16. Deutscher Bundestag

[Wahlprüfung]

Beschluss vom 14. Dezember 2006

WP 179/05

BT-Drs 16/3600, 89 (Anlage 12)

„Negatives Stimmgewicht“


Informationen Informationen zur Entscheidung, Entscheidungen 2000–heute

Beschluss

[BT-Drs 16/3600 (S. 89)] Zum Wahleinspruch
des Herrn W. Z.,
– WP 179/05 –
gegen
die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005
hat der Wahlprüfungsausschuss in seiner Sitzung vom 30. November 2006 beschlossen,
dem Bundestag folgenden Beschluss zu empfehlen:

Entscheidungsformel:

Der Wahleinspruch wird zurückgewiesen.

Tatbestand:

Mit einem am selben Tag beim Deutschen Bundestag eingegangenen Schreiben vom 18. November 2005 hat der Einspruchsführer gegen die Gültigkeit der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag am 18. September 2005 Einspruch eingelegt. 1
Der Einspruch wendet sich zum einen gegen das Phänomen der negativen Stimmgewichte bei der Bundestagswahl. Der Einspruchsführer geht davon aus, dass sich in vielen Bundesländern Zweitstimmen, die für die SPD oder CDU abgegeben worden seien, negativ ausgewirkt und zu einem Verlust von Mandaten für die gewählte Partei geführt hätten. Umgekehrt hätten in einigen Bundesländern SPD oder CDU davon profitiert, dass nicht noch mehr Zweitstimmen auf sie entfallen seien. Der Einspruchsführer führt insoweit 12 Beispiele dafür an, bei welchem Mehr oder Weniger an Zweitstimmen sich jeweils Auswirkungen auf die Sitzverteilung für CDU oder SPD ergeben hätten. Ähnliche Bespiele ließen sich für alle Bundestagswahlen seit 1957 in den Bundesländern benennen, in denen es zu Überhangmandaten gekommen sei. Erringe eine Partei in einem Bundesland mindestens ebenso viele Direktmandate wie ihrer Landesliste zustünden, sei das Eintreten einer negativen Wirkung einer Zweitstimme für diese Landesliste wahrscheinlicher als einer positiven. Solche Konstellationen ließen sich zwar ohne Kenntnis der übrigen Wahlergebnisse nicht eindeutig vorhersagen, der Grad der Wahrscheinlichkeit lasse sich aber durchaus im Vorhinein abschätzen. Bezüglich der Nachwahl in Dresden habe mit Sicherheit festgestanden, dass sich Zweitstimmen für die CDU negativ auswirken würden. Nachdem dies auch in den Medien vermittelt worden sei, habe es mit hoher Wahrscheinlichkeit maßgeblichen Einfluss auf das Ergebnis der Nachwahl gehabt. Die CDU habe das Direktmandat und damit ein weiteres Überhangmandat gewonnen, bei den Zweitstimmen aber vergleichsweise schlecht abgeschnitten und dadurch keinen Sitz abgeben müssen. Die beschriebenen Effekte seien mit den Grundsätzen der Unmittelbarkeit und Freiheit der Wahl nicht vereinbar. Da man in vielen Fällen nicht wisse, ob die Stimmabgabe für eine Partei letztlich als Zustimmung oder Ablehnung wirken werde, sei die Erkennbarkeit der Stimmabgabe nicht in der vom Unmittelbarkeitsgrundsatz geforderten Weise gegeben. Das absurde Dilemma eines kundigen Wählers, der die Möglichkeit einer negativen Wirkung einkalkulieren müsse, verenge die Entschließungsfreiheit in einem mit der Wahlfreiheit nicht mehr vereinbaren Maße. Dabei handele es sich keineswegs um eine zwingende Folge der Entscheidung für die personalisierte Verhältniswahl. 2
