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Prognosen-Debakel bei der ARD

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Ulrich
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 09:11 Uhr:   

Infratest dimap liegt ja ganz gerne selbst noch mit der 18-Uhr-Prognose ziemlich daneben (siehe Bundestagswahl 2002), aber gestern hat das Institut bei der Thüringen-Wahl den Vogel abgeschossen.
Erstens wich die 18-Uhr-Prognose ohnehin schon ziemlich stark vom Endergebnis ab (zumindest was die CDU- und "Sonstigen"-Werte angeht):

Prognose Infratest dimap
CDU 46,0 (3,0 % über dem Endergebnis!)
PDS 25,5 (0,6 % darunter)
SPD 14,5 (Punktlandung)
Grüne 4,0 (0,5 % darunter)
FDP 3,5 (0,1 % darunter)
Sonstige 6,5 (1,8 % darunter)

Zweitens, und das ist wirklich peinlich: Noch in ihrer letzten Hochrechnung um 23.44 Uhr sprach die ARD von 44 % für die CDU, während sie beim ZDF schon längst nahe 43 % lag und die Auszählungs-Seite des Landeswahlleiter dasselbe verkündete. Erst bei der Veröffentlichung des Endergebnisses kassierte die ARD dann ganz kleinlaut (und zwangsläufig) ihre 44 % für die CDU ein. Ich dachte immer, die Hochrechnungen sind die Ergebnisse der Prognose, verfeinert durch die aktuellsten Auszählungen in den Wahlbezirken? Wieso ist niemand bei Infratest dimap mal darauf gekommen, die eigenen Daten mit denen des Landeswahlleiters abzugleichen? Denn so hätte man schon viel früher darauf kommen können, dass man immer noch gehörig danebenlag.
Übrigens ist dieses Phänomen schon bei der Landtagswahl in Bayern im letzten Jahr aufgetreten - da lag die CSU bei der ARD noch kurz vor Bekanntgabe des Endergebnisses bei deutlich über 61 %, nur um das Ganze dann kräftig nach unten (auf 60,7 %) korrigieren zu müssen.

Ich glaube, in Zukunft stütze ich mich besser nur noch auf die Forschungsgruppe Wahlen im ZDF - denn die hatte bei den letzten Wahlen (auch gestern wieder) die deutlich bessere Trefferquote.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 10:05 Uhr:   

Die FWG-ZDF-Zahlen waren aber gestern auch nicht besser: Da waren die Grünen doch noch zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale im Thüringer Landtag und die CDU ohne absolute Mehrheit.

Insgesamt bestätigte dieser Wahlsonntag ein weiteres Mal, daß die Demoskopen mit dem modernen Wählerverhalten völlig überfordert sind: Die Prognosen waren letztlich wertlos.
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Koch for Kanzler
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 11:16 Uhr:   

So würde ich das aber nicht sehen!

Das ZDF hat z.B. 1999 im Saarland daneben gelegen, indem sie die SPD 3% vor der CDU gesehen haben.

Aber wenn ich mal an die Bundestagswahl 1998 erinnere: Da waren die Prognosen von ARD und ZDF fast identisch und haben das Ergebnis fast exakt wiedergegeben.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 11:33 Uhr:   

Ich hab mal die Kreisdaten beim Bundeswahlleiter überflogen. Es ist aus mehreren Gründen kein Wunder, dass die Prognosen danebenlagen:
- die für bundesweite Wahlen starken Verschiebungen (v.a. SPD)
- die 10% Sonstigen
- die geradezu unglaubliche und für Demoskopen tödliche Hochburgen-Diaspora-Topographie des Grünen-Ergebnisses (bei keiner anderen Partei sind die kleinräumigen Steigungen und Gefälle so groß).

Aber man hätte wenigstens auch mal drauf hinweisen können, dass die Prognosen diesmal mit besonderer Vorsicht zu genießen sind.
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Koch for Kanzler
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 11:39 Uhr:   

Für die Europwahl mag das ja gelten, aber das ist sicher keine Entschuldigung für Thüringen.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 12:15 Uhr:   

@Mörsberg:
> Es ist aus mehreren Gründen kein Wunder, dass die Prognosen
> danebenlagen
Gründe gibt es genug. Neben den von Dir genannten kommen noch die altbekannten Probleme mit unzuverlässigen Umfrageteilnehmern und der schwer einzuschätzenden Mobilisierung.

