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Archiv bis 17. September 2012

Wahlrecht.de Forum » Wahlsysteme und Wahlverfahren » Bundestagswahlen » Negatives Stimmgewicht & Bundesverfassungsgericht » Archiv bis 17. September 2012 « Zurück Weiter »

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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 14. September 2012 - 09:18 Uhr:   

Das eine diskutierte Modell scheint in der Tat weitgehend identisch mit dem SPD-Entwurf zu sein. Der Unterschied ist nur, dass die Gesamtsitzzahl der am stärksten überhängenden Partei (nicht aber deren Unterverteilung) durch die Verteilung auf die Länder nach Bevölkerung ermittelt wird. Das verhindert negatives Stimmengewicht bei überhängenden Landeslisten der am stärksten überhängenden Partei, macht es aber dafür beim Rest zur Regel und ist insgesamt sicher noch schlechter als das ursprüngliche SPD-Modell. Unklar ist, wie verteilt wird, wenn es bei der Länderverteilung keinen Überhang gibt oder wenn sich eine Gesamtsitzzahl unter 598 ergegben würde.

Dass nur noch die beiden Modelle im Gespräch sind, hat die Linke dementiert. Möglicherweise bezieht sich die Aussage nur darauf, dass bei diesen beiden Modellen noch Varianten durchgerechnet werden sollen (bei Pukelsheim verschiedene Aufschläge, beim anderen Modell ohne die modifizierte "Reststimmenverwertung", die bisher noch zusätzlich drin war (was aber keinen Unterschied macht, solang bei der relevanten Partei alle Zusatzsitze mit Überhang verrechnet werden können)).
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Nikolaus Krause
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 14. September 2012 - 09:28 Uhr:   

"Unklar ist, wie verteilt wird, wenn es bei der Länderverteilung keinen Überhang gibt oder wenn sich eine Gesamtsitzzahl unter 598 ergegben würde."

Das finde ich nun wiederum ziemlich klar. Wenn es keinen Überhang gibt, entfällt auch der Ausgleich nach bundesweitem Proporz. Eine Gesamtsitzzahl unter 598 kann sich gar nicht ergeben. Sind Einzelbewerber oder Splitterparteien in Wahlkreisen erfolgreich, werden deren Sitze wie bisher von 598 abgezogen, entsprechend dann auch in deren Ländern.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 14. September 2012 - 10:21 Uhr:   

Weniger als 598 Sitze sind schon möglich. Die überhängende Partei kann ja bei der Länderverteilung gleichzeitig durchaus weniger Sitze bekommen, als ihr nach der Oberverteilung zustehn würden. Und selbst dann, wenn sie ihr Soll gerade erreicht, wird der Mindestausgleich in der Regel negativ sein. Das ist kein Anrechnungssystem, bei dem die Sitze aus der ersten Verteilung garantiert wären.

Ein kompletter Systembruch beim Auftauchen von Überhang würd das System noch perverser machen, als es ohnehin schon ist. Wär jedenfalls eine zusätzliche Quelle für negatives Stimmengewicht, auch innerparteilich. Man könnte einfach mindestens 598 Sitze verteilen; wär dann ohne Überhang effektiv wie das alte Wahlgesetz.
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Nikolaus Krause
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 14. September 2012 - 12:02 Uhr:   

Ich verstehe es hingegen so, dass dann, wenn keine Überhangmandate anfallen (also wenn in keinem Land eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach Zweitstimmenproporz zustehen), die bundesweite Oberverteilung gar keine Rolle spielt. Und wenn 598 Sitze auf die Länder verteilt sind, kann es nicht weniger als 598 Sitze geben.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 14. September 2012 - 12:35 Uhr:   

Es wird ja nicht auf die Länder verteilt. Jedenfalls dann nicht, wenn es Überhang gibt. Das ist bloß eine Methode, um die Gesamtsitzzahl zu bestimmen. Zumindest hat das der Bundeswahlleiter so berechnet. Es wär auch sinnvoll, die Länderverteilung ausschließlich als Trick zur Bestimmung der Gesamtsitzzahl zu verwenden, wenn er denn funktionieren würd. Tut er aber nicht, weil wieder die Zweitstimmen einfließen.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 14. September 2012 - 14:08 Uhr:   