Der Bundeswahlleiter bestätigt in einer einen inhaltlich vergleichbaren Wahleinspruch betreffenden Stellungnahme die Möglichkeit negativer Stimmgewichte, wonach unter bestimmten Voraussetzungen die Zunahme von Zweitstimmen für eine Partei zu einer Abnahme bei ihren Mandaten führen könne und umgekehrt. Dies finde seine Ursache in der Regelung des § 6 Abs. 5 des Bundeswahlgesetzes (BWG) zu den Überhangmandaten. Bei gleicher Anzahl der nach § 6 Abs. 1 bis 3 BWG nach dem Zweitstimmenanteil ermittelten Bundestagsmandate für die Partei insgesamt entfalle bei der Unterverteilung der Mandate auf die einzelnen Länder auf das Land des Stimmenzuwachses ein Sitz mehr zu Lasten eines anderen Landes. Infolge der Verrechnung mit den in diesem Land errungenen Direktmandaten wirke sich der Gewinn des weiteren Listenmandats im Land des Stimmenzuwachses jedoch nicht mandatsvermehrend aus, sondern verringere die Zahl der dort für die Partei angefallenen Überhangmandate um eins. So könne im Ergebnis einer Partei ein Mandat in einem Land verloren gehen, ohne dass aus diesem Land trotz des Stimmenzuwachses ein zusätzlicher Abgeordneter dieser Partei in den Deutschen Bundestag einziehe. Stattdessen werde infolge unveränderter Anzahl von Mandaten nach Zweitstimmenanteil der Partei durch Verringerung der Überhangmandate um eins die Gesamtzahl der Sitze dieser Partei geringer. Vorgenannte Ausführungen würden entsprechend bei einer Abnahme von Stimmen gelten. 3
Der Bundeswahlleiter weist weiterhin darauf hin, dass die Bundestagswahl ordnungsgemäß nach den Bestimmungen des Bundestagswahlrechts durchgeführt und die Sitzverteilung nach dem vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform festgestellten Verfahren Hare/Niemeyer berechnet worden sei. Es liege im pflichtgemäßen, unter Beachtung der Wahlrechtsgrundsätze auszuübenden Ermessen des Gesetzgebers, welches mathematische Verfahren für die [BT-Drs 16/3600 (S. 90)] Sitzverteilung festgelegt werde. Das Phänomen der negativen Stimmgewichte sei bereits Gegenstand von Einsprüchen gegen die Bundestagswahlen 1998 und 2002 gewesen. Die nach Zurückweisung der Einsprüche gegen die Bundestagswahl 1998 erhobenen Wahlprüfungsbeschwerden habe das Bundesverfassungsgericht als offensichtlich unbegründet verworfen, die Verfahren aufgrund der Bundestagswahl 2002 seien noch beim Bundesverfassungsgericht anhängig. 4
Weiterhin weist der Einspruchsführer darauf hin, dass in etlichen Wahlbezirken die Stimmen zur Ermittlung des amtlichen Endergebnisses komplett neu ausgezählt worden seien, um ansonsten unaufklärbare Unstimmigkeiten in den Niederschriften bzw. zwischen Schnellmeldung und Niederschrift beheben zu können. Im Bundesland Bremen, wo Neuauszählungen in 16 Wahlbezirken erforderlich gewesen seien, hätten diese Nachzählungen jedoch nicht öffentlich stattgefunden, sondern im Rahmen der nichtöffentlichen Prüfungen gemäß § 76 Abs. 1 der Bundeswahlordnung (BWO) im Bremer Wahlamt. Hierin liege ein Verstoß gegen das Öffentlichkeitsprinzip. Es sei sowohl dem Wahlvorstand des Wahlbezirks als auch dem Kreiswahlausschuss untersagt, Stimmenauszählungen in nichtöffentlichen Sitzungen vorzunehmen. Erst recht müsse dies gelten, wenn die Auszählung nicht von den hierzu eigentlich berufenen Wahlorganen durchgeführt werde. Die Neuauszählungen seien daher öffentlich, z. B. während einer Sitzung des Kreiswahlausschusses, zu wiederholen. Die für das bremische Landtagswahlrecht vertretene Gegenauffassung des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen (St 2/04 – Urteil vom 5. November 2004 – zugänglich unter www2.bremen.de/staatsgerichtshof) verkenne die grundlegende Bedeutung des Öffentlichkeitsprinzips. 5
