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Neueste Umfragen: SPD zurück in den K...

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S83
Veröffentlicht am Samstag, 26. April 2003 - 11:52 Uhr:   

Die neueste Emnid-Umfrage bestätigt, was bereits die neuste Forsa-Umfrage zeigte: Bei beiden rutscht die SPD wieder ab auf 30%

Der Krieg ist vorbei, also zieht die Antikriegspolitik nicht mehr, dafür schlägt sich allerdings das SPD-interne Chaos um die Sozialreformen in den Umfragewerten nieder.

Frage: Wird sich dies auf die Wahlen in Bremen auswirken? Kann sich Stoiber jetzt doch wieder Hoffnungen auf 60% im September machen?
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 28. April 2003 - 11:43 Uhr:   

Ich habe das Gefühl, das ist bisher "nur" das Abklingen des Irak-Zwischenhochs.
Das SPD-interne Hickhack ist ja erst in den letzten zwei Wochen richtig hochgekocht. Und es dauert ja ein bißchen, bis sich so etwas in der Bewertung der Wähler und dann in den Umfragen widerspiegelt.

Und es ist nun mal bekannt, daß Wähler parteiinternen Streit überhaupt nicht gut finden (obwohl das demokratie-theoretisch eigentlich eine bescheuerte Einstellung ist).
Für Bremen sehe ich da durchaus Auswirkungen (siehe getrennte Diskussion dazu).
Nicht aber für Bayern. Wer dort (immer noch ...) SPD wählt, wird sich eher vom grundsatz-treuen Engagement der SPD-Linken gegen Schröder beeindrucken lassen. Die Initiatoren dieses "Aufstands" kommen ja ganz überproportional aus Bayern.

Umgekehrt scheint Stoiber derzeit etwas Probleme zu haben.
Die Begeisterung über das gute bayrische Bundestagswahlergebnis ist abgeklungen, viele Leute haben im Gegenteil jetzt doch das Gefühl, daß Stoiber eigentlich halt doch versagt hat, seine bundespolitische Bedeutung ist wieder auf Normalmaß zurückgegangen und die Landespolitik sieht vergleichsweise öde und langweilig aus.
Das sind alles sehr unscharfe Bauchgefühle. Es würde mich aber nicht überraschen, wenn die CSU trotz guter Unionsumfragewerte bundesweit erhebliche Mobilisierungsprobleme bekäme - Angst vor einem Regierungswechsel hat ja von ihren Anhängern niemand.
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Stoiber-Fan
Veröffentlicht am Montag, 28. April 2003 - 17:10 Uhr:   

"...daß Stoiber eigentlich halt doch versagt hat..."
Naja, vielleicht überwiegt dann für einen frommen Katholiken auf dem Lande doch eher der Gedanke, daß Stoiber recht hatte. Beim Versagen denkt er wohl eher an Schröder als an Stoiber.
Aber die Mobilisierung wird harte Arbeit sein, das stimmt schon, denn bei der relativ unwichtigen Europawahl war es für die Wählerschaft leicht die Verärgerung über Rot-Grün einfach durch CSU-Stimmen zu demonstrieren. Bei der LTW wird das nicht so einfach. Aber man diskutiert ja derzeit in luftigen Höhen, bedeutet 55%, daß die CSU ein Mobilisierungsproblem hat?
Der Wahlkampf der CSU hat noch nicht begonnen, der der SPD schon, überall hängt der Spitzenkandidat mit dem Spruch "Die soziale Kraft" rum.

Die bundesweite Stimmung könnte sich bis zur Wahl für die SPD bessern, ich glaube nicht, daß es weiter abwärts geht, denn Schröder wird sich sicher durchsetzen. Es werden zwar immer viele schreien, aber das dürfte in den jetzigen 30% schon dabei sein. Solange es keine große Regierungskrise durch die Reformen gibt, werden keinen neuen Tiefstände erreicht werden (denke ich mal).
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c07
Veröffentlicht am Montag, 28. April 2003 - 17:36 Uhr:   

Ralf:
> Und es ist nun mal bekannt, daß Wähler parteiinternen Streit
> überhaupt nicht gut finden (obwohl das demokratie-theoretisch
> eigentlich eine bescheuerte Einstellung ist).

Ja, aber bei den Wählern ist es zumindest nachvollziehbar, weil Menschen generell gern klare Positionen haben, mit denen sie sich identifizieren können, oder die zumindest ein schönes Feindbild abgeben. Dass die Medien das aber noch unterstützen anstatt sich um stärkere Differenzierung zu bemühen, ist ein Armutszeugnis, und den öffentlich-rechtlichen nimmt es eigentlich ihre Existenzberechtigung.

> Bayern. Wer dort (immer noch ...) SPD wählt, wird sich eher
> vom grundsatz-treuen Engagement der SPD-Linken gegen Schröder
> beeindrucken lassen.

Die bayrische SPD gehört sicher nicht zu den eher linken Landesverbänden. Aber dort ist Wahlkampf, und auch die CSU beginnt ja allmählich, sich von Reformen zu distanzieren, wo sie zu konkret werden. Da will sich die SPD natürlich nicht links überholen lassen.

> Umgekehrt scheint Stoiber derzeit etwas Probleme zu haben.

