkten Konkurrenten um Sitze möglichst schlecht zu bewerten und dafür lieber die überschüssigen Stimmen an aussichtslose Bewerber zu verteilen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 09:34 Uhr:   

@C07: Vielen Dank für diese gute Erklärung. Um Florians Frage aus dem Thread aufzugreifen. Wer gewinnt bei Borda bzw. Condorcet die Abstimmung unten?

Was passiert in folgendem Fall:
40% präferieren: A-B-C
30% präferieren: B-C-A
30% präferieren: C-A-B

Das ergibt folgende Paarabstimmungen:
A-B: A gewinnt
A-C: C gewinnt
B-C: B gewinnt
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 11:24 Uhr:   

@C07: Du hast völlig recht auch damit, dass bei dem Borda-Wahlsystem die taktischen Wähler ein (zu)hohes Gewicht hätten. ich hätte da einen Vorschlag, der meines Erachtens recht praktikabel wäre, der diese Nachteile etwas reduzieren würde. Wenn nämlich die Gewichtung zwischen Wahlstimme und Zweitpräferenz nicht 2:1, sondern 3:1 betragen würde.

Dann würde sich in dem von mir gewählten Beispiel ergeben:

CDU: 45 Wähler 45 Wähler Zweitpräferenz SPD
PDS: 30 Wähler 30 Wähler Zweitpräferenz SPD
SPD: 25 Wähler 18 Wähler Zweitpräferenz PDS,
7 Wähler Zweitpräferenz CDU

Bei Gewichtung Erstimme Faktor 3, Zweitpräferenz Faktor 1 (anstelle 2:1) ergäbe sich dann folgende "Punktverteilung"

SPD: 25 X 3 + (45 X 1) + (30 X 1) = 150 Stimmen
CDU: 45 X 3 + (7 X 1) = 142 Stimmen
PDS: 30 X 3 + (18X1) = 108 Stimmen

Auch in einem solchen Modell wäre zwar die SPD, wie bei "Original"-Borda oder Condorcet Sieger, aber aufgrund der geringeren Gewichtung der Zweitpräferenz wäre der Sieg nicht so eindeutig vor der CDU, das Gewicht der taktischen Wähler - wenn ich es richtig sehe - geringer
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 12:50 Uhr:   

Ich melde mich nochmal. Wenn ich "Borda original" richtig verstanden habe, so würde bei dem von Florian gewählten Beispiel A knapp mit 210 Punkten vor B mit 200 und C mit 190 Punkten in Führung liegen.

A: 40 X 3 + 30 X 1 + 30 X 2 = 210 Stimmen
B: 40 X 2 + 30 X 3 + 30 X 1 = 200 Stimmen
C: 40 X 1 + 30 X 2 + 30 X 3 = 190 Stimmen

Korrekt?
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 13:18 Uhr:   

Zu Condorcet:
Hier hat "gelegentlicher Besucher" ja zwei Lösungsmöglichkeiten in den Raum geworfen.

Einmal könnte man, wie auf der Wahlrechts-Homepage, vom Condorcet-Paradoxon sprechen, d.h. es gäbe keinen Sieger (unbefriedigend).

Oder man streicht den am knappsten ausgegangenen Paarvergleich

A zu B A 70%, B 30%, A gewinnt
A zu C A 40%, C 60%, C gewinnt
B zu C B 70%, C 30%, B gewinnt

Vermutlich (aber meines Erachtens im Gegensatz zu "gelegentlicher Besucher") gewinnt auch hier A, da A zu B mit 70% führt, aber B hätte ja gegenüber C auch 70%. Eher würde mir hier folgendes einleuchten:

A gewinnt, weil A auf 110 "Punkte" käme (70 + 40), B käme auf 100 "Punkte" (30+70), C käme auf 90 Punkte (60+30)

Aber dies wäre dann wieder "Borda-ähnlich" und wohl kein Condorcet?
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c07
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 13:26 Uhr:   

Natürlich könnte man in einem Borda-ähnlichen Verfahren die Erstpräferenzen überproportional gewichten und z.B. eine logarithmische Skala einführn. Nur stellt sich da ziemlich schnell die Frage, ob das dann den Aufwand noch wert ist. Es unterscheidet sich dann nicht mehr sehr stark von ganz normalem Häufeln mit einer relativ beschränkten Zahl an Stimmen. Wenn die niedrigen Präferenzen fast gar nichts mehr wert sind, lohnt es sich kaum noch, sie überhaupt zu vergeben.

Dass sich das Ergebnis mit ungleichmäßigerer Gewichtung an Condorcet annähert, ist übrigens eher Zufall. Im Normalfall wird es tendenziell dazu führen, dass der Condorcet-Sieger, der ja typischerweise relativ wenig Erstpräferenzen hat, abgesägt wird.

