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06.05.2008, Nachträge: 15.05.2008, 22.05.2008, 28.05.2008

28.05.2008: Wiederholungswahl in Eckernfeld am 6. Juli 2008

Die Wiederholung der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft im Wahlbezirk 132/02 „Freizeittreff Eckernfeld“ findet am 6. Juli 2008 statt, wie der Bremer Senat gestern bekannt gab.

Pressemitteilung des Senators für Inneres und Sport der Freien Hansestadt Bremen vom 27. Mai 2008

22.05.2008: Das Urteil ist verkündet: Wiederholungswahl nur in Eckernfeld

Der Staatsgerichtshof hat eine Wiederholungswahl im Wahlbezirk „Freizeittreff Eckernfeld“ angeordnet. Die Ergebnisse in den anderen Wahlbezirken haben – mit Ausnahme der bei der Nachzählung in zwei Wahlbezirken festgestellten Abweichungen (zwei ungültige Stimmen mehr, siehe unten) – Bestand.

Pressemitteilung und Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen vom 22. Mai 2008 – St 1/07 –

Die Beschwerde der Wählervereinigung B.H.V. hat der Staatsgerichtshof wegen Verfristung als unzulässig verworfen, ohne sich zu der Frage zu äußern, ob die Nichtzulassung der Wählervereinigung rechtmäßig war. Die B.H.V. hat angekündigt, gegen diese Entscheidung Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht zu erheben, da der verspätete Eingang allein vom Staatsgerichtshof selbst verschuldet worden sei. Die Poststelle des Gerichts war am letzten Tag der Beschwerdefrist (31.12.2007) wegen des Brückentags nicht besetzt.

Pressemitteilung und Urteil des Staatsgerichtshofs der Freien Hansestadt Bremen vom 22. Mai 2008 – St 1/08 –

15.02.2008: Urteilsverkündung am 22.  Mai

Wie der Staatsgerichtshof heute mitteilte, wird das Urteil in beiden Wahlprüfungsverfahren („Bürger in Wut“ und B.H.V.) am 22. Mai ab 10 Uhr verkündet (Pressemitteilung des Staatsgerichtshofs).

Bremerhaven droht eine Wiederholungswahl-Farce

Vor allem für organisatorische Fragen einer Wiederholungswahl in einzelnen Wahlbezirken interessierte sich der bremische Staatsgerichtshof am Freitag in der nur halbstündigen mündlichen Verhandlung in dem Wahlprüfungsverfahren zur Bürgerschaftswahl im Wahlbereich Bremerhaven. Eine Entscheidung, ob und in welchem Umfang es zu einer Wiederholungswahl kommen soll, wurde aber noch nicht verkündet. Die Beteiligten des Verfahrens gehen jedoch davon aus, dass der Staatsgerichtshof eine Wiederholungswahl mindestens im Wahlbezirk „Freizeittreff Eckernfeld“ anordnen wird. In diesem Wahllokal wurden die Stimmzettel, nachdem der Wahlvorstand trotz mehrmaliger Versuche kein stimmiges Ergebnis hatte ermitteln können, von der Wahlvorsteherin in unversiegelte Umschläge gepackt und in ihrem Rucksack per Fahrrad ins Wahlamt verbracht, wo dann die Auszählung nachgeholt wurde.

Ausgangssituation – BIW braucht nur rund 4,5 %

Bei der Wahl zur bremischen Bürgerschaft hatte die Wählervereinigung „Bürger in Wut“ die Fünfprozenthürde im Wahlbereich Bremerhaven um eine einzige Stimme verfehlt. Sollte es tatsächlich zu einer auf den Wahlbezirk 132/02 (Freizeittreff Eckernfeld) begrenzten Wiederholungswahl, ergäbe sich aufgrund des amtliches Endergebnisses der Bürgerschaftswahl 2007 die folgende Ausgangssituation (rechte Spalte):