Also das mögliche Unions-SPD-Kompromiss-Wahlrecht ist ein ziemlicher Zwitter:
Die ganze Idee der Länderoberverteilung (LOV) zunächst auf Grundlage der der Wählerzahlen (inkl. 5%-Scheiterer) im Koalitionswahlrecht jetzt offenbar fix auf Grundlage der Wahlberechtigten. Die ganze LOV ist doch nur in die Diskussion gekommen, weil die CDU im gerade gescheiterten Wahlrecht LOV für den Weg hielt, die Überhangmandate NSG-frei zu machen ... bei Vollausgleich ist LOV einfach fehl am Platze, weil hier die Stimmen der Wähler in verschiedenen Ländern eine unterschiedliche Mandatsrelevanz haben und diesem Fehler kein Nutzen gegenübersteht.

Bei den Ausgleichsmandaten steht man vor der Wahl: 1. bleibt man dem System treu und vergibt nach der LOV-Formel, nach der zuvor feste Sitzkontingente verteilt wurden, weitere Mandate in die Länder, lässt diese in der Parteiunterverteilung an die Landesverbände durchtropfen, bis man alle Direktmandate unterfüttert? Sprich: bis die CDU-Baden-Württemberg zehn weitere Mandate hat, die den Überhang ausgleichen. Das wäre konsequent im LOV-System gedacht, führt aber wahrscheinlich zur maximalen Hausgröße aller Methoden. Oder 2. man wirft LOV bei der Ausgleichsregelung über den Haufen und pfropft eine Parteioberverteilung auf, was dann heißt: je mehr die Wahlkreise in eine Richtung (starker Überhang bei einer Volkspartei) kippen, desto eher hat man POV mit unproportionalen Landesgruppenstärken bei der größten Partei/Fraktion; je gleichmäßiger die Wahlkreisrennen ausgehen, desto mehr schlagen die LOV-Nachteile durch (z.B. der unterschiedliche Stimmwert in den einzelnen Ländern). Die Wahlkreiskarte bestimmt also den Grundcharakter der Wahl (eine unitarische bundesweite Verhältniswahl vs. 16 separate Verhältniswahlen mit teilweise enormen faktischen Sperrklauseln), der eigentlich fix sein müsste.

Ohne den Versuch, Überhang zu erhalten, ist LOV komplett sinnfrei!
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Nikolaus Krause
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 14. September 2012 - 14:26 Uhr:   

Das sehe ich genauso.

@RL: Bei Länderoberverteilung wird auf die Länder oberverteilt. Und zwar 598 Mandate.
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Arno Nymus
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Freitag, 14. September 2012 - 17:05 Uhr:   

Jan W. schrieb

quote:

Ohne den Versuch, Überhang zu erhalten, ist LOV [=eine Länderoberverteilung] komplett sinnfrei!



Auch von mir volle Zustimmung.
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Thomas Frings
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 15. September 2012 - 16:49 Uhr:   

Direktmandatsorientierte Proporzanpassung ist im Ergebnis ein erhebliche Aufblähung des Bundestags, aber wenigstens nicht so ein Müll wie Länderoberverteilung und bundesweiter Ausgleich. Das kann nur Murks sein und ist garantiert nicht frei von negativem Stimmgewicht. Beim Sprung auf Bundesproporz könnte eine Partei sogar mehr als einen Sitz verlieren. Oberverteilung auf Länder mit Ausgleich innerhalb der Länder wäre mindestens ebenso großer Schrott.


"Ohne den Versuch, Überhang zu erhalten, ist LOV [=eine Länderoberverteilung] komplett sinnfrei!"
Richtig, aber trivial.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 15. September 2012 - 17:10 Uhr:   

ICH "Ohne den Versuch, Überhang zu erhalten, ist LOV [=eine Länderoberverteilung] komplett sinnfrei!"
THOMAS FRINGS "Richtig, aber trivial."