Er hat die Messlatte sehr hoch gehängt. Bayern steht zwar nach wie vor in den Bereichen, die den Leuten wichtig sind, hervorragend da, aber der Vorsprung wird kleiner. Genau das hat er aber für die Stellung Deutschlands in Europa dauernd übertrieben problematisiert und damit eine Erwartungshaltung erzeugt, die er nun selber einlösen muss. Ob das tatsächlich zu Mobilisierungsproblemen führt, wird davon abhängen, ob er erfolgreich die Schuld auf die Bundesregierung schieben kann und inwieweit diese ihn dabei unterstützt. Und beim Vergleich zu den letzten Wahlen muss man auch noch bedenken, dass die Wahlbeteiligung gegen den bundesweiten Trend die letzten Wahlen immer deutlich gestiegen ist. Der Mobilisierungsgrad ist also auf ziemlich hohem Niveau und kann schon allein deshalb leicht zurückgehen.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 29. April 2003 - 12:23 Uhr:   

@c07:
> und den öffentlich-rechtlichen nimmt es eigentlich ihre
> Existenzberechtigung.
Richtig.
Noch ein Argument mehr gegen die GEZ-Abzocker.

> Die bayrische SPD gehört sicher nicht zu den eher linken
> Landesverbänden.
Ich habe da keine Insiderkenntnisse - habe aber jetzt mehrfach gehört, daß dort die reine linke Lehre viel verbreiteter wäre als in vielen anderen Landesverbänden.

> und auch die CSU beginnt ja allmählich, sich von Reformen zu
> distanzieren, wo sie zu konkret werden.
Genau wie die Grünen ...
Ich finde das schon entlarvend, wie die CSU hier agiert.
Das zeigt, daß man einen Kanzler Stoiber genauso in Richtung Reformen hätte treten müssen wie Schröder.

> Bayern steht zwar nach wie vor in den Bereichen, die den Leuten
> wichtig sind, hervorragend da, aber der Vorsprung wird kleiner.
Der Vorsprung wird kleiner, die Probleme etwas sichtbarer.
Und vor allem: Die Leute haben sich ja längst daran gewöhnt, in Bayern NICHT dieselben Probleme zu haben wie sonst in Deutschland. Und wenn das nachläßt, wird die CSU das nicht leicht auf den Bund schieben können - sie hat sich ja auch umgekehrt immer die Erfolge aufs eigene Konto gebucht.
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Niederbayer
Veröffentlicht am Dienstag, 29. April 2003 - 19:24 Uhr:   

Zun den Linken in der bayerischen: Wenn man sich die bekennenden Linken in der SPD- Bundestagsfraktion ansieht, so stellt man schon fest, dass davon etliche aus Bayern kommen. Daher bin ich der Meinung, dass der bayerische Landsverband zumindest bei den im Bundestag vertretenen Personen sehr wohl links ist.
Zu Stoiber und der CSU: Ralf, die CSU hat ja wohl das weitgehendere Programm vorgelegt und Merkel bremst, darum gibt es ja dei Uneinigkeiten in der Unionsspitze. Stoibers Vorschläge gehen in etlichen Punkten über die der CDU hinaus, so beim Kündigungsschutz, bei der Arbeitslosenversicherung und bei einer Steuerreform. Stoiber selbst hat sich in Interviews wiederholt so geäußert, dass sein Programm das Mindestmaß an Reformen sei. Insofern ist mir Ihre Aussage unverständlich, eher bin ich von Merkel aufgrund deren Profllosigkeit in der Wirtschaftspolitik enttäuscht.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Dienstag, 29. April 2003 - 21:41 Uhr:   

Ich denke auch, dass jetzt nach Ende des Irak-Krieges die unterschiedlichen Positionen insbesondere in der SPD, die zur indirekten Rücktrittsdrohung Schröders führten, die Umfragen für die Partei zurückgehen lässt. Das "Dilemma" der SPD ist meines Erachtens, dass sie seit der 1968-Bewegung aus zwei Parteien besteht: einer klassischen Sozialdemokratie (Stichwort: "Seeheimer Kreis") der die Reformen im Schröderschen Sinne unterstützt und eher linke Sozialdemokraten, die eine programmatisch-inhaltliche Nähe zu Positionen Lafontaines hat. Wahlniederlagen der SPD führt der eine Flügel ("Seeheimer Kreis", "Reformer) um Clement darauf zurück, dass die geplanten Reformen (und dies sind Rücknahmen von Reformen) nicht konsequent durchgeführt worden seien, während der andere Flügel (Schreiner etc.) die Wahlniederlagen darauf zurückführt, dass die soziale Gerechtigkeit nicht mehr erkennbar sei und die SPD nicht von ihren Wählern gewählt würde, wenn sie eine "CDU-Light"-Politik betriebe. Im Gegensatz zur Labour-Partei Blairs gab es in der SPD eben weder vor dem Wahlsieg 1998 noch danach eine klare Richtungsentscheidung, wie immer man inhaltlich zu ihr stehen mag. Dies bewirkt Streit - den ich selber für produktiv und richtig halte und mich wundere, dass er sonst nirgendwo ausgetragen wird - , der aber von der Mehrheit der Wähler als "Zerstrittenheit" abgelehnt wird. Daher meines Erachtens der Rückgang an Umfragedaten der SPD.