  Wahlbereich
Bremerhaven
Wahlbezirk 132/02
Freizeittreff Eckernfeld
Wahlbereich Bremer-
haven ohne 132/02
Stimmen Anteil in % Stimmen Anteil in % Stimmen Anteil in %
Wahlberechtigte 85.288   1.217   84.071  
Wähler 45.040 52,81 % 774 63,60 % 44.266 52,65 %
Davon            
Ungültige Stimmen 704 1,56 % 15 1,94 % 689 1,56 %
Gültige Stimmen 44.336 98,44 % 759 98,06 % 43.577 98,44 %
Davon            
SPD 15.490 34,94 % 295 38,87 % 15.195 34,87 %
CDU 11.159 25,17 % 166 21,87 % 10.993 25,23 %
GRÜNE 5.306 11,97 % 115 15,15 % 5.191 11,91 %
FDP 3.899 8,79 % 54 7,11 % 3.845 8,82 %
DVU 2.375 5,36 % 36 4,74 % 2.339 5,37 %
Deutschland 338 0,76 % 5 0,66 % 333 0,76 %
Die Konservativen 312 0,70 % 4 0,53 % 308 0,71 %
BIW 2.216 4,998 % 33 4,35 % 2.183 5,01 %
Die Weissen 171 0,39 % 2 0,26 % 169 0,39 %
Die Linke. 3.070 6,92 % 49 6,46 % 3.021 6,93 %

Die Bürger in Wut würden also mit einem kleinen Vorsprung ins Rennen gehen, den sie lediglich halten müssten, um die Fünfprozenthürde im Wahlbereich Bremerhaven zu überwinden. Sollten alle 1.217 bei der Wahl am 13. Mai 2007 Wahlberechtigte des Wahlbezirks an der Wiederholungswahl teilnehmen und eine gültige Stimme abgeben, bräuchte die BIW hierfür 57 Stimmen (4,68 %) im Freizeittreff Eckernfeld. Je weniger gültige Stimmen bei der Wiederholungswahl abgegeben werden, desto geringer ist auch der Stimmenanteil, den die BIW benötigt, um oberhalb der Fünfprozenthürde zu bleiben. Sind es wie am Tage der Hauptwahl wieder 759 gültige Stimmen, dann brauchen die Bürger in Wut davon nur 34 Stimmen (4,48 %). Geben bei der Wiederholungswahl nur halb so viele Wählberechtigte wie bei der Hauptwahl eine gültige Stimme ab, läge die Wählervereinigung sogar mit nur 15 Stimmen (3,95 %) bei der Wiederholungswahl über der Fünfprozenthürde. Sollten gar nur 83 oder weniger Bremerhavener an der Wiederholungswahl im Freizeittreff Eckernfeld teilnehmen, wäre die BIW selbst dann im Landtag, wenn kein einziger sie wählen würde.

Farce: Leichtes Rennen für BIW

Andere Verschiebungen in der Sitzverteilung zwischen den Parteien aufgrund der Wiederholungswahl sind aufgrund der erheblichen Abstände zwischen den Sitzansprüchen nicht denkbar. Daher reduziert sich der Ausgang der Wahl auf die Frage, ob die BIW im Wahlbereich über fünf Prozent liegen und dadurch auf Kosten der SPD mit einem Sitz in die Bürgerschaft einziehen. Jede für irgendeine andere Liste als die der BIW abgegebene Stimme nützt dabei der SPD, also auch z. B. eine Stimme für die DVU. Wer hingegen zu Hause bleibt, statt die Stimme für eine der anderen Parteien und Wählervereinigungen abzugeben, hilft damit den Bürgern in Wut (aber nur in Höhe eines Zwanzigstels des Gewichts einer Stimme für die BIW).

Man muss kein Prophet sein, um unter diesen Umständen den Bürgern in Wut ein leichtes Rennen vorherzusagen. Angesichts des auf die Wählervereinigung zugespitzten öffentlichen Interesses und der zu erwartenden Mobilisierungsprobleme der übrigen Parteien und Wählervereinigungen wäre alles andere als ein BIW-Ergebnis im deutlich zweistelligen Prozentbereich eine Überraschung.

Eine nur teilweise Wiederholungswahl, bei der die Wähler das übrige Wahlergebnis kennen und ihre Stimmabgabe danach ausrichten können, begegnet hinsichtlich des Grundsatzes der gleichen Wahl erheblichen Bedenken. Die Teilnehmer der Wiederholungswahl haben einen strategischen Wissensvorsprung gegenüber den anderen Wählern. Der Bremerhavener SPD-Abgeordnete Wolfgang Jägers, der in der Bürgerschaft für einen BIW-Vertreter Platz machen müsste, dürfte diese Art der Wiederholungswahl daher zurecht als Farce empfinden. Wer für die BIW in das Landesparlament einzöge, ist derweil ungewiss, da sich der Bewerber auf Platz 1, Jan Timke, in einem Rechtstreit mit der Stadt Bremerhaven über die Frage befindet, ob er am Wahltag überhaupt seinen Hauptwohnsitz in Bremerhaven hatte.