Noch zum Ergebnis vom genannten Beispiel: Das Borda-Ergebnis ist A 110 - B 100 - C 90, wenn man mit den Punkten ab 0 für den Letzten beginnt. Aber natürlich kann man auch bei 1 anfangen, dann bekommt halt jeder Kandidat 100 Punkte mehr (bei 100 Wählern); das macht im Endeffekt keinen Unterschied. Bei Condorcet gewinnt erst mal niemand. Wie so ein Patt aufgelöst wird, ist bei Condorcet im allgemeinen Sinn erst mal offen. Wenn man die Variante nimmt, die im Zweifelsfall den knappsten Vergleich streicht, dann gewinnt ebenfalls A vor B.
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c07
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 13:30 Uhr:   

Natürlich kann man Condorcet auch so vervollständigen, dass bei einem Patt stattdessen der Borda-Sieger genommen wird. Im Allgemeinen ist das dann immer noch Condorcet, und ob man überhaupt jemals von "Condorcet" sprechen kann, wenn es keinen Condorcet-Sieger gibt, ist eigentlich nur eine Definitionsfrage.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 13:52 Uhr:   

Das ist klar, dass sich bei unterschiedlicher Gewichtung der Erststimmen (Faktor 3:1) eben ein borda-ähnliches Verfahren nicht (!!!!) Condorcet annähert, sondern der Condorcet-Sieger damit abgesägt wird. Wenn man bei einem borda-ähnlichen Verfahren etwa den Faktor nicht 2:1 oder 3:1, sondern 4:1 (Erststimme - Präferenzstimme(n) gestalten würde, wäre der Condorcet-Sieger in meinem obigen Beispiel der CDU-Kandidat und nicht der SPD-Kandidat. Das wäre dann ja auch der Sinn einer solchen unterschiedlichen Gewichtung Wahl bzwl Präferenzstimme, nämlich der Zweitwahl und damit taktischen Wählern ein geringeres Gewicht zu geben.
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 18:48 Uhr:   

Zu Borda sollte noch gesagt werden, daß selbst der Kandidat mit absoluter Mehrheit bei den Erstpräferenzen verlieren kann.

Beispiel:

7 Wähler, 3 Kandidaten

4 x A-B-C
3 x B-C-A

Sieger wäre beim Standard-Borda (3, 2, 1) B, obwohl A eine absolute Mehrheit hat. Die Gefahr, daß dies passiert, sinkt natürlich, je degressiver man die nachfolgenden Präferenzen bewertet.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 19:00 Uhr:   

Das ist natürlich ein gravierender Nachteil von Borda, auch wenn er in der Realität kaum aureten wird. Aber ich habe noch eine Frage. Auf dem Link mit "Borda" heißt es:
Der Condorcet Sieger muß nicht Borda Sieger werden.
Der Borda Sieger ist in keinem Fall der Condorcet Verlierer.
keine Rangfolgenkonsistenz (was allerdings nach Arrow unmöglich ist, also nicht nur speziell Borda betrifft.)
Links

Bei den von uns oben gewählten Beispielen waren doch Borda und Condorcet-Sieger identisch. Hat jemand ein Beispiel, wo Borda und Condorcet-Sieger nicht identisch sind? Bei den Varianten, die oben erwähnt wurden, dass die Erststimme vierfach zählen würde, ginge dies. Aber beim "Standard-"Borda sehe ich es z.Zt. nicht.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 19:17 Uhr:   

Nachtrag: auch in Wilkos Beispiel wäre ja ein Condorcet-Sieger nicht zu ermitteln, es sei denn der am knappsten ausgegangene Paarvergleich würde gestrichen.
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 19:30 Uhr:   

@Bernhard:

Bei meinem Beispiel ist A Condorcet-Sieger. Eine absolute Mehrheit wird von Condorcet selbstverständlich immer respektiert. Das ist also zugleich ein Beispiel, wo Borda- und Condorcet-Sieger voneinander abweichen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 19:40 Uhr:   

@Wilko:
Mag sein. Ich sehe an Paarvergleichen: A schlägt B; A schlägt C; B schlägt C; aber auch: B schlägt C; B schlägt A; C schlägt A
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 21:09 Uhr:   

Ich verstehe immer noch nicht ganz, warum bei der Methode des paarweisen Vergleiches im obigen Fall A automatisch Condorcet-Sieger ist, auch wenn die Kombination A-B-C 4 X, die Kombination B-C-A 3 X vergeben wird. Handelt es sich nicht doch um das Condorcet Paradoxon? Ich kann am obigen Beispiel nur erkennen, dass in allen Varianten B immer C schlägt und niemals C B. A hingegen, der als Condorcet-Sieger gesehen wird, schlägt zwar B (4 mal), wird aber immerhin 3 x von B auch geschlagen. Ich verstehe es leider nicht ganz. Ich hätte jetzt gesagt, ein Sieger ist nach Condorcet nicht eindeutig festzustellen.
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Wilko Zicht
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 21:14 Uhr:   

@Bernhard:

Man muß beim paarweisen Vergleich ALLE (in diesem Fall beide) Stimm-Kombination ZUSAMMEN betrachten.

A vs. B = 4:3
B vs. C = 7:0
C vs. A = 3:4

A gewinnt alle Vergleiche, ist also eindeutiger Condorcet-Sieger.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 21:22 Uhr:   

@Wilko: Danke !!!!! So klar, wie Du es hier schilderst, habe ich es bislang auf keinem Link für Condorcet-Verfahren gefunden
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c07
Veröffentlicht am Sonntag, 28. September 2003 - 23:18 Uhr:   

Wilko:
> Zu Borda sollte noch gesagt werden, daß selbst der Kandidat
> mit absoluter Mehrheit bei den Erstpräferenzen verlieren kann.

In der Tat macht das Borda da recht fragwürdig, wo man sinnvollerweise von "absoluter Mehrheit" sprechen kann, wo es also einen einzelnen Sieger gibt. Etwas anders schaut es aber aus, wenn aus einer Liste mehrere Bewerber ermittelt werden sollen. Da kann jedes Häufelverfahren mit mindestens 3 Stimmen dazu führen, dass ein Bewerber, der von einer absoluten Mehrheit niedriger als ein anderer bewertet wird, trotzdem vor ihm landet.

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