Auch in vielen nichtbremischen Wahlkreisen seien Neuauszählungen durchgeführt worden. Der Einspruchsführer bezieht sich insoweit auf Angaben in der Niederschrift der 3. Sitzung des Bundeswahlausschusses vom 7. Oktober 2005. Zwar sei ihm nicht bekannt, ob auch in diesen Fällen unter Ausschluss der Öffentlichkeit neu ausgezählt worden sei. Da Bremen im Übrigen aber durchaus gewissenhaft bei der Ermittlung der Wahlergebnisse vorgehe, würde es ihn nicht wundern, wenn es sich hierbei um die gängige Praxis handele, für die eine Überprüfung wünschenswert sei. 6
Der gemeinsame Kreiswahlleiter für die Wahlkreise 54 (Bremen I) und 55 (Bremen II – Bremerhaven) hat mitgeteilt, dass im Wahlkreis 54 in 6 der 200 Urnen- und in 5 der 49 Briefwahlbezirke Stimmennachzählungen vorgenommen worden seien – sowie im Wahlkreis 55 in 3 der 208 Urnen- und 4 der 53 Briefwahlbezirke. Die Nachzählungen seien vom Kreiswahlleiter unter Hinzuziehung von Bediensteten der Verwaltung im Rahmen der Vorbereitung der Sitzung des gemeinsamen Kreiswahlausschusses zur Ermittlung und Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses im jeweiligen Wahlkreis vorgenommen worden. Gemäß § 76 Abs. 1 BWO habe der Kreiswahlleiter die Wahlniederschriften der Wahlvorstände auf Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit zu überprüfen und nach den Wahlniederschriften das endgültige Ergebnis der Wahl im Wahlkreis nach dem Muster der Anlage 30 zur BWO zusammenzustellen. Ergäben sich aus der Wahlniederschrift oder aus sonstigen Gründen Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit des Wahlgeschäfts, habe der Kreiswahlleiter sie so weit wie möglich aufzuklären. In den angesprochenen Fällen seien die Wahlniederschriften unvollständig und/oder widersprüchlich ausgefüllt gewesen, so dass der Kreiswahlleiter seiner Aufklärungspflicht nur durch Nachzählen der Stimmen habe nachkommen könne. Die wahlrechtlichen Bestimmungen wiesen diese Aufklärungspflicht ausdrücklich dem Kreiswahlleiter zu. Damit sei jedoch weder die Befugnis verbunden, Entscheidungen der Kreiswahlausschüsse vorwegzunehmen noch Entscheidungen der Wahlvorstände zu berichtigen. Die Überprüfungen der Wahlniederschriften auf Ordnungsmäßigkeit und Vollständigkeit sowie die Zusammenstellung der Ergebnisse nach Anlage 30 zur BWO seien somit auch keine Ergebnisfeststellungen im wahlrechtlichen Sinne, sondern lediglich Vorarbeiten für die Feststellungen des Kreiswahlausschusses. Die Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses treffe – in öffentlicher Sitzung – der Kreiswahlausschuss. 7
Nach Auffassung des Kreiswahlleiters, der sich hierbei auch auf das Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen für das vergleichbare Landesrecht bezieht, handelt es sich bei den Vorarbeiten weder um eine Wahlhandlung, für die das Bundeswahlgesetz Öffentlichkeit vorschreibe (§§ 31 BWG, 54 BWO) noch um eine Tätigkeit des Wahlausschusses, für die ebenfalls Öffentlichkeit vorgeschrieben sei (§ 10 Abs. 1 BWG). 8
Der Landeswahlleiter der Freien Hansestadt Bremen hat die Feststellung des Kreiswahlleiters bestätigt und sich dessen Auffassung angeschlossen. 9
Der Einspruchsführer, dem die Stellungnahmen des Bundeswahlleiters und der Wahlbehörden Bremens zugänglich gemacht worden sind, hat sich hierzu nicht mehr geäußert. 10
Der Wahlprüfungsausschuss hat nach Prüfung der Sach- und Rechtslage beschlossen, gemäß § 6 Abs. 1a Nr. 3 des Wahlprüfungsgesetzes (WPrüfG) von einer mündlichen Verhandlung abzusehen. 11