Ja, aber warum gibt es dann diesen seltsamen Entwurf?
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 15. September 2012 - 17:50 Uhr:   

Weil sie das negative Stimmengewicht noch nicht entdeckt haben. Und wenn sie es sehn, können sie es immernoch wegdefinieren wie beim letzten Mal und hoffen, dass es dem Bundesverfassungsgericht irgendwann zu blöd wird.
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Martin Fehndrich
Moderator
Veröffentlicht am Samstag, 15. September 2012 - 19:21 Uhr:   

Eine feste Verteilung auf die Länder ist eine Möglichkeit jedem Landesverband eine Mindestzahl an Sitzen (nach Zweitstimmen) zu garantieren. Der Sprung auf Bundesproporz darf aber nicht dazu führen, daß wieder Sitze weggenommen werden.
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Samstag, 15. September 2012 - 20:24 Uhr:   

Ob es eine Unterverteilung in den Parteien oder in den Ländern ist, ändert an der Sitzgarantie garnichts, außer dass die Bezugsgröße etwas anders ist. Wenn man das Maximum aus beiden Verteilungen garantiert, ist es eine Bevorzugung von kleinen Landeslisten (also insbesondere auch eine Belohnung für schlechte Wahlergebnisse), weil die von der doppelten Aufrundungschance relativ am meisten profitieren.
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Nikolaus Krause
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 17. September 2012 - 14:58 Uhr:   

Womit dann einer der Nachteile, den kleine Parteien bei einer Oberverteilung nach Ländern befürchten, nämlich die Wirkungslosigkeit ihrer Stimmen, etwas kompensiert wäre.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 17. September 2012 - 19:32 Uhr:   

@Nikolaus Krause
Der aktuelle Unions-SPD-Vorschlag repariert dieses Problem für kleinen Parteien aber eben nur dann, wenn eine große Partei gewaltig überhängt. Bei einer zufällig ausgeglichenen Wahlkreiskarte nimmt man all diese Nachteile in Kauf.
Ohne Überhang LOV (Länder-), mit Überhang POV (Parteioberverteilung) mit Vollausgleich - das macht einfach keinen Sinn.

Der Mechanismus 50% der Mandate (bei regulärer Hausgröße) über Einerwahlkreise zu vergeben, stammt aus Zeiten mit einem anderen Parteiensystem und ist jetzt nicht mehr brauchbar - es produziert Direktmandate in einer Anzahl, die dauerhaft nicht mehr mit Zweitstimmenmandatsansprüchen unterfüttert werden kann!
Mehrfachwahlkreise können mehr als 299 direkt legitimierte Abgeordnete kreieren, ohne direkt über den Proporz hinauszuschießen. Ergeben sich durch Kumulieren und Panaschieren mehr Einflussmöglichkeiten auf die personelle Zusammensetzung, können auch Erst- und Zweitstimme zu ca. 5 Stimmen verschmelzen, die sowohl im Wahlkreis, als auch bundesweit für das zählen, was mal das Zweitstimmenergebnis war - und für die Parteiober- und Länderunterverteilung.
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Klare Entscheidung
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 17. September 2012 - 20:18 Uhr:   

"Der Mechanismus 50% der Mandate (bei regulärer Hausgröße) über Einerwahlkreise zu vergeben, stammt aus Zeiten mit einem anderen Parteiensystem und ist jetzt nicht mehr brauchbar - es produziert Direktmandate in einer Anzahl, die dauerhaft nicht mehr mit Zweitstimmenmandatsansprüchen unterfüttert werden kann!"

Naja, vielleicht ist ja auch das Wahlrecht brauchbar, aber die Zahl der Parteien über 5% nicht. Mein Eindruck ist, dass das Land besser und verlässlicher regiert wurde, als es nicht so viele Parteien im Bundestag gab. Da wusste man vor der Wahl, woran man war, wenn man wählte und bekam nicht so abartige Konstellationen wie schwarz-grün (was in Hamburg 2008 wirklich kein Wähler von CDU oder GAL wollte, die wollten CDU pur - im Notfall mit der FDP - oder rot-grün).
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Ratinger Linke
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 17. September 2012 - 20:38 Uhr:   

@Jan W.:

Dass Einerwahlkreise heute unbrauchbar sind, ist zwar richtig, aber im Prinzip war das schon 1949 so. So viel anders als heute war die Parteienlandschaft damals nicht (Union und SPD zusammen bei 60%); die Konzentration stammt aus einer späteren Zeit. Dass das nicht massenhaft Überhang ergeben hat, war vorallem sehr viel Glück. Ohne die Sperrklausel, die nicht im beschlossenen Wahlsystem drin war, sondern nachträglich von den Ministerpräsidenten erzwungen worden ist, hätt es auch gleich mehr Überhang gegeben (und selbst nach der verkündeten Version noch Ausgleich, der aber mangelhaft definiert war und später dann rausgeflogen ist). Dafür war allerdings der Direktmandatsanteil nur mit 50% statt 60% konzipiert.