Wer darf an der Wiederholungswahl teilnehmen?

Unklar ist auch, welcher Personenkreis gegebenenfalls an der Wiederholungswahl teilnehmen dürfte. Der Landeswahlleiter hat in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, es seien neue Wählverzeichnisse zu erstellen, und sich dabei auf § 41 Absatz 2 des Bremischen Wahlgesetzes berufen, der die Entscheidung darüber aber letztlich dem Staatsgerichtshof überlässt:

„Bei der Wiederholungswahl wird vorbehaltlich einer anderen Entscheidung im Wahlprüfungsverfahren nach denselben Wahlvorschlägen und, wenn seit der Hauptwahl noch nicht sechs Monate vergangen sind, aufgrund derselben Wählerverzeichnisse gewählt, wie bei der für ungültig erklärten Wahl.“

Die Erstellung neuer Wählerverzeichnisse würde bedeuten, dass seit der Wahl neu hinzugezogene oder volljährig gewordene Personen bei der Wiederholungswahl wahlberechtigt wären. Wer aus einem anderen Wahlbezirk Bremens oder Bremerhavens nach Eckernfeld gezogen ist, müsste dabei aber wohl aussortiert werden, um ein doppeltes Stimmrecht zu vermeiden. Gleiches gilt für Wahlberechtigte des Wahlbezirks, die bei der Wahl am 13. Mai 2007 per Briefwahl gewählt haben. Im Wahlbezirk 132/02 hatten 64 Personen einen Wahlschein beantragt. Wie viele von ihnen dann aber auch tatsächlich ihre Stimme per Briefwahl abgegeben haben, ließe sich nur anhand der eingenommenen Wahlscheine im dazugehörigen Briefwahlbezirk 132/B99 überprüfen. Anders als bei der Bundestagswahl ist ein Wahlschein bei der bremischen Bürgerschaftswahl nicht in allen Wahlbezirken des Wahlkreises bzw. Wahlbereiches gültig, sondern nur im eigenen Wahlbezirk oder bei der Briefwahl.

Mit einer Entscheidung des Staatsgerichtshofs, ob und unter welchen Bedingungen eine Wiederholungswahl stattfindet, wird in den kommenden Tagen gerechnet. Die Bemerkung des Präsidenten des Staatsgerichtshofs am Ende der mündlichen Verhandlung, es werde ein „Termin zur Verkündung von Amts wegen bestimmt“ lässt sich jedoch auch dahingehend deuten, dass der Staatsgerichtshof keinen weiteren Zwischenbeschluss, sondern bereits ein Schlussurteil verkünden wird. In diesem Fall wäre ein so kurzfristig anberaumter Verkündungstermin ungewöhnlich. Der Staatsgerichtshof hat andererseits bereits sein Bestreben angedeutet, im Falle einer Wiederholungswahl deren Durchführung vor dem Beginn der Bremer Sommerferien am 10. Juli zu ermöglichen. Der Landeswahlleiter benötigt nach eigenen Angaben mindestens sieben Wochen für die Vorbereitung der Wiederholungswahl, wenn ein neues Wählerverzeichnis zu erstellen sein sollte.

Bisheriger Gang des Verfahrens – Wahlprüfungsgericht ordnet komplette Nachzählung an

Dem Verfahren vor dem Staatsgerichtshof vorangegangen war ein Einspruch der Bürger in Wut gegen die Gültigkeit der Bürgerschaftswahl, in der die Wählervereinigung eine ganze Reihe von vermeintlichen und tatsächlichen Wahlfehlern geltend gemacht hatte. Siehe die Meldung vom 16. November 2007.

Daraufhin wurde vom Wahlprüfungsgericht am 19. November 2007 eine Nachzählung der Stimmen im gesamten Wahlbereich Bremerhaven angeordnet. Das Wahlprüfungsgericht begründet seine Entscheidung mit Unregelmäßigkeiten bei der Stimmenauszählung in drei Wahlbezirken.

