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Hamster
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 11:14 Uhr: | |
Fairerweise muss man sagen, dass die Institute Allensbach und Forsa einen Vorteil hatten, weil sie noch drei Tage vor der Wahl eine Umfrage veröffentlicht haben. Hier die Abweichung der letzten offiziellen Sonntagsfrage vor der Wahl vom vorläufigen Endergebnis (Schnitt der Parteien SPD, CDU/CSU, Grüne, FDP, PDS): 1. Forsa 0,69% 2. dimap 0,98% 3. FGW 1,00% 4. Allensbach 1,24% 5. Emnid 1,64% Anmerkung: Bei Forsa wurde der Mittelwert der angegebenen Spannbreite berechnet. Beispiel: Die SPD wurde bei Forsa zwischen 38,5 und 39,5% gesehen, der Mittelwert ist 39,0%. |

Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 11:41 Uhr: | |
Der Mittelwert der Abweichungen ist ein ziemlich schlechtes Kriterium. Die übliche Summe der Abweichungsquadrate ist wesentlich aussagekräftiger. Aber beide Kriterien sagen nichts über die eigentliche Qualität der Prognose aus. Die Institute haben einen deutlichen Vorsprung der SPD vor der Union erwartet - de facto liegen sie aber gleichauf. Kein Institut hat jemals vorausgesagt, daß die Grünen so deutlich zulegen und vor der FDP liegen. Und die PDS ist nicht wie prognostiziert knapp in die Nähe der Parlaments gekommen, sondern ganz klar gescheitert. Insgesamt kann man den Meinungsforschern daher nur ein "ungenügend" ausstellen. Wobei diese natürlich verschiedene Erklärungen anbringen können, von denen einige auch plausibel sind. Die Wähler waren nun mal bis zum Schluß wankelhaft. Aber dann kann nur den Schluß ziehen: Wenn man eh keine vernünftige Prognose stellen kann, soll man sich den Bohei gleich sparen. |

Claus
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 16:26 Uhr: | |
Zur Ehrenrettung (einiger) Institute sei hinzugefügt: FG Wahlen und Infratest-dimap vermeldeten zehn Tage vor der Wahl das letzte "Stimmungsbild", also keine Prognose. Forsa und Allensbach hingegen gaben tatsächlich "Prognosen" ab und das 2 Tage vor der Wahl. Dass Allensbach so weit daneben lag, spricht für sich und nicht gerade für das Institut. Methodenansatz und Stichprobenziehung sind bei Allensbach veraltet und die Damen Köcher und Nölle-Neumann verwenden zuviel Energie für politische Einflussnahme und zuwenig für die Sicherstellung der Datengüte. |

ich
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 16:47 Uhr: | |
Ralf: Nur Infratest dimap hat einen Vorsprung der Union prognostiziert, Forsa sogar das Gegenteil. Umfragewerte sind normalerweise keine Prognosen, nur Allensbach hat ihre letzten Daten wohl dahingehend uminterpretiert (und laut Claus auch Forsa, les ich grad). Aber natürlich kann man sich die Frage stellen, ob Umfragewerte Sinn machen, eben weil sie keine Prognose sind. |

Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 17:18 Uhr: | |
@ich: > Aber natürlich kann man sich die Frage stellen, ob Umfragewerte Sinn > machen, eben weil sie keine Prognose sind. Eben! Ab und zu machen die Institute sozusagen per Fußnote darauf aufmerksam, daß sie ja "nur" die Stimmung zum Umfragetag messen und nichts über den Wahlausgang prognostizieren könnten. Aber das sagen sie nur selten und leise. Denn letztlich interessiert kein Mensch sich dafür, wie am Dienstag vor der Wahl die Stimmung war - sondern man will wissen, wie es Sonntag aussehen wird. Nur weil man wenn schon nicht offiziell behauptet, so zumindestens suggeriert, die Umfragewerte wären eine Prognose, finden sie überhaupt Interesse. Und letztlich kann die Qualität einer Umfrage ohnehin nur an der Nähe zum Wahlergebnis gemessen werden. Irgendwelche halbwegs plausiblen Zahlen kann ich mir ganz ohne Mühe und Unkosten auch jederzeit aus den Fingern saugen. Wenn die Zahlen der Institute nicht besser sind, also näher am Ergebnis, dann sind sie sinnlos. |

ich
| Veröffentlicht am Montag, 23. September 2002 - 17:46 Uhr: | |
Ich würd die Institute nur zum kleineren Teil für die Fehlinterpretationen verantwortlich machen. Es sind vor allem die Medien, die das tun. Sonst würd es ja keinen interessieren. |