Hinzu kommt - dies hat ja die CDU während der Endzeit der Regierung Kohl erfahren müssen - dass Reformen weh tun. Kohl wurde 1998 ja nicht nur abgewählt, weil man sein Gesicht nach 16-jähriger Kanzlerschaft nicht mehr "sehen" konnte, sondern weil die seit 1996 eingeleiteten Reformen, insbesondere die Abschaffung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in bestimmten Bereichen - als sozial ungerecht empfunden wurden. In der Koalition mit der FDP konnte sich der Arbeitnehmerflügel der CDU nicht mehr durchsetzen und die Politik der Regierung Kohl als unsozial von der Mehrheit der Wähler, die sahen, dass "Reformen" nicht mehr Zuwachs, sondern Abbau von erworbenen Leistungen bedeuteten, abgelehnt wurden. Jetzt muss Schröder das nachholen, was Kohl begonnen hatte (siehe Rürup-Vorschläge bei der Rentenreform) und dies wollen die eigenen SPD-Stammwähler nicht. Diese sind verunsichert und bleiben zuhause. Für eine klassische sozialdemokratische Politik, etwa die Wiedereinführung der privaten Vermögenssteuer, fehlen Mehrheiten, da der Bundesrat aus Union und FDP einer solchen Maßnahme nicht zustimmen würde. Ein Dilemma für die SPD, die sich in niedrigen Umfragezahlen niederschlägt. Hinzu kommt, dass Schröder - im Gegensatz zu Willy Brandt oder Oskar Lafontaine der SPD kein "Wir"-Gefühl bzw. eine Nestwärme zu geben vermag. Die Partei "ertrug" Schröder, der als Wahlkampflokomotive Erfolg versprach und bislang letztlich - bei den Bundestagswahlen - auch hatte. Aber diese Zeit dürfte - auch längerfristig - zu Ende gehen. Aber bei einem möglichen erneuten Regierungswechsel zugunsten von Union und FDP im Jahre 2006 oder früher steht die dann neue Regierung vor dem selben Problem: die Reformen dürften von den Wählern abgelehnt werden, die Bundesratsmehrheiten dürften dann längerfristig zugunsten einer oppositionellen SPD kippen und das ganze Theater geht von vorne los. Daher ja mein vor längerer Zeit gemachter Vorschlag, das Miteinander von Bundestag und Bundesrat neu zu regeln, dass eine "Cohabitation" bzw. Blockade nicht möglich ist (siehe Rubrik: Notwendige Verfassungsänderungen). Fazit: Solange Reformen als sozial ungerecht empfunden werden, werden sie bei der Mehrheit der Bevölkerung nicht akzeptiert werden, die "Volksparteien" werden darunter leiden. Für die jeweilige Opposition natürlich ein Triumpf - bis sie selber an der Regierung ist und vor denselben gravierenden Problemen steht.
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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Dienstag, 29. April 2003 - 21:54 Uhr:   

@ Bernhard Nowak: Stimme der Analyse eigentlich in allen Punkten zu. Mir kommt aber noch hinzu, daß die SPD ja auch de facto kein Programm hat. An der Spitze der Programmkommission steht immerhin, soweit ich weiß, immer noch Rudolf Scharping! Das Godesberger Programm ist völlig veraltet, und das meiste, was zwischen 82 und 98 geschrieben wurde, war unrealistisch. Seit sie an der Regierung ist, ist Programm eben immer das, was Schröder gerade so steigen läßt. Damit wir uns nicht mißverstehen: die CDU hat meines Erachtens so etwas auch nicht, nach 16 Jahren Kohl ist das natürlich auch schwer - Schäuble hätte das packen können, aber der ist ja leider nur noch zweite bis dritte Reihe... Wenn ich andererseits darüber nachdenke, wer außer Schröder zur Zeit die SPD führen könnte, wird mir auch ganz anders ... naja, warten wir mal den Parteitag ab.
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Nimreem
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. April 2003 - 09:04 Uhr:   

@ Bernhard,

grundsätzlich stimme ich dir zu. Nur bei der Vermögenssteuer wundere ich mich schon. Gerade weil es klar ist, dass die Union sie im Bundesrat blockieren wird, könnte Schröder doch die Linken an sich binden, in dem er sie befürwortet und im Bundestag beschliessen lässt. Dass sie dann nicht zustandekommt, kann er der Union vorwerfen und dann erklären: "Die Union stimmt den Belastungen der armen Leute zu, ist aber gegen die Belastung für die reichen Leute."

Dass Schröder diese Taktik nicht wählt, wundert mich.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. April 2003 - 14:29 Uhr:   

@Niederbayer:
> Stoiber selbst hat sich in Interviews wiederholt so geäußert, dass sein
> Programm das Mindestmaß an Reformen sei.
Stoiber spricht zwar sehr oft abstrakt von Reformen. Aber bei konkreten Details erlebe ich ihn überwiegend bei den Nein-Sagern.
Und das hat Tradition: Auch in den letzten vier Jahren der alten Koalition scheiterten viele Reformvorstöße an der CSU bzw. mußten gegen sie durchgedrückt werden.
Prominentestes Beispiel ist die Steuerreform, die ohne den CSU-Widerstand schon Jahre früher hätte beschlossen werden können, als die Lafontaine-Blockademehrheit im Bundesrat noch nicht da war.
Beim Vergleich mit Merkel kann ich nicht viel sagen - die Unions-internen Konfliktlinien sind derzeit schwer nachzuvollziehen.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. April 2003 - 14:39 Uhr:   

@Bernhard Nowak:
Die Verhältnisse in der SPD sehe ich genauso.
Insofern bekommt die SPD derzeit auch zu Recht öffentliche Schelte.
Es ist halt nicht ein Richtungsstreit nach klassischem demokratischen Drehbuch, bei dem auf eine neu auftauchende Frage über Lösungsalternativen abgestimmt werden muß.
Sondern es geht darum, daß die SPD nun Aussagen und Versprechen wieder einsammeln muß, von denen die Spitze schon jahrelang wußte, daß die irreal waren. Solange man erfolgreich Wahlen damit gewinnen konnte, wollte man halt gewisse Parolen nicht entsorgen - wie das New Labour gemacht hat.
Was nun die Reformfreudigkeit in der Bevölkerung angeht: Natürlich hat die Anti-Reform-Propaganda von "die Rente ist sicher"-Blüm bis Lafontaine jahrelang und flächendeckend gewirkt und nun wollen viele Leute die bittere Wahrheit nicht glauben.