Auszählfehler in DRK-Geschäftsstelle und Elbe-Weser-Werkstätten

In der mündlichen Verhandlung mussten die Wahlvorsteher von zwei Wahllokalen – DRK-Geschäftsstelle (131/02) und Elbe-Weser-Werkstätten (136/01) – einräumen, sich an der Öffnung der Wahlumschläge, der Bildung von Stimmzettelstapeln und der Zählung der Stimmzettel beteiligt zu haben. Dies ist durchaus üblich, da die Auszählung natürlich schneller geht, wenn sich alle tatkräftig beteiligen. Gleichwohl schreibt die Bremer Landeswahlordnung (wie auch die Bundeswahlordnung) vor, dass die Wahlvorsteher lediglich die von den übrigen Wahlhelfern gebildeten Stimmzettelstapel auf gleich lautende Stimmabgaben zu überprüfen und sich im übrigen darauf beschränken zu haben, die übrigen Mitglieder des Wahlvorstands bei den Zählarbeiten zu beaufsichtigen.

Freizeittreff Eckernfeld: Mit einem Rucksack unausgezählter Stimmzettel ins Wahlamt geradelt

Beim dritten vom Wahlprüfungsgericht beanstandeten Wahlbezirk handelt es sich um das Freizeittreff Eckernfeld, in dem sich nun die Wiederholungswahl andeutet. Nach Darstellung der Wahlvorsteherin in der mündlichen Verhandlung kam der Wahlvorstand trotz mehrerer Zählversuche zu keinem stimmigen Ergebnis bei der Bürgerschaftswahl. Immer wieder hätten 13 Stimmen gefehlt. Telefonisch sei daher mit dem Wahlamt vereinbart worden, die Wahlunterlagen ins Wahlamt zu bringen, um dort die Auszählung vorzunehmen. Sie habe die Umschläge, in die sie die Stimmzettel gepackt habe, lediglich durch Umlegen der vorhandenen Klappe geschlossen, die Umschläge aber weder (mit den vorhandenen Siegelmarken) versiegelt noch zugeklebt. Die Umschläge habe sie in ihren Rucksack gepackt und mit dem Fahrad ins Wahlamt gefahren. Dort sei dann ein neuer Wahlvorstand gebildet worden, der die Stimmen ausgezählt habe, wobei sich keine Unstimmigkeiten ergeben hätten. Im Wahllokal seien anscheinend ein Zehnerstapel sowie drei weitere Stimmzettel immer wieder übersehen worden.

Als Wahlfehler hat das Gericht hier allerdings lediglich den Umstand gewertet, dass bei der Auszählung im Wahlamt nur die Stimmzettel, nicht jedoch die Wahlumschläge gezählt wurden. Diese waren nämlich im Wahllokal verblieben. Im Transport der noch nicht ausgezählten und in nicht versiegelten Umschlägen verpackten Stimmzettel vom Wahllokal ins Wahlamt mochte das Wahlprüfungsgericht hingegen keinen Wahlfehler erkennen, da die Einspruchsführer keine konkreten Anhaltspunkte für etwaige Unregelmäßigkeiten während des Transports benannt hätten.

Diese Argumentation des Wahlprüfungsgericht stellt das Öffentlichkeitsprinzip, das die öffentliche Kontrolle des gesamten Wahlablaufs sicherstellen soll, auf den Kopf: Wie sollen Unregelmäßigkeiten beim Transport erkannt werden, wenn dieser unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, was ja für sich genommen bereits eine Unregelmäßigkeit darstellt? Im übrigen übersieht das Wahlprüfungsgericht, dass die Nichtberücksichtigung der Wahlumschläge bei der Auszählung im Wahlamt durch die angeordnete Nachzählung nicht geheilt werden kann, da die Wahlumschläge nach der Wahl nicht aufbewahrt werden.

