Beispielrechnungen zur Wahl 1994

[Überhangmandate-Index]


Oberverteilung nach Zweitstimmen der Parteien:
Partei   Stimmen  Dreisatz  Mandate nach Niemeyer
------------------------------------------------------
CDU     16089960  232,456   232
CSU      3427196   49,513    50    *
SPD     17140354  247,631   248    *
FDP      3258407   47,075    47
B90/Gr   3424315   49,472    49
PDS      2066176   29,850    30    *
------------------------------------------------------
Summe:  45406408  656       656

Nach dem Niemeyer Verfahren erhält jede in den Bundestag einziehende Partei, den ganzzahligen Teil nach Dreisatz (Dreisatz: Zweitstimmen*656/45406408 - abrunden), die dabei noch nicht verteilten Mandate werden entsprechend dem größten Nachkomma Teil verteilt ( * an PDS,SPD,CSU).
Dies sind jetzt nur die Stimmen und Sitze der Partei-Bundeslisten (= verbundene Landeslisten), noch ohne Überhangmandate.

Der Bundesliste der SPD stehen also nach Zweitstimmen 248 Mandate zu. Diese werden nun auf die Landeslisten verteilt (Unterverteilung).

Unterverteilung der SPD:

Bundesland   Stimmen Dreisatz  Sitze  Direkte

----------------------------------------   Überhang:
Schl.-Holst.  670791   9,705    10    2
Hamburg       389857   5,640     6    6
Niedersachs. 1938321  28,045    28   14
Bremen        179311   2,594     2    3    (+1)
NRW          4534820  65,613    66   40
Hessen       1296788  18,762    19    8
Rheinl.Pfalz  955383  13,823    14    4
Baden-W.     1742592  25,213    25    -
Bayern       1983979  28,705    29    1
Saarland      329287   4,764     5    5
Berlin        663081   9,593     9    3
Mecklenb.Vor. 283029   4,095     4    2
Brandenburg   617362   8,932     9   12    (+3)
Sachsen-Anh.  502193   7,266     7    3
Thueringen    431940   6,249     6    -
Sachsen       621620   8,994     9    -
------------------------------------------------------
gesamt      17140354 239 +9    248         (+4)

Nach dem Niemeyer Verfahren erhält jede in den Bundestag einziehende Landesliste, den ganzzahligen Teil nach Dreisatz (Dreisatz: Zweitstimmen*248/17140354 - abrunden), die dabei noch nicht verteilten Mandate werden entsprechend dem größten Nachkomma Teil verteilt.
Die errungenen Direktmandate werden auf die Listenanzahl angerechnet, wenn die Anzahl der Direktmandate, die der Listenmandate der Bundesliste übersteigt, entstehen Überhänge an Mandaten. (hier Bremen und Brandenburg)


Beispiel 1:

Annahme: die SPD erhält in Bremen 2000 Zweitstimmen mehr

An der Stimmenverteilung der verbundenen Landeslisten (Bundesliste) würde sich nichts ändern. Die SPD erhält demnach weiterhin 248 Mandate (bei der Oberverteilung).

Bei der Verteilung der Mandate auf die Landeslisten gibt es zwei wesentliche Änderungen:

Bundesland   Stimmen Dreisatz  Sitze  Direkte
----------------------------------------   Überhang:
  .
  .
  .
Bremen        181311   2,631     3    3    (+0)
NRW          4534820  65,605    65   40
  .
  .
  .                                          .
------------------------------------------------------
gesamt      17142354 248       248         (+3)

Der Bremer Landesliste steht nun ein Mandat mehr zu, der NRW-Landesliste ein Mandat weniger. Durch diese Verschiebung fällt das Überhangmandat in Bremen weg. (Die Direktmandate in Bremen bleiben, was wegfällt ist ein Mandat der NRW Landesliste)

Ergebnis: die SPD hat ein Mandat weniger


Der Überhang in Bremen tritt regelmässig auf. (Es gab bis jetzt schon 3x in Bremen einen Überhang der SPD)
Daß es 1990 keinen Überhang der SPD in Bremen gab, liegt daran, daß die SPD damals 8000 Stimmen zuviel bekommen hat; dies hat einem SPD-Abgeordneten aus Rheinland-Pfalz den Einzug in den Bundestag verwehrt.
Ähnliche Beispiele gibt es für 1987, 1983 ... 1957. Das Stimmengewicht der SPD-Zweitstimmen in Bremen ist damit eindeutig negativ, da die Stimmen der SPD mit großer Sicherheit mehr schaden als nützen.