Ich glaube auch nicht, daß man es mit anderen Methoden besser voraussagen könnte.

Aber dann sollten die Medien eben dies auch mal klar sagen: Die Prognosen taugen nichts, können nichts taugen, und sind als Basis für Spekulationen oder politischen Diskussionen weitgehend unbrauchbar.

Die mangelnde Qualität der Prognosen ist auszuhalten - ist im Gegenteil viel besser für die Demokratie, wenn die Wahlergebnisse nicht so leicht vorhersehbar sind.

Aber der unehrliche Umgang mit den angeblichen Prognosen, das ist ein Skandal.
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Sole
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 13:33 Uhr:   

Ein Grund ist auch handwerkliche Schlampigkeit.

Zumindest in meinem Wahllokal mit aufgestellter DIMAP-Urne interessierte es den Aufseher im dimap-Shirt nicht, dass einige der Teilnehmer an der Stichprobe gar nicht wahlberechtigt waren.

Das sind natürlich marginale Effekte, die sich aber bei den sonstigen Unsicherheiten kaum positiv auswirken.

Das Ergebnis muss die Demoskopen im Vorfeld der Wahl (also nicht bei der Prognose) ohnehin zum Verzweifeln gebracht haben: Die SPD unvorstellbar tief im Keller, die PDS unverständlich hoch, die anderen Parteien schwer einzuschätzen - die Umfragebreite enthüllt eher Ratlosigkeit als Expertenstreit.
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albertzo
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 14:11 Uhr:   

smile
Prof. Falter

 hat die Lösung. Gestern bei S. Christiansen.

WahlRechtReform
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Marc K.
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 17:13 Uhr:   

Ich bin froh nur ARD geschaut zu haben, mußte ich doch hören das das blöde ZDF die Grünen tatsächlich drin gesehen hat. Daran wollte und konnte ich nicht glauben und lag damit auch richtig.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 19:35 Uhr:   

Ralf hat aber dennoch recht: es gibt doch eher - bezogen auf Thüringen - ein ZDF-Wahldebakel und keines der ARD. Wie man 5% prognostiziert, wenn das Ergebnis für eine Partei bei 4,5 liegt, ist mir doch schleierhaft. Dann muß man doch die Prognose genauer fassen und methodisch besser arbeiten, wenn ich Soles Beitrag sehe.
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Koch for Kanzler
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 21:56 Uhr:   

Andererseits ist es auch nicht gerade professionell, 46% für die CDU zu prognostizieren, wenn es am Ende 43% werden.

Und an das Desaster der ARD bei der Bundestagswahl erinnert man sich ja auch noch.
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 22:02 Uhr:   

@ Bernhard Nowak

0,5 Prozentpunkte sind doch selbst bei einer Wahlnachfrage locker im normalen statistischen Fehlerbereich. Da sehe ich kein Problem. Ich glaube, es wird eher immer schwieriger vernünftige Prognosen zu erstellen, weil a) die Ergebnisse immer mehr schwanken und b) auch die Leute z.T. Müll erzählen.

zu a) Wenn ich mir z.B. die beiden Stimmbezirke angucke, in denen in der Schule bei mir gegenüber gewählt wird: In einem hat die FDP sich von 1,8% auf 7,7% gesteigert, in dem anderen hat sie nur leicht von 2,9% auf 3,0% zugelegt. Nun war vor einem der beiden Wahllokale ein FGW'ler mit der Wahlnachfrage. Selbst wenn alle Befragten richtig antworten, kommt der doch je nachdem, welches für welches Lokal (und es hat keine Änderung der Gebietsabrenzung oder Neubauten, Sanierungen etc.pp. gegeben) er zuständig ist, zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen.
zu b) Ich hatte am Freitag vor der Wahl einen Aufruf im Briefkasten, mit dem aufgefordert wurde, den Umfragern bewußt falsche Angaben zu machen, damit den Meinungsforschern ihre Grenzen aufgezeigt werden. Ich weiß, daß ein nicht geringer Teil meiner Nachbarn dem Aufruf gefolgt ist und standardmäßig erklärt hat SPD statt vorher garnicht gewählt zu haben. So etwas könnte selbst beste Wissenschaft nicht ausgleichen.
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Bernhard Nowak
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 23:01 Uhr:   