Fehlende Stimmen in Lukaskirche und Zwinglischule

In zwei weiteren Wahlbezirken – Gemeindehaus der Lukaskirche (123/02) und Zwinglischule (133/01) – hat das Wahlprüfungsgericht offen gelassen, ob ein Wahlfehler vorliegt. In beiden Wahlbezirken waren laut Wahlniederschrift zwei Wahlumschläge weniger gezählt worden als Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis vorhanden waren. Der Landeswahlleiter erklärte die Abweichung im Wahlbezirk Lukaskirche damit, dass ein (blauer) Stimmzettel für die Bürgerschaftswahl in einem (gelben) Umschlag für die gleichzeitig stattfindende Wahl zur Stadtverordnetenversammlung gefunden worden sei. Der zweite blaue Umschlag inkl. Stimmzettel sei vermutlich gar nicht abgegeben worden. In beiden Fällen hätte freilich gar kein Stimmabgabevermerk für die Bürgerschaftswahl im Wählerverzeichnis erfolgen dürfen. Insofern liegt eindeutig ein Wahlfehler vor, bei dem überdies höchst zweifelhaft ist, ob er durch eine Nachzählung bereinigt werden könnte.

Im Wahlbezirk Zwinglischule wurden laut Landeswahlleiter zwei blaue Wahlumschläge, in denen sich gelbe Stimmzettel (für die Stadtverordnetenversammlung) befanden, fälschlicherweise nicht bei den Wahlumschlägen mitgezählt und als ungültige Stimmen gewertet. Dies wäre allerdings nur denkbar, wenn der Wahlvorstand die Umschläge vor oder während der Zählung geöffnet hätte. Vorgeschrieben ist jedoch, die Wahlumschläge ungeöffnet zu zählen. Auch hier scheinen es die Wahlhelfer mit den Vorschriften des Auszählprozederes also nicht so genau genommen haben.

Das Wahlprüfungsgericht hat in der Begründung seiner Entscheidung die Hoffnung geäußert, die Unstimmigkeiten in diesen beiden Wahlbezirken könnten durch die Nachzählung aufgeklärt werden. Das Gericht ging hier offensichtlich wiederum von der irrtümlichen Annahme aus, auch die Wahlumschläge stünden für eine Nachzählung noch zur Verfügung.

Meldebehörde verhindert Wahlteilnahme eines BIW-Sympathisanten

Die übrigen Einwände der Wählervereinigung hat das Wahlprüfungsgericht zurückgewiesen. Dazu zählt auch die Zurückweisung eines Wählers, der ohne sein Wissen von der Meldebehörde abgemeldet wurde und daher nicht im Wählerverzeichnis eingetragen war, aber nach eigener Aussage die BIW wählen wollte. Das Gericht ließ offen, ob die Austragung aus dem Melderegister rechtmäßig. In jeden Fall habe der verhinderte BIW-Wähler aber nach dem Ausbleiben der Wahlbenachrichtigung selbst aktiv werden müssen und den Sachverhalt rechtzeitig vor dem Wahltag mit dem Wahlamt klären müssen. Inzwischen wurde der Betroffene rückwirkend wieder ins Melderegister eingetragen, da er nachweisen konnte, ununterbrochen in Bremerhaven gewohnt zu haben. Dennoch ist dem Wahlprüfungsgericht darin zuzustimmen, dass man sich im Falle des Ausbleibens einer Wahlbenachrichtigung selbst um die Richtigkeit und Vollständigkeit des Wahlverzeichnis kümmern muss.

Wahlprüfungsgericht beruft sich auf Bundesverfassungsgericht

Obwohl das Wahlprüfungsgericht also nur in drei Wahlbezirken relevante Wahlfehler feststellen mochte, ordnete es die Neuauszählung aller Wahlbezirke im Wahlbereich Bremerhaven an. Es berief sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1991, in dem es hieß:

„In jedem Fall hat die erforderliche Nachzählung in dem Stimmbezirk stattzufinden, für den die gerügten Verfahrensfehler bei der Stimmenauszählung festgestellt worden sind. Je nach den Umständen kann es darüber hinaus geboten sein, sie auf alle Stimmbezirke zu erstrecken, aus denen sich das beanstandete Wahlergebnis errechnet. [...] Macht der Einspruchsführer mit der substantiierten Behauptung, in einigen Stimmbezirken sei gegen die Vorschriften über die Stimmenauszählung verstoßen worden, die Unrichtigkeit des der Mandatszuteilung zugrundeliegenden Kreiswahlergebnisses geltend, so kann sich – wird ein Verfahrensverstoß festgestellt – die Erstreckung der Nachzählung auf alle Stimmbezirke um so eher als geboten erweisen, je geringer der Stimmenabstand zwischen dem als gewählt festgestellten Bewerber und seinem nächstfolgenden Konkurrenten ist.“