Dies führt zu dem skurillen Ergebnis, daß SPD-Wähler in Bremen keinesfalls der SPD ihre Zweitstimme geben sollten (es sei denn, sie wollen ihr eins auswischen) sondern dem gewünschten Koaltionspartner (oder halt Wahlenthaltung.) In Bremen ist es mehr als wahrscheinlich, dass sich diese Konstellation bei den nächsten Wahlen wiederholt, ist also nicht rein zufaellig.


Beispiel 2:

Annahme: Die SPD erhält 80000 Zweitstimmen mehr

Es wird angenommen die SPD hat in Bremen 5000 und in Brandenburg 75000 zusätzliche Zweitstimmen erhalten. Den Parteien (=verbundenen Landeslisten) würden dann nach wie vor dieselbe Anzahl von Mandaten (nach Zweitstimmen) zustehen.

Partei   Stimmen  Dreisatz  Mandate nach Niemeyer
------------------------------------------------------
CDU     16089960  232,047   232
CSU      3427196   49,426    50    *
SPD     17220354  248.350   248
FDP      3258407   46,992    47    *
B90/Gr   3424315   49,385    49
PDS      2066176   29,798    30    *
------------------------------------------------------
Summe:  45486408  656       656

Der Bundesliste der SPD ständen also nach Zweitstimmen weiterhin 248 Mandate zu, also noch keine Änderung zum echten Wahlausgang.

Die 248 Mandate werden nun auf die Landeslisten verteilt (Unterverteilung nach Zweitstimmen der Landeslisten).

SPD Landeslisten:

Bundesland   Stimmen Dreisatz  Sitze  Direkte
----------------------------------------   Überhang:
Schl.-Holst.  670791   9,660    10    2
Hamburg       389857   5,614     6    6
Niedersachs. 1938321  27,914    28   14
Bremen        184311   2,654     3    3     (+0) aufrunden
NRW          4534820  65,308    65   40          abrunden
Hessen       1296788  18,675    19    8
Rheinl.Pfalz  955383  13,759    14    4
Baden-W.     1742592  25,096    25    -
Bayern       1983979  28,572    28    1          abrunden
Saarland      329287   4,742     5    5
Berlin        663081   9,549     9    3
Mecklenb.Vor. 283029   4,076     4    2
Brandenburg   692362   9,971    10   12     (+2) aufrunden
Sachsen-Anh.  502193   7,232     7    3
Thueringen    431940   6,220     6    -
Sachsen       621620   8,952     9    -
------------------------------------------------------
gesamt      17220354 239 +9       248       (+2)

Änderungen ergeben sich zunächst nur bei der Unterverteilung.
Die Landeslisten Bremen und Brandenburg erhalten jeweils ein weiteres Mandat zu Lasten der Landeslisten aus NRW und Bayern. Da die Mandate in Bremen und Brandenburg aber schon direkt gewonnen wurden reduzieren sich dort die Überhänge.

Ergebnis: die SPD hat zwei Mandate weniger

...und zwar die jeweils letzten Listenplätze der Landeslisten Bayern und NRW.