Aber eigentlich ist das nur eine etwas verschärfte Variante ganz normaler Politik: Wenn eine Regierung irgendetwas anpackt, ist der Protest der von der Veränderung betroffenen meist größer als die diffuse Vorfreude derer, die am Ende davon profitieren würden (auch wenn es sich um dieselben Leute handelt ...).
Eine Regierungsperiode besteht im Normalfall aus einer Aneinanderreihung von Maßnahmen, die alle umstritten sind.

Und erst am Ende wird Bilanz gezogen und die Wähler überlegen sich, ob die Ergebnisse dieser Maßnahmen nicht insgesamt doch befriedigend sind.
Nichts tun um Streit und Ärger zu vermeiden führt dagegen fast immer zu einer sehr enttäuschten Bilanz.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Mittwoch, 30. April 2003 - 18:37 Uhr:   

@Nimreen:
grundsätzlich gebe ich Dir in Sachen Vermögenssteuer recht. Ich selber halte die Wiedereinführung der privaten Vermögenssteuer auch für notwendig. Allerdings würde eben dann lediglich der eher linke Flügel der SPD hinter Schröder stehen, da Clement und der eher rechte Flügel eine Wiedereinführung dieser Steuer ja ablehnen, und dann wäre die SPD erneut uneinig, das "Dilemma" damit meines Erachtens also nicht gelöst, zumal sie sich eben nicht durchsetzen ließe. Für mich bleibt nach wie vor neben dem geschilderten obigen Dilemma der Zerrissenheit der SPD auch das Problem, dass der Bundesrat - egal ob Lafontaine unter der Regierung Kohl oder jetzt die Mehrheit aus Union und FDP unter Schröder - derart viel Mitspracherecht in Angelegenheiten haben, die meines Erachtens klassische Regierungspolitik eines Landes sind, auch wenn es zugegebermaßen Durchführungsgesetze sind, für die Länderbehörden zuständig sind. So ist eben das Dilemma dadurch erweiterbar, dass nicht nur innerhalb der Partei oder der Regierungskoalition (auch linksorientierte Grüne tun sich ja mit der Agenda 2010 sehr schwer) ein Konsens über Reformen erzielt werden muß, sondern dann de facto auch mit der Opposition, zumindest der Union. Dies gelingt selten, was den Eindruck des Stillstandes entstehen lässt. Wie angedeutet: es sind viele Probleme, die anzupacken und zu lösen sind.
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Cram
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Mai 2003 - 15:18 Uhr:   

@Bernhard,

Vermögenssteuer: Ich bin gegen Substanzbesteuerung und daher auch gegeneien Vermögenssteuer. Ich begrüße daher das dies nicht in den gegenwärtigen Plänen enthalten ist, wenngleich man sich bei der SPD natürlich nie sicher sein kann was noch kommt. Es ist jedenfalls nicht so das die Vermögenssteuer an Widerständen innerhalb der SPD gescheitert wäre:
"Allerdings würde eben dann lediglich der eher linke Flügel der SPD hinter Schröder stehen, da Clement und der eher rechte Flügel eine Wiedereinführung dieser Steuer ja ablehnen." - Eben nicht. Es war doch gerade Herr Clement der nach der Bundestagswahl diese Steuer ins Gespräch brachte. Auch Gabriel und Steinbrück sprachen sich für eine solche Steuer aus. Wo ist also der angeblich rechte Flügel der SPD der diese ablehnen würde??? Es gibt ihn nicht.
Der Grund das die Steuer nicht in dem Programm steht hat Herr Müntefering kürzlich gesagt: Es mache keinen Sinn ein Gesetzesvorhaben zu beginnen bei dem von vornherein klar ist das es keine Aussicht hat verabschiedet zu werden (in dem Fall durch den Bundesrat zu kommen).
Wenn die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat anders wären hätte Rot-Grün sie eingeführt und falls sie anders werden würden würde das auch wieder auf die Agenda kommen. Es ist letzlich die deutliche schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat (die durch die Wähler gewünscht und herbeigeführt wurde) die die Rot-Grüne Regierung zwingt von neuen "Umverteilungssteuern" Abstand zu nehmen und dazu zwingt keine neokeysianistische Politik ala Lafontaine zu betreiben. Die Mehrheit ist gegen die Neuauflage von Konzepten aus den 70er-Jahren, die bereits damals nicht funktioniert haben und einen gewaltigen Anstieg der Staatsverschuldung und Steuern zu folge hatten ohne das ein Anstieg der Arbeitslosigkeit durch sie verhindert wurde.