In jener Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ging es um Wahlfehler von keinesfalls geringerem Gewicht als in Bremerhaven, außerdem um einen Stimmenabstand von immerhin 23 Stimmen. Allerdings war damals bereits vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine vollständige Neuauszählung im Wahlkreis durchgeführt worden, bei der in einem Wahlbezirk, in dem ursprünglich keine Auszählfehler geltend gemacht wurden, 93 Stimmzettel gefunden worden, die der angeblichen Wahlkreissiegerin zugeordnet worden waren, obwohl auf ihnen der angeblich knapp Unterlegene angekreuzt war. Hätte das Bundesverfassungsgericht diese komplette Neuauszählung im Nachhinein für rechtswidrig erklärt, hätte es sehenden Auges die falsche Kandidatin zur Siegerin gemacht. Der Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfalen war in seinem vorangegangenen Urteil vor dieser Konsequenz nicht zurückgeschreckt.

Staatsgerichtshof rückt von BVerfG-Rechtsprechung ab

Zu der vom Wahlprüfungsgericht angeordneten Neuauszählung kam es bisher nicht, weil sowohl der Landeswahlleiter als auch die Wählervereinigung „Bürger in Wut“ gegen den Beschluss des Wahlprüfungsgerichts Beschwerde beim Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen erhoben haben.

Bereits bei der ersten mündlichen Verhandlung am 10. April 2008 ließen die Richter des Staatsgerichtshofs erkennen, dass sie ihren Kollegen vom Wahlprüfungsgericht in einigen Punkten nicht folgen mögen. So maßen sie dem Vorkommnissen im Freizeittreff Eckernfeld offensichtlich eine größere Bedeutung bei und zeigten sich überrascht von der verharmlosenden Darstellung des Landeswahlleiters.

Neuauszählung in in DRK-Geschäftsstelle und Elbe-Weser-Werkstätten: Zwei Stimmen ungültig

Am Tag nach der ersten mündlichen Verhandlung gab der Staatsgerichtshof bekannt, am 21. April eine Neuauszählung in den Wahlbezirken DRK-Geschäftsstelle (131/02) und Elbe-Weser-Werkstätten (136/01) durchführen zu lassen. Mit diesem überraschenden Beschluss wurde deutlich, dass der Staatsgerichtshof die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zum Umfang einer Neuauszählung bei knappen Wahlergebnissen zumindest mehrheitlich wohl nicht teilt, sondern die Maßnahmen zur Behebung der Wahlfehler strikt auf die Wahlbezirke begrenzen will, in denen konkrete Beanstandungen gemacht wurden.

Bei der im Amtsgericht Bremerhaven öffentlich durchgeführten Neuauszählung wurde in beiden Wahlbezirken jeweils ein Stimmzettel mit Kreuzen bei zwei Parteien festgestellt, der irrtümlich als gültige Stimmen für die CDU bzw. für die Liste Deutschland gewertet wurde. Eine zusätzliche Stimme für die BIW fand sich hingegen nicht. Immerhin: Der Wählervereinigung würde nicht nur eine zusätzliche Stimme über die Fünfprozenthürde verhelfen, sondern auch 16 (bzw. jetzt noch 14) für andere Parteien gewertete Stimmen, die sich im Nachhinein als ungültig herausstellen. Denn dadurch würde die Fünfprozenthürde, die sich ja auf die Zahl der gültigen Stimmen bezieht, unter das Stimmenergebnis der BIW absinken. So gesehen kann das Ergebnis der Teil-Nachzählung durchaus auch im Sinne der Bürger in Wut gewertet werden. Zumal die beiden Wahlbezirke sicher nicht die einzigen sind, in denen die Wahlhelfer beim Auszählen Schnelligkeit vor Gründlichkeit haben gehen lassen. Nur aus diesen beiden Wahllokalen hatten sich jedoch Personen bei der BIW gemeldet, die bei der Auszählung am Wahlabend anwesend waren und die Fehler bei der Auszählung bezeugen konnten. Erfahrungsgemäß hält sich kaum ein Wahlvorstand an das in der Wahlordnung vorgeschriebene Verfahren. (Siehe die Meldung vom 16. November 2007.)

