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20.01.2008

Wahlberichterstattung: Wahl des Bundespräsidenten durch die 13. Bundesversammlung

Verlust der schwarz-gelben Mehrheit in der Bundesversammlung?

Wenn in einer Woche die Wahllokale in Niedersachsen und Hessen schließen, haben die Wähler dort nicht nur die Sitzverteilung in den beiden Landtagen bestimmt, sondern indirekt auch Einfluss auf die Zusammensetzung der 13. Bundesversammlung genommen. Diese wählt voraussichtlich am 23. Mai 2009 den nächsten Bundespräsidenten.

Aufgrund der hohen Zahl der von beiden Ländern in die Bundesversammlung zu entsendenden Vertreter (Hessen stellt nach den letzten Bevölkerungszahlen 44 und Niedersachsen 61 Wahlleute) haben die Landtagswahlen am kommenden Sonntag eine erhebliche Bedeutung für das Kräfteverhältnis in diesem, regelmäßig nur alle fünf Jahre zusammentretenden Verfassungsorgan. In unserem Ausblick für das Jahr 2008 rechneten wir spätestens nach der bayerischen Landtagswahl im Herbst mit einer Vorentscheidung der Bundespräsidentenwahl – diese kann aber schon früher fallen.

Vor der letzten Bundespräsidentenwahl gaben die Landtagswahlen vom 2. Februar 2003 in Niedersachsen und Hessen den Ausschlag bei den Mehrheitsverhältnissen in der 12. Bundesversammlung. Seit damals gibt es eine absolute Mehrheit von Union und FDP bei der voraussichtlichen Zusammensetzung der nächsten Bundesversammlung, die bei der Bundespräsidentenwahl am 23. Mai 2004 zur Wahl Horst Köhlers führte und bis heute besteht.

Hochrechnung auf Basis aktueller Sitzverteilungen im Bund und den Ländern

  Gesamt CDU/CSU FDP SPD GRÜNE LINKE Sonstige
Absolute Mehrheit bei 614 Sitzen; Vorbehaltlich möglicher Abweichungen durch freies Stimmverhalten, bei Veränderungen
der Zahl der Länderdelegierten aufgrund von Bevölkerungsverschiebungen und deren Wahlen sowie dem Ausscheiden
von Bundestagsmitgliedern ohne Nachrücker
Bundesversammlung 1.226 529 95 419 90–91 85–86 7
(informell: 624)

In einer heute zusammentretenden Bundesversammlung hätten die FDP- und Unions-Bundesversammlungsfraktionen, die Horst Köhler 2004 gemeinsam zum Bundespräsidenten wählten, zehn Wahlleute über der absoluten Mehrheit. Legt man allerdings für Niedersachsen, Hessen sowie Hamburg aktuelle Wahlumfragen als Basis der Hochrechnung zugrunde, wäre die schwarz-gelbe absolute fast Mehrheit verloren (siehe die folgende Hochrechnung).

Hochrechnung auf Basis von Umfragewerten zu den nächsten Landtagswahlen

  Basis (Stand) Gesamt CDU/CSU FDP SPD GRÜNE LINKE Sonstige
Absolute Mehrheit bei 614 Sitzen; Vorbehaltlich möglicher Abweichungen durch freies Stimmverhalten, bei Veränderungen der Zahl der
Länderdelegierten aufgrund von Bevölkerungsverschiebungen und deren Wahlen sowie dem Ausscheiden von Bundestagsmitgliedern
ohne Nachrücker
Bundesversammlung Aktuelle Sitzverteilung
(20.01.2008)
1.226 529 95 419 90–91 85–86 7
Hessen Aktuelle Sitzverteilung
(20.01.2008)
−44 −23 −3 −13 −5
Forschungsgr. Wahlen
(18.01.2008)
44 18 3 18 3 2
Infratest dimap
(17.01.2008)
44 18 3 18 3 2
Niedersachsen Aktuelle Sitzverteilung
(20.01.2008)
−61 −31 −5 −21 −4
Forschungsgr. Wahlen
(18.01.2008)
61 29 4 21 4 3
Infratest dimap
(17.01.2008)
61 28 4 22 4 3
Bundesversammlung
(Zwischensumme)
Forschungsgr. Wahlen
 