E. Behrens
| Veröffentlicht am Dienstag, 24. September 2002 - 23:12 Uhr: | |
Wo sind die Briefwahlergebnisse zu finden? Deuten sie einen Meinungsswing der Wählerschaft in den letzten Tagen an als Aufregung wegen Däubler-Gmelin und Möllemann entstand? |

Bernhard Nowak
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2002 - 00:16 Uhr: | |
Artikel im Spiegel: "Wahlsonderheft 2002": "Debakel für die Demoskopen." Folgende Abweichungen vom Wahlergebnis stellt der "Spiegel" in seiner Sonderausgabe heute fest: Forsa (Umfrage 18. September): 4,2% Infratest-Dimap (13. September):4,9% Emnid (Umfrage 14. September) : 5,2% FGW (13. September) : 5,2% Allensbach (17. September) : 7,2% Thesen des Spiegel: "Das ERgebnis ist ein Debakel für die Demoskopen. Skeptiker können sich in ihrem Argwohn bestärkt fühlen, dass Wahlumfragen wenig mit mathematischer Präzision und viel mit Kaffeesatzleserei zu tun haben. Die Methoden der Meinungsforscher werden nach der Blamage der Branche kritisch hinterfragt werden müssen. Alle Wahlumfragen beruhen auf Stichproben, die als repräsentativ für die Gesamtbevölkerung gelten, deren Ergebnisse dann aber nach allerlei Geheimrezepten je nach Institut anders "gewichtet" werden. Die Meinungsforscher räumen denn auch eine Fehlermarge von 2,7 Prozentpunkten bei den großen und 1,4 Prozentpuunkten bei den kleinen Parteien ein. Das heißt: Ein Vorsprung von ein oder zwei Prozentpunkten in den Umfragen besagt nicht, dass die Partei, die aus Sicht der Institute führt, auch tatsächlich vorn liegt." Weiter oben. "Nur das Institut für Demoskopie in Allensbach scherte aus der Phalanx aus und prognostizierte Mitte voriger Woche erneut einen hauchdünnen Vorsprung der Union - revidierte die Vorhersage aber zwei TAge vor der WAhl und schwenkte auf die Generallinie der anderen Institute ein. Das besondere Markenzeichen der Allensbacher war die stete Überschätzung der Liberalen, die Werte von bis zu 13,2 Prozenten erzielten. Doch das Institut, das sich rühmt, bei der Wahl vor vier Jahren die Stimmenanteile aller PArteien bis auf wenige Zehntelprozentpunkte richtig vorhergesagt zu haben, lag diesmal ganz schief. Die Summe der Abweichungen bei allen füpnf Parteien etrug am Wahlsonntag 7,2 Prozentpunkte." Was dies für Allensbach bedeutet, wurde im Thread: "Allensbach" ja schon sehr ausführlich diskutiert. Doch der Spiegel weiter: "Doch selbst bei en Prognosen am Wahlsonntag um 18 Uhr, die allesamt auf Befragungen von Wählern nach der Stimmabgabe vor ausgesuchten Wahllokalen beruhten, herrschte Verwirrung. Während Infratest dimap für die ARD einen 39:37-Prozent-Vorsprung für die Union vorhersagte und die Forschugnsgruppe Wahlen für das ZDF einen 38:38-Prozent-Gleichstand prognostizierte, sah Forsa bei RTL die SPD mit 38,5 Prozent einen halben Prozentpunkt vor der Union. So behält der Münchner Volkskomiker Karl Valentin Recht, dass Prognosen immer schwierig sine - vor allem, wenn sie auf die Zukunft gerichtet sind." |

Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2002 - 10:26 Uhr: | |
Wo gibt es eigentlich die genauen Wahlanalysen nach Alter und Geschlecht und die Wählerwanderungen? Einzelergebnisse daraus standen heute in den Zeitungen, aber nicht die kompletten Informationen. |

Claus
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2002 - 10:47 Uhr: | |
@Ralf Arnemann: Eben auch im Spiegel-Wahlsonderheft 2002. |

Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2002 - 11:54 Uhr: | |
@Claus: Danke, gefunden. Wobei mich die Auswertung doch in einigen Bereichen befremdet. Zum Beispiel haben die Grünen laut diesen Infratest-Zahlen bei den Männern 3, bei den Frauen sogar 4% zugelegt. Klingt gut. Aber wie das dann zum Gesamtwachstum der Grünen von 2% paßt, ist mir völlig unklar. Sind da in großer Anzahl Eunuchen von der grünen Fahne gegangen? Ähnlich bei der Union: Bei hoher Bildung legt sie 4% zu, bei mittlerer und niedriger sogar 5%. Macht dann im Schnitt einen Zuwachs von 3,4%. Schon rätselhaft ... Ähnliches gilt bei der Konfessionsaufteilung: 4% bei den Protestanten, 6% mehr bei den Katholiken, 4% bei den sonstigen - auch da habe ich Probleme, einen Schnitt von 3,4% zu errechnen. Auch bei der Altersverteilung oder den Berufen finde ich einige schwer erklärbare Anomalien, aber da läßt sich das (weil die Größe der Gruppen nicht angegeben wird) nicht so direkt nachrechnen. Da bleibt doch die Frage, ob man diesen Zahlen insgesamt trauen kann. |

ich
| Veröffentlicht am Mittwoch, 25. September 2002 - 21:15 Uhr: | |
Die Zahlen werden sich vermutlich auf die jeweilige Prognose beziehn. Schließlich stammt beides aus der selben Datengrundlage. Die repräsentative Auszählung wird ja erfahrungsgemäß erst in ein paar Monaten fertig sein (keine Ahnung, warum das immer so lang dauert). Davon abgesehen: 5% von 40% sind beispielsweise streng genommen 2 Prozentpunkte. Das wird immer wieder durcheinandergeschmissen und manchmal weiß man wirklich nicht, ob nun Prozent oder Prozentpunkte gemeint sind. |

Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2002 - 11:38 Uhr: | |
Die Infratest-Auswertungen meinen eindeutig Prozentpunkte, und sie stimmen auch nicht, wenn man die Prognose nimmt. Ich werde die wohl mal anschreiben, was von diesen Fehlern zu halten ist. |

Claus
| Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2002 - 15:15 Uhr: | |
@Arnemann: Völlig richtig, vielleicht noch besser den Spiegel, die müssten eigentlich Interesse daran haben, dass "ihr" Institut sauber arbeitet. Ich dachte zudem, die Wählerwanderung sein Nonsens, da z.B. die Grünen lt. vorläufigem amtl. Endergebnis über 800 Tsd. Stimmen hinzugewonnen haben, lt. Spiegel-Grafik hingegen nur 490 Tsd. Gleiches gilt für die anderen Parteien. Lässt sich aber wahrscheinlich dadurch erklären, dass Gestorbene der letzten Wahl und Neuwähler in der Darstellung fehlen. Stellt sich bloß die Frage warum? |

ich
| Veröffentlicht am Donnerstag, 26. September 2002 - 23:16 Uhr: | |
Ralf, ich weiß gar nicht was du hast. Die Zahlen passen doch im Rahmen der Genauigkeit auf die Prognose, die ja offenbar auch auf ein halbes Prozent gerundet ist. Das ist übrigens ein schönes Beispiel dafür, dass es durchaus sinnvoll sein könnte, Werte mit wesentlich höherer Genauigkeit anzugeben, auch wenn der zu erwartende Fehler viel größer ist. Ich hab den Spiegel nicht vorliegen, aber ist überhaupt klar, auf was sich die Zahlen beziehen? Wie Claus schon angesprochen hat, kann der Saldo zwischen Verstorbenen und Neuwählern berücksichtigt sein oder auch nicht; gleiches gilt für Bevölkerungswanderungen bzw. Ein-/Ausbürgerungen. Die Bezugsgruppe könnte weiterhin Bewegungen von und zu Nichtwählern ein- oder ausschließen. Und schließlich ist erst mal offen, wie ein Wechsel eines Wählers zwischen den Teilgruppen (Berufswechsel, inzwischen erzielter Bildungsabschluss, Kirchenaustritt, Geschlechtsumwandlung, ...) behandelt wird. |

ich
| Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2002 - 07:02 Uhr: | |
Weil ichs grad wieder gefunden hab, hier noch ein schönes Beispiel für die Brauchbarkeit derartiger Analysen: Bei der Landtagswahl 2001 in Baden-Württemberg hat Infratest behauptet, die CDU hätte bei den männlichen Jungwählern 45% geholt, bei den weiblichen dagegen nur 35%. Die FGW hat dagegen fast genau das Gegenteil behauptet (35% gegenüber 44%). Die repräsentative Wahlstatistik hat später einen annähernden Gleichstand festgestellt (39,9% gegenüber 37,5%). Bei den männlichen Jungwählern der SPD ist Infratest mit 20% gegenüber den amtlichen 27,7% sogar noch weiter danebengelegen und hat damit mehr als jeden 4. unterschlagen. Natürlich kann auch die amtliche Statistik noch ziemlich falsch sein, aber mindestens eines der beiden Institute muss auf jeden Fall völlig danebengelegen haben. Quelle: http://www.mbfj.rlp.de/wirueberuns/einfuehrungsvorlesung_giessen.pdf (1 MB). |

Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2002 - 13:02 Uhr: | |
@ich: Schöne Beispiele dafür, wie falsch selbst eine Stichprobe von 20 000 Befragten sein kann (und dann wundern wir uns, wenn die 1000er-Sonntagsfrage so grottenfalsch liegt). Trotzdem finde ich es unseriös von infratest, die Stichproben-basierten Ergebnisse nicht auf die bekannten Wahlergebnisse umzurechnen. Beispiel: Grünenzuwachs von 3% bei den Männern und 4% bei den Frauen - das kann bei 2% echt gezähltem Zuwachs halt nicht sein. Sondern dann muß man die Proportionen aus der Umfrage umrechnen: Männerzuwachs ist dann real (3/7 von 2%) und Frauenzuwachs (4/7) von 2%) (mal unterstellt, es gäbe genau gleichviele Männer wie Frauen). Und die übrigen Gruppen müßte man gewichtet mit der Anzahl ebenfalls umrechnen. In der jetzt vorliegende Form sind die Zahlen so grob verzerrt, daß sie unbrauchbar sind. Da liegen ja die Fehlerquoten bei über 100%. |

Stoiber
| Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2002 - 13:48 Uhr: | |
Forsa kann man diesmal durchaus loben, sie haben auch die letzten Ereignisse wie Möllemann und Gmelin noch berücksichtigt, vielleicht sogar gemessen, sie haben SPD und FDP richtigerweise noch runtergestuft. Das Wachstum der Grünen war wohl nicht zu messen weil kein Institut hier Hinweise hatte. Wahrscheinlich durch viele taktische Wähler, diese sind wohl nicht voll messbar. Bei der PDS, SPD und FDP hat Forsa praktisch Volltreffer erzielt, die Union hat erst in letzter Sekunde noch gleichgezogen. |

Claus
| Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2002 - 14:54 Uhr: | |
@R. Arnemann: Das hat Infratest dimap halt davon, dass sie sich von ihren Auftraggebern so unter Zeitdruck setzen lassen: Bei der ARD hundsmiserable Hochrechnungen. Und im Spiegel-Sonderheft riesige Abweichungen der einzelnen Wählergruppen vom Gesamtergebnis. Für das Heftchen war halt Sonntagabend gegen 23.00 Uhr Redaktionsschluss, musste ja schließlich noch gedruckt werden und Montagabend bereits ausgeliefert werden. Da ist im letzten Moment vor Redaktionsschluss von der Spiegel-Redaktion lediglich noch das Gesamtergebnis der Realität angepasst worden für die einzelnen Wählergruppen war es zu spät. Vielleicht lernen alle Seiten daraus und lassen sich das nächste Mal mehr Zeit für Hochrechnungen und Sonderheft! |

Ralf Arnemann
| Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2002 - 17:41 Uhr: | |
@Claus: Da hast Du wohl ziemlich recht. Für die Seriosität von Spiegel und infratest ist das ein Armutszeugnis. Noch ärgerlicher ist, daß diese Zahlen von allen anderen Medien übernommen wurden und nun die "Wahrheit" über die Wahl darstellen. Eine Korrektur wird es da wohl nicht mehr geben (nur für die amtliche Altersstatistik, nicht aber für die anderen Aspekte). |

Michael
| Veröffentlicht am Freitag, 27. September 2002 - 19:01 Uhr: | |
@Claus, Ralf Äußere Analyse des Spiegelberichtes finde ich sehr gut, vor allem die vielen Fragezeichen, die Ihr gesetzt habt. Die Prognose der FGW war ja deutlich besser als die von Infratest Dimap. Beide Parteien wurden gleichstark vorhergesagt, wenn auch jeweils ein halbes Prozent unter dem tatsächlichen Ergebnis. Ich meine, am Wahlabend wären auch im ZDF Wähleranteile und -bewegungen erläutert werden. Sind diese Ergebnisse irgendwo veröffentlicht worden? Wenn ja, wie sind die Differenzen zum Spiegelbericht. |
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