@C.-J. Dickow: Das ist für mich keine Entschuldigung der ZDF-Prognose in Thüringen, denn selbst 2 Stunden nach Schließung der Wahllokale war bei der FGW immer noch offen, ob die Grünen im Landtag von Thüringen einziehen würden oder nicht. Ich nehme da nichts zurück: dann müssen Prognosen eben besser vorbereitet werden. Zwar sind 0,5% Fehlerpunkte normalerweise in der Toleranzgrenze und 3% über einem Ergebnis zu landen, wie es die ARD bei der CDU tat, ist auch sehr schlecht. Aber bei der Sperrklausel hat nun einmal auch eine 0,5%-Abweichung enorme Auswirkungen und dann sollte man genauer recherchieren.
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Ulrich
Veröffentlicht am Montag, 14. Juni 2004 - 23:49 Uhr:   

@Bernhard Nowak: Da hilft selbst die beste Recherche nicht, wenn es einfach noch unklar ist, wie die noch nicht ausgezählten Wahlbezirke denn in puncto Grüne abgestimmt haben. Vergessen Sie nicht: Die Hochrechnungen der Fernsehsender basieren auf der 18-Uhr-Prognose, die lediglich durch die eingetroffenen "realen" Ergebnisse verfeinert wird. Das ZDF hatte in der 18-Uhr-Prognose die Grünen bei 5 Prozent taxiert und die städtischen, d.h. eher "grünen" Wahlbezirke in Thüringen haben gestern überwiegend schneller ausgezählt als die ländlichen, eher "nicht-grünen" Wahlbezirke (das habe ich auf der Homepage des Thüringer Landeswahlleiters gesehen). Da ist es doch kein Wunder, dass das ZDF mit solchen Auszählungsresultaten in der Tasche nicht so schnell von ihrer ursprünglichen 5-Prozent-Prognose herunterkommt. Und Steffen Seibert hat auch immer wieder darauf hingewiesen, dass es noch absolut nicht sicher sei, ob die Grünen reinkommen oder nicht! Es gab ja sogar zwei unterschiedliche Tortendiagramme für die Sitzverteilung - mal mit, mal ohne Grüne.

Manchmal hat man eben leider das Pech, dass eine Partei in der eigenen Prognose bei den kritischen 5 Prozent landet und es dank der Schwankungsbreite immer mal wieder so aussieht, als ob diese Partei in den Landtag käme und dann plötzlich doch wieder nicht. Das sollten Sie dem ZDF aber nun wirklich nicht vorwerfen, das ist halt das Gesetz der Mathematik (oder vielmehr der Statistik). Ich finde +/- 0,5 Prozentpunkte Fehlermarge jedenfalls nun wirklich völlig normal - im Gegensatz zu schlappen 3,0 Punkten bei der ARD.

Im Übrigen: Auch zur Europawahl war die ARD-Prognose ja höchst ungenau - 2,0 Punkte Abweichung bei der CDU, 1,5 bei der SPD, 1,4 bei den Grünen und 1,8 bei den Sonstigen.
Da sah das ZDF mit 1,0 Punkten Abweichung bei der CDU, 0,5 bei der SPD, 0,4 bei den Grünen, 0,1 bei PDS und FDP und 0,8 bei den Sonstigen entschieden besser aus!
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Juni 2004 - 12:05 Uhr:   

@C.-J. Dickow:
> Ich glaube, es wird eher immer schwieriger vernünftige Prognosen zu
> erstellen, weil a) die Ergebnisse immer mehr schwanken und b) auch
> die Leute z.T. Müll erzählen.
Völlige Zustimmung.
Deswegen sage ich auch nicht "die Prognosen müßten besser sein".
Sondern: "Die Medien und Institute dürfen nicht immer den Eindruck vermitteln, die Prognosen wären solide".

Wenn man (aus nachvollziehbaren) Gründen nur mit einer hohen Fehlerrate arbeiten kann, dann darf man seriöserweise keine exakten Angaben mit Nachkommastelle machen.

Im konkreten Fall hätte die 18.00-Uhr Prognose für Thüringens Grüne halt lauten müssen: Liegen wahrscheinlich zwischen 3% und 5,5%.
Und dann hätte man halt warten müssen, bis man vernünftige Zwischenergebnisse hat.