Zweite mündliche Verhandlung

Am 2. Mai 2008 setzte der Staatsgerichtshof dann die mündliche Verhandlung fort. Neben der möglichen Organisation einer Wiederholungswahl in Eckernfeld interessierte er sich dabei auch noch für die Wahlbezirke Lukaskirche (123/02) und Zwinglischule (133/01). Der Berichterstatter des Verfahrens, Richter Ulrich K. Preuß, schien die diesbezüglichen Erklärungen des Landeswahlleiters (siehe oben) für nicht plausibel zu halten. Offen blieb aber, ob das Gericht auch für diese Wahlbezirke eine Wiederholungswahl oder Neuauszählung in Erwägung zieht.

Wahlbereichsleiter im Zwielicht

Spätestens im abschließenden Urteil wird der Staatsgerichtshof auch über Anträge der BIW entscheiden müssen, erneut Einsicht in die Wahlniederschriften der Bremerhavener Wahlbezirke nehmen zu können, um ggf. weitere Wahlfehler geltend machen zu können. Die Wählervereinigung sieht sich nämlich durch den Bremerhavener Wahlbereichsleiter rechtswidrig an einer vollständigen Einsichtnahme in die am Wahlabend von den Wahlhelfern erstellten Protokolle gehindert.

Dass die BIW überhaupt die Wahlniederschriften zu Gesicht bekommen hat, musste sie sich kurz vor Ablauf der Einspruchsfrist erst per Klage vor dem Bremer Verwaltungsgericht erstreiten. Das Verwaltungsgericht verdonnerte den Wahlbereichsleiter unter Berufung auf das bremische Informationsfreiheitsgesetz, den BIW-Vertretern am nächsten Tag Einsicht in die Niederschriften zu gewähren. Nach ca. dreieinhalb Stunden brach der Bremerhavener Wahlbereichsleiter diesen Vorgang jedoch unter Protest der BIW ab, da der verwendete Raum für eine Sitzung benötigt werde. Er bot an, die Einsichtnahme am kommenden Werktag fortzusetzen. Dies war jedoch zugleich der letzte Tag der Einspruchsfrist, so dass sich die BIW nicht in der Lage sah, die in den weiteren Wahlniederschriften möglicherweise festzustellenden Unstimmigkeiten noch rechtzeitig auszuwerten und in den Einspruchsschriftsatz einzuarbeiten. Dementsprechend beantragte die Wählervereinigung bereits im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Wahlprüfungsgericht, auch noch den fehlenden Teil der Wahlniederschriften – laut BIW ein knappes Drittel – überprüfen zu dürfen. Das Wahlprüfungsgericht lehnte diesen Antrag ab, da nach Ablauf der Einspruchsfrist keine neuen Wahlanfechtungsgründe eingebracht werden dürften. Dabei sei unerheblich, warum es nicht möglich gewesen ist, die Wahlfehler fristgerecht zu benennen. Außerdem verweist das Wahlprüfungsgericht darauf, die Einspruchsführer hätten in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit der Einsichtnahme in die während der Verhandlung vorliegenden Wahlniederschriften der 23 Wahlbezirke, in denen die BIW Unregelmäßigkeiten beanstandet hatten, nicht genutzt. Dieses Argument ist unverständlich, weil der Inhalt dieser 23 Wahlniederschriften der BIW ja bereits bekannt war. Die Entscheidung des Wahlprüfungsgerichts hinsichtlich der beantragten Fristverlängerung läuft letztlich darauf hinaus, den Wahlbehörden einen Freibrief dafür auszustellen, Unregelmäßigkeiten im Wahlablauf durch Zurückhalten der Wahlniederschriften zu vertuschen, und hinterlässt daher einen bitteren Beigeschmack.

Verstärkt wird dieser Eindruck noch durch das unseriöse Auftreten des Bremerhavener Wahlbereichsleiters in der mündlichen Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof. Auf die Vorgänge bei der Einsichtnahme in die Wahlprotokolle angesprochen, führte er aus, die Wählervereinigung sei selber schuld gewesen, dass sie nicht rechtzeitig fertig geworden sei. Denn obwohl die BIW mit zwei Personen erschienen sei, habe die ganze Zeit nur ein BIW-Vertreter Einsicht in die Wahlniederschriften genommen, während sich der andere nur Notizen gemacht habe. Auf die Entgegnung des BIW-Vorsitzenden Timke, diese Vorgehensweise sei eine Auflage des Bremerhavener Wahlamts gewesen, damit der anwesende Behördenvertreter den Vorgang besser habe kontrollieren können, blieb der Wahlbereichsleiter stumm.

