Sperrklausel

[Wahlrechtslexikon]

Definition

Eine Sperrklausel ist eine (explizite oder implizite) gesetzliche Bestimmung im Wahlsystem, welche die Teilnahme einer Partei an der Mandatsvergabe vom Erreichen einer bestimmten Zahl vom Stimmen abhängig macht.

So kann eine explizite Fünf-Prozent-Hürde oder Grundmandatsklausel die Teilnahme an der Mandatsverteilung vom Erreichen eines bestimmten Prozentsatzes der gültigen abgegebenen Stimmen oder der Stimmenmehrheit in einem (oder mehreren) Wahlkreisen abhängig machen.

Eine implizite (faktische) Sperrklausel ist die sich durch die Wahlkreisgröße und das Sitzzuteilungsverfahren ergebene Bedingung zum Erreichen des ersten Sitzes. So liegt als Faustformel die faktische Sperrklausel bei der Verwendung des Divisorverfahrens mit Abrundung (D’Hondt) doppelt so hoch, wie bei der Verwendung des Quotenverfahren mit Restausgleich nach größten Bruchteilen (Hare-Niemeyer) oder des Divisorverfahrens mit Standardrundung (Sainte-Laguë). Allerdings lässt sich die Hürde für den ersten Sitz gerade bei Divisorverfahren recht genau einstellen (z. B. Dänische oder ausgeglichene Methode).

Auswirkungen

Die Sperrklausel steuert die Struktur des Parteiensystems. So hat sie in Deutschland zu einem Zwei- bis Vierparteiensystem geführt. Da es dafür sorgen kann, dass sich die Stimmen nur auf die vorraussichtlich erfolgreichen Parteien verteilen, wird durch sie teilweise ein proporzverstärkender Effekt gesehen (siehe auch Konzentrationsanreiz in Verhältniswahlsystemen).

Die Anordnung einer Sperrklausel durch den Gesetzgeber bedeutet eine Durchbrechung der formalen Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der beteiligten Wahlvorschlagsträger. Sie bedarf nach ständiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung zu ihrer Rechtfertigung eines zwingenden Grundes.

Funktionale Rechtfertigung einer Sperrklausel ist u.a das Ermöglichen einer stabilen Regierungsmehrheit, aber auch die staatsorganisatorische Konstruktion eines Bundeslandes oder Stadtstaates (z. B. Bremer Kommunalparlament).

Dass ein Wegfallen dieser Notwendigkeit (z. B. durch Direktwahl des Verwaltungschef) die Verfassungsmäßigkeit einer Sperrklausel in Frage stellen kann, zeigt beispielsweise die Entscheidung des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs in Münster (siehe Pressemitteilung vom 6. Juli 1999 – Organklagen gegen 5 %-Sperrklausel im Kommunalwahlrecht erfolgreich).

Sperrklauseln werden immer wieder mit dem Hinweis auf die Unregierbarkeit der Weimarer Republik, in der es keine Sperrklausel gegeben habe, gerechtfertigt. Dies steht aber in gewissem Widerspruch zum Reichstagswahlsystem, in dem es durch die Einteilung des Wahlgebietes und die Art der Stimmenverrechnung eine gewisse faktische Hürde gab.

Paradoxien

Explizite Sperrklauseln können im Zusammenspiel mit dem Quotenverfahren mit Restausgleich nach größten Bruchteilen (Hare-Niemeyer) zum Auftreten von negativen Stimmen führen.

Negative Stimmen per Konstruktion können dann auftreten, wenn eine Partei durch Verfehlen einer Prozenthürde vergleichsweise besser dastünde.

Einfluss auf das Wahlverhalten

Eine Sperrklausel beeinflusst durch die Verzerrung des Stimmengewichts immer auch das Wahlverhalten selbst (d. h., sie führt zu dem sogenannten taktischen Wählen).

Durch die Sperrklausel werden viele Stimmen bei der Sitzverteilung nicht berücksichtigt. Durch die Möglichkeit einer Alternativstimme gäbe es eine Möglichkeit sowohl die Parteienzersplitterung als auch den wertlosen Verfall vieler Wählerstimmen zu verhindern. Vor allem würden die Wähler nicht zu taktischem Wählen gezwungen, eine aufrichtige Stimmabgabe wäre dann die optimale Stimmabgabe.


von Martin Fehndrich (letzte Aktualisierung: 04.09.2006)