Bei der letzten Bundestagswahl hat am Ende der persönliche Bonus den Ausschlag gegeben. Schröder lag vor Stoiber, Fischer vor Westerwelle. Aber bei der Kompetenzzuschreibung lag Schwarz-Gelb vor Rot-Grün.
Die Wahlentscheidung wurde letzlich durch die Pesönlichkeitswerte entschieden. Das hat ein ganz gravierendes Manko: Unser politisches System setzt die Identität von Personen und Parteien voraus. Es gibt die klare Aufteilung von Regierung und Opposition.
Und darin liegt auch ein Aspekt des Konflikt: Schröder beansprucht für sich den Anspruch Entscheidungen verordnen zu können aufgrund des Wahlergebnisses von 22. September. Er hat damit praktisch den Anspruch der auch ein direkt gewählter Präsident erheben würde (wie z.B. Präsident Bush in den USA). Nur: er ist eben nicht (wirklich)direkt gewählt. In den USA werden eben sowohl Präsident wie Parlament direkt gewählt. Exekutive und Legislative leiten sich eben direkt vom Volk ab. Bei uns leitet sich die Exekutive von der Legislative, also vom Parlament ab. Und damit ist die Identität von Person und Parteien und die Geschlossenheit von Parteien eben entscheidend. Anders als in den USA wo es ganz häufig der Wahl war das die Partei des Präsidenten in einem der Häuser des Kongeßes oder sogar in beiden keine Mehrheit hatte. Auch aufgrund des Wahlsystems spielen die Parteien nicht die Rolle wie in Deutschland. Und es wird auch nicht immer geschlossen nach Parteien abgestimmt (auch ein Ergebnis des Mehrheitswahlrechts und der damit verbunden direkten Legitimation aller Abgeordneten).

Ganz anders ist da das politische System in Deutschland in dem Eben die Regierung sich aus der Mehrheit des Parlaments ableitet und aus der Geschlossenheit eben dieser. Jedwede Sachentscheidung ist daher auch immer eine Machtentscheidung und daher muß eine Regierung immer in der Lage sein eine eigene Mehrheit aufzubieten. Einmal hat Schröder dies schon nicht geschafft (Mazedonien), einmal nur mit den Mittel der Vertrauensfrage und nun? Wieder Vertrauensfrage???
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Mai 2003 - 16:33 Uhr:   

@Cram: Meines Wissens wurde der Vorschlag von Steinbrück und Gabriel, eine private Vermögenssteuer einzuführen, die ich selber aufgrund der privaten Einkommensverteilung für richtig halte, von Wirtschafts- und Arbeitsminister Clement abgelehnt. Deinen sonstigen Analysen stimme ich zu, auch wenn ich selber der Meinung bin, dass eine klassische - nicht neo- keynisianische Politik, wie sie von Roosevelt im "New Deal" in den 1930-ger Jahren betrieben wurde, zumindest in der gegenwärtigen Rezession nicht unvernünftiger wäre als die derzeit verfolgte Wirtschaftspolitik; darüber kann man sicherlich aber gerne streiten. Ich teile hingegen Deine Analysen bezüglich der Kompetenzen des direkt gewählten US-Präsidenten im Unterschied zum indirekt - durch das Parlament - gewählten Kanzler. Ich teile auch Deine Analyse über den Führungsstil Schröders, den ich für falsch halte (vgl. den gestrigen ZEIT-Artikel zu diesem Thema von Gunter Hofmann). Es hat aber keinen Sinn, in diesem Thread, der den niedrigeren Umfragewerten der SPD gewidmet ist, sich über unterschiedliche wirtschaftspolitische Strategien auszutauschen. Mir geht es eigentlich um anderes: man kann über die Politik von Parteien verschiedener Auffassung sein; aber das, was die "Grundlagen" einer Politik einer Partei ausmacht, muss erkennbar sein. So würde es der FDP niemand abnehmen, wenn sie in der Wirtschaftspolitik (Kündigungsschutz etc.) Positionen der SPD übernehmen würde. Genauso muss man aber erwaretn, dass eine Partei dann zu Grundkonzepten ihrer Politik steht, so dass erkennbar wird, wo sie steht. Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall etc. sind Grundpositionen der Sozialdemokratie seit ihrem Bestehen. Niemand bestreitet, dass unser Sozialstaat umgebaut werden muss und Belastungen, die vorhanden sind, reduziert werden müssen. Aber: gerade eine sozialdemokratische Politik muss die Belastungen sozial gerecht verteilen. Nimreens Strategie hat meines Erachtens daher schon etwas für sich: deutlich die eigenen Positionen betonen und im Bundestag beschließen lassen. Wahlversprechen müssen gehalten werden. Meines Erachtens hat Lafontaine in seiner Analyse durchaus recht; nur hat er sich selber nach viereinhalb Monaten in übelster Weise "davongestohlen" und daher kein Recht zur Kritik. Hätte er sich bemüht, zu gestalten, würde ich ihm die Kritik - die ich inhaltlich teile - abnehmen. Dasselbe gilt für Gregor Gysi - auch er hat sich davongestohlen. Und dies ist das Problem: die SPD macht nicht mehr erkennbar, wo sie steht; sie gibt Wahlversprechen auf und dann sagt sich der frustrierte Wähler - meines Erachtens durchaus zu recht: ich habe für diese Positionen gestanden; wenn sie aufgegeben werden, wähle ich diese Partei oder Koaliton nicht mehr und bleibe zu Hause. Der unentschlossene Wähler wird dann lieber die Parteien, also hier Union und FDP wählen, die immer diese Politik vertreten haben. Und genau dies passiert: die Wähler verlassen die SPD, die ihre Glaubwürdigkeit zunehmend einbüßt, in Scharen. Und wer meint, wie Schröder, eine Sachdiskussion zu vermeiden und mit "Vertrauensfragen" die eigene Partei immer wieder zu dishziplinieren, macht aus seiner Partei einen Kanzlerwahlverein und treibt kritische Mitglieder hinaus. Es ist eben das Dilemma der SPD, dass sie aufgrund ihrer Tradition eine neo-liberalistische Politik nicht mittragen kann und Schröder meint, mit seiner Hau-Ruck-Methode Entscheidungen erzwingen zu können. Dies mag ein, zwei, dreimal gut gehen, irgendwann geht dies daneben. Wenn die SPD zum "Projekt 18" geworden ist, wird sie einsehen, dass es so nicht weitergehen kann.
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alberto
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Mai 2003 - 17:08 Uhr:   