Das System mit den Einerwahlkreisen war auch nicht direkt Absicht. Ursprünglich waren 6er-Wahlkreise geplant; die Einerwahlkreise hat man vorallem deshalb genommen, um der Union (die ja eigentlich ein Mehrheitswahlrecht wollte) die Zustimmung schmackhafter zu machen. Das war allerdings ergfolglos, und wegen der knappen Mehrheit haben die Alliierten das beschlossene Wahlgesetz auch nicht für verbindlich erachtet.
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 17. September 2012 - 21:01 Uhr:   

@Ratinger Linke
Die Wahl von 1949 kann man hier nur begrenzt werten. Angetreten sind neben wiederhergestellter SPD und KPD ja eigentlich nur Neugründungen. Das war ja eher die Beta-Version eines Parteiensystems.

@Klare Entscheidung
Was soll denn die Alternative sein? Parteien mit teilweise über 10% gar nicht im Parlament abzubilden, weil ihre Wähler nicht nahe genug beieinander wohnen? Es gibt immer soviele Parteien oberhalb der 5%-Hürde, wie die Wähler über diese Hürde stimmen - diese Zahl ist damit immer die richtige!
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Klare Entscheidung
Unregistrierter Gast
Veröffentlicht am Montag, 17. September 2012 - 21:17 Uhr:   

@ Jan W.
Nein, notwendig ist ein Umdenken der Wähler, zu erkennen, dass es kein Gewinn ist, mehr Parteien zu haben. Es lässt nicht wahlrechtlich verordnen. es wäre aber falsch, den Wählern nachzulaufen und das Wahlrecht an aktuelle Entwicklungen anzupassen. Richtiger ist vielmehr, das Wahlrecht so zu belassen, wie es ist und nicht daran herumzuschrauben, wie es seit Jahren Parlament und Verfassungsgericht tun. Großbritannien hat seit Jahrzehnten das gleiche Wahlrecht und niemand schraubt an den Grundprinzipien herum. Vielleicht sollten wir uns daran halten, dass auch nicht zu tun (das ist kein Plädoyer für das Verhältniswahlrecht, sondern für die vernunftbegabte Entscheidung der Wähler, sich durch ihre Wahlentscheidung auf drei Parteien über fünf Prozent zu beschränken, in dem sie anderen Parteien die kalte Schulter zeigen).

Welchen Gewinn für eine stabile Regierungsbildung und verlässliche Politik hat ein mehr an Parlamentsparteien?
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Jan W.
Registriertes Mitglied
Veröffentlicht am Montag, 17. September 2012 - 21:27 Uhr:   

@Klare Entscheidung
Tja, das Problem ist ja in einer Demokratie, dass nicht alle Wähler dieselben drei Parteien über der 5%-Hürde sehen wollen. Viele hätten wahrscheinlich nicht mal ein Problem damit, wenn die von ihnen gewählte Partei die einzige wäre, die diese Hürde nimmt.
Das Problem in Großbrittanien und übrigens auch in Nordirland, wo man ebenfalls dasselbe Unterhaus wählt, ist, dass dort die Stimmanteile in der Sitzverteilung nicht sinnvoll abgebildet werden. Wenn man die Ergebnisse der Grünen bei Unterhaus- und Europawahlen vergleicht, kann man kaum davon ausgehen, dass die Zufriedenheit mit der Arbeit dieser Partei schwankt - vielmehr reagieren die Wähler darauf, dass das Mehrheitswahlrecht eine Partei wie die Grünen dort verschwinden lässt - und die Wähler der Grünen geben ihre Stimmen aus Angst vor der vorhersehbaren Entwertung ihrer Stimmen direkt einer anderen Partei.

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