1.226 522 94 424 88–89 90–91 7
Infratest dimap
 
1.226 521 92 424 88–89 90–91 7
Hamburg Aktuelle Sitzverteilung
(20.01.2008)
−12 −7 −4 −1
Infratest dimap
(07.01.2008)
12 6 5 1 0
Bundesversammlung
(Zwischensumme)
Infratest dimap
 
1.226 520 94 425 88–89 90–91 7
(informell: 614)

Erneute Kandidatur von Horst Köhler

Bundespräsident Horst Köhler hatte angekündigt, ein Jahr vor der Bundespräsidentenwahl – also Ende Mai 2008 – seine Absicht zu einer zweiten Amtszeit zu äußern. Angesichts der vorstehenden Hochrechnungen ist dieser Termin für eine Entscheidung über eine erneute Kandidatur nicht günstig gewählt. Denn fallen die Ergebnisse der kommenden drei Landtagswahlen nur ungefähr so aus, wie es die Umfragen andeuten, dürfte es für Köhler zu diesem Zeitpunkt keine einfache Entscheidung werden. Selbst eine knappe schwarz-gelbe absolute Versammlungsmehrheit nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg gäbe keine Sicherheit, ohne Unterstützung einer weiteren Fraktion der Bundesversammlung in einem der ersten zwei Wahlgänge gewählt zu werden. Zudem birgt noch die Landtagswahl in Bayern aufgrund des sehr guten CSU-Ergebnisses bei der Landtagswahl 2003 die Gefahr weiterer Einbußen für schwarz-gelb, die auch nicht durch den Wiedereinzug der FDP ins Maximilianeum ausgeglichen werden müssen (siehe folgende Hochrechnung).

Hochrechnung zur Landtagswahl in Bayern auf Basis von Umfragewerten

  Basis (Stand) Gesamt CDU/CSU FDP SPD GRÜNE LINKE Sonstige
Absolute Mehrheit bei 614 Sitzen; Vorbehaltlich möglicher Abweichungen durch freies Stimmverhalten, bei Veränderungen der Zahl der
Länderdelegierten aufgrund von Bevölkerungsverschiebungen und deren Wahlen sowie dem Ausscheiden von Bundestagsmitgliedern
ohne Nachrücker
Bundesversammlung
(Zwischensumme)
Infratest dimap 1.226 520 94 425 88–89 90–91 7
Bayern Aktuelle Sitzverteilung
(20.01.2008)
−92 −64 −21 −7
Infratest dimap
(09.01.2008)
92 54 6 22 10
Bundesversammlung
(Zwischensumme)
Infratest dimap
 
1.226 510 100 427 91–92 90–91 7
(informell: 610)

Ob sich der amtierende Bundespräsident angesichts solcher Aussichten dem Risiko einer Wahl mit relativer Mehrheit im dritten Wahlgang in der Bundesversammlung aussetzt oder auf eine notwendige Unterstützung neben Union und FDP bauen will, darüber kann man spekulieren. Da sich durch die Bürgerschaftswahl in Hamburg aufgrund der in der Hansestadt nur wenigen zu vergebenden Bundesversammlungsmandate nicht mehr viel tun wird, könnten schon die Landtagswahlen am nächsten Sonntag die Grundlage für eine Vorentscheidung der Bundespräsidentenwahl 2009, zumindest in einer personellen Frage bringen – oder eine Verschiebung der Kandidaturentscheidung auf September.


von Matthias Cantow, Martin Fehndrich und Wilko Zicht (18.01.2008, letzte Aktualisierung: 28.01.2008)