Entscheidungsgründe

Der Einspruch ist zulässig, jedoch offensichtlich unbegründet. Ein Wahlfehler ist aufgrund des Vortrags des Einspruchsführers nicht feststellbar; die Bundestagswahl 2005 ist im Einklang mit den Vorgaben des Bundeswahlgesetzes durchgeführt worden. 12
Das Phänomen der negativen Stimmgewichte ist – wie auch vom Bundeswahlleiter angemerkt – durch die Ausgestaltung des geltenden Wahlrechts bedingt. Insoweit gilt zunächst, dass sich der Wahlprüfungsausschuss und der Deutsche Bundestag in ständiger Praxis nicht als berufen ansehen, die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsvorschriften festzustellen. Diese Kontrolle ist stets – so zuletzt in der laufenden 16. Wahlperiode in der Zweiten Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses vom 22. Juni 2006 – Bundestagsdrucksache 16/1800, Seite 229 u. a. – dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten worden. 13
Davon abgesehen war der Effekt der negativen Stimmgewichte bereits in der Vergangenheit Gegenstand von Wahlprüfungsverfahren vor dem Deutschen Bundestag und vor dem Bundesverfassungsgericht und ist nicht beanstandet worden. So wurde zu Einsprüchen gegen die Bundestagswahlen 1998 und 2002 festgestellt, dass der angesprochene [BT-Drs 16/3600 (S. 91)] Effekt bei gewissen Zweitstimmenkonstellationen mit der Existenz von Überhangmandaten im Rahmen der gesetzlichen Regelung verbunden ist (vgl. Bundestagsdrucksachen 14/1560, S. 177, 185; 15/1850, S. 76). Bereits in diesen Wahlprüfungsentscheidungen ist auch darauf aufmerksam gemacht worden, dass das die Überhangmandate betreffende Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Kenntnis möglicher negativer Stimmeffekte ergangen ist, ohne hierauf aber einzugehen. So war von der Antragstellerin des Organstreits der angesprochene Effekt als „inkonsequente Ausgestaltung“ des Wahlrechts vorgetragen und zudem in der mündlichen Verhandlung vom Bundeswahlleiter als möglich bezeichnet worden (BVerfGE 95, 335 <343, 346>). Später hat das Bundesverfassungsgericht die Beschwerden gegen die vorgenannten Wahlprüfungsentscheidungen zur Bundestagwahl 1998 jeweils mit Beschluss vom 22. Januar 2001 verworfen mit dem Hinweis, dass sie aus den durch ein Berichterstatterschreiben mitgeteilten Erwägungen offensichtlich unbegründet seien (2 BvC 1/99 und 5/99). In den dabei in Bezug genommenen Berichterstatterschreiben wird laut Schreiber, Handbuch des Wahlrechts, 7. Auflage, § 6 Rn. 6b, darauf verwiesen, dass mit der Entscheidung des Gesetzgebers für eine personalisierte Verhältniswahl der Erfolgswertgleichheit aller Stimmen nur eine von vornherein begrenzte Tragweite zukomme, so dass der beanstandete Effekt eines negativen Erfolgswertes der Wählerstimmen, zu dem das Berechnungsverfahren Hare/Niemeyer führe, nicht die Verfassungswidrigkeit der geltenden Regelung bewirken könne. Eine vergleichbare Beschwerde gegen die Wahlprüfungsentscheidung zur Bundestagswahl 2002 ist noch beim Bundesverfassungsgericht anhängig. 14