@Ulrich:
> und die städtischen, d.h. eher "grünen" Wahlbezirke in Thüringen
> haben gestern überwiegend schneller ausgezählt als die ländlichen
Es wäre aber höchst unprofessionell, wenn das in den Hochrechnungen nicht berücksichtigt würde. Da müssen die alten Vergleichswerte pro Wahlbezirk berücksichtigt werden, dann rechnet sich von alleine aus, daß zum Zeitpunkt X erst die Hochburgen gezählt sind und das Ergebnis niedriger liegen wird.
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Ulrich
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Juni 2004 - 12:35 Uhr:   

@Ralf Arnemann:

"Es wäre aber höchst unprofessionell, wenn das in den Hochrechnungen nicht berücksichtigt würde. Da müssen die alten Vergleichswerte pro Wahlbezirk berücksichtigt werden, dann rechnet sich von alleine aus, daß zum Zeitpunkt X erst die Hochburgen gezählt sind und das Ergebnis niedriger liegen wird."

Vielleicht war es ja bei der vorangegangenen Landtagswahl genau umgekehrt und die ländlichen Wahlbezirke haben schneller ausgezählt als die städtischen (beide Wahlen lassen sich eh schlecht vergleichen, da diesmal ja noch zeitgleich die Europawahl-Stimmen ausgezählt werden mussten). Wie auch immer: Dieses Phänomen (ungleichmäßige Auszählung der Wahlbezirke wirkt sich auf Hochrechnungen aus) ist nicht neu. Ich erinnere mich da noch gut an die Landtagswahl 1999 in Sachsen. Da hatten sich binnen einer Stunde die Hochrechnungen für die CDU überraschend stark verschlechtert (von über 60 auf um die 57 Prozent, glaube ich). Dafür hatte einer der Wahlforscher (ich glaube, Matthias Jung von der FGW) die Erklärung, dass die ländlichen Bezirke viel schneller ausgezählt hätten und dass jetzt erst die städtischen (und damit weniger "schwarzen") Bezirke hinzukämen. In dieser Vehemenz hat sich dieses Phänomen seither aber nicht mehr wiederholt. Verglichen damit waren waren die Schwankungen für die Grünen in Thüringen ja wirklich Peanuts.
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Mörsberg
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Juni 2004 - 12:48 Uhr:   

> Ich hatte am Freitag vor der Wahl einen Aufruf im Briefkasten, mit
> dem aufgefordert wurde, den Umfragern bewußt falsche Angaben zu
> machen

Der Gedanke ist legitim. Es besteht keinerlei Verpflichtung, nicht einmal die geringste moralische, bei Meinungsumfragen die Wahrheit zu sagen.
Wirkliche Stimmungen kann man mit den üblichen Umfragemethoden schlecht erfassen.
Die Fehler durch mangelnde Berücksichtigung regionaler und kleinräumiger Hochburgen-Diaspora-Topographien einzelner Parteien sind nicht neu, aber in letzter Zeit offenbar die Hauptursache für fehlgeschlagene 18-Uhr-Prognosen und Hochrechnungen. Frappant ist allerdings die Unfähigkeit der Institute, hier eine angemessene Gewichtung vorzunehmen.
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c07
Veröffentlicht am Dienstag, 15. Juni 2004 - 15:28 Uhr:   

Sole:
> Zumindest in meinem Wahllokal mit aufgestellter DIMAP-Urne

Im Wahllokal? Urne? Was haben die im Wahllokal zu suchen? Außerdem sind das doch keine Zweitwahlzettel, sondern ausführliche Befragungen. Immerhin speisen sich ja auch die Wählerwanderungsanalysen vor allem aus dieser Quelle (und sind entsprechend falsch, wenn die Prognose nicht sehr exakt war (was nicht umgekehrt heißt, dass sie unbedingt zuverlässig wären, wenn die Prognose richtig war)).

C.-J. Dickow:
> auch die Leute z.T. Müll erzählen.

Im Osten ist es ja offensichtlich auch so, dass die Befrager (wohl oft oder meistens aus dem Westen) nicht fähig sind, aus einer Aussage die eigentliche Information zu ziehen. Teils liegt das wohl an der geringeren Bereitschaft, Aussagen zu machen, teils aber auch an kulturellen Kommunikationshemmnissen.

Abgesehn davon würd ich aber bei einer Nachwahlbefragung niemals wahre Angaben machen, weil ich der Meinung bin, dass solche Informationen so schlecht wie möglich sein sollten. Bei normalen Umfragen kann man sich diesen Luxus allerdings kaum leisten, weil ihr praktischer Einfluss zu groß ist.

Allerdings hab ich noch nie eine Nachwahlbefragung erlebt. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich in der Regel erst in der letzten halben Stunde wähl. Diese Klasse von Wählern fällt ja wie größtenteils auch die Briefwähler aus der 18-Uhr-Prognose ziemlich raus.


