Nachrichten

[Archiv 2002]

[Aktuelle Meldungen]

13.02.2002

Hessischer Staatsgerichtshof weist Klage der Grünen zurück

Mit dem heutigen Urteil des Hessischen Staatsgerichtshofs hat die gerichtliche Überprüfung der hessischen Landtagswahl 1999 im Lichte des aufgedeckten Finanzskandals der CDU ihr Ende gefunden: Die Wahl bleibt gültig. Das Gericht weist die Grundrechtsklagen teils als unzulässig, teils als "jedenfalls unbegründet" zurück.

Unzulässig sei das Vorbringen der Kläger insoweit, als sie die Verwendung nicht deklarierten Vermögens im Landtagswahlkampf der CDU als Verletzung der Chancengleichheit zwischen den Parteien rügen:

"Der Umstand, dass im Wahlkampf im Rechenschaftsbericht nicht ausgewiesenes Vermögen verwendet wurde, wirkte für sich genommen nicht auf die Wählerwillensbildung ein. Erst die Wahlkampfaktionen, die aus nicht deklariertem Vermögen mitfinanziert waren, namentlich die Kampagne zur doppelten Staatsangehörigkeit, zielten auf die Beeinflussung der Wählerwillensbildung ab. Ihre Einstufung als Wahlfehler scheitert indes von vornherein daran, dass diese Wahlkampfaktionen offen geführt wurden und ein Ausgleich mit Mitteln des Wahlwettbewerbs möglich war, der im Übrigen von den Konkurrenten im Landtagswahlkampf auch gesucht wurde."

Den zweiten wesentlichen Vorwurf der Kläger - den Verstoß der CDU gegen das Transparenzgebot bei der Parteienfinanzierung - sieht das Gericht als "jedenfalls unbegründet" an. Immerhin räumt der Staatsgerichtshof im Gegensatz zum Wahlprüfungsgericht ein, daß ein solcher Verstoß grundsätzlich als Wahlfehler in Betracht komme:

"Dieses Publizitätsgebot in Finanzfragen sichert die Integrität des demokratischen Willensbildungsprozesses, indem dem Wähler offenbart wird, welche Gruppen, Verbände oder Personen im Sinne ihrer Interessen durch Geldzuwendungen auf die Parteien politisch einzuwirken suchen. Das Transparenzgebot hat damit - unabhängig von seiner tatsächlichen Bedeutung für die jeweilige Wählerentscheidung - von Verfassungs wegen eine normative Relevanz für die Wählerentscheidung und soll nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugleich zur Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb beitragen."

Unter Berufung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8.2.2001 vertritt das Gericht jedoch die Auffassung, daß ein Verstoß gegen das Transparenzgebot im konkreten Fall ähnlich schwerwiegend sein müsse wie die im Strafgesetzbuch aufgeführten Vergehen wie Wahlfälschung, Wählernötigung, Wählertäuschung oder Wählerbestechung. Dies sei jedoch nicht der Fall:

"Ein diesen Straftatbeständen vergleichbar schwerwiegendes Verhalten stellt der Verstoß gegen das Transparenzgebot durch Vorlage eines unrichtigen Rechenschaftsberichts für das Jahr 1997 für sich genommen nicht dar. Eine solche Einflussnahme auf die Wählerwillensbildung durch Fehlinformationen oder das Vorenthalten von Informationen über die für die Wahlentscheidung der Wähler potentiell relevante Finanzierung einer Partei ist - auch wenn dieses Verhalten gegen das Transparenzgebot der Verfassung verstößt - nach Art und Gewicht grundsätzlich nicht vergleichbar mit einer strafbewehrten Einwirkung auf die Wählerwillensbildung, etwa durch Wählernötigung oder -bestechung, oder deren Aktualisierung im Wahlakt. Im Hinblick auf die konkret in Rede stehende Vorlage eines unrichtigen Rechenschaftsberichts für das Jahr 1997 steht der Vergleichbarkeit mit den Wahlstraftatbeständen der §§ 107 ff. StGB zudem entgegen, dass damit jedenfalls kein unmittelbarer Angriff auf den Ablauf des demokratischen Wahlaktes beabsichtigt war, wie ihn die genannten Strafvorschriften ihrem Schutzzweck nach voraussetzen. Gesichtspunkte, deren Hinzutreten einem Verstoß gegen das Transparenzgebot ausnahmsweise die Qualität eines Verhaltens verleihen könnten, das seiner Schwere nach den Tatbeständen des Wahlstrafrechts gleich zu achten ist, haben weder die Antragsteller aufgezeigt noch sind sie für den Staatsgerichtshof hier ersichtlich."

Das Wahlprüfungsgericht hatte im vergangenen Jahr das Verfahren eingestellt, weil nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8.2.2001 eine Verletzung der Chancengleichheit zwischen den Parteien in keinem Fall einen relevanten Wahlfehler darstellen könne. Diese Ansicht macht sich der Staatsgerichtshof in seinem Urteil nicht zu eigen, er verwirft sie aber auch nicht ausdrücklich.


Links:

Urteil des Staatsgerichtshofs vom 13.02.2002

Beschluß des Wahlprüfungsgerichts vom 23.02.2001

Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 08.02.2001


von Wilko Zicht