Entgegen der Auffassung der Einspruchsführerin ist auch nicht von einer Verletzung der Grundsätze der unmittelbaren und freien Wahl auszugehen. Sicherlich muss dem Wähler erkennbar sein, wie sich die eigene Stimmabgabe auf Erfolg oder Misserfolg der Wahlbewerber auswirken kann (vgl. BVerfGE 95, 335 <350>). Dies kann aber nur im Sinne einer Kenntnis der theoretisch denkbaren Wirkungen zu verstehen sein, da die tatsächlichen Auswirkungen nur im Zusammenhang mit der Stimmabgabe aller Wähler eintreten können und überdies von den durch das Wahlrecht gesetzten Rahmenbedingungen abhängen. Ebenso wie manche Wähler nicht wissen können, ob ihre Stimmabgabe z. B. wegen Verfehlens der 5-Prozent-Hürde der von ihnen gewählten Partei Berücksichtigung findet oder wirkungslos bleibt, erscheint auch die Gefahr einer möglicherweise „schädlichen“ Stimmabgabe hinnehmbar. Aus den gleichen Erwägungen ist auch nicht von einer Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit der Wähler durch Unsicherheit über die Auswirkungen ihrer Stimmabgabe oder Hinweise auf mögliche taktische Stimmabgaben auszugehen. Dabei ist einzuräumen, dass sich im Falle einer Nachwahl mögliche Konsequenzen einer Stimmabgabe qualitativ anders darstellen als bei einer ausschließlich an einem Tag stattfindenden Bundestagswahl. Hierbei handelt es sich aber um letztlich nicht vermeidbare Folgen einer Nachwahl, bei der – wie vom Deutschen Bundestag bereits festgestellt (vgl. Bundestagsdrucksache 16/1800, S. 12 ff.) – die Ergebnisse der Hauptwahl bereits bekannt sein dürfen. 15
Ob und gegebenenfalls wie einfachgesetzlich dem möglichen Auftreten negativer Stimmgewichte zu begegnen ist, ist nicht im Wahlprüfungsverfahren zu entscheiden. 16
Auch soweit der Einspruchsführer Neuauszählungen in Bremen als Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit gerügt hat, ist keine Verletzung von Vorschriften des Bundeswahlgesetzes bzw. der Bundeswahlordnung erkennbar. Bei derartigen Nachzählungen handelt es sich um Vorarbeiten des Kreiswahlleiters im Hinblick auf Entscheidungen des Kreiswahlausschusses. So hat der Kreiswahlleiter gemäß § 76 Abs. 1 BWO die Wahlniederschriften der Wahlvorstände auf Vollständigkeit und Ordnungsmäßigkeit zu überprüfen. Dies schließt bei entsprechendem Aufklärungsbedarf die Möglichkeit einer Nachzählung ein (vgl. Schreiber, § 40, Rn. 4; Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen [St 2/04] – Urteil vom 5. November 2004, S. 25). Diese Aufgabe des Kreiswahlleiters beinhaltet jedoch nicht das Recht, Entscheidungen der Wahlvorstände zu korrigieren oder solche des Kreiswahlausschusses vorwegzunehmen. Ein Eingriff in die Befugnisse der Wahlvorstände oder des Kreiswahlausschusses ist hier aber auch nicht vorgetragen worden. Der Auffassung des Kreiswahleiters und des Landeswahlleiters der Freien Hansestadt Bremen ist jedenfalls zuzustimmen, dass für diese vorbereitenden Maßnahmen des Kreiswahlleiters keine Öffentlichkeit vorgeschrieben ist, diese gilt nur für die Wahlhandlung selbst und die Tätigkeiten der Wahlvorstände und Wahlausschüsse gemäß § 10 Abs. 1, § 31 BWG (ebenso Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen, a. a. O.). 17
Soweit der Einspruchsführer weitere Neuauszählungen in anderen Wahlbezirken anspricht und sich insoweit auf die Niederschrift über die 3. Sitzung des Bundeswahlausschusses vom 7. Oktober 2005 bezieht, erweist sich angesichts des Vorstehenden kein weiterer Klärungsbedarf. Der Einspruchsführer hat insoweit nicht geltend gemacht, dass Pflichten und Befugnisse der Kreiswahlleiter verletzt worden seien. Im Übrigen werden auch in der Niederschrift die Neuauszählungen nur vermerkt, die Vorgehensweise aber weder kommentiert noch beanstandet. 18

 


Matthias Cantow