Bei dem Ergebnis der CDU ergibt sich Ähnliches:

"4. Die inkonsequente Ausgestaltung des geltenden Rechts führe zu
unsinnigen Ergebnissen bei der Sitzzuteilung. Sie ermögliche etwa, dass
eine Partei um so mehr Mandate gewinne, je weniger Stimmen sie
erhalte. So würde beispielsweise die CDU bei der Bundestagswahl von
1994 noch zwei Mandate mehr gewonnen haben, wenn sie in Thüringen
4.000 und in Sachsen 41.000 Zweitstimmen weniger erhalten hätte. In
diesem Fall wäre bei der Zuweisung von Mandaten nach Bruchteilen
ganzer Zahlen je ein (Listen- )Mandat nach Hessen und Niedersachsen
gefallen statt - wie tatsächlich geschehen - nach Thüringen und
Sachsen; wegen des dort bestehenden Überhangs von Direktmandaten wäre
dies auf die Zahl der dort insgesamt von der CDU errungenen Mandate
jedoch ohne Einfluß geblieben."

Dieses Beispiel stammt von Prof. Hans Meyer, dem Prozessbevollmächtigter Niedersachsens beim BVerfG-Verfahren zu den Überhangmandaten (Zitat aus der Urteilsbegründung, siehe aber auch NJW 1995, S. 431 f. oder KritV 1994 S. 321f).

Unterverteilung der CDU:

Bundesland   Stimmen Dreisatz  Sitze  Direkte
----------------------------------------   Überhang:
Schl.-Holst.  702367  10.127   10
Hamburg       343398   4.951    5
Niedersachs. 1971664  28.429   28
Bremen        119063   1.716    2
NRW          3997317  57.637   58
Hessen       1417692  20.441   20
Rheinl.Pfalz 1061643  15.307   15
Baden-W.     2451917  35.354   35       37      (+2)
Bayern             0   0        0
Saarland      250978   3.618    4
Berlin        612217   8.827    9
Mecklenb.Vor. 378274   5.454    5        7      (+2)
Brandenburg   385383   5.556    6
Sachsen-Anh.  582294   8.396    8       10      (+2)
Thueringen    586440   8.455    9       12      (+3)
Sachsen      1229313  17.725   18       21      (+3)
------------------------------------------------------
gesamt      16089960 224 +8    232              (+12)

Nach dem Niemeyer Verfahren erhält jede in den Bundestag einziehende Landesliste, den ganzzahligen Teil nach Dreisatz (Dreisatz: Stimmen*232/ 16089960 - abrunden), die dabei noch nicht verteilten Mandate werden entsprechend dem grössten Nachkomma Teil verteilt.
Die errungenen Direktmandate werden auf die Listenanzahl angerechnet, wenn die Anzahl der Direktmandate, die der Listenmandate der Bundesliste übersteigt, entstehen Überhänge an Mandaten. (hier in Baden/Wuertemberg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thueringen ...)

Annahme: die CDU erhält 45000 Stimmen weniger

in Thueringen 4000 Stimmen weniger
in Sachsen 41000 Stimmen weniger

An der Stimmenverteilung der verbundenen Landeslisten (Bundesliste) würde sich nichts ändern. Die CDU erhält demnach weiterhin 232 Mandate .

Bei der Verteilung der Mandate auf die Landeslisten gibt es 4 wesentliche Änderungen:

Bundesland   Stimmen Dreisatz  Sitze  Direkte
----------------------------------------   Überhang:
  .
Niedersachs. 1971664  28.509   29                    *
  .
Hessen       1417692  20.499   21                    *
  .
  .
Mecklenb.Vor. 378274   5.470    5        7      (+2)
  .
Thueringen    582440   8.422    8       12      (+4) *
Sachsen      1188313  17.182   17       21      (+4) *
------------------------------------------------------
gesamt      16044960 224 +8    232              (+14)

Den CDU Landeslisten Niedersachsen und Hessen stehen jeweils ein Mandat mehr zu, den Landeslisten Thueringen und Sachsen jeweils ein Mandat weniger. Durch diese Verschiebung entstehen weitere Überhänge in Thüringen und Sachsen, da dort nun mehr Direkt- als Listenmandate errungen wurden.

Ergebnis: die CDU erhält zwei Mandate mehr

Ähnliche Beispiele gibt es für alle Landeslisten, bei denen seit 1957 Überhänge aufgetreten sind.

Als Excel-Datei das endg. amtl. Endergebnis: Zum selber (Nach-)Rechnen und Rumexperimentieren.


von Martin Fehndrich