smile
Die werden nicht mehr flügge

Quote:

Von Bernhard Nowak am Mittwoch, den 30. April 2003 - 18:37 Uhr: @Nimreen:   grundsätzlich gebe ich Dir in Sachen Vermögenssteuer recht. Ich selber halte die Wiedereinführung der privaten Vermögenssteuer auch für notwendig. Allerdings würde eben dann lediglich der eher linke Flügel ...


 egal mit welchen Flügeln. Und frische Steuern kannste auch ins Klo werfen. Wenn dein Freund in die Pleite schlittert, und er geht dich um Geld an, dann läßt du dir die Bücher zeigen. Er wird die Angewohnheit haben, mehr auszugeben als er einnimmt.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Du kannst ihm nicht helfen. Willst du dennoch die Firma retten, dann mußt du die Geschäftsleitung auswechseln.

Demokratischer Weise sollte das auch beim Staat gehen. Hast du aber eine parteiübergreifende, nicht abwählbare Mehrheit von Ödies, dann geht das auch nicht. Dann kannste nur noch Fersengeld geben, mehr ist nicht drin.
Freie Wahl zwischen Spießrutenlaufen und erschossen werden
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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Mai 2003 - 17:10 Uhr:   

Tja, aber was soll sie dann machen? Eine klassisch sozialdemokratische Politik ist nicht mehr mehrheitsfähig, eine andere Politik würde die SPD überflüssig machen, weil sie eben auch von anderen Parteien vertreten wird. Als Volkspartei ist die SPD so oder so nicht haltbar. Mit Godesberg hat sich die SPD in die Bundesrepublik gerettet, aber eine zweite radikale Wende kann ich mir nicht vorstellen (Wende vor allem wohin, ohne sich überflüssig zu machen?). Erleben wir also zur Zeit das langsame Ende einer Partei, deren Zeit einfach vorbei ist?
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Mai 2003 - 17:37 Uhr:   

@Torsten:
Das stimmt schon. Aber irgendwo müssen doch die Wähler wissen, wo eine Partei in ihren Grundsätzen "steht" - jetzt mal abgesehen davon, ob man selber eine bestimmte Politik für richtig hält. Kompromisse müssen sicherlich gemacht werden, aber alleine auf die Mehrheitsfähigkeit zu schielen, reicht meines Erachtens eben nicht aus; dies genau führt zu einem solch unbestimmten "Wackelkurs", für den die SPD jetzt - gemessen an den derzeitigen Umfragen - die Quittung - und meines Erachtens völlig zu recht - erhält. Im übrigen ist es auch eine Frage der Medien bzw. der medialen Vermittlung, ob eine Politik von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert werden kann. Zumindest müsste eine Partei wie die SPD darauf achten, dass eine Politik als sozial gerecht wahrgenommen wird. Dann wird ein Abbau von Leistungen des Staates auch in ihren Wählerschaften akzeptiert werden; dies kann ich aber zur Zeit (Beispiel: Rentenbesteuerungspläne) nicht erkennen. Und wenn die SPD ihr eigenes Politikprofil nicht schärfen wird, dann ist ihre Zeit - da gebe ich Dir recht - in der Tat abgelaufen. Dann muss die derzeitige Opposition die "Reformen" durchführen - mit den von mir gestern in meiner ersten Mail zu diesem Thema aufgezeigten Konsequenzen.
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c07
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Mai 2003 - 20:37 Uhr:   

Cram:
> Mehrheit im Bundesrat (die durch die Wähler gewünscht und herbeigeführt wurde)

Ich kann das bald nicht mehr hören. Natürlich ist sie vom Wähler indirekt herbeigeführt worden, aber gewünscht worden ist sie ebenso wenig wie eine rot-grüne Bundesregierung. Die Wähler haben Parteien und Personen in den Bundestag und die Länderparlamente gewählt, und dort haben sich aus Zweckmäßigkeitsgründen feste Bündnisse gebildet, die möglicherweise auch von der Mehrzahl der Wähler gebilligt werden, ohne dass sie aber wirklich Einfluss darauf hätten. Auch die Regierungen sind letztlich nur Hilfsmittel der Parlamente, denen sie unwichtigere Entscheidungen pauschal anvertrauen können (deshalb ist eine Direktwahl auch wenig sinnvoll, aber selbst da, wo sie direkt gewählt werden, geht die Macht bezüglich Grundsatzentscheidungen (über die wir ja hier reden) doch in aller Regel vom Parlament aus).