Dennoch hat der Staatsgerichtshof bisher keine Anstalten gemacht, der Wählervereinigung die begehrte Überprüfung der restlichen Wahlniederschriften zu ermöglichen. Die Chancen, dass es dazu noch kommen wird, stehen daher gering.

Parallelverfahren: B.H.V. scheitert vor Wahlprüfungsgericht

Parallel zur den Bürgern in Wut hat auch die Wählervereinigung B.H.V. Wahlprüfungsbeschwerde beim Staatsgerichtshof erhoben. Die B.H.V. war zur Bürgerschaftswahl nicht zugelassen worden, weil sie nur Bremerhavenern eine Vollmitgliedschaft ermögliche, während Bürger aus der Stadt Bremen nur Gastmitglieder ohne Stimmrecht werden können. Siehe die Meldung vom 16. November 2007.

Das Wahlprüfungsgericht rechtfertigte die Nichtzulassung der B.H.V. unter Hinweis auf § 16 Abs. 2 Nr. 3 des Bremischen Wahlgesetzes. Danach erfolge die Anerkennung als Wählervereinigung nicht abstrakt, sondern „für die Wahl“. Da die Bürgerschaftswahl eine landesbezogene Wahl sei, müsse eine Wählervereinigung eine Vereinigung von Wählern aus dem gesamten Land sein, also aus Bremerhaven und Bremen.

Diese spitzfindige Interpretation lässt sich aus dem Wortlaut des Wahlgesetzes schwerlich herleiten. Die Formulierung, auf die sich das Wahlprüfungsgericht beruft („für die Wahl“), befindet sich wortgleich auch im Bundeswahlgesetz. Dennoch ist nie jemand auf die Idee gekommen, daraus zu schließen, nur solche Parteien seien für die Bundestagswahl anzuerkennen, die im gesamten Bundesgebiet Mitglieder aufnehmen. Tatsächlich sind im Bundestag ja seit eh und je zwei Parteien vertreten, die Beitrittswilligen aus Bayern (CDU) bzw. den anderen 15 Bundesländern (CSU) die Mitgliedschaft verweigern. In der mündlichen Verhandlung, war anhand der kritischen Fragen einiger Richter zu erkennen, dass auch sie der Argumentation des Wahlprüfungsgerichts wenig abgewinnen können.

Die Beschwerde der B.H.V. droht jedoch bereits an der Frage der Zulässigkeit zu scheitern, da sie nicht innerhalb der Beschwerdefrist beim Staatsgerichtshof eingegangen war. Der Vorsitzende der Wählervereinigung hatte den Beschwerdeschriftsatz am Morgen des 28.12. (Freitag) in Bremerhaven per Übergabe-Einschreiben abgeschickt. Da die Post aber am 29.12. (Samstag) keinen Zustellversuch unternahm, und am Stichtag, dem 31.12. (Montag, Silvester), die Poststelle des Gerichts nicht besetzt war, wurde die Beschwerde erst am 02.01. (Mittwoch) zugestellt. Dies wäre unter normalen Umständen nicht weiter tragisch, da aufgrund der übermäßig langen Postlaufzeit und der Nichterreichbarkeit der Gerichts-Poststelle an einem formalen Werktag die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegeben sind. Genau diese Möglichkeit schließt § 55 Abs. 2 des Bremischen Wahlgesetzes aber ausdrücklich aus. Der Staatsgerichtshof wird zu entscheiden haben, ob der Ausschluss einer Wiedereinsetzungsmöglichkeit tatsächlich nicht nur während des terminlich engen Ablaufs vor dem Wahltag gilt, sondern auch für das spätere Wahlprüfungsverfahren.

(Der Verfasser dieses Artikels hat in der mündlichen Verhandlung die B.H.V. als Verfahrensbevollmächtigter vertreten, ohne ihr politisch irgendwie nahe zu stehen.)


von Wílko Zicht (06.05.2008, letzte Aktualisierung am 15.05.2008)