Übrigens ist es schon etwas leichter, kleine Parteien genau abzuschätzen. Bei 40% ist der statistische Fehler ungefähr doppelt so groß wie bei 7%.

Fehler, die durch die Auszählgeschwindigkeiten verursacht werden, können mit minimalem Aufwand korrigiert werden, solang sich die Hochburgen der Parteien (inkl. regionaler Wahlbeteiligung) nicht verschieben. Ich geh davon aus, dass das die Institute natürlich auch tun. Allerdings steigt der mögliche Fehler, je weiter das Ergebnis von dem der letzten Wahl entfernt liegt.

Eine exakte Angabe des erwarteten Werts halt ich schon für wünschenswert, weil sonst Information verloren geht. Man muss halt zusätzlich ehrlich mit den zu erwartenden Fehlermargen umgehn. Am Wahlabend wird das aber meistens (im Gegensatz zu sonstigen Umfragen) schon ungefähr richtig interpretiert. Nur die Sekundärberichterstatter und teilweise auch Politiker sind manchmal relativ naiv oder skrupellos.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Mittwoch, 16. Juni 2004 - 11:05 Uhr:   

@Ulrich:
> Vielleicht war es ja bei der vorangegangenen Landtagswahl genau
> umgekehrt und die ländlichen Wahlbezirke haben schneller ausgezählt
> als die städtischen
Das darf eigentlich keinen Unterschied machen!

Ich weiß ja nicht, wie die hochrechnen. Aber seriös wäre es nur, wenn sie nicht einfach die eingehenden Teilergebnisse eintippen, sondern auch festhalten, welcher Stimmbezirk das ist. Und dann mit den gespeicherten Werten genau dieses Bezirks vergleichen.
Dann gibt es natürlich immer noch Fehlermargen - aber das Hochburgenproblem müßte damit weitgehend eliminiert werden können.
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C.-J. Dickow
Veröffentlicht am Sonntag, 20. Juni 2004 - 00:37 Uhr:   

@Ralf

Manchmal haben die Institute aber doch reale nicht wegzudiskutierende Probleme. Bei der letzten Bundestagswahl hat die FDP sich in Hamburg von 6,5% auf 6,8% gesteigert, so weit so gut. In ihren Hochburgen (100 beste Stimmbezirke), die alle in dünnbesiedelten Einfamilienhausgebieten mit geringer Zahl an Wahlberechtigten je Stimmbezirk liegen, hat sie im Schnitt 5 Prozentpunkte verloren. Gleichzeitig hat sie sich in den 100 schlechtesten Stimmbezirken, Hochhaussiedlungen mit vielen Wahlberechtigten je Stimmbezirk, ihren Stimmenanteil verdreifacht (von 1,5% auf 4,5%). Nun wurden die kleinen Stimmbezirke natürlich schneller ausgezählt. Die ersten Hochrechnungen für Hamburg sahen dramatische Einbrüche voraus, weil keiner ahnte, daß die Tendenz in den Hochhaussiedlungen komplett entgegengesetzt war. Unser einziger Bundestagsabgeordneter hatte sein Mandat schon abgeschrieben, bis dann - sehr spät - auch die Gebiete mit Zuwachs kamen. In solchen Fällen kann man den Instituten nun wirklich nichts vorwerfen. Ich habe das ganze 1986 bei der Bürgerschaftswahl auch schon mal umgekehrt erlebt, als die FDP in ihren Hochburgen gewann und sonst nirgendwo. Da jubelten wir nach der ersten Hochrechnung (5,4%), um am Ende mit 4,8% die große Enttäuschung zu erleben.
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Ralf Arnemann
Veröffentlicht am Montag, 21. Juni 2004 - 12:30 Uhr:   

@C.-J. Dickow:
> Manchmal haben die Institute aber doch reale nicht
> wegzudiskutierende Probleme.
Ganz sicher. Und zwar sehr viele und nicht behebbare Probleme mit großen Auswirkungen.

Und deswegen bleibt meine Grundforderung, daß Institute und Medien endlich mit diesem unseriösen Quatsch aufhören sollten und irgendwelche Wert zu lügen.
Wenn man nur eine Spanne von 4 bis 7% angeben kann, dann soll man halt nicht einen Präszision suggerierenden "Prognose"- oder "Hochrechungs"-Wert von 5,4 angeben.

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