Für den Bundesrat ist das Argument mit dem Wählerwunsch aber noch viel perverser. Wenn tatsächlich eine Mehrheit der Wähler mit der Wahl in den Ländern Mehrheiten im Bundesrat beeinflussen will, dann ist unser föderales System obsolet. Er ist ein Instrument, die Interessen der Länder zu wahren, und wenn Parteien die so erhaltene Macht auch anderweitig nutzen, dann ist das zwar verständlich, macht aber letztlich nur deutlich, dass es hier erhebliche strukturelle Mängel gibt und/oder dass die föderale Gliederung in ihrer aktuellen Form nichts (mehr) ist, was der Wirklichkeit entspricht (entweder weil sie zu schwach ist oder weil sie überhaupt existiert).

> Jedwede Sachentscheidung ist daher auch immer eine Machtentscheidung und daher
> muß eine Regierung immer in der Lage sein eine eigene Mehrheit aufzubieten.

Ich hab immer gedacht, es wär umgekehrt: Eine Mehrheit sucht sich eine Regierung und nicht eine Regierung eine Mehrheit.
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Torsten Schoeneberg
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Mai 2003 - 20:44 Uhr:   

In der letzten Frage sehe ich das genauso wie c07. Ich halte nichts von dem öffentlichen Geschrei, die Regierung müsse eine eigene Mehrheit im Parlament finden. Ich hätte überhaupt nichts dagegen, wenn Schröder seine Agenda mithilfe der Opposition und gegen einige Abweichler in den eigenen Reihen durchbringt. Nur scheinen weder Schröder noch die Union das zu wollen, aus parteitaktischem Interesse. Schade.
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Cram
Veröffentlicht am Donnerstag, 01. Mai 2003 - 22:15 Uhr:   

"Die Wähler haben Parteien und Personen in den Bundestag und die Länderparlamente gewählt, und dort haben sich aus Zweckmäßigkeitsgründen feste Bündnisse gebildet, die möglicherweise auch von der Mehrzahl der Wähler gebilligt werden, ohne dass sie aber wirklich Einfluss darauf hätten." - theoretisch alles richtig. Aber: in der Praxis gehören zu den Wahlkämpfen Koalitionsaussagen meist dazu. Gerade der Bundestagswahlkampf wurde besonders in der Endphase zu einem Lagerwahlkampf rot-grün gegen Schwarz-Gelb. Dabei wurde der Wahlkampf in besonderen Maße personalisiert (Fernsehduelle) zwischen Schröder und Stoiber.
Die persönliche Werte von Schröder waren dabei besser als die Stoibers, während bei der Kompetenzzuschreibung der Parteien schwarz-gelb klar vor Rot-Grün lag. Den Ausschlag bei der Wahl gab letzlich die Personenkonkurrenz der Spitzenkandidaten.
Schröder leitet ja gerade daraus die Legitimation ab eine 1 zu 1 Umsetzung von seiner Partei zu fordern, da aus seiner Sicht er allein es war der die Partei zum Wahlsieg geführt hat.
Er beansprucht damit eine Art direkte Legitimation von Volk zu besitzen vergleichbar der etwa des Präsidenten in den USA.
Dies ist in der Realität aber eben nicht der Fall. Seine Legitimation kommmt nur indirekt vom Volk: eben über das Parlament: den Bundestag. Er stützt sich dabei auf SPD und Grüne, die einen Koalitionsvertrag verabschiedet haben. Demnach handelt es sich bei SPD und Grünen um die Regierungsparteien und Regierungsfraktionen. Sie stützen die Regierung. CDU/CSU und FDP sind in Opposition. Ihre Aufgabe als Opposition ist es die Regierung zu kontrollieren und zu kritisieren.
Unser politisches System kennt eine klare Trennung zwischen Regierung und Opposition. Das ergibt sich eben gerade daraus das sich die Regierung durch die Parlamentsmehrheit gewählt wird:
"Ich hab immer gedacht, es wär umgekehrt: Eine Mehrheit sucht sich eine Regierung und nicht eine Regierung eine Mehrheit." - Genau richtig. Eine Mehrheit im Bundestag wählt eine Regierung die ihre politisches Programm umsetzt und die dann auch an diese Regierungsmehrheit gebunden ist. Es ist eben gerade nicht so dass die Regierung sich ihre Mehrheit selbst zusammensucht: in einem politischen System in dem die Exekutive direkt gewählt wird ist das Vorhandensein einer eigenen Mehrheit nich unbedingt erforderlich, wenn auch hilfreich (vrgl. USA).

Aber in einem System wie dem unseren, in dem die Regierung eben die Parlamentsmehrheit abbildet ist es wie du richtig sagst eben nicht die Regierung die sich nach belieben eine Parlamentsmehrheit zusammensuchen kann. Die Regierung ergibt sich aus der Parlamentsmehrheit und muß von ihr getragen werden. Wenn sie nicht in der Lage ist in einer wichtigen Frage eine eigene Mehrheit zustande zu bekommen so würde das anzeigen das die Regierung auf einer instabilen und brüchigen Basis steht. Eine solche Regierung ist auf Dauer nicht überlebensfähig. Dann würde sich die Frage nach der Notwendigkeit eines Regierungswechsels oder Koalitionswechsels stellen.
Bei der Afghanistan-Frage hat das der Bundeskanzler selbst auch richtigerweise erkannt und hat daher ja von der Vertrauensfrage Gebrauch gemacht.


"Auch die Regierungen sind letztlich nur Hilfsmittel der Parlamente, denen sie unwichtigere Entscheidungen pauschal anvertrauen können" - das ist so nicht richtig. Aus dem Prinzip der Gewaltenteilung ergibt sich eben auch die Trennung der Gewalten und ein Gleichgewicht zwischen den Gewalten.
Gewaltenteilung in einem demokratischen Rechtsstaat liegt dann vor, wenn:
-die gesetzgebende Gewalt eine frei gewählte Volksvertretung ist
-die Verwaltung gegenüber dem Parlament selbständig ist
-die Rechtssprechung von unabhängigen Gerichten ausgeübt wird.

Die Frage wie welche Instanz gewählt wird läßt sich nicht aus dem Prinzip der Gewaltenteilung ablesen. Und aus dem Begriff des demokratischen Rechtsstaats läßt sich nur ableiten das letzlich alle Gewalt auf das Volk zurückzuführen sein muß. Ob also eine Regierung direkt gewählt wird (z.B. USA, Israel) oder durch das Parlament, ob Richter direkt gewählt werden sollen (teilweise in den USA) oder ob z.B. Polizeipräsidenten (wie z.B. teilweise in den USA)oder andere direkt gewählt werden oder ob dies durch das Parlament geschieht oder durch die Regierung ist eine staatsorganisatorische Frage.
In einer parlamentarischen Demokratie wie der unseren ist es eben das Parlament das die Regierung wählt.


"Wenn tatsächlich eine Mehrheit der Wähler mit der Wahl in den Ländern Mehrheiten im Bundesrat beeinflussen will, dann ist unser föderales System obsolet."
Nun sind die Länder über den Bundesrat an zahlreichen Entscheidungen beteiligt. Und die Frage des Abstimmungsverhaltens hängt von der Zusaemmensetzung der Landesregierung ab. Daher ist es nur natürlich das bundespolitische Fragen bei Landtagswahlkämpfen eine Rolle spielen. Und da die Länder in den letzten Jahrzenten Kompetenzen aufgegeben haben und damit eigene individuelle Entscheidungskompetenz haben sie über den Bundesrat Mitenscheidungsrechte. Die Länder können immer weniger selbst entscheiden und dafür immer mehr im Bundesrat mitentscheiden. Daher hat sich die Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze ja auch über die Jahrzente von 30% auf fast 60% erhöht. Wer das verändern will, der muß sich für eine klarere Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern kümmern. Eine solche Reform ist sinnvoll und notwendig, wobei dabei zu diskutieren sein wird was die Länder künftig allein und was der Bund künftig allein entscheiden darf. Also: Stärkung der Befugnisse der Länder und dafür weniger zustimmungspflichtige Gesetze.
Solange aber die Rechtslage so ist spielt eben bei Landtagswahlen die Bundespolitik und eben die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat eine sehr bedeutende Rolle (bes. natürlich dann wenn sie auf der Kippe stehen - das ist jetzt nicht mehr der Fall: die schwarz-gelbe Mehrheit ist momentan ja recht groß).
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c07
Veröffentlicht am Freitag, 02. Mai 2003 - 02:08 Uhr:   

Cram:

Koalitionsaussagen sind zwar häufig bekannt, aber ein guter Teil der Wähler wählt Parteien nicht wegen, sondern trotz dieser Aussagen. Mal abgesehen davon, dass ja durchaus Wahlergebnisse denkbar sind, bei denen keine der Koalitionsaussagen eingehalten werden kann, und sie nicht unbedingt auf Gegenseitigkeit beruhen.

> Gewaltenteilung in einem demokratischen Rechtsstaat liegt dann vor, wenn:
> -die Verwaltung gegenüber dem Parlament selbständig ist

Das Entscheidende ist doch eher die umgekehrte Richtung. Mag sein, dass ich da nicht mit der herrschenden reinen Lehre übereinstimm, aber das, was einen demokratischen Staat ausmacht, ist für mich das Setzen gemeinsamer Normen durch das Volk selbst oder seine Vertreter. Wie die dann konkret umgesetzt und kontrolliert werden, ist eher eine praktische Frage. Dabei ist es sicher eine gute Idee, Machtkonzentrationen möglichst zu vermeiden, was doch der Sinn von Gewaltenteilung ist. Aber gerade eine starke, unabhängige Regierung erfüllt dieses Kriterium ziemlich schlecht. Selbst das Grundgesetz spricht ja in Artikel 20 nur davon, dass Exekutive und Judikative von der Legislativen abhängig sind, und nicht umgekehrt.

> Die Länder können immer weniger selbst entscheiden
> und dafür immer mehr im Bundesrat mitentscheiden.

Genau das dürfte der Kern des Problems sein. Im Prinzip heißt das, dass sie ihre Existenzberechtigung verloren haben, und die ziemlich überflüssigen Würdenträger quasi als Ausgleich dafür fremde Politikfelder ein bisschen aufmischen dürfen. Mit Föderalismus oder gar Demokratie hat das nichts mehr zu tun. Aber wegen Letzterem ist die Situation ziemlich verfahren und eine Auflösung kaum möglich, nachdem der Souverän ja auch keine Möglichkeit hat, eindeutig klärend einzugreifen. Letztlich müssen wir da wohl auf einen vernünftigen europäischen Staat hoffen, dessen Bildung eine Kompetenzneuverteilung unausweichlich machen wird. Andererseits besteht dabei durchaus die Chance, die selben Fehler auf EU-Ebene